Es war also richtig, dass wir eine umfassende Anhörung im Rechtsauschuss durchgeführt haben. Das war, wie ich denke, eine sehr wertvolle Erfahrung für alle drei Landtagsfraktionen. Wir hatten ein breites Spektrum an Sachverständigen geladen. Wir als CDU fühlen uns in unserer Auffassung, was den sachgerechten Umgang mit Jugendkriminalität und Jugendgewalt angeht, umfassend bestätigt.
Jugendkriminalität hat – das war schon im Januar hier Konsens – ihre Ursache in Perspektivlosigkeit, mangelnder Bildung, zerrütteten Familienverhältnissen, mangelnder Integration und im Gefühl, ausgestoßen zu sein. Jugendliche mit gesundem Selbstwertgefühl sind immun gegen ein Abrutschen in kriminelle Karrieren. Also müssen wir hier ansetzen. An dem Punkt sind alle drei Landtagsfraktionen weitgehend einig, was ein Vergleich beider Anträge zeigt.
Allerdings möchten wir einen Punkt aus der Anhörung an dieser Stelle in Erinnerung rufen. Der Vorsitzende des Landesjugendhilfeausschusses hat uns deutlich ins Stammbuch geschrieben, dass gegen Schulverweigerer noch mehr getan werden muss. Ich zitiere ihn: Schulverweigerung ist ein Problem, dem wesentlich mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht werden muss. –
Ja, der Kampf dafür, dass das bekämpft wird, muss gefördert werden. Vielen Dank für die Gelegenheit zur Klarstellung, Frau Kollegin.
Wir sind uns aber auch einig, dass dieses erst Resultate in Jahren haben wird, aber was ist mit den Jugendlichen, die wir jetzt schon nicht mehr erreichen? Unsere feste Überzeugung als CDU-Landtagsfraktion ist, dass wir die Sanktionsseite weiter im Blick behalten müssen. Meine Damen und Herren, es ist ein ganz wichtiger Punkt für die CDU, dass wir eine Verfeinerung der staatlichen
Das erste Stichwort an dieser Stelle ist ganz klar der Warnschuss-Arrest. Das hat die Anhörung klar ergeben. Wir haben es schon im Januar betont und tun dies erneut: Ein Besuch von uns in der Jugendarrestanstalt in Worms war sehr lehrreich; denn der Leiter dort hat in seltener Klarheit formuliert, wie in Österreich und in der Schweiz bräuchten wir das auch in Deutschland, was in diesen Ländern „Schock-Strafe“ heißt. Wir bezeichnen dies als Warnschuss-Arrest. Wir brauchen dies, um Jugendlichen zu zeigen, was es heißt, wenn man nicht nur eine Freiheitsstrafe auf Bewährung bekommt und doch wieder als freier Mann oder freie Frau nach Hause geht, sondern wenn man verspürt, was die Sanktion „Freiheitsentziehung“ heißt. Die Praxis will das. Wir unterstützen das voll und ganz und würden uns freuen, wenn die Landesregierung zur Einsicht käme und im Bundesrat entsprechende Initiativen von CDU-Ländern unterstützen würde.
Ich komme zum zweiten Komplex. Dies ist das Thema „Jugendarrest“. Wir waren nicht ohne Grund in Worms, um uns vor Ort zu informieren. Wir stellen fest, dass es dort eine erhebliche Fehlbelegung insofern gibt, als nicht nur Jugendliche mit typischen Jugendverfehlungen dort verspüren, was es heißt, Freiheitsentziehung zu erleben, sondern dort sind 30 % der Jugendlichen, wie uns gesagt wurde, mit krimineller Vorerfahrung, die dort nicht hingehören. Es ist an der Gerichtspraxis, die Weichen entsprechend umzustellen.
Vollzugsdefizite müssen dort abgebaut werden. Wir brauchen dringend eine zweite Jugendarrestanstalt. Wir haben dies schon mehrfach gefordert. Wir erwarten, dass im Doppelhaushalt 2009/2010 die Weichen dafür gestellt werden.
Aus unserer Sicht ist ganz klar, dass der Antrag von SPD und FDP, leicht verbessert durch die FDP, zu einseitig ist. Wir bleiben dabei: Auf zwei Beinen steht man richtig. Wir wünschen uns deswegen, dass unser Antrag Zustimmung findet.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Rheinland-Pfalz ist ein sicheres Land, auch
hinsichtlich der Jugendkriminalität. Herr Dr. Wilke, wenn Sie das über einen Kamm scheren, indem Sie sagen, Schäuble warnt vor Jugendkriminalität, dann haben Sie einerseits recht. Es gibt bei den Rohheitsdelikten ein Problem. Die Landesregierung und dieser Landtag haben sich in vielfacher Weise, wie wir vom Berichterstatter eben gehört haben, des Problems angenommen. Wenn Sie davon sprechen, dass in Ihrem Antrag die Verfeinerung des staatlichen Instrumentariums zum Ausdruck komme, dann frage ich mich, inwieweit Sie damit Rohheitsdelikte bewerten.
Wenn Verfeinerung bedeutet, dass Sie Strafverschärfung wollen, wenn Verfeinerung bedeutet, Sie wollen Warnschuss-Arrest und Sie sich dann auch noch beim Instrumentarium der Verfeinerung unter Hinweis auf die Schulverweigerer auf den Vorsitzenden des Landesjugendhilfeausschusses beziehen, der zu Schulverweigerern sicherlich gesagt hat, dass dies ein Problem sei, bei dem wir etwas tun müssten, warne ich davor, dies über einen Kamm zu scheren und zu behaupten, die Schulverweigerer seien unsere Intensivtäter, die nachher nur noch, womöglich unter Drogeneinfluss, prügeln und Gewalt ausüben. Ganz im Gegenteil, dies ist nicht so. 99 % derjenigen, die in ihrer Sturm- und Drangzeit einmal über die Stränge schlagen, führen danach ein völlig normales Leben wie jeder andere auch. Nur 1 % sind diejenigen, die uns bei den Gewalt- und Rohheitsdelikten Sorgen machen.
Sie haben eindrucksvoll bei der Anhörung auch etwas anderes gehört, nämlich dass Strafschärfungen überhaupt nichts bringen; denn eine Strafe von 10 bis 15 Jahren – dies steht immer im Raum – hat keinen Einfluss mehr auf die Erziehung. Diesbezüglich sei nach vier Jahren Schluss, sagt der BGH.
Warnschuss-Arrest heißt nichts anderes, als dass die Ultima Ratio unseres Strafgedankens, nämlich Freiheitsentzug, plötzlich schuldunangemessen sofort verhängt wird. Mich wundert, dass Sie das nicht für das Erwachsenenstrafrecht fordern, dass man einfach einmal bei dem kleinsten Vergehen jemanden für zwei Wochen einsperrt.
Auf Jugendliche lässt sich einfach so pauschal herumhacken, wie Sie das erfolgreich zeigen. Ich finde es etwas schade, weil wir in der Analyse nicht weit auseinanderliegen, sondern nur in den Konsequenzen.
Wenn Sie in der Anhörung zugehört hätten, z. B. Herrn Professor Streng oder dem eben zitierten Herrn Pfarrer Bähr, und von Ihren Forderungen nur von Strafschärfungen und dem Einsatz der Landesregierung im Bundesrat für Warnschuss-Arrest abgewichen wären, hätten wir einen gemeinsamen Antrag einreichen können, glaube ich; denn wir wollen auf ein Mehr an Erziehung setzen, um Jugendliche wieder auf die richtige Bahn zu bringen, statt einfach nur längere Strafen zu verhängen.
Wir wollen mehr Prävention durch Aufklärung und Hilfestellungen anwenden, statt Jugendliche direkt beim
ersten Fehltritt einzusperren. Wir sehen die Chancen in der besseren und früheren Förderung, statt Jugendlichen bei einem erstmaligen Fehltritt für den Rest ihres Lebens direkt das Stigma „Knacki“ anzuhängen.
Prävention, Reaktion und Opferschutz, das ist der entscheidende Dreiklang. Darüber haben wir schon beim letzten Mal gesprochen. Das gilt nicht nur bei den Erwachsenen, sondern insbesondere bei der Jugendkriminalität und deren Ursachen.
Wir haben in Rheinland-Pfalz in der Vergangenheit viel getan und werden auch in Zukunft viel tun; denn die regierungstragende Fraktion ist mit der FDP-Fraktion zusammen der Auffassung, dass Bildung die beste Prävention ist und gute Bildung in Rheinland-Pfalz bessere Lebensperspektiven bringt. Bessere Lebensperspektiven bedeutet, dass die Perspektivlosigkeit für jeden Einzelnen abnimmt. Wir haben eindrucksvoll auch in der Anhörung erfahren, dass Perspektivlosigkeit von jungen Menschen eine der Hauptursachen für Kriminalität ist.
Ich nenne nur einige Programme, Sie kennen sie alle: „Zukunftschance Kinder – Bildung von Anfang an“ ist nicht nur ein Bildungsprogramm, sondern es ist ein Präventionsprogramm gegen Kriminalität.
Auch das erfolgreiche Ganztagsschulprogramm ist ein Beitrag gegen Kriminalität genauso wie die Beitragsfreiheit von Kindergärten. Wir setzen früher in der Förderung an und eröffnen Menschen Lebensperspektiven.
Wenn Sie ansprechen, dass die Rohheitsdelikte zunehmen, dann haben Sie recht, diese nehmen zu. Es nehmen aber auch weitere Delikte zu im Bereich der Rohheitsdelikte, nämlich diejenigen, die unter Drogen- und Alkoholeinfluss begangen werden. Was, wenn nicht Drogen und Alkohol, kann mehr Ausfluss dessen sein, dass sich junge Menschen immer mehr meinen, benebeln zu müssen, weil sie ansonsten für ihre persönliche Zukunft keine anderen Auswege sehen?
Sie sagen immer, Integration sei ein Problem, und wir hätten ein Problem bei Menschen mit Migrationshintergrund. Diese werden in größerer Anzahl krimineller als Deutsche.
(Dr. Wilke, CDU: Habe ich das gesagt? – Frau Morsblech, FDP: Ja! – Dr. Wilke, CDU: Das habe ich nicht gesagt!)
Kriminalität ist ein Problem eines gewissen sozialen Status und wenn man keine Chance mehr sieht, aus eigener Kraft da rauszukommen.
Deshalb ist Sprachförderung für uns ein entscheidender Schlüssel; denn beim Kriminalitätsvergleich zeigt sich, das soziale Milieu ist entscheidend. Wenn wir Menschen mit Migrationshintergrund die gleichen Startchancen einräumen wie Menschen, die hier geboren und aufgewachsen sind und eine gute Sprachkompetenz schon von Hause aus haben, dann haben sie im Leben die
gleichen Startchancen und können die gleichen Erfolge erzielen wie andere auch. Das senkt nachhaltig die Kriminalität in unserem Land.
Als letztes die Reaktion: Auch das gehört dazu. Wenn Menschen einen Fehltritt geleistet haben, dann muss ihnen das Instrumentarium vor Augen gehalten werden.
Wir haben ein bemerkenswert breites Instrumentarium im Jugendstrafrecht. Der Richter kann angemessen reagieren. Wenn Sie sagen, Arrest sei die falsche Reaktionsform, so haben Richterinnen und Richter in diesem Land vielfältige kreative Möglichkeiten, auch anders zu reagieren.
Wir wollen nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen, wir wollen, dass kreative Lösungen jenseits des einfachen Strafens gefunden werden. Dazu ist aber eine schnelle Reaktion nötig.
Diesbezüglich werden wir mit mehr Personal bei der Strafjustiz, mit besserer Kommunikation zwischen Jugendhilfe und Justiz und mit mehr Häusern des Jugendrechts, nach meiner Vorstellung auch gerne in etwas kleinerer Form an den Standorten der Polizeidirektion, nachlegen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema „Jugendkriminalität“ hat uns in diesem Hause schon mehrfach beschäftigt. Heute liegen zwei Anträge vor: Zum einen der Antrag der CDU-Fraktion „Jugendkriminalität wirksam bekämpfen“ und der Antrag der SPD- und der FDP-Fraktion „Den nachhaltigen Kampf gegen Jugendkriminalität und ihre Ursachen fortsetzen“.
Bereits die Überschriften beider Anträge machen deutlich, dass sich alle drei Fraktionen über das Krankheitsbild und seine Symptome einig sind, nicht aber über die richtige Therapie. Gegenwärtig und künftig wollen wir alle einen noch größeren Einsatz im Bereich der Prävention, aber für eine Verschärfung der Sanktionen hat sich nur die CDU ausgesprochen. Die FDP lehnt dies ab.
Alle bisherigen Erfahrungen sowohl in Deutschland als auch in anderen Staaten haben gezeigt, dass eine Verschärfung der Sanktionen vielleicht besser das Genugtuungsinteresse der Opfer der jugendlichen Straftäter bedient, mehr aber auch nicht. Kein Straftäter wird eher auf den Weg der Tugend zurückgeführt, wenn das Strafmaß angehoben wird; denn jeder geht zunächst davon aus, dass er nicht erwischt wird.
Deshalb wird die Prävention auch künftig das Bündel an Mitteln sein, das weiterentwickelt und betrieben werden muss. Eine kriminelle Karriere setzt nicht erst mit der Strafmündigkeit ein, sondern sie hat vielfältige Vorboten.