Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Drei Viertel aller Eltern sind nach wie vor der Meinung, dass sich Beruf und Familie nur schwer miteinander vereinbaren lassen. Für die Frauen von heute ist es meistens keine Frage, dass sie arbeiten und ihren Weg gehen wollen. Es ist aber sehr wohl eine Frage, ob sie dabei auch Kinder bekommen, wenn sich der Weg zur Sackgasse entwickeln könnte. Wir alle hier wollen, dass es keine Entweder-oder-Entscheidung sein muss, dass sich Paare für Kinder entscheiden können und dann eine Wahlfreiheit haben. Es geht um die Wahlfreiheit, ihr Kind in den ersten Jahren selbst zu betreuen oder auch ihr Kind zeitweise betreuen zu lassen.
Zwei Drittel aller Eltern wünschen sich diese Betreuung ab dem zweiten Geburtstag, ein Drittel der Eltern sogar schon ab dem ersten Geburtstag, um wieder Geld verdienen zu können, aber auch, um wegen langer Auszeit einen Karriereknick oder auch eine Dequalifizierung zu vermeiden.
Bei der Kleinkindbetreuung bewegt sich bundesweit einiges. Wir haben in Rheinland-Pfalz demnächst den Rechtsanspruch für Zweijährige. Auch den Wünschen nach Betreuungsplätzen für die ganz Kleinen wird durch die Initiative unserer Bundesfamilienministerin nachgekommen. Wir alle hier wissen aber auch, dass diese guten Ansätze oft nicht ausreichen. Wenn eine Mutter täglich eine Stunde Fahrzeit zur Arbeit hin und auch wieder zurück hat, dann reichen die Betreuungszeiten in den Kindergärten oft nicht.
Gerade im ländlichen Beeich ist die Kleinkindbetreuung noch nicht so ausgebaut, wie wir sie gern hätten. Das ist fatal, und nicht nur für die Eltern. Laut ifo-Institut vom November 2007 kann die Hälfte der deutschen Unternehmen qualifizierte Stellen wegen ungeeigneter Bewerber nicht besetzen und muss daher Aufträge ablehnen. Allein 23.000 Ingenieurstellen sind offen, und an jeder Stelle hängen ein bis zwei Arbeitsplätze. Die Wirtschaft braucht die Arbeitskräfte der Frauen. Deshalb haben viele familienfreundliche Maßnahmen ergriffen. Dies liegt auch im eigenen Interesse; denn damit wird Motivation und Leistungsbereitschaft gesteigert. Die Eltern kehren viel früher aus der Elternzeit zurück, sind seltener krank und arbeiten produktiver. Das ist ein klares Plus für die Unternehmer.
Familienfreundlichkeit ist den Eltern viel wert. 80 % der Eltern wären auch bereit, für ein familienfreundliches
Arbeitsumfeld den Arbeitsplatz zu wechseln. Gerade mit der betrieblichen Kinderbetreuung kann ganz direkt auf die Bedürfnisse von Eltern eingegangen werden.
Leider nutzen genau diese Möglichkeit in RheinlandPfalz nur sehr wenige Betriebe, wie wir aus unserer Großen Anfrage wissen. Gerade einmal sechs Betriebe und 20 öffentliche Einrichtungen haben Betriebskindergärten. Beim Land selbst gibt es keine. Wenn wir sehen, dass nur 0,7 % der vorhandenen Betreuungsplätze durch Betriebe abgedeckt werden, haben wir hier noch großen Ausbaubedarf. Daher haben wir als CDUFraktion einen Antrag auf Ausbau gestellt. Aus diesem Antrag ist mittlerweile ein Gemeinschaftsantrag aller drei Fraktionen geworden. Ich freue mich darüber; denn wenn wir alle an einem Strang ziehen, wird sich hoffentlich auch viel in die richtige Richtung bewegen.
Der Zeitpunkt für den Ausbau der betrieblichen Kinderbetreuung ist jetzt ideal; denn der Bund hat aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds 50 Millionen Euro für die Einrichtung von neuen betrieblich unterstützten Kinderbetreuungsplätzen zur Verfügung gestellt. Bis zu 6.000 Euro Betriebskostenzuschuss zwei Jahre lang für jeden neuen Platz werden gezahlt. Unser Ziel im Sinne der Betriebe und vor allem auch der Familien muss es sein, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter zu steigern und das Programm des Bundes hier im Land intensiv umzusetzen. Daher ist die Landesregierung aufgefordert, die rheinland-pfälzische Wirtschaft umfassend auf diesem Weg zu begleiten, damit wir in Zukunft mehr Angebote für Familien haben und von der Unterstützung seitens des Bundes massiv partizipieren können.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser gemeinsame Antrag aller drei Fraktionen zum Ausbau der betrieblichen Kinderbetreuung ist erfreulich und zeigt einmal mehr, dass die SPD-Fraktion hier im Hause sachliche und an den Bedürfnissen der Menschen orientierte Politik macht. Das tun wir auch gern gemeinsam mit den anderen Fraktionen, wenn die Anträge überzeugende und sachliche Inhalte haben.
Vor diesem Hintergrund möchte ich jetzt auch noch einmal im Gegensatz zu den Ausführungen meiner Kollegin auf den Antrag zu sprechen kommen und den Antrag begründen. Unbestritten sind betriebliche Kinder
betreuungseinrichtungen ein wichtiger und zielgerichteter Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. In einer besonderen Art und Weise wird es Beschäftigten eines oder mehrerer Unternehmen ermöglicht, Kinder arbeitsplatznah und sehr flexibel mit persönlichem Bezug während der Arbeitszeit zu betreuen.
Das ist, was sich erwerbstätige Eltern wünschen. Eine solche Betreuungsmöglichkeit erspart den Eltern und Kindern organisatorischen Aufwand, entlastet andere Träger und zahlt sich für die Unternehmen in Arbeitsmotivation und dadurch Arbeitsleistung aus.
Immer mehr Firmen messen erfreulicherweise dem Familienbewusstsein bei der Personalrekrutierung hohe Bedeutung zu. Rheinland-Pfalz hat dabei bereits eine sehr gute Ausgangsbasis geschaffen. Längst ist der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für alle Dreijährigen verwirklicht. Ganztagsplätze und flexible Öffnungszeiten in den öffentlichen Kindertagesstätten und denen freier Träger wachsen. Das Betreuungsangebot wird kontinuierlich auf den Rechtsanspruch für alle Zweijährigen ab dem Jahr 2010 sowie auf die Kleinkindaufnahme hin ausgebaut.
In diesem Zusammenhang ist die Förderung betrieblicher Kindertagesstätten schon im Programm „Zukunftschance Kinder – Bildung von Anfang an“ im Jahr 2002, damals auf Antrag des Koalitionspartners FDP – liebe Frau Morsblech –, in das neue Kindertagesstättengesetz aufgenommen worden.
Die Regelung zum Finanzausgleich der Einpendlerkinder ist eine weitere wichtige Voraussetzung für das Gelingen eines Betriebskindergartens und trägt auch zur Akzeptanz einer solchen Einrichtung bei den Jugendämtern und Trägern benachbarter Einrichtungen und Kreise bei.
Gleichzeitig wurde mit vielen weiteren Projekten die familien- und kinderfreundliche Politik in Rheinland-Pfalz weiter ausgebaut. Im Aktionsprogramm „Viva Familia“ finden sich viele einzelne Maßnahmen, die die strukturellen Rahmenbedingungen für Kinder und Familien verbessern, die aber auch eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern am Familien- und Berufsleben ermöglichen.
Zu nennen sind unter anderem die lokalen Bündnisse für Familien, flexible Arbeitszeitmodelle, mobile Arbeitsformen, eine familienbewusste Arbeitsorganisation, die Etablierung einer entsprechenden Unternehmenskultur und die Zertifizierung mit dem Audit Beruf und Familie der Hertie-Stiftung.
Die vielfältigen Maßnahmen zeigen den hohen Stellenwert, den die kinder- und familienfreundliche Politik in Rheinland-Pfalz genießt.
Viele Unternehmen haben bereits erkannt, dass sich Familienbewusstsein, einhergehend mit einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sowie wirtschaftlicher Erfolg eines Unternehmens nicht ausschließen. Im Gegenteil, im durch die demografischen Strukturen
verschärften Wettbewerb um die besten Fachkräfte, um gut ausgebildetes motiviertes Personal können es sich Firmen nicht mehr leisten, auf qualifizierte und motivierte Frauen zu verzichten. Ein solches Klima muss zunehmend geschaffen werden. Es ist eine Gewinnsituation für beide Seiten, für die Familie und die Betriebe.
Vor diesem Hintergrund versteht sich der Ausbau betrieblicher Kinderbetreuung als ein weiterer Baustein zur Erreichung einer familienbewussten Arbeitswelt. Trotz sehr guter Rahmenbedingungen wird die Möglichkeit von Betriebskindergärten oder Belegplätzen derzeit nur wenig genutzt. Gerade in der Kleinkindbetreuung, für Kinder unter drei Jahren, ist erhebliches Ausbaupotenzial vorhanden.
In einem Flächenland wie Rheinland-Pfalz mit meistens kleinen und mittelständischen Unternehmen muss dabei besondere Hilfe bei den Rahmenbedingungen gestellt werden. Oftmals ist ein Betriebskindergarten für ein Unternehmen allein nicht realisierbar. Die Trägerschaft in Kooperation von mehreren Unternehmen ist aber auch organisatorisch schwierig. Hier müssen die Jugendämter verstärkt unterstützend und beratend eingreifen. Eine Koordination zwischen Betrieben, Jugendämtern und benachbarten öffentlichen oder freien Trägern sollte gewährleistet werden, um die Bemühungen zu forcieren.
Eine gute Möglichkeit gerade für kleinere Betriebe stellen die Belegplätze in Kindertagesstätten eines anerkannten Trägers dar. Von dieser Möglichkeit wird noch relativ wenig Gebrauch gemacht. Diese kann durch geeignete Information und Beratung intensiviert werden. Dabei bietet dieses Modell attraktive Anreize sowohl für die Betriebe, die die Plätze buchen und ihrem Personal zur Verfügung stellen, als auch für die Träger, die bei sinkenden Kinderzahlen auf diese Weise für eine optimale Auslastung ihrer Einrichtung sorgen können.
Das von der Bundesregierung aufgelegte Förderprogramm zur betrieblichen Kinderbetreuung stellt eine gute Ergänzung der in Rheinland-Pfalz begonnenen Anstrengungen des Ausbaus von Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren dar. Insbesondere kleinere und mittelständische Unternehmen sollen hiervon profitieren. Bedarfsgerechte und passgenaue Lösungen sollen gefunden werden. Um dieses Programm möglichst häufig nutzen zu können, muss es noch weiter in den Betrieben bekannt gemacht und die Betriebe bei der Umsetzung unterstützt werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie Sie sehen, ist der Ausbau der betrieblichen Kinderbetreuung nicht nur eine Sache des Bildungsausschusses oder des Bildungsministeriums. Viele Faktoren wirken mit. Man kann fast sagen, es ist eine Querschnittsaufgabe durch viele Arbeitsbereiche.
So haben das Familien- und Wirtschaftsministerium mit der Initiative „Beruf und Familie“ einen wichtigen und
Zusammen mit den Maßnahmen in der frühkindlichen Bildung sind wir im familienfreundlichen Rheinland-Pfalz auf einem guten Weg. Daran lassen Sie uns alle gemeinsam anknüpfen und den weiteren Ausbau der betrieblichen Kinderbetreuung intensivieren.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist begrüßenswert, dass wir alle gemeinsam den Blick auf eine zukunftsorientierte Familienpolitik richten, die auch die Vielfalt der Lebensbedingungen der Familien in unserem Land zum Thema hat. Ich denke, wir sind auf dem Weg der Betreuungsinfrastruktur, die den vielfältigen Bedingungen gerecht wird, in der Tat schon ein großes Stück vorangekommen.
Ich glaube, ich kann die Begründung des Antrags sehr kurz halten; denn Frau Kollegin Brück hat das gesamte Spektrum dankenswerterweise sehr gut dargestellt und auch die Bedingungen beschrieben,
mit denen die Arbeitswelt und die Betriebe selbst konfrontiert sein werden und die es auch für Betriebe nötig und erschwinglich machen, sich darum zu kümmern, auf Familienstrukturen und ihre Bedürfnisse besser einzugehen. Sie hat auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die betroffenen Eltern in den Blick genommen.
Gerade in einem Land, in dem wir viele Pendlerinnen und Pendler haben, ist es häufig ein praktisches Problem mit den Bring- und Holzeiten oder den Möglichkeiten, falls einmal etwas ist, oder man den Kontakt einfach so mit der Kindertagesstätte pflegen müsste, dies möglichst so zu tun, dass sich dies mit den eigenen Möglichkeiten und den eigenen Arbeitszeiten vereinbaren lässt.
Wir haben vor diesem Hintergrund in der Koalition – das wurde gesagt – in der vergangenen Legislaturperiode beschlossen, dass wir die betriebliche und die betriebsnahe Betreuung für Kinder ausbauen möchten und den Kostenanteil für die Jugendämter, der bei den Pendelkindern jeweils ein Problem dargestellt hat, vom Land ausgleichen wollen. Es hat sich gezeigt, dass die Regelungen zum Teil ganz gut angenommen werden, zum Teil nicht. Es gibt ein Stadt-Land-Gefälle. Auch das hat sich in der Anfrage gezeigt.
Ich glaube, das hängt damit zusammen, dass kleine und mittlere Unternehmen, aber vor allem die kleinen im
ländlichen Raum, ein Problem haben, sich selbst um diese Dinge zu kümmern. Die kleinen vor allem haben überhaupt keine Möglichkeit, selbst einen Betriebskindergarten einzurichten. Deshalb muss man an der Stelle der Belegplätze mit Sicherheit noch einmal die Beratungstätigkeit und das Zusammenbringen von Akteuren forcieren. Auch sehen wir Chancen in dem Programm der Bundesregierung.
Ich würde gerne damit schließen, dass ich noch einmal darauf verweise, dass wir als FDP-Fraktion einen weitergehenden Vorschlag gemacht und gesagt haben, am besten funktioniert es, wenn die Eltern ein Instrument der Nachfragemacht an der Hand haben. Deshalb wollen wir den Betreuungsgutschein, weil wir den Eltern die Möglichkeit geben wollen zu sagen, ich möchte mein Kind hier betreuen lassen, wir brauchen eine Möglichkeit.