Protocol of the Session on January 24, 2008

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Aber es ist genauso klar, dass dieses Geld irgendwo herkommen muss, das heißt, die Ausgaben werden in diesen Bereichen definitiv steigen. Die gute Nachricht ist, dass sich die Einnahmesituation der Krankenkassen verbessert hat, sich im nächsten Jahr zusätzlich verbessern wird und sie in Zukunft keine Schulden mehr zu bezahlen haben. Insofern dürfen wir hoffen, dass sich der Beitrag moderat entwickelt.

Es wird sich nichts daran ändern, ob dieser Beitrag in Zukunft einheitlich oder individuell erhoben wird; denn wir haben heute einen durchschnittlichen Beitragssatz. Den werden wir in Zukunft auch haben, nur mit dem Unterschied, dass er von allen Versicherten letztendlich erhoben wird.

Lieber Herr Dr. Schmitz, das ist absolut gerecht. Wir haben eine unterschiedliche Meinung dazu.

Ich bin fest davon überzeugt, wenn auch in Zukunft alle vom medizinischen Fortschritt profitieren wollen, unabhängig von ihrem persönlichen Geldbeutel, dann ist es auch richtig, dass sich alle nach ihrer Möglichkeit beteiligen, und zwar gleichermaßen.

(Beifall der SPD)

Noch einmal zu den 15,5 %, die in der Welt waren. Der Schätzerkreis wird überhaupt erst Ende diesen Jahres

den Durchschnittsbeitrag bemessen können, und alles andere dazu ist unseriös. Es ist auch kein Zufall, dass Springer wieder mit großen Titeln dieses Thema aufgemacht hat, um die Welt verrückt zu machen und zu prophezeien, dass die Lohnnebenkosten entsprechend steigen werden.

Ich darf vielleicht noch erinnern, tatsächlich sind die Sozialversicherungsbeiträge in den letzten Jahren deutlich gesunken, zum Jahresbeginn von zuvor 41 % auf unter 40 %, nämlich 39,7 %. Die Bundesregierung arbeitet mit gemeinsamen Kräften an diesem Thema. Wir sorgen vor, indem die Steuerzuschüsse für die Krankenkassen in Zukunft erhöht werden, und zwar Schritt für Schritt immer mehr, damit wir tatsächlich durch zusätzliche Mittel die Beitragssätze entlasten und die Ausgaben decken können.

Ich glaube, es ist eigentlich alles Wesentliche gesagt. Ich habe mich sehr gefreut, dass die Kanzlerin zu ihrem Gesundheitsfonds, den wir gemeinsam beschlossen haben, auch wirklich gestanden und zuletzt noch einmal betont hat, dass der Fonds im Jahr 2009 kommen wird.

Herr Dr. Schmitz, vielleicht noch zwei Sätze, weil für Sie offensichtlich nicht so ganz die Vorteile erkennbar sind. Aus meiner Sicht liegen die Vorteile in dem zielgenaueren Risikostrukturausgleich und im vollständigen Finanzkraftausgleich. Diese beiden Ausgleiche werden sicherstellen, dass die Krankenkassen nicht nur über Beiträge und nicht nur um die Gesünderen und Zahlungskräftigeren konkurrieren, sondern um Qualität konkurrieren. Diejenigen, die chronisch Kranke versorgen, werden einen entsprechenden Ausgleich erhalten, um sich an diesem Wettbewerb adäquat beteiligen zu können. Ich meine, insofern wird alles so laufen wie geplant.

Ich könnte noch einen Vortrag über die Bürokratie halten, die in der Form, wie sie im Zusammenhang mit dem Fonds immer wieder angeprangert wird, gar nicht existiert. Da halte ich mich aber jetzt zurück.

Niemand soll Bürgerinnen und Bürger verunsichern. Der Fonds spielt bei der Beitragssatzbestimmung keine Rolle. Das sollten wir nach außen posaunen, damit die Bürger nicht wieder vor etwas Angst bekommen, das mit dem Thema, das sie betrifft – dem Beitrag – nichts zu tun hat.

(Beifall der SPD)

Wir kommen nun zur Abstimmung über diesen Antrag. Wird Ausschussüberweisung beantragt? – Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur direkten Abstimmung über den Antrag.

Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Somit ist dieser Antrag mit den Stimmen der SPD gegen die Stimmen der CDU und der FDP abgelehnt.

Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:

Jugendkriminalität wirksam bekämpfen Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 15/1836 –

Es wurde eine Grundredezeit von zehn Minuten vereinbart. Herr Dr. Wilke, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie kennen mich schon als passionierten Zeitungsleser. Vor Kurzem gab es einen Artikel, der mich aufmerken ließ. Er trug die Überschrift „Die verlorenen Viertel der Hauptstadt“ und bezog sich auf Berlin.

(Zuruf der Abg. Frau Ebli, SPD)

Frau Ebli, nein, es war Berlin. Speyer ist nicht mehr Metropolis Germaniae. Das war einmal und kommt vielleicht wieder, aber das bezog sich auf Berlin.

Es wurde ganz klar gesagt, dass die GdP, die Gewerkschaft der Polizei, beklagt, dass man in bestimmten Vierteln in Berlin als Polizist schon Mühe hat hinzugehen, weil man sich dort aggressiven Jugendbanden gegenübersieht und um Leib und Leben fürchten muss.

Berlin ist zwar weit, aber Alzey doch recht nahe. Im November 2007 berichtete die „Allgemeine Zeitung“ darüber, dass fünf Schüler einen 14-Jährigen brutal zusammengeschlagen haben, der wegen seiner schweren Verletzungen in die Uni-Klinik Mainz eingeliefert werden musste. Daran sehen wir, dass Jugendgewalt überall ist. Das rechtfertigt es, sich mit diesem Thema ernsthaft und breit angelegt auseinanderzusetzen.

(Beifall der CDU)

Genau deshalb haben wir dieses Thema heute Morgen als Aktuelle Stunde behandelt und wollen das jetzt im Kontext mit unserem Antrag vertiefen.

Wir haben auf Bundesebene einen Zuwachs um 15 % und müssen feststellen, dass 43 % der Gewaltkriminalität von unter 21-jährigen Tatverdächtigen begangen wird, was es doppelt rechtfertigt, sich damit eingehend auseinanderzusetzen.

Ich darf auch noch eine Zahl aus Rheinland-Pfalz hinzufügen. Herr Minister, Sie haben heute Morgen doch ein wenig die Zahlen verwischt, indem Sie gesagt haben, insgesamt sei bei den Delikten die Zahl der Tatverdächtigen unter 21 Jahre rückläufig. Sie nannten 0,2 % oder gar 2 %. Das ist natürlich in der breiten Fläche fast richtig, wenn Sie alle Deliktstatbestände, die es gibt, einbeziehen. Da, wo es richtig interessant wird, nämlich beim Thema „Gewalt“, sieht es aber ein bisschen anders aus.

Ich will einmal eine Zahl nennen, die wir uns, insbesondere die Kolleginnen und Kollegen der SPD, hinter die Ohren schreiben sollten. Wir hatten 2002 3.000 Tatverdächtige bei den Delikten gefährliche und schwere Körperverletzung, während es im Jahr 2006

fast 4.000 waren. Wer rechnen kann, wird feststellen, dass das eine Steigerung um mehr als ein Drittel ist. Das ist doch gewaltig und weicht deutlich von dem ab, was Sie uns heute Morgen präsentiert haben, Herr Minister.

(Beifall der CDU)

Die Ursachen sind bekanntermaßen vielschichtig. Da sind wir gar nicht weit in der Betrachtung auseinander. Perspektivlosigkeit, oft auch mangelndes Selbstwertgefühl sind die Dinge, die junge Menschen dazu verleiten, kriminell zu werden. Wenn wir uns über die Gründe Gedanken machen, woher und weshalb junge Menschen Perspektivlosigkeit und mangelndes Selbstwertgefühl empfinden, kommen wir sehr schnell zu den Dingen, die auch Sie angesprochen haben, die aber auch in unserem Antrag in aller Deutlichkeit angesprochen werden.

Es geht um mangelnde Bildungschancen und mangelnde Integration, aber auch um mangelnde Erziehung und darum, dass oft Elternhäuser zerbrochen sind und die Familienstrukturen, die wir früher hatten, nicht mehr existieren, was jungen Menschen oft große Schwierigkeiten bereitet, sich im Leben zurechtzufinden.

Wenn wir uns dann überlegen, wie wir damit umgehen und wie wir dagegen vorgehen, dass Jugendkriminalität und Jugendgewalt nicht in Dimensionen hineinwächst, die diese Gesellschaft überhaupt nicht mehr beherrschen kann, ist aus der Sicht der CDU ganz klar – unser Antrag spiegelt das auch wider –, dass wir ein Maßnahmenbündel benötigen.

An dessen Spitze haben wir – das können Sie unserem Antrag entnehmen – ganz bewusst die Prävention gestellt. Da sind wir in vielen Punkten mit Ihnen einer Meinung. Wir sagen, dass die Punkte, die mit Bildung, mit Ausbildung und Integration zu tun haben, ganz, ganz wichtig sind. Es muss auch Programme geben, wie sie der Herr Minister heute Morgen beschrieben hat. Allerdings fügen wir hinzu, dass diese Programme gelegentlich auch einmal auf den Prüfstand gestellt werden müssen, damit geprüft werden kann, ob sie überhaupt das bringen, was sie bringen sollen.

Was für uns auch entschieden dazugehört, ist das Thema „Schulschwänzen“; denn fast alle kriminellen Karrieren von Jugendlichen haben damit angefangen, dass sie die Schule geschwänzt haben und dagegen nicht hinreichend vorgegangen wurde. Auch das gehört zur Prävention von Jugendkriminalität.

(Beifall der CDU)

Es ist heute Morgen schon hinreichend deutlich geworden, dass wir das Thema „Häuser für Jugendrecht“ in großem Konsens behandeln. Ich meine, da ist es manchmal die Praxis in der Justiz, die von der Richtigkeit dieses Konzepts überzeugt werden muss.

Eines ist aber auch klar: Bei diesem Thema „Prävention“ können wir nicht stehen bleiben. Das ist das, was ich heute Morgen mit der Einäugigkeit meinte, die ich gelegentlich bei Ihnen feststellen muss – auch heute Morgen musste ich die wieder feststellen –, und dem, was aus

unserer Sicht der richtige, der korrekte Ansatz ist. Wir müssen also unbedingt auch das zweite Handlungsfeld „Reaktion auf Delinquenz“ in den Blick nehmen.

Die erste Frage in diesem Zusammenhang lautet ganz klar: Haben wir die richtigen Sanktionen? Damit kommen wir langsam zu den Punkten, bei denen es richtig interessant wird. Darüber haben wir uns heute Morgen schon streitig auseinandergesetzt. Ich meine, es bleibt dabei, es gibt Dinge im Sanktionsinstrumentarium, über die vorurteilsfrei und ideologiefrei diskutiert werden muss.

Dazu gehört an vorderster Front meiner Meinung nach der Warnschussarrest. Es stimmt nämlich nicht das, was die SPD in ihrem Papier zur Pressekonferenz zum Besten gegeben hat, dass das jetzt schon möglich wäre. Arrest und Jugendstrafe schließen sich nach derzeitiger Rechtslage aus. Das ist genau der Punkt. Wie viele von den jugendlichen Straftätern empfinden eine Bewährungsstrafe als Freispruch? Das ist ein grundlegendes Missverständnis und verleitet nur zu weiterer Kriminalität. Dieser Warnschussarrest gäbe darauf die richtige Antwort.

Noch viel wichtiger wäre aus unserer Sicht das, was Günther Oettinger ins Gespräch gebracht hat, nämlich eine Erweiterung der Sanktionsmöglichkeiten durch ein Fahrverbot und das Verbot des Erwerbs des Führerscheins. Das sind vernünftige Dinge, weil wir damit die Jugendlichen da treffen könnten, wo es richtig weh tut.

(Beifall der CDU)

Wenn wir dann das Handlungsfeld „Reaktion auf Delinquenz“ weiter abgehen, kommen wir noch zu dem Thema, ob wir in den Verfahren bei der Umsetzung Defizite haben. Wir haben uns heute Morgen schon mit dem Vorschlag des Ministerpräsidenten und des SPDBundesvorstands auseinandergesetzt, dass alle Verfahren in einem Monat abgeschlossen werden müssen. Wir sagen, nein, das ist Unfug. Tat und Täter müssen grundlegend durchleuchtet werden. In einem Monat ist das weiß Gott nicht leistbar. Einen Schnellrichter für Jugenddelinquenz darf, den kann es nicht geben.

(Beifall der CDU)

Dagegen brauchen wir unbedingt eine angemessene personelle und sächliche Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden, der Jugendstaatsanwaltschaften und der Jugendgerichte. Da sind wir – das will ich gerne konzedieren – in Rheinland-Pfalz gar nicht so schlecht aufgestellt im Vergleich zu anderen Bundesländern. Defizite gibt es aber – das haben Sie auch mittelbar eingeräumt, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, indem Sie auf die Schnelle gesagt haben, wir wollen mehr Bewährungshelfer – bei der Bewährungshilfe.

(Baldauf, CDU: Das sagen wir schon seit zehn Jahren!)

Erste Ansätze sind im laufenden Doppelhaushalt zu erkennen. Wir meinen, dass das im Bereich der Jugendbewährungshilfe noch nicht genug ist. Das ist ein Feld, das noch weiter aufgearbeitet werden muss.

Erst recht gilt es, Defizite im Vollzug aufzuarbeiten und zu erkennen. Ich darf Sie in diesem Zusammenhang mit der Äußerung eines Jugendlichen konfrontieren, der in der JSA Schifferstadt einsitzt. Das, was er gesagt hat, fand ich bemerkenswert und sehr viel Interessanter als das, was Kriminologen, Gutachter und Wissenschaftler sagen, weil das von einem Betroffenen selbst formuliert wurde. Dieser Insasse der JSA hat in einem Interview für die „Rheinpfalz am Sonntag“ gesagt: Wenn ich damals schon schneller und strenger bestraft worden wäre, wäre ich vielleicht früher aus all dem rausgekommen. – Recht hat der junge Mann.

Wir wünschen ihm, dass er trotzdem aus allem rauskommt, und meinen, dass wir insbesondere im Jugendstrafvollzug die Möglichkeiten, die das neue Gesetz bietet, nutzen müssen. Dazu gehört insbesondere der Vollzug in freier Trägerschaft. Das ist das Thema, von dem wir meinen, dass die Landesregierung gefordert ist, mit geeigneten Trägern in Verbindung und in eine Diskussion einzutreten, damit wir à la Seehaus in BadenWürttemberg, das hier auf allseitige Zustimmung stieß, als die Gruppe es besichtigt hat, so etwas in RheinlandPfalz realisieren können.