Das war im Februar dieses Jahres. Das, was ich damals für die FDP gesagt habe, gilt auch noch heute. Die Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts für die Rasterfahndung und den Großen Lauschangriff sind nicht infrage zu stellen, und sie lassen sich ohne Weiteres auf die rechtliche Frage der Zulässigkeit heimlicher OnlineDurchsuchungen übertragen. Ich habe keinen Zweifel daran, dass diese hohen Maßstäbe vonseiten des Bundesverfassungsgerichts für die jetzt anstehende Entscheidung zur heimlichen Online-Durchsuchung noch einmal bestätigt werden.
Wenn ein wirklicher Bedarf für diese Maßnahme nachgewiesen werden kann, die Eingriffsbefugnisse hinsichtlich der potenziellen Delikts- und Tätergruppen exakt beschrieben werden, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt, ein Richtervorbehalt und je nach der handelnden Institution eine parlamentarische Kontrolle vorgesehen ist, wird man Mühe haben, auf Dauer heimliche Online-Durchsuchungen als Gefahrenabwehrmaßnahme ebenso wie als Strafverfolgungsmaßnahme auf Bundes- ebenso wie auf Landesebene zu verteufeln. Die FDP-Fraktion verschließt sich unter diesen Maßgaben der Einführung einer solchen Befugnis nicht, aber nur unter Wahrung dieser Vorgaben.
Nicht nur potenziell betroffene Bürgerinnen und Bürger brauchen Sicherheit, sondern auch die im Dienst der Sache Tätigen. Vergessen Sie das bitte nicht.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei dieser Diskussion stellen sich im Grunde genommen drei Fragen: Wie sieht die Situation der Sicherheit zurzeit aus? Ist nach den Festnahmen dieser drei Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Deutschland im Sauerland die Situation unsicherer geworden? Gibt es Bedenken oder Hinweise auf Anschläge? –
Nein, die Sicherheitslage ist stabil. Die Sicherheitsarchitektur, die wir nach dem 11. September 2001 unter Schwierigkeiten, aber mit der Mitwirkung von vielen hier gebaut haben – das erste Terrorismusbekämpfungsgesetz, den so genannten Otto-Katalog, um es nur zu erwähnen –, um auch in Rheinland-Pfalz einen Aufwuchs im Bereich des Verfassungsschutzes und Schwerpunkt in dieser Frage der Aufgliederung zu setzen – Islam-Terrorismus und Ähnliches –, ist erfolgt. Das heißt, die Sicherheitsarchitektur in diesem Lande steht, und sie ist gut. Sonst wäre nicht das erfolgt, was über eine längere Zeit erfolgt ist. Rheinland-Pfalz war seit Oktober 2006 personell und technisch daran beteiligt, dass drei mutmaßliche Terroristen in der Vorbereitung einer Terrorhandlung festgenommen werden konnten.
Seit dieser Zeit oder schon davor erleben wir eine Diskussion, die ich zum Teil als etwas abgehoben, zum Teil auch als nicht der Realität angemessen empfinde. Ich denke, es liegt auch an uns – ich nehme mich da selbstkritisch gar nicht aus. Die Aufgabe des Innenministers ist es, kühl zu analysieren, seine Aufgaben zu erfüllen und alles zu tun, damit die Menschen in Sicherheit leben können, aber seine Aufgabe kann nicht sein, Hysterie zu schüren.
Was in der Frage der schmutzigen Bombe und in der Frage der Abwehr von Terrorismus von See her und woher auch immer geschehen ist, in diese Fantasie kann ich mich gern einreihen. Wir haben ab dem 11. September 2001 geprüft, wie es mit biologischen Waffen aussieht, wie es sich mit ganz anderen Angriffen auf ganz andere weiche Ziele, die wir haben, verhält. Ich könnte das alles schön ausbreiten. Ich halte das für unsinnig, weil es keinen realen Hintergrund hat, im Moment auch nur darüber nachzudenken, weil auch die Sicherheitsbehörden natürlich auf diese Dinge vorbereitet sind, sie abklären und dann entsprechend den Minister, den Staatssekretär oder wen auch immer darauf hinweisen, dass es möglicherweise solche Entwicklungen gibt.
Was erleben wir also? Ich bin eben von dem Kollegen Baldauf mit dem Kollegen Schäuble verglichen worden. Ich muss sagen, es gibt einen eklatanten Unterschied.
Wenn wir nur diese sogenannte Online-Durchsuchung nehmen, dann ist es ja nicht so. Benennen Sie es doch bitte so, was es ist. Es ist ein Eindringen in fremde Rechner, ohne dass Sie es merken.
Sie können es nachlesen. Ich meine, es sei am 5. Februar 2007 gewesen. Damals habe ich in Abstimmung mit dem Landesvorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei erklärt, dass wir dieses Instrument wahrscheinlich brauchen werden, weil es die Technik gibt. Die Frage ist, unter welchen rechtsstaatlichen Gesichtspunkten wir ein solches Eindringen in einen Rechner dann auch durchführen können, welcher Richtervorbehalt erforderlich ist, welcher Straftatenkatalog, welche Gefahrenabwehr definiert wird, wenn es um Prävention geht.
Darum geht es. Der Unterschied ist, dass der Bundesinnenminister ohne diese Abklärung und ohne einen Gesetzentwurf der Bundesjustizministerin in der Frage Strafgesetzbuch – nämlich Straftatenkatalog – und Strafprozessordnung sagt: Ich will es jetzt schon ha- ben. – Das ist der große Unterschied.
Wir sagen Nein. Wir sagen mit guten Grund Nein, weil es dabei zwei Dinge gibt. Das Bundesverfassungsgericht prüft ein Gesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, in dem es um Fragen der Kompetenzen des Verfassungsschutzes in dieser Frage geht. Wir sagen, wir warten das aus diesem Grund ab. Ich denke, wir warten auch aus guten Gründen gegenüber der Contenance zum Bundesverfassungsgericht und den Verfassungsrichtern ab, die eine bestimmte Tradition in dieser Rechtsprechung haben, und zum Zweiten aus – entschuldigen Sie bitte – ganz und gar nicht parteipolitischen Gründen, sondern praktikablen Gründen. Wenn nämlich dort ein Merksatz auftaucht, der möglicherweise uns auch berühren würde, dann müssten wir unser Gesetz einsammeln und wieder ändern. Dies kann nicht Sinn der Sache sein, weil der Richterspruch im Januar oder Februar zu erwarten sein wird.
Von daher sehe ich dem mit Ruhe entgegen. Ich finde die Position der Landesregierung, aber auch – entschuldigen Sie, jetzt sage ich das – die Position auf der Ebene des Bundes durchaus nachvollziehbar. Ich habe immer dafür geworben und habe auch in der Riege der Innenminister dafür geworben, mit Ruhe und Überlegung an diese Entwicklung heranzugehen und nicht aus Schnellschüssen heraus zu agieren.
Dann sage ich Ihnen ein Weiteres dazu. Ich habe Ihnen vom Oktober 2006 berichtet. Ich bin etwa alle zwei oder drei Wochen über diese Tätigkeit dieser Arbeitsgruppe informiert worden. Herr Baldauf, Sie sagen, da sei mit Online-Durchsuchung gearbeitet worden. Der erste Hinweis war ein Hinweis aus einem ganz einfachen kriminalpolizeilichen Arbeiten heraus. Der zweite Hinweis waren E-Mail-Verkehre, die vorgelegt worden sind. Es gab kein Eindringen in einen Rechner, auch nicht nach Auskunft befreundeter Dienste. In dem Vortrag, den ich von Seiten des Bundeskriminalamtes gehört habe, wurde dies auch nicht erklärt. Es wurde aber erklärt, wir brauchen zukünftig so etwas, um so etwas zu verhindern, weil natürlich die drei mit den Linien in Pakistan über sogenanntes Wireless-Internet bei Dritten kommuniziert haben.
Nun muss man sich einfach einmal informieren. Das machen offenbar viele nicht. Ich sage das gar nicht vorwurfsvoll, ich musste mich auch informieren. Wir werden ein technisches Problem und damit auch ein rechtliches Problem bekommen. In zwei, drei oder vier Jahren werden wir alle über ein sogenanntes „Voice over IP“, also über Internet, telefonieren. Wir werden also keine Festleitung mehr haben. Das bedeutet, wenn Sie eine gerechtfertigte Abhörmaßnahme nach dem G-10-Gesetz oder wo auch immer machen wollen – Strafprozessordnung –, werden Sie mit der herkömmlichen Technik nicht mehr weiterkommen. Sie müssen an den Rechner. Sie müssen physikalisch dort hinein, wo derjenige zu sagen beginnt: „Ich nehme jetzt den Hörer ab und fange an“. – Da müssen Sie hin.
Da gibt es zwei Möglichkeiten. Die erste Möglichkeit ist, sie gehen mit einem technischen Mittel da hinein, indem Sie in die Wohnung eindringen und eine bestimmte Technik an den Tasten einsetzen. Die zweite Möglichkeit
ist, Sie benutzen die sogenannten Trojaner. Es hört sich auch noch nicht schlecht an, einen Trojaner einzusetzen. Wenn Sie aber weiter mit den Technikern reden, dann wissen Sie jetzt schon – und wir haben im Moment den Fall –, dass wir in vier Verfahren Organisierter Kriminalität verschlüsselte Botschaften bekommen, die wir nicht entschlüsseln können, weil wir das Programm Skype, das es schon gibt, das Sie sich herunterladen können, im Moment nicht aufschlüsseln können.
Das heißt, es gibt Programme, wo Sie einen Trojaner implantieren, der auf ein bestimmtes Programm bei Ihnen durchaus spezialisiert ist – so etwas soll es geben, wir haben noch keins –, dass sich aber dann Ihr Programm so entwickelt, dass sich dieses Skype weiterentwickelt. Das haben wir schon; das heißt, es verschlüsselt sich immer wieder neu, Ihr Trojaner aber nicht, weil er das nicht kann.
Wenn dies vom Szenario so ist, bekommen wir technisch und personell Riesenprobleme, weil jetzt schon aus Verfahren, die wir in Rheinland-Pfalz hatten, klar ist, dass derjenige, der zum Beispiel für ein Selbstmordattentat angeworben hat, nicht von seinem Telefon aus telefoniert hat, sondern im Umkreis in Mainz herumgegangen ist und die Internettelefonie betrieben oder in Telefonläden telefoniert hat.
Da können Sie einmal hereinschauen. Jetzt können Sie diesen Laden lokalisieren. Das ist durchaus möglich. Dann stellen Sie fest, der hat 28 Leitungen. Wie können Sie die greifen? Die können Sie auch greifen, aber es ist ein Riesenaufwand, und er geht zum nächsten Telefonladen. Es gibt nämlich mehr als einen. Ich will Ihnen damit klar machen, dass wir uns in eine Situation begeben, und in dieser Situation, in der von dieser Technik alles dem Bundesverfassungsgericht erklärt wird, wo wir erklären und technisch als Gesetzgeber erst einmal begreifen müssen, was auf uns zu kommt – ich musste es begreifen, ich war da auch am Anfang ziemlich erschrocken –, sagen wir einfach, wir warten nicht ab, wir machen jetzt ein Gesetz. Das verstehe ich nicht.
Das habe ich auch im Reigen der Innenminister deutlich gesagt, dass es mit dem Land Rheinland-Pfalz, solange das Bundesverfassungsgericht hier nicht einen Beschluss gefasst hat, an dem wir uns lenken und leiten können, nichts wird.
Herr Baldauf, es gibt auch keine Erklärung nach diesem Beschluss. Was Peter Struck seinerzeit gesagt hat, war aus dem Gesetzentwurf geboren, der – dies sage ich persönlich auch – Gott sei Dank „kassiert“ worden ist, weil diese Abwägung keiner treffen kann.
Wie würde das denn heute ablaufen? – Heute käme der Polizeiführer zum Innenminister und würde sagen: Herr Innenminister, es ist folgender Fall, Sie müssen eine Weisung geben. – Der Innenminister kann es nicht. Er muss zum Ministerpräsidenten. Gibt der eine Weisung, dass jetzt zu Herrn Jung gegangen und gesagt wird: Schieß ab? – Ich glaube nicht daran, weil es nicht machbar ist. Die Abwägung Leben gegen Leben ist uns verboten. Bleibt nur noch die Frage – dann wird es sehr politisch –, ob wir das wollen, was verschiedene Kommentatoren aus diesen zwei Äußerungen – Schäuble und Jung – geschlussfolgert haben, dass wir ein anderes und neues Kriegsrecht haben wollen, nämlich nicht mehr die Definition, wie sie jetzt ist, sondern die Definition, dass Terroristen ein Land angreifen.
Auch Herr Bush ist damit nicht gut gefahren. Er hat das nämlich so definiert. Ich warne dringend. Ich glaube nicht, dass unser Rechtsstaat das verträgt und aushält.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt weitere Punkte, die wir zurzeit auf der Agenda haben – unstreitige Punkte, die jedoch schwierig sind. Das BKA-Gesetz liegt vor. Herr Schäuble hat es uns zugeschickt. Wir diskutieren zurzeit den Entwurf. Es gibt eine erste Sitzung der Arbeitsgruppe AK II, die das vorbereitet.
Ich verrate kein Geheimnis: Es gibt keinen A- und BUnterschied, sondern alle Länder haben gesagt, dieser Entwurf ist so nicht akzeptabel. Er ist nicht akzeptabel in § 4 a. Dort ist die Zuständigkeit des Bundeskriminalamtes und der Landeskriminalämter abgegrenzt. Ich weise darauf hin, er ist im Bereich des Zeugnisverweigerungsrechtes nicht akzeptabel, und es gibt weitere Punkte. Wir werden uns aber auch da schnell einig werden können, wenn wir uns auf den Boden der rechtsstaatlichen Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts – was bisher zwischen den Parteien auch im Bundestag unstreitig gewesen war – zurückziehen und es definieren. Das ist machbar. Man kann aber nicht Gefahrenklassen in der Prävention der Gefahrenabwehr für das Bundeskriminalamt definieren, die außerhalb jeglicher Überlegung stehen, wie zum Beispiel Landespolizei agiert, die wir einvernehmlich damals als Koalition und – soweit ich weiß – auch durch Mitwirkung und Mithilfe der CDUFraktion definiert haben: Wann dürfen wir zum Beispiel in die Wohnraumüberwachung einschreiten? – Die Gefahrenklassen sind damals in unserem Entwurf zum POG definiert worden, den wir im Endeffekt wieder ändern mussten.
Auch bei den Terrorcamps habe ich kein Problem zu sagen, wer sich zum Terroristen ausbilden lässt, gehört bestraft. Nur, das muss hinreichend genau definiert werden. Da bekommen wir ein Problem, wenn einer nach Pakistan reist und dann zurückkommt: Ist es dann schon so, dass er ein Verbrechen oder was auch immer begangen hat? Können wir das beweisen? Wie beweisen wir es? Aber ich denke, das ist unstreitig.
Ein Weiteres ist genauso unstreitig, und das hatten wir schon, das zum Beispiel die Chemikalienüberwachung
in der Chemikalienverordnung geregelt war. Sie war bis in die 70er-Jahre hinein gewährleistet. Wer damals eine bestimmte Chemikalie haben wollte, dessen Name wurde notiert. Er wurde vom Apotheker oder vom Drogisten gefragt: Wer bist du? – Das haben wir im Zuge unserer Liberalisierung in den 80er-Jahren alles aufgegeben. Das erneut aufzunehmen, halte ich für sehr vernünftig, wenn man sieht, was an Möglichkeiten besteht.
Strich darunter: Wir haben eine gute Sicherheitsarchitektur. Wir werden uns auf neue Techniken einstellen müssen. Aber dieses Land Rheinland-Pfalz ist gut gewappnet gegen diese Gefahr.
Meine Damen und Herren, nach dem Beitrag des Herrn Innenministers haben die Fraktionen anstatt zwei Minuten noch drei Minuten Redezeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Neben all dem, was ich unterstreichen kann, was die Kollegen Pörksen und der Innenminister zu dem Thema ausgeführt und was wir an Gemeinsamkeiten haben, Frau Lejeune, wie wir die Situation beurteilen, gestatten Sie mir, dass ich dem noch einige Gedanken hinzufüge.