Protocol of the Session on May 31, 2006

Wer sich in den letzten Wochen im ZDF den Dokumentationsfilm über den deutschen Schulalltag angeschaut

hat, der konnte erkennen, dass die allermeisten Schulprobleme der Kinder auf zerrüttete Familiens trukturen zurückzuführen sind. Warum erzähle ich Ihnen das? – Weil es nach meiner festen Überzeugung – –

(Heiterkeit der SPD)

Sie müssen jetzt zuhören! Sie können noch etwas lernen!

das Selbstverständnis des Staates berührt. Der freiheitliche Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann, so der Staatsrechtler Böckenförde. Aber dieser Gedanke muss ergänzt werden durch die Feststellung, dass dieser Staat mit der bewussten Entscheidung für Werte generierende Rahmenbedingungen seine Existenz sichert. An dieser Stelle setzt mein Prinzip an: Verlässlichkeit statt Beliebigkeit.

(Beifall der CDU)

Die Politik darf nicht mehr wie bisher die Vielzahl von zerbrechenden sozialen Beziehungen passiv begleiten. Dies gilt deshalb, weil die Vitalität uns erer Gesellschaft bedroht ist. Der Staat als Reparaturbetrieb hat seine Grenzen ohnehin schon längst erreicht. Die von Ihnen eingesetzten Gelder für die mühsame Motivation von Jugendlichen sind immens und fehlen uns für die Qualitätssteigerung uns eres Bildungssystems.

Wer nun glaubt, dass angesichts des Bevölkerungsrückgangs auch die Arbeitslosenzahlen sinken werden, den muss ich enttäuschen.

(Pörksen, SPD: Sie haben doch alle enttäuscht!)

Ganz im Gegenteil: Wir werden aufgrund des altersmäßigen Rückgangs der Erwerbspersonen mittelfristig einen Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften verzeichnen. Diesem wird auch weiterhin eine hohe Anzahl von Arbeitslosen, die nur gering bis gar nicht qualifiziert sind, gegenüberstehen. Wegen fehlender Kinder und geringer wirtschaftlicher Entwicklung in den einzelnen Bundesländern haben sich bereits hunderttausende auf Wanderschaft begeben. Es wird Wachstumsgebiete geben, die von der Binnenmigration profitieren, aber auch Problemregionen.

Wenn ich im Folgenden die Auswirkungen der demografischen Schieflage für unser Bundesland beleuchte, so tue ich dies, weil Sie die Brisanz dieser Thematik scheinbar noch nicht erkannt haben, Herr Beck. Wer wie Sie auf dem Bundesparteitag Ihrer Partei das Thema „Demografie“ bezogen auf die ganze Bundesrepublik und auch in diesem Landtag zum Randthema degradiert, bei dem wissen wir nunmehr, dass er für sein eigenes Land keine Antworten parat hat.

(Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, in der Südwestpfalz erreicht das Bruttoinlandsprodukt rund 11.000 Euro, im Landkreis München sind es 78.000 Euro. Selbst die Lebenserwartung differiert aufgrund ungleicher Lebensverhält

nisse: Die Frauen im bayrischen Kreis Fürstenfeldbruck leben sieben Jahre länger als in Pirmasens.

Auch in Rheinland-Pfalz werden mit Ihrer Politik Verliererregionen zunehmen und Gewinnerregionen abnehmen, und der Wettbewerb um Bewohner wird sich verschärfen. Aufgrund seiner günstigen Lage ist der Landkreis Trier-Saarburg der einzige, bei dem die Einwohnerzahl zugenommen hat. Auch die Gebiete entlang des Rheins, die unweit wirtschaftlicher Ballungsräume liegen, werden zu den Gewinnerregionen gehören. In den Kreisen Bitburg-Prüm und Daun hingegen, die weiter von dem wirtschaftlich prosperierenden Luxemburg entfernt liegen, hat das Schrumpfen längst begonnen. Neben dem positiven Beispiel Hahn, das mittels Konversion zur Gewinnerregion aufsteigen konnte und den Tourismussektor für unser Land nachhaltig belebt, was wir im Übrigen auch sehr begrüßen, ist Pirmasens eine der Regionen, dessen Bevölkerung seit 1995 um 10 % geschrumpft ist und bis 2020 um weitere 15 % abnehmen wird.

Aber auch das mit schweren Strukturproblemen kämpfende Kaiserslautern, das ebenfalls den Verlust von Truppen zu verkraften hat, kann aufgrund der schwachen Zuwanderung kaum die Sterbeüberschüsse ausgleichen. Ich warte sehr gespannt darauf, inwieweit das Prinzip der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in allen Teilregionen des Landes weiterhin Beachtung findet, zu der wir ausdrücklich stehen. Oder wird die Landesregierung künftig dem ländlichen Raum allenfalls die Funktion von Ruheräumen zugestehen? Welche Antworten hat sie, um den schleichenden Rückzug notwendiger Dienstleistungen wie die Gesundheitsfürsorge, den Einzelhandel oder die Post aus der Fläche zu verhindern? – Hierzu habe ich von Ihnen nichts gehört.

(Beifall der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, generell lässt sich die Wirtschaftsschwäche von Rheinland-Pfalz auch an den Pendlerzahlen ablesen. Unterm Strich verdienen fast 240.000 Menschen aller erwerbstätigen RheinlandPfälzer ihr Geld außerhalb des eigenen Bundeslandes. Dies verursacht logischerweise in der Konsequenz auch ein Absinken der Ausbildungsplätze, wenn man wie Sie die Arbeitsplätze nicht in Rheinland-Pfalz schaffen kann. Ihr Motto war einmal: „Wir machen´s einfach“. - Was ist daraus geworden?

Für die Zukunft haben Sie auch nichts in Ihrer Regierungserklärung dazu zu bieten.

(Beifall bei der CDU)

Das Statistische Landesamt in Bad Ems rechnet bis zum Jahr 2020 mit einem deutlichen Bevölkerungsrückgang von derzeit 4 Millionen auf 3,76 Millionen. Niedrige Geburtenraten, ein geringerer Zustrom von Ausländern und Bewohnern aus anderen Bundesländern sind die Ursachen.

Ich wiederhole nochmals, es geht nicht darum, in einem demografischen Schrumpfungsprozess eine Chance zu sehen. Wir reden doch auch nicht von den Chancen einer Rezession oder den Chancen eines Arbeitsplatz

abbaus. Dieser Entwicklung haben wir entgegenzuwirken und sie nicht noch durch Untätigkeit zu verstärken.

Es bedarf vielmehr aus unserer Sicht deshalb einer aktiven Familienpolitik, die die Entscheidung für Kinder fördert und die finanzielle Belastung abfedert und eine echte Wahlfreiheit für die Familien ermöglicht. Deshalb ist es auch nicht nachvollziehbar, weshalb damals das Landesfamiliengeld abgeschafft wurde. Auch hier fehlen Visionen dieser Landesregierung.

(Beifall der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir nicht in die Köpfe und Herzen der rheinland-pfälzischen Kinder und Jugendlichen investieren, dann werden wir im internationalen Wettbewerb abrutschen. Das fängt bei kleinen Dingen an. Wir müssen die Eltern genauso in die Pflicht nehmen, damit Eltern sich wieder mehr Zeit für ihre Kinder nehmen. Dies meint nicht nur, diese zu betreuen.

Was Kinder brauchen, hat einmal Pestalozzi mit seinen drei „Z“ beschrieben: Zeit, Zuneigung und Zärtlichkeit. Die emotionale Kompetenz ist die Grundlage für ein gesundes Selbstvertrauen. Diese ist Voraussetzung für Erfolge im Leben, was auch den Umgang mit fremden Kulturen einschließt. Es gibt einen Ort, wo die Kinder stabilisiert werden, das ist vor allem – so steht es schon im Grundgesetz – die Familie.

Es geht eben nicht darum, flächendeckend staatliche Betreuung zu organisieren, sondern die Qualität von Eltern-Kind-Beziehungen zu unterstützen und damit dem Kindeswohl zu dienen.

Dies bedeutet, die wahlfreie Entscheidung der Eltern hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu unterstützen, aber dies nicht ausschließlich staatlich organisieren zu wollen. Auch hier sollte das Subsidiaritätsprinzip greifen.

(Beifall der CDU und bei der FDP)

Deshalb wüns che ich mir beispielsweise – wir werden dafür kämpfen –, dass Rheinland-Pfalz zum Land der Tagesmütter wird. Wir brauchen ein flächendeckendes Angebot.

Aber dies setzt vor allem eines voraus, nämlich Vertrauen in die Bürger. Ich habe dieses Vertrauen.

(Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, ich komme nun auf ein drängendes Problem des Landes zu sprechen: Bildung und Wissenschaft.

In Rheinland-Pfalz konterkariert gegenwärtig ein enormer Unterrichtsausfall von 800.000 Unterrichtsstunden pro Jahr die Versuche der von Ihnen geführten Landesregierung, Ganztagsschulen und neue Lernmethoden einzuführen.

(Pörksen, SPD: Das habt ihr schon im Wahlkampf gesagt und es hat nichts genutzt!)

Denn wenn Unterricht in diesem Maß ausfällt, erübrigt sich jede weitere bildungspolitische Debatte. Es ist auch kein politischer Luxus, sondern eine Selbstverständlichkeit, dass die Kinder den Unterricht bekommen, den der Lehrplan ausweist.

(Beifall der CDU)

Sie, Herr Beck, weigern sich, obwohl wir es mehrfach im Wahlkampf bekräftigt haben, 800 zusätzliche Lehrer, die schon bei der heutigen Stundenzahl vorhanden sein müssten, einzustellen. Damit nehmen Sie bewusst einen strukturellen Unterrichtsausfall in Kauf.

Was bedeuten eigentlich für Sie Wahlversprechen? Im SPD-Regierungsprogramm 2006 bis 2011 steht: „Bereits seit 1998/99 garantieren alle Grundschulen des Landes verlässliche Unterrichtszeiten für alle Kinder.“

(Frau Raab, SPD: Das ist so! – Weitere Zurufe von der SPD: Das stimmt doch!)

Fakt ist: Schulen sind keine Wärmestuben, sondern Bildungseinrichtungen.

(Beifall der CDU – Heiterkeit bei der SPD)

Die Qualität einer Grundschule misst sich immer an ihrem Unterricht. Ich fordere daher nicht nur verlässliche Betreuungszeiten, sondern auch eine verlässliche Unterrichtsgarantie. (Beifall der CDU)

Ich fordere Sie auch auf, sich hinter die Lehrerinnen und Lehrer zu stellen, die diesen Job erfüllen müssen.

(Beifall der CDU)

Aber es geht noch weiter in Ihrem Wahlprogramm: „Die Sicherung der Unterrichtsversorgung steht an erster Stelle.“

Fakt ist: 800.000 Unterrichtsstunden pro Jahr fallen aus. Gleichzeitig geben Sie für die Renovierung des Innenministeriums 18 Millionen Euro im Jahr aus.

(Heiterkeit und Zurufe bei der SPD – Harald Schweitzer, SPD: Jetzt wird es lächerlich!)

Um in fünf Jahren die Unterrichtsgarantie sicherzustellen, bräuchten wir für das Hauhaltsjahr 2007 nur 10 Millionen Euro. Ich rechne Ihnen das kurz vor. Hier wäre das Geld besser angelegt.

(Beifall bei der CDU)