Protocol of the Session on August 30, 2007

Das Wort hat Herr Kollege Dr. Enders.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, der Kollege Dr. Schmitz hätte diese Rede nicht in dieser Form gehalten, wenn er an einer der beiden Regierungen hier in Mainz oder in Berlin beteiligt wäre.

(Beifall bei der CDU)

Da bin ich mir 100 % sicher, dann hätten wir von Ihnen etwas völlig anders gehört. Ich mache auch keinen Hehl daraus, dass, obwohl es in Berlin eine Große Koalition gibt, gerade die Frage der Reform bis zum Schluss der Streitpunkt und der Knackpunkt war, an dem diese Koalition fast hätte scheitern können.

Meine Damen und Herren, wir sind hier im ländlichen Raum. Bis auf die wenigen großen Städte hat Rheinland-Pfalz ländlichen Raum zu bieten, Frau Ebli. Das ganze Land ist ländlicher Raum.

Wir haben bereits im April dieses Jahres das Thema im Rahmen einer Aktuellen Stunde diskutiert, und entgegen der politischen Darstellung, dass es landesweit genü

gend Ärztinnen und Ärzte gibt, zeichnet die Statistik der Landesärztekammer sehr wohl einen doch besorgniserregenden Trend ab, wenn man in die Zukunft blickt.

(Beifall des Abg. Dr. Schmitz, FDP – Zuruf des Abg. Creutzmann, FDP)

Es ist abzusehen, dass es in einigen Gemeinden und Städten bald keine Allgemeinärztinnen und -ärzte mehr geben wird. Ich darf daran erinnern, dass in der aktuellen Arztstatistik der Landesärztekammer belegt ist – das hat Professor Dr. Hessenauer mir vor wenigen Tagen noch einmal bestätigt –, dass bereits jetzt in RheinlandPfalz jeder vierte Arzt zwischen 50 und 59 Jahre alt ist. Das wissen Sie auch.

Von den insgesamt fast 18.000 Ärztinnen und Ärzten, die bei unserer Landesärztekammer gemeldet sind, befinden sich fast 4.000 in dieser Altersgruppe. Besonders interessant ist es, wenn man nach Rheinhessen schaut. Man kann sehen, wie sich diese Dynamik in der Praxis auswirkt. Im Kammerbereich Rheinhessen ist über die Hälfte der Allgemeinärzte zwischen 50 und 59 Jahre alt.

Ich darf in diesem Zusammenhang den Präsidenten der Landesärztekammer im Ärzteblatt vom Monat August mit Erlaubnis der Präsidentin zitieren. Er sagt: „Immer mehr Ärztinnen und Ärzte stehen in ihren Praxen mit dem Rücken zur Wand. In Rheinhessen etwa ist bereits jede fünfte Praxis in einer finanziellen Schieflage und kann nicht ihren vollen Kammerbeitrag zahlen. All diese Entwicklungen stimmen sehr bedenklich. Wir warnen schon seit langem davor. Es zu leugnen oder den Kopf in den Sand zu stecken, hilft nicht weiter. Die Vogel-StraussPolitik bietet keinen Ausweg!“

Aber auch die Kassenärztliche Vereinigung RheinlandPfalz, gemeinsam mit der Kammer, teilt diese Besorgnis sehr intensiv. Am 21. Juni war in der „Rheinzeitung“ zu lesen, ich darf zitieren: „Die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz betrachtet die sinkende Zahl der Ärzte in vielen Regionen mit Sorge.“ Sie denken in die Zukunft. „Angesichts der höheren Lebenserwartung und des zunehmenden Krankheitsstands werden mehr Ärzte gebraucht…“ Dem kann ich nur zustimmen.

Nach Ansicht der KV betrifft dies vor allen Dingen die Hausärzte. Ich darf darauf hinweisen, dass die Hausärzte gerade aufgrund der demografischen Entwicklung und der vielen Disease-Management-Programme, die wir haben, zunehmend eine Beratungsfunktion für den Menschen haben, gerade für die alten Menschen. Das kostet Zeit. Das kann man nicht im Fünf-Minuten-Takt machen wie in einer Sitzung, in der man fünf Minuten Redezeit hat.

KV-Angaben zufolge werden von den 6.500 Vertragsärzten in Rheinland-Pfalz bis 2011 rund 1.200 ausscheiden. Das ist eine beachtliche Zahl.

Ich darf weiter den Vorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung, Herrn Dr. Müller, zitieren. Er hat in der „Rheinzeitung“ im Juni gesagt: „Wer heute noch behaup

tet, man habe eher eine Überversorgung, der ‚verkennt die Situation’.“

(Dr. Rosenbauer, CDU: Frau Ebli! Der verkennt die Situation!)

Das ist genau das, was die Landesregierung macht. Frau Dreyer, entweder werden Sie schlecht beraten – anscheinend nicht vom Präsidenten der Landesärztekammer – oder Sie haben eine gewisse Beratungsresistenz. Das kann nur meine Konsequenz daraus sein.

(Beifall der Abg. Frau Thelen, CDU)

Ich würde einmal auf Ihren Parteifreund hören, der sich mit Kompetenz mit dieser Problematik beschäftigt und das auch gut diskutiert.

Auch die FDP – Herr Dr. Schmitz hat es eben sehr lang ausgeführt – hat mit ihrer Großen Anfrage letztendlich aufzeigen lassen, dass wir – wenn man an die Zukunft denkt – eine bedrohliche Überalterung von Ärztinnen und Ärzten in Rheinland-Pfalz haben.

Dies wurde auch bei der jüngsten Vertreterversammlung der Landesärztekammer in Mainz deutlich. Es war die Meinung vieler Delegierter, dass das Ministerium das Problem „Ärztemangel“ ignoriert, quasi eine VogelStrauß-Politik verfolgt. Die Wahrnehmung zwischen Wunschzustand und Realität klafft stark auseinander, Frau Ebli; denn viele reden sich das Problem schön.

Auf dieser Vertreterversammlung haben alle Delegierte einhellig davor gewarnt, das Problem „Ärztemangel“ zu leugnen. Wenn Sie auf dem Parlamentarischen Abend der Landesärztekammer vor einigen Wochen zugegen waren, so fand ich es schon sehr mutig, wie Herr Professor Hessenauer das Problem in Anwesenheit des Ministerpräsidenten öffentlich angesprochen hat.

Wir als CDU-Fraktion werden trotz Großer Koalition nicht lockerlassen, wenn es darum geht, den Arztberuf wieder attraktiver zu machen. Dabei muss man bedenken – dies wurde soeben auch schon erwähnt –, dass sich zwei Drittel aller Medizinstudenten vorstellen können, dauerhaft ins Ausland zu gehen oder in der freien Wirtschaft zu arbeiten. In den Krankenhäusern gibt es nicht so viele Plätze für Ärzte. Der Grund dafür sind schlechte gesundheitspolitische Rahmenbedingungen und die hohe Arbeitsbelastung.

Ich darf mit Erlaubnis aus der Zeitung „DIE WELT“ vom 27. Juni dieses Jahres zitieren: Viele Medizinstudenten in Deutschland meinen, dass im Ausland ein besseres Arbeitsklima herrscht. Außerdem sei die Arbeitszeit geregelter und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser. Knapp zwei Drittel aller Medizinstudenten können sich vorstellen, dauerhaft im Ausland zu arbeiten. – Das geht aus dieser Anfrage hervor.

(Frau Ebli, SPD: Haben Sie mir zugehört, Herr Dr. Enders? – Pörksen, SPD: Nein, das muss er doch nicht!)

Das ist wichtig, und deshalb haben wir unseren Antrag gestellt. Ich bin erstaunt, dass Sie auch einen Antrag

stellen, obwohl es doch offensichtlich gar kein Problem gibt, oder muss man daraus schließen, dass Sie mittlerweile – nach dem Motto: Steter Tropfen höhlt den Stein – doch gemerkt haben, dass ein Problem vorliegt? – Wir fordern in unserem Antrag die Landesregierung auf, ein Konzept zur Sicherstellung einer bedarfsgerechten ärztlichen Versorgung für die Zukunft zu erstellen. Dabei geht es um Ursachenforschung sowie um die Steigerung der Attraktivität, und dabei geht es auch um den ländlichen Raum. Es sind gezielte Maßnahmen erforderlich.

Das bedeutet, sich dafür einzusetzen, dass die in der Gesundheitsreform vorgesehene Möglichkeit, Sicherstellungszuschläge in strukturschwachen Regionen zu zahlen, auch umgesetzt wird und die Kassen dies auch tun. Die Landesregierung hat diesbezüglich sehr wohl eine Verantwortung; denn in diesem Bereich übt sie eine Aufsichtsfunktion aus. Ich bin gespannt, wie das in Zukunft funktioniert.

Wir haben in unserem Antrag auch klar formuliert, wir möchten, dass bis zum Jahresende die in unserem Antrag formulierten Forderungen umgesetzt werden. Diese Versprechung ist schon Ende Juni verschoben worden. Ich gehe davon aus, dass die Mehrheit des Hauses unseren Antrag ablehnen wird, aber wir formulieren unsere Forderungen trotzdem. Wenn dem zugestimmt würde, fordern wir, dass ergebnisorientiert berichtet wird. Nur so kommt man weiter.

Ich sage noch einmal abschließend: Es ist auf der einen Seite gut, dass Sie einen Antrag stellen. Er wurde erst nach unserem Antrag vorgelegt, und wenn ich ihn mir so vornehme, heißt es darin: Das Problem „Unterversorgung“ gibt es in Rheinland-Pfalz nicht. Aber in Punkt 3 Ihres Antrags sagen Sie – und das ist lobenswert –: „In einigen ländlichen Regionen des Landes wird es zunehmend schwieriger.“ Dadurch, dass Sie dies formulieren, erkenne ich, dass Sie doch auf einem Weg sind, sich ernsthaft mit diesem Thema zu beschäftigen.

(Frau Ebli, SPD: Ich habe vorhin sogar Zahlen genannt!)

Ich lade Sie ein, mit uns gemeinsam diesen Weg weiterzugehen.

(Beifall der CDU)

Für die Landesregierung spricht Frau Staatsministerin Dreyer.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Herren und Damen! Unabhängig von den Beiträgen meiner Vorredner stelle ich vorab fest, dass wir derzeit in RheinlandPfalz die ambulante Versorgung sichergestellt haben. Ich stelle dies ausdrücklich fest. Dies wäre noch vor dem Beitrag von Herrn Dr. Enders eigentlich nicht nötig gewesen, aber nun ist es doch notwendig geworden, dass

ich auf den einen oder anderen Punkt noch einmal eingehe.

Die aktuellsten Daten der Kassenärztlichen Vereinigung vom August 2007 zeigen, dass 347 arztgruppenbezogene Bereiche überversorgt sind. Das heißt, dies sind drei mehr, als dies noch Ende des Jahres 2006 der Fall war. Damit konnte die Überversorgung in den letzten Wochen erhöht werden, und der Landesausschuss hat erneut festgestellt, dass wir in keinem Planungsbezirk in Rheinland-Pfalz eine Unterversorgungssituation haben.

(Beifall der SPD)

Dies zu betonen, ist mir wichtig, weil die Bevölkerung diese Debatte natürlich sehr sensibel verfolgt und ich es nicht für besonders sinnvoll erachte, dass die Menschen in Rheinland-Pfalz glauben, die ärztliche Versorgung in ihrem Land sei gefährdet.

Wir haben die beste Altersstruktur aller Bundesländer. Dies hat vor kurzem der Ärzteatlas ausgewiesen. Das Thema „Demografie“ begleitet uns alle in Deutschland und natürlich auch im Land Rheinland-Pfalz. Dennoch muss man sagen, dass wir in der Altersstruktur besser dastehen als andere Bundesländer.

Herr Dr. Enders, ich weise Ihren Vorwurf zurück. Ich bin weder beratungsresistent noch ignoriere ich die Tatsachen. Ihr Antrag ist auch erheblich milder ausgefallen als noch in der Vergangenheit. Früher haben Sie immer vom Ärztemangel gesprochen. Das Wort kommt heute in Ihrem Antrag eigentlich so gut wie gar nicht mehr vor, sondern Sie sprechen nur noch von der zukünftigen Sicherstellung der ärztlichen Versorgung. Ich sage „Danke“; denn dies ist auch der richtige Tenor. Wir haben zurzeit keinen Ärztemangel, und das habe ich in der Vergangenheit auch genauso konstatiert. Wir müssen Vorsorge treffen, da die Demografie auch für uns ein Thema ist.

(Beifall der SPD)

Aus Sicht der Landesregierung ist es auch nicht erforderlich, dass wir eine Konzeption erstellen, wie die CDU dies beantragt hat. Ich habe dies in der Antwort auf die Große Anfrage sowie auch in zehn bis 20 Debatten im Parlament schon deutlich dargelegt: Wir haben bereits im Jahr 2005 mit unseren Partnern im Land, mit den Kassenärztlichen Vereinigungen, mit der Landesärztekammer und mit anderen Partnern einen Workshop durchgeführt, um die Ursachen und Gründe dafür zu finden, weshalb wir in manchen Bereichen Nachwuchsprobleme haben und was wir tun können, um dem demografischen Wandel erfolgreich entgegenzutreten.

Wir haben daraus auch Konsequenzen gezogen, und ich habe sie in der Antwort auf die Große Anfrage eigentlich auch ausreichend dargestellt und schon mehrfach zitiert. Auch Frau Abgeordnete Ebli hat sie erneut alle aufgezählt. Ich glaube, es ist auch nicht mehr nötig, dass ich die Konsequenzen nun noch einmal nenne. Aber ich möchte ganz klar sagen, die Landesregierung hat seit 2005 bezogen auf die Frage, wie wir die Versorgung auch in Zukunft sicherstellen, ganz konkret gehandelt. Dies möchte ich an dieser Stelle festhalten, auch wenn

Sie immer wieder etwas anderes behaupten, sehr geehrter Herr Dr. Enders.

(Beifall der SPD)

Zu Herrn Abgeordneten Dr. Schmitz möchte ich gern noch sagen, es sind nicht nur die weichen Themen. Als Frauenministerin müsste ich mich ohnehin erst einmal dagegen wehren, dass „Familie und Beruf“ als ein weiches Thema dargestellt wird. Das ist es nämlich nicht.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Creutzmann, FDP)

Herr Creutzmann, das haben inzwischen auch die Kammern in Rheinland-Pfalz erkannt. Sie sind an dieser Stelle zu loben, weil sie dieses Thema seit einiger Zeit als wichtig anerkannt haben.

Es sind schon alle möglichen Themen aufgegriffen worden. Ich glaube, ich habe auch schon ausreichend dargestellt, dass wichtige Themen für den Niedergelassenenberuf im Vertragsarztänderungsgesetz aufgenommen worden sind, die uns in Zukunft neue Chancen und Optionen eröffnen werden. Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dr. Schmitz, natürlich wird dies den Beruf des Arztes in Zukunft auch verändern. Dies streite ich in keiner Weise ab.