Protocol of the Session on August 29, 2007

Ich erteile Frau Abgeordneter Morsblech das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst darf ich mich wieder den etwas angenehmeren Dingen zuwenden und der Ministerin ganz herzlich zum Geburtstag gratulieren. Ob ich dann die Glückwünsche zu diesem Gesetzentwurf vorbehaltlos daran anschließen kann, weiß ich nicht. Aber Sie mögen mir das nachsehen und trotzdem einen sehr schönen Ehrentag haben.

Ich darf zunächst einmal auch für die FDP-Landtagsfraktion begrüßen, dass sich diese Landesregierung letztendlich überhaupt auf den Weg begibt, die Schulzeit bis zum Abitur auch für rheinland-pfälzische Schülerinnen und Schüler auf zwölf Jahre zu verkürzen, und Sie stellen Ihren Überlegungen – es ist auch schon mehrfach lobend erwähnt worden – den verantwortungsvollen Umgang mit der Lebenszeit junger Menschen voran.

Natürlich ist auch meine Fraktion der Überzeugung, dass dies ein wichtiger Aspekt einer verantwortungsvollen Schulpolitik ist.

Es ist auch richtig, dass mit einer solchen Schulzeitverkürzung im gymnasialen Bereich nicht nur die reine Zeiteinsparung verbunden sein sollte, sondern gleichzeitig berücksichtigt werden muss, dass im Rahmen einer kürzeren Gymnasialzeit und vor dem Hintergrund der von der Kultusministerkonferenz vereinbarten Bildungsstandards diese Reform auch eine Chance für eine pädagogische Reform ist, eine Reform der Unterrichtsqualität. Sie muss auch orientiert sein an dem Rahmen, der durch die Bildungsstandards formuliert wurde, hin zu mehr eigenständigem Lernen, zu einer neuen Rhythmisierung des Unterrichts, hin zu mehr Methodenkompetenz, zu qualifiziertem fachbezogenen, aber auch fächerverbindendem Projektunterricht, der damit auch mehr Möglichkeiten zum Fördern und Entwickeln von Begabungen mit sich bringen soll. In diesen Dingen stimmen wir mit Ihnen völlig überein.

(Beifall der FDP)

Die Chance muss jetzt ergriffen werden. Wir wollen schließlich auch eine bessere Studierfähigkeit von Abiturientinnen und Abiturienten mit unseren Zielen verbinden. Allerdings hört mein Lob an dieser Stelle auf; denn wir sehen als FDP-Landtagsfraktion einen eigentlich zentralen Punkt jeder bildungspolitischen Überlegung im Rahmen dieses Gesetzentwurfs nicht berücksichtigt. Das ist die Chancengerechtigkeit für unsere jungen Menschen in Rheinland-Pfalz.

(Beifall der FDP)

Man kann hierzu einige Beispiele anführen, wenn ich von der Wettbewerbsfähigkeit für unsere Absolventinnen und Absolventen, Abiturientinnen und Abiturienten spreche. Zur Wettbewerbsfähigkeit der rheinland-pfälzischen Gymnasiallandschaft im Vergleich zu anderen Bundesländern und zur Wettbewerbsfähigkeit im Hinblick auf die Qualität unserer Schulabschlüsse stellen sich noch viele

Fragen. Wenn wir unseren Schülerinnen und Schülern im Hinblick auf den Wettbewerb an den Hochschulen und später um Arbeitsplätze im internationalen Vergleich und im Vergleich der Bundesländer faire Chancen einräumen wollen, benötigen wir als Grundvoraussetzung, um im Wettbewerb mit anderen bestehen zu können, erst einmal faire und gerechte Lernbedingungen innerhalb unseres eigenen Bundeslandes.

(Beifall der FDP)

Wenn man sich dann betrachtet, dass Sie in einem Flächenland wie Rheinland-Pfalz lediglich 15 G-8Gymnasien innerhalb von drei Jahren schaffen, verspielen Sie die gerechten Chancen an dieser Stelle.

Frau Kollegin Beilstein hatte das schon erwähnt. Mir kommt auch jedes Mal derselbe Gedanke, wenn ich mir die Landschaft ansehe. Künftig wird es eben vom Zufall des Wohnorts abhängen, ob jemand sein Abitur in einer Zeit von zwölfeinhalb Jahren – bundesweit eine überholte Regelung –, ob im BEGYS-Zweig nach elfeinhalb Jahren oder im künftigen G 8 nach zwölf Jahren ablegen kann.

Hinzu kommt neben dem Flickenteppich dann noch eines: Selbst wenn Sie im Gesetzentwurf explizit formulieren, dass sich Qualität und Umfang der gymnasialen Bildung im Gymnasium mit achtjähriger und neunjähriger Schulzeit nicht unterscheiden werden, sieht man allein anhand der geplanten Stundentafeln für die G-8Gymnasien, wenn man einmal eine solche Schule besucht und sich damit vor Ort auseinandersetzt, dass sich natürlich gerade in einem ganztägigen Gymnasium mit der deutlich umfangreicheren Unterrichtszeit im Bereich der Mittelstufe und mit dem veränderten Übergang in die gymnasiale Oberstufe auch ein qualitativer Unterschied entwickeln wird, der nicht wegzureden ist.

Ihre Regelung sieht nicht nur die in der KMK vorgegebenen Stunden in vollem Umfang vor, über die wir sprechen, sondern er bringt mit der verpflichtenden Ganztagsschule eine völlig neue Schulform im Bereich der Gymnasien hervor. Sie trauen unseren rheinlandpfälzischen Schülerinnen und Schüler im Gegensatz zu denen in anderen Bundesländern zu – ich weiß auch, welche Probleme es da gibt –, dass sie das Abitur nach zwölf Jahren nur dann schaffen können, wenn sie gleichzeitig verpflichtenden Ganztagsunterricht in der Breite erhalten.

(Fuhr, SPD: Das hat nichts mit Zutrauen zu tun, sondern das sind die Rahmenbedingungen!)

Wir teilen diese Einschätzung an dieser Stelle nicht.

Das hat schon etwas mit Zutrauen zu tun, weil Sie darüber hinaus zusätzliche Angebote machen und weil Sie glauben, dass diese Förderbedürftigkeit vorhanden ist. Wir teilen diese Einschätzung nicht. Wir sehen bei dieser Entscheidung eben auch einige Probleme.

Ich kann durchaus verstehen, dass Sie als Landesregierung eher vorsichtig sind, Sie keine Unruhe in die Landschaft bringen wollen und Sie deshalb auch lieber auf Freiwilligkeit setzen, indem Sie sagen: Gut, man kann

anhand der Erfahrungen in anderen Bundesländern sehen, dass es da sehr große Schwierigkeiten gibt. – Es gibt durchaus nachvollziehbare Gründe für Ihre Entscheidung. Diese Gründe erkenne ich an.

Wenn Sie das aber so machen, wie Sie es jetzt mit der G-8-Ganztagsschule machen und das so ausgestalten, wie Sie das jetzt tun, würden wir zumindest erwarten, dass Sie an dieser Stelle einen deutlichen Schwerpunkt setzen und im Ausbau dieses G 8 erheblich schneller voranschreiten würden, als Sie das jetzt tun; denn das würde die Chancengerechtigkeit auch für die Schülerinnen und Schüler wieder schneller herstellen.

(Beifall der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Sie schaffen also die nächste Insellösung für unser Bundesland im Vergleich zu anderen Bundesländern. Diese Insel ist ein Flickenteppich. Sie sagen dann – das halte ich für interessant und das hat auch ein Kommentar in der „Rheinpfalz“ heute noch einmal sehr deutlich gemacht – aber noch nicht einmal, wo Sie künftig längerfristig hin wollen. Kein Mensch sagt uns, wohin diese Reise geht. Dann gibt es nach einer Legislaturperiode 15 Schulen. Das ist viel Zeit. Was passiert aber dann? Ich habe noch nichts davon gehört, wie Sie sich künftig die Ausbildungsdauer im Gymnasium in Rheinland-Pfalz vorstellen.

Ich meine, auch wenn wir gerade im Moment alle um die Akzeptanz des Bildungsföderalismus ringen, müssen wir auch für ein vergleichbares Grundgerüst unserer Bildungsgänge sorgen. Dazu gehört ein solcher Flickenteppich nicht. Dazu gehören für mich vergleichbare Standards in den Abschlüssen und auch vergleichbare Ausbildungszeiten.

(Beifall der FDP)

Ich meine, Sie würden auch sehen, dass es diese Probleme in der Qualität und bei den Voraussetzungen derjenigen gibt, die in Rheinland-Pfalz ihr Abitur machen und machen werden – das gilt auch für die Qualitätsstandards, die die Abschlüsse beinhalten –, wenn Sie sich dazu durchringen würden, in diesem Bundesland das Zentralabitur einzuführen, so wie das andere Bundesländer längst gemacht haben. Manchmal habe ich den Eindruck, diese Landesregierung ist die einzige, die sich nicht auf den Weg machen will, weil sie die Unterschiede scheut und sie gar nicht sehen will. Das könnte schließlich Konsequenzen haben.

(Beifall der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Damit will ich es mit der Kritik belassen. Wir haben noch sehr viel Zeit, diese Dinge im Ausschuss zu diskutieren. Ich meine, die Position ist klar geworden. Wir werben für ein Konzept, das konsequenter ist und mehr Chancengerechtigkeit schafft.

Zu den im Gesetzentwurf enthaltenen Klarstellungen für den Bereich der BOS möchte ich von meiner Seite aus im Moment keine politischen Anmerkungen machen, weil es sich eigentlich um keine politischen Änderungen handelt.

Lassen Sie mich noch kurz zwei Sätze zur Dualen Oberschule sagen, weil mir das natürlich ein Anliegen ist. Die FDP-Landtagsfraktion begrüßt selbstverständlich, dass Sie als Landesregierung für den Bereich der Schülerbeförderung die vorgesehene Regelung treffen, die es den Eltern in Rheinland-Pfalz ermöglichen wird, bewusst die nächstgelegene Duale Oberschule zu wählen, ohne den Gedanken an die Beförderungskosten bei der Entscheidung im Nacken zu haben, wenn es nebenan noch eine andere Regionale Schule gibt.

Wenn Sie aber die Duale Oberschule als eigenständige Schulform in das Schulgesetz aufgenommen hätten, hätten Sie dieses Detailproblem gar nicht regeln müssen – ich kann das an dieser Stelle nur noch einmal deutlich machen –,

(Beifall der FDP)

sondern Sie hätten in der jetzt hochkochenden Schulstrukturdebatte eine sehr sinnvolle Alternative in der praxis- und berufsorientierten schulischen Bildung gehabt, die Sie hätten voranstellen können. Wir hätten uns gewünscht, dass Sie den Gesetzentwurf, den die FDPFraktion zu Beginn dieser Legislaturperiode eingebracht hat, einfach genommen und in diesen Gesetzentwurf integriert hätten. Das wäre sehr schön gewesen.

(Beifall der FDP)

Damit hätten Sie dieser wirklich guten Schulform zu einem guten Platz verholfen. Jetzt haben wir das kleine Schrittchen, aber das ist immerhin etwas.

Wie gesagt, ich freue mich auf eine angeregte Debatte im Ausschuss.

Ich danke herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der FDP)

Das Wort hat Herr Kollege Fuhr.

Frau Kollegin Morsblech, ich habe aus zwei Gründen noch einmal das Wort ergriffen. Dies nicht deshalb, weil mir noch Redezeit zur Verfügung steht – das hätte ich mir sonst schenken können –, sondern ich möchte zum einen darauf hinweisen, dass Sie immer so reden, als ob es das große Bedürfnis gäbe, die Schulzeit generell im Land flächendeckend zu verkürzen. Sie wissen, dass wir BEGYS-Klassen haben und wir damit für einzelne Klassen die Möglichkeit eingeräumt haben, in RheinlandPfalz schneller das Abitur zu machen. Sie wissen, wie viele Jahre es zurückliegt, als die letzte beantragt wurde, und dass wir teilweise Probleme haben, diese Klassen zu besetzen. Wir haben in der Anhörung anhand von Stellungnahmen von Eltern und auch von Lehrern immer wieder gesehen, dass nicht die große Volksbewegung vor der Tür steht und sagt: Setzt das um und führt das G 8 flächendeckend ab dem nächsten Schuljahr ein. – Das wollte ich zu dem einen Punkt sagen.

Zum Zweiten habe ich mich gemeldet, weil Sie den Begriff der Chancengerechtigkeit so oft benutzt haben. Mir ist es sehr wichtig, dass ich betone, dass unser Weg gerade wegen der Chancengerechtigkeit so gegangen wird, wie wir ihn gehen, weil wir nämlich sagen, es gibt unterschiedliche Schülerinnen und Schüler. Weshalb sollen wir das nicht akzeptieren und respektieren bei unserer Politik und sagen, wir helfen denen, die diesen schnelleren Weg gehen wollen mit Rahmenbedingungen, die Sie eben kritisiert haben? Weshalb sollen wir sie nicht fördern? Weshalb sollen wir nicht eine zusätzliche individuelle Förderung einsetzen, um diesen Weg zu gehen?

(Zuruf von der CDU)

Das ist keine Kurzintervention, sondern ich nutze meine Redezeit.

Die Rahmenbedingungen sind also etwas Wichtiges bei dieser Debatte. Das sollte man nicht wegwischen,

(Glocke der Präsidentin)

weil wir in anderen Bundesländern gesehen haben, dass wir diese Rahmenbedingungen brauchen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat Abgeordnete Frau Morsblech.

Herr Kollege Fuhr, darauf lässt sich leicht in einem Satz reagieren. Natürlich ist es schön, wenn es für unterschiedliche Begabungen und Lerngeschwindigkeiten unterschiedliche Angebote gibt. Das wäre aber nur dann der Fall, wenn wir ein sehr großstädtisch organisiertes Land wären.

(Glocke der Präsidentin)