Protocol of the Session on August 29, 2007

Frau Abgeordnete Beilstein, ich erteile Ihnen das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich in das Thema einsteige, möchte ich Ihnen,

Frau Ministerin, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch und alles Gute zum Geburtstag wünschen.

(Beifall im Hause)

Genau heute auf den Tag vor einem Jahr und zwei Monaten haben wir als CDU-Fraktion den Antrag auf Einführung des Gymnasiums in achtjähriger Form eingebracht. Es war nicht unser erster Versuch. Der liegt noch länger zurück. Aber nach dem Motto „Steter Tropfen höhlt den Stein“ ist es endlich gelungen, dass auch die Landesregierung hier die Zeichen der Zeit erkannt hat und zumindest einen ersten Schritt in die richtige Richtung gegangen ist.

(Pörksen, SPD: Danke schön! Das ist aber nett von Ihnen!)

Nachdem es nun 15 Bundesländer vormachen, ist also auch die Erkenntnis in Rheinland-Pfalz angekommen, wie wichtig ein sorgsamer Umgang mit der Lebenszeit junger Menschen ist.

(Pörksen, SPD: Ja, ja! Vormachen!)

Ich glaube, die zurückliegende Anhörung hat auch deutlich gemacht, dass unser Vorstoß richtig war und er längst überfällig ist, um endlich die Benachteiligung der rheinland-pfälzischen Schülerinnen und Schüler zu beenden.

(Beifall der CDU)

Wer aber jetzt glaubt, dass der rheinland-pfälzische Sonderweg von zwölfeinhalb Jahren, der nichts als Warteschleifen produziert hat, endlich vorbei ist, der sieht sich getäuscht. Rheinland-Pfalz wird weiterhin das Land sein, das für Insellösungen und für Halbherzigkeit steht. Es wird nach wie vor keine Chancengerechtigkeit – weder innerhalb von Rheinland-Pfalz noch innerhalb Deutschlands – für die rheinland-pfälzischen Schülerinnen und Schüler geben.

Innerhalb Deutschlands ist das deswegen nicht der Fall, weil nach wie vor an der weit überwiegenden Zahl der Gymnasien erst nach zwölfeinhalb Jahren das Abitur möglich sein soll und damit die Anschlussfähigkeit zum Studium außerhalb unseres Landes nicht gegeben ist. Innerhalb von Rheinland-Pfalz leistet die vorgesehene Änderung des Schulgesetzes nur einen weiteren Beitrag zum Flickenteppich der Chancenungerechtigkeit. Zukünftig entscheidet nämlich der Wohnort darüber, wie schnell ein Mensch zum Abitur gelangt, also ob gerade ein G-8-Gymnasium vor Ort da ist oder nicht.

Man darf hier durchaus spekulieren, was Grund für diese Umsetzung ist frei nach dem Motto „Wir machen’s einfach, aber zögerlich“. Ist es vielleicht Mutlosigkeit oder zu wenig Zutrauen in die Fähigkeiten unserer Schüler oder vielleicht auch der Schreck vor den zu hohen Kosten? Denn nach den Berechnungen, die man uns hier vorgelegt hat und – das muss ich ehrlich sagen – die wir bezweifeln, würde der Mehrbedarf an Personalkosten an einem vierzügigen Gymnasium dauerhaft bei 475.000 Euro liegen. Das macht hochgerechnet 66,5 Millionen Euro bei den 140 Gymnasien aus. Bei der

Schuldenlage des Landes liegt es natürlich nahe, das Ganze erst einmal langsam anzugehen und als Grund zu nennen: Wir brauchen noch ein bisschen Erfahrung.

Nun muss man da doch einmal ernsthaft fragen. Wir haben doch Erfahrungen mit BEGYS. An dem Schulversuch nahmen insgesamt 2.254 Schüler am BEGYSModell teil. Bezogen auf die beteiligten Gymnasien handelte es sich dabei um einen Schüleranteil von 24,4 %. Die Erfahrungen waren durchweg gut. Dabei sollte man sicherlich auch nicht vergessen, BEGYS in RheinlandPfalz bedeutet Abitur in etwa siebeneinhalb Jahren, noch nicht einmal in acht Jahren.

(Staatsministerin Frau Ahnen: Das waren aber nur die begabten Schüler!)

Das ist also noch eine verkürzte Zeit.

(Staatsministerin Frau Ahnen: Für die begabten Schüler!)

Für die begabten Schüler: siebeneinhalb und nicht acht.

(Staatsministerin Frau Ahnen: Für die begabten Schüler!)

Ich denke, wir können von den Schülern an Gymnasien in Rheinland-Pfalz insgesamt als Schüler reden, die durchaus begabt sind. Also muss man sich schon einmal fragen, ob man in Rheinland-Pfalz die Schülerinnen und Schüler für dümmer als in anderen Bundesländern hält.

(Beifall der CDU)

Wir haben hier gehört, wie dieser Flickenteppich begründet wird. Es wird gesagt, wir haben unterschiedliche Schülerinnen und Schüler, dann gehen wir unterschiedliche Wege und bieten unterschiedliche Bildungswege an. Ich glaube jedoch, wir haben unterschiedliche Bildungswege zur Genüge. Ich erinnere einfach einmal daran, dass wir in unserem Bildungssystem eine Hauptschule und auch eine Realschule für die Schüler finden, die den direkten Weg zum Gymnasium nicht schaffen.

Ich glaube, jeder kennt in seinem Bekanntenkreis Leute, die zuerst diesen Weg gewählt haben und nachher immer noch ein Abitur draufgesetzt und studiert haben. Wir haben also eine Durchlässigkeit. Sie ist auch für diejenigen Schülerinnen und Schüler gegeben, die erst später einen Drive kriegen. Deswegen stellt sich für uns die Frage: Warum brauchen wir jetzt noch zwei unterschiedliche Gymnasien und zementieren hier dauerhaft auch in diesem Bereich zwei verschiedene Klassen?

(Beifall der CDU)

So viel zur zeitlichen Umsetzung. Kommen wir jetzt zur inhaltlichen Umsetzung. Ich beginne jetzt einfach einmal mit der Tatsache, dass der gravierendste Unterschied zum CDU-Antrag das eingesparte Unterrichtsjahr über die Dauer von nur drei Jahren, nämlich von den Klassenstufen 7 bis 9, erbracht werden soll und nicht, wie wir es vorgesehen haben, zwischen 5 und 9 bzw. 10.

Frau Ministerin, als Grund nennen Sie die Orientierungsstufe als Garant der Durchlässigkeit. Ich frage mich aber, wann etwas durchlässig ist. Laut Nummer 9 Ihres Konzepts begründen Sie die Durchlässigkeit allein mit der Tatsache, dass die Pflichtstundenzahl in den Klassenstufen 5 und 6 an allen Schularten bei 30 liegt. Ich finde das sehr vereinfacht und bin da auch sehr skeptisch, ob allein die gleiche Anzahl an Unterrichtsstunden gleichbedeutend mit Durchlässigkeit sein soll. Ich frage mich, was hier mit dem Lernstoff ist.

(Beifall der CDU)

Sie wollen doch wohl niemandem weismachen, dass der Lernstoff und auch die Art der Unterrichtsvermittlung in den Klassen 5 und 6 in den verschiedenen Schularten identisch ist. Die Schüler sollen doch gerade in dieser Zeit herausfinden, ob sie an der richtigen Schule sind, ob sie zu schwer oder zu leicht für sie ist. Das geht ganz einfach nur anhand der Unterschiedlichkeit. Also gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder bedeutet Durchlässigkeit einen leichteren Schulwechsel bei bestehender Unterschiedlichkeit zu einer echten Orientierung oder aber zweitens, wenn man die Richtigkeit Ihrer Definition annimmt, dann ist die Durchlässigkeit allein an der Unterrichtsstundenzahl festzumachen.

Dann spräche eigentlich nichts dagegen, bei einer gleichen Unterrichtsstundenzahl bereits in Klassenstufe 5 wirklich, also auch stofflich, in die G 8 einzusteigen und diese mit einzubinden. Dann hätten wir nämlich die Möglichkeit, das einzusparende Jahr über einen Zeitraum von fünf Jahren zu erarbeiten. Das wäre Kontinuität und auch der vernünftigere Weg, um Schülerinnen und Schüler nicht zu überfordern;

(Beifall der CDU)

denn wir sind der Überzeugung, dann hätten auch Eltern und Schüler im Verlauf einer Orientierungsstufe im Übrigen auch eine echte Möglichkeit der Überprüfung, ob ihr Kind in G 8 richtig aufgehoben ist. Auch inhaltlich trägt Ihr Konzept im Weiteren dazu bei, dass wir zukünftig – das finde ich das Schlimmste daran – Gymnasien erster und zweiter Klasse haben werden. Für G-8Schüler gibt es nicht nur zusätzliche Lernzeiten, sondern da lese ich unter Nummer 6, da in der Ganztagsschule alle Stunden erteilt werden – „werden“ wohlgemerkt –, ist bei Erkrankung oder Abwesenheit von Lehrkräften immer eine Vertretung zu gewährleisten. Das bedeutet, dass an jeder Schule ein Vertretungskonzept erstellt werden muss.

Das bedeutet jedoch nichts anderes als zusätzliche Lernzeiten und Unterrichtsgarantie an G 8, und alle anderen können zunächst einmal sehen, wo sie bleiben und auch mit ihrem Unterrichtsausfall zurechtkommen.

(Beifall der CDU)

Man kann jetzt natürlich sogar noch einen Schritt weitergehen und sagen, es ist nicht auszuschließen, dass durch den temporären Unterrichtsausfall an G-9Gymnasien faktisch noch weniger Unterricht erteilt wird als an den G-8-Gymnasien. Die Schüler sitzen aber ein Jahr länger in der Schule.

Frau Ministerin, so viel zum Thema Chancengleichheit und verantwortlichem Umgang mit der Lebenszeit junger Menschen.

(Beifall der CDU)

Wenn wir schon bei der Änderung des Schulgesetzes sind, auch ein weiterer Punkt kommt in Ihrem Konzept einfach zu kurz. Das sind die Hilfestellungen insbesondere für die Schülerinnen und Schüler, die aus anderen Schularten in die Oberstufe übertreten. Hier sind doch vielfach Defizite aufzuarbeiten. Da muss die Schule unterstützend mitwirken. In einem solchen Konzept hätte ich mir dazu ebenfalls eine Aussage gewünscht.

Wie erforderlich so etwas ist, das zeige ich Ihnen gern an einem Beispiel aus meinem Landkreis. Von den Übergängern aus Hauptschule, Realschule und Regionaler Schule ab dem Abijahrgang 2000 bis zum Jahre 2005 haben jeweils zwischen 28 % und 44 % dieser Übergänger die Oberstufe abgebrochen. Dann hat die Schule spezielle Fördermaßnahmen angeboten. Das Ergebnis war, dass die Abbrüche massiv zurückgegangen sind. Im Jahr 2006 lagen sie bei 0 %. Im Jahr 2007 lagen sie bei 9 %. Das macht deutlich, auch hier muss nachgebessert werden.

Abschließend stelle ich fest, das Konzept verfolgt im Ansatz das, was die CDU-Fraktion schon seit langem fordert. Aber es zeigt eindeutige Mängel auf, Zögerlichkeit und Mutlosigkeit bei der Umsetzung, eine weitere Zersplitterung in der Schullandschaft, damit einhergehend Zementierung von Chancenungerechtigkeit und qualitative Mängel. Das sind alles Dinge, über die wir noch in Ruhe auch im Ausschuss reden müssen.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Herrn Kollegen Fuhr das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In Rheinland-Pfalz haben wir gesagt, wenn wir den Weg zum G-8-Gymnasium gehen, dann wollen wir bestimmte Dinge miteinander verbinden. Dazu gehört der verantwortliche Umgang mit der Lebenszeit. Die Ministerin hat das schon alles einleitend genannt. Dazu gehört auch, die Qualität der Bildung zu erhalten.

Wir haben gesagt, unser Ziel ist es, in der Zukunft mehr Abiturienten zu haben und nicht eine Reform zu machen, die dazu führt, dass wir weniger Abiturienten haben. Wir haben gesagt, wir wollen Durchlässigkeit zwischen den Schularten erhalten.

Frau Beilstein, ich sage etwas zu Ihrem Vortrag bezüglich der 30 Stunden in den Jahrgangsstufen 5 und 6. Ich habe versucht, dem zu folgen und das zu verstehen. Für uns heißt Durchlässigkeit, dass für die Kinder nach den

Klassen 5 und 6 eine reelle und echt vorhandene Chance besteht, zwischen den Schularten zu wechseln.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Harald Schweitzer, SPD)

Mit Ihrer Verteilung, die Sie vorhaben, würde das künftig nicht mehr gewährleistet sein. Wir haben deswegen bewusst in Rheinland-Pfalz gesagt, wir gehen den Weg, dass wir das G-8-Gymnasium nicht flächendeckend einführen, sondern dass wir das in dieser Legislaturperiode in bis zu 15 Schulen anbieten können. Wir haben genauso bewusst gesagt, wir verbinden es mit einer Ganztagsschule. Wir sorgen mit der Ganztagsschule für vernünftige Rahmenbedingen für ein G-8-Gymnasium in Rheinland-Pfalz. Das sind bewusste Entscheidungen, die wir getroffen haben. In der aktuellen Debatte bestätigt sich, dass wir den richtigen Weg gegangen sind.

Bezüglich des genannten Geldes müssen Sie, wenn Sie in zwei Jahren umstellen wollen, in dieser Zeit jeweils 70 Anträge auf Mensen behandeln. Frau Brede-Hoffmann hat Ihnen das auch schon gesagt. Ich möchte sehen, wie Sie das finanzieren. Solche Vorschläge haben sie sowieso noch nie gemacht.