Protocol of the Session on June 27, 2007

Ich gebe zu, das ist nicht die Position von allen. Sie sagen: „Nein, nein“. Exakt das ist die Position Ihrer Partei. Bestreiten Sie doch nicht, was wahr ist, nur weil es hier nicht passt.

(Licht, CDU: Dann greift doch Hartz!)

Die Vorsitzende der CDU und Bundeskanzlerin hat meinem Modell bei der Verhandlung entgegengehalten: Wir wollen auch niemand absinken lassen, wir wollen ein Mindesteinkommen, keinen Mindestlohn. – Dieses Mindesteinkommen ist exakt das, was ich Ihnen jetzt beschreibe. Es gibt einen Lohn, der nicht reicht, und der Staat zahlt obendrauf.

(Beifall der SPD – Abg. Dr. Rosenbauer, CDU, schüttelt den Kopf)

Jetzt schüttelt er den Kopf. Warum schütteln Sie denn den Kopf? – Das ist doch logisch.

(Zurufe von der CDU: Nein!)

Sagen Sie einmal, wie es anders sein sollte. Genau das wollen Sie, und nichts anderes. Jetzt sagen Sie nein. Ihr wisst ja nicht einmal, was Ihr wollt, und dann diskutiert Ihr hier mit uns ernsthaft.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Jetzt ruft er wieder. Herr Baldauf, ich erkläre Ihnen das. Auch das haben Sie nicht verstanden, aber ich erkläre es Ihnen in Ruhe. Ich habe ja Redezeit.

(Zuruf des Abg. Baldauf, CDU – Licht, CDU: Gewisse Regeln, die Sie selbst aufgestellt haben, scheinen Sie nicht zu begreifen!)

Das ist keine Regel.

(Licht, CDU: Das ist doch mit zu nennen!)

Lieber Herr Licht, das ist die Position der CDU. Jetzt nehmen Sie das doch wenigstens einmal zur Kenntnis. Herr Billen hat doch recht. Er hat es doch völlig verstanden, worum es geht.

(Beifall der SPD)

Sie wissen, es fällt mir gar nicht leicht, ihm immer recht zu geben, aber er hat völlig recht, wenn er sagt, es ist meine Meinung, dass Mindestlohn eine richtige Maßnahme ist, um Ausbeuterlöhne zu verhindern. Das ist

wörtliche Rede von Herrn Billen in seinem Interview in der „Rheinpfalz“ vom 18. Juni.

(Zuruf des Abg. Dr. Rosenbauer, CDU)

Er sagt zu Recht weiter, einer, der in Deutschland einen Vollzeitjob macht, muss von seiner Arbeit leben, also auch eine Wohnung bezahlen können, Lebensmittel und Kleidung. Da hat er doch völlig recht. Das wollen Sie den Menschen nicht eingestehen.

(Baldauf, CDU: Das ist eine Lüge!)

Jetzt sagt er „Lüge“. Das wollen Sie nicht eingestehen. Sie wollen, dass man auf Sozialtransfer kommt, indem zu Löhnen dazu staatliche Leistungen bezahlt werden. Ich sage Ihnen, das ist ordnungspolitisch absolut falsch. Sie sind dann auf dem Weg zu einem Staat, der allgegenwärtig in jedem Handwerksbetrieb ist. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.

(Anhaltend starker Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

Ja, ja. Wie hat Rainer Brüderle zu Recht immer gesagt, lieber Herr Bracht?: „Erst grübeln, dann dübeln.“ – Ihr habt zuerst gedübelt, und jetzt seht Ihr, der Dübel sitzt in der falschen Wand; ganz ohne Frage.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt wollen wir noch einmal über das reden, was da in den Verhandlungen wirklich war.

(Bracht, CDU: Was oder wem haben wir zugestimmt?)

Warum sind Sie denn so furchtbar nervös? Das ist für Euch ein furchtbares Thema, weil Herr Billen recht hat. Wenn Ihr nicht aufpasst, werdet Ihr als Bonzenpartei begriffen. Ihr müsst richtig aufpassen.

(Beifall der SPD – Bracht, CDU: Haben Sie zugestimmt, oder haben Sie nicht zugestimmt?)

Herr Laumann hat nicht zu Unrecht davor gewarnt, dass Ihr eine neoliberale Partei werdet, wenn Ihr so weitermacht.

(Schreiner, CDU: Wer hat denn 24 % in Deutschland?)

Nicht von mir, von Herrn Laumann. Ich glaube, Ihr seid eh schon lange auf dem Weg dahin.

(Schreiner, CDU: Sie haben doch die 24 %!)

Herr Schreiner, wenn Sie sich aufregen, habe ich immer recht.

(Starker Beifall und Heiterkeit der SPD – Bracht, CDU: Das hätten Sie wohl gern!)

Es hat doch keinen Sinn, dass Sie mich stören, Sie wissen, ich bin zum Ersten nicht aus der Ruhe zu bringen, und zum Zweiten habe ich so viel Redezeit, dass

ich mich dann auch wieder auf Ihre Erwiderung freue. Es lohnt sich also nicht.

(Keller, CDU: Aber Ihre Redezeit ist auch unsere Lebenszeit!)

Lieber Herr Keller, was Sie uns schon Kraft gekostet haben durch Ihre Auftritte, das kann ich durch lange Reden überhaupt nicht aufwiegen.

(Zuruf des Abg. Keller, CDU)

Herr Keller hat mit Menschen, die wenig verdienen, nichts am Hut, und er will sich nicht einmal die Zeit nehmen, darüber zu debattieren. Das stelle ich jetzt einmal für das Protokoll fest.

(Keller, CDU: Es wird immer primitiver!)

Herr Baldauf hat mich aufgefordert zu sagen, wie das mit dem Kompromiss gewesen sei. Jetzt will ich es Ihnen sagen, und dann wollen Sie nicht zuhören. Das ist eines Ihrer Probleme.

(Bracht, CDU: Wie war es denn damit?)

Ausgangspunkt war: Wir haben gesagt – dabei bleiben wir, und das wird auch die Basis einer Bundesratsinitiative dieses Landes werden –, wir wollen einen gesetzlich verankerten Mindestlohn, der in seiner Höhe und seiner Struktur von einer Kommission festgelegt wird, die sich aus Arbeitgebern, Arbeitnehmern und aus der Wissenschaft berufenen Persönlichkeiten zusammensetzt; analog der Regelung in Großbritannien.

Wir haben dort, wo wir Mindestlöhne beim Bau haben, auch heute Differenzierungen. Wir haben Differenzierungen zwischen gelernten und nicht gelernten, also Facharbeiterberufen und Nichtfacharbeiterberufen. Man kann sich vorstellen, dass man für Einarbeitungsphasen und für die Phase danach Differenzierungen vorschlägt. Wir haben in vielen Tarifgebieten innerhalb Deutschlands in den Tariflöhnen Tarifgebiete, die sich im Lohn in einer gewissen Bandbreite bewegen. All das kann man sich auch diesbezüglich vorstellen. Ich glaube, das ist ein vernünftiger Weg. Dem hat die Union dieses Bild des Mindesteinkommens entgegengesetzt. Darauf konnten wir uns nicht einigen.

Dann haben wir gesagt, als zweite Regelung wollen wir versuchen, das, was wir schon in Deutschland im Baubereich und im Bereich des Reinigungsgewerbes angewandt haben, nämlich das Entsendegesetz, zu nutzen, um weitere Branchen in eine solche Mindestabsicherung zu bringen. Dazu ist Bedingung, dass mindestens 50 % der Arbeitnehmer in Tarifbindung sind. Das ist leider nur in wenigen Branchen in Deutschland noch der Fall.

Wir haben dann eine solche Regelung miteinander definiert, die im Übrigen, Herr Baldauf, anders funktioniert, als Sie es dargestellt haben. Aber ich komme darauf zurück. Dazu konnten wir uns auch verständigen. Das gibt die Chance, in einer Kommission, die, wie jetzt auch, aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusammengesetzt ist, einen solchen Vorschlag zu beraten. Wenn die sich einigen pro, dann gilt dieser Mindestlohn. Wenn

sie einstimmig oder mit einer Nein-Stimme zu fünf JaStimmen entscheiden, gilt der Mindestlohn auch. Jede andere Mehrheit ablehnender Art – das kann es nur sein; wenn ich nicht dafür bin, muss ich dagegen sein –, also auch ein 2 : 4- oder 3 : 3-Votum führt dazu, dass dann der Antrag, der dem zugrunde liegt, beispielsweise der Antrag einer Tarifvertragspartei, vom Bundesarbeitsminister bewertet und eine Verordnung erarbeitet wird, über die das Bundeskabinett entscheidet.

Wir haben uns dann auf einen zweiten Ansatz verständigt, weil dieser Bereich Entsendegesetz wegen dieser 50 %-Klausel wahrscheinlich nur sehr wenige erreichen wird. Wir haben uns darauf verständigt, dieses 1952-er Gesetz zu verändern und damit auch bestimmte Bereiche zu erreichen, insbesondere auf den Osten Deutschlands gezielt, wo wir keinerlei oder nur sehr geringe Tarifbindungen haben. Dort wird das Vorgehen so sein, dass wir, wenn Anträge auf eine Mindestlohnregelung gestellt werden, eine Kommission einsetzen.

Es gibt zunächst eine branchenbezogene Fachkommission, die die Dinge vorberät. Dann gibt es einen Hauptausschuss, der sich aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern paritätisch zusammensetzt. Diese wählen einen neutralen Vorsitzenden, nicht den Arbeitsminister. Nur wenn diese sich nicht einigen können, ist es auch nicht der Arbeitsminister, sondern dann macht der Arbeitsminister dem Kabinett einen Vorschlag über einen neutralen Vorsitzenden.

Sie haben mir vorhin zugerufen, ich wüsste nicht, was drinsteht. Das, was ich ihnen jetzt gesagt habe, steht in dem Kompromiss. In dem Gesetz steht – da haben Sie recht –, dass es der Arbeitsminister ist. Das hat genau Ihre Partei nicht akzeptiert. Ich hätte es sehr gut akzeptieren können.