1. Welcher Art waren die Einsatzvorbereitungen des Polizeipräsidiums Mainz, von denen Innenminister Bruch in einer Pressemitteilung vom 4. Mai spricht?
2. Treffen Presseinformationen zu, nach denen im Rahmen von „Präventionsmaßnahmen“ eingesetzte Polizeikräfte in Worms die Tätergruppe kontrollierten, ohne zu diesem Zeitpunkt von dem Vorfall in MainzSüd gewusst zu haben?
3. Wenn ja, wie ist dieses Informationsdefizit zu erklären, und aus welchem Grund waren Polizisten in Worms, aber nicht in Mainz und Ludwigshafen eingesetzt?
4. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung hinsichtlich der künftigen Einsatzplanung bei entsprechenden polizeilichen Lagen?
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Mündlichen Anfragen der Abgeordneten Lammert und Schreiner sowie der Abgeordneten Dr. Schmitz und Auler beantworte ich wie folgt:
Zu Frage 1 der Fraktion der FDP: Am 20. Januar 2007 meldete der Landesvorsitzende der NPD Hessen bei
den Ordnungsämtern in Raunheim, Hessen, und Rüsselsheim, Hessen, zwei Demonstrationen mit dem Thema „Zukunft statt Globalisierung“ zum 1. Mai an. Die Veranstaltung in Raunheim war für 12:00 Uhr bis 15:00 Uhr angekündigt, im Anschluss an diese sollte zwischen 15:30 Uhr und 18:00 Uhr ein Demonstrationszug in Rüsselsheim durchgeführt werden. Erwartet wurden 200 bis 400 Teilnehmer.
Zeitgleich wurden sowohl für Raunheim als auch für Rüsselsheim Veranstaltungen des DGB mit einer Teilnehmerzahl von 1.000 bis 1.500 angekündigt. Das linke und linksautonome Spektrum rief massiv zu Gegenveranstaltungen auf. Zum Schutz der Versammlung und zur Verhinderung von Störungen führte das Polizeipräsidium Südhessen einen entsprechenden Polizeieinsatz durch.
Da bekannt war, dass Versammlungsteilnehmer mit der Bahn anreisen würden, hatte die Bundespolizei in diesem Zusammenhang für ihren Zuständigkeitsbereich in Hessen und Rheinland-Pfalz ebenfalls eine besondere Aufbauorganisation für den Gesamteinsatz eingerichtet, wobei die Bahnstrecken und die Bahnhöfe im Bereich des Stadtgebietes Mainz dem Einsatzabschnitt Rüsselsheim zugeordnet waren.
Zur Informationslage: Am 30. April 2007 wurde dem Polizeipräsidium (PP) Mainz dienstlich bekannt, dass ca. 70 bis 80 Personen des rechten Spektrums aus Rheinland-Pfalz am 1. Mai 2007 zwischen 11:00 Uhr und 12:00 Uhr mit der Bahn über Mainz zu den in Hessen stattfindenden Veranstaltungen anreisen wollten. Aus dem linken Spektrum sollten sich zeitgleich und auf dem gleichen Reiseweg ca. 40 bis 50 Personen zu den Gegenveranstaltungen Richtung Hessen begeben.
Um mögliche Konfrontationen breiter Potenziale und Auswirkungen während der Anreise auf das Stadtgebiet Mainz zu verhindern, bereitete das PP Mainz einen anlassbezogenen Polizeieinsatz vor. Insgesamt kamen 60 Polizeibeamtinnen und -beamte zum Einsatz.
Der Auftrag für die Einsatzkräfte beinhaltete unter anderem eine deutlich sichtbare Präsenz an den Bahnhöfen in Unterstützung und enger Abstimmung mit der originär zuständigen Bundespolizei.
Während der Anreise kam es zu keinerlei Vorkommnissen. Über das Rückreiseverhalten der Veranstaltungsteilnehmer gab es keine gesicherten Erkenntnisse.
Die Bundespolizeiinspektion teilte am 1. Mai gegen 11:30 Uhr mit, dass nach dortigen Aufklärungserkenntnissen die Rückreise des rechten Spektrums zentral über Frankfurt erfolgen würde. Trotzdem bereitete sich das PP Mainz im Rahmen einer Planentscheidung auf diesbezüglich erforderlich werdende Einsatzmaßnahmen vor.
Um 18:36 Uhr teilte die Bundespolizei Frankfurt mit, dass die überwiegende Zahl von Teilnehmern des rechten Spektrums über Frankfurt Richtung Mainz fahren würde, unter anderem mit Weiterfahrt nach Ludwigshafen. Daraufhin wurden wie geplant unter Führung des Polizeiführers vom Dienst, des PP Mainz, Teilkräfte der Präsidialreserve Mainz zusammengezogen. Dies waren
Starke Kräfte wurden auf dem Hauptbahnhof Mainz konzentriert, schwache Kräfte zum Bahnhof Römisches Theater beordert. Bundespolizei war dort nicht zugegen, obwohl ausweislich des Einsatzbefehls des Bundespolizeiamtes Frankfurt unter anderem die Bahnhöfe Mainz, Römisches Theater, Mainz, Hauptbahnhof und MainzNord im Zeitraum vom 30. April 21:00 Uhr bis 1. Mai 21:00 Uhr als gefährdete Objekte eingestuft waren.
Die Einzelaufträge des oben genannten Einsatzbefehls der Bundespolizei sahen für die Einsatzleitung Rüsselsheim eine ständige stationäre Überwachung der Bahnhöfe und Haltepunkte im gesamten Streckenabschnitt der S 8 zwischen Rüsselsheim und Wiesbaden – dazu gehörte auch der Bahnhof Römisches Theater – ab 1. Mai 2007 9:00 Uhr vor.
Gegen 19:20 Uhr teilte die Bundespolizei mit, dass sich im Zug nach Mainz, der um 19:35 Uhr eintreffen sollte, ca. 320 Angehörige des rechten Spektrums in Begleitung eines Einsatzzuges der Bundespolizei befänden. Nachdem der Zug, ohne dass Personen ausgestiegen waren, den Bahnhof Römisches Theater in Richtung Hauptbahnhof passierte, wurden die dortigen Kräfte des PP Mainz zum Hauptbahnhof verlegt, da dort das Einlaufen eines weiteren Zuges mit ca. 50 Angehörigen des linken Spektrums angekündigt war.
Nach heutigem Ermittlungsstand ereignete sich dann im Rahmen der Weiterreise des rechten Spektrums in Richtung Ludwigshafen auf dem Bahnhof Römisches Theater Folgendes: Während des planmäßigen Aufenthaltes des Zuges im Bahnhof verließen 15 bis 20 rückreisende Angehörige der rechten Szene den Zug und liefen auf sieben Personen zu, die sich auf dem Bahnsteig aufhielten und von den rechten Aggressoren offensichtlich der linken Szene zugeordnet wurden.
Während sechs Personen fliehen konnten, wurde eine 18-jährige Frau aus Lampertheim auf dem Bahnsteig zu Fall gebracht und auf dem Boden liegend getreten und geschlagen. Nachdem es ihr gelang aufzustehen, konnte sie ebenfalls weglaufen.
Die Gruppe der Angreifer stieg wieder in den Zug, der fahrplanmäßig in Richtung Ludwigshafen weiterfuhr. Der Vorfall selbst dauerte nicht länger als eine Minute.
Die Bundespolizei hatte wegen der von ihr als ruhig eingeschätzten Lage von einer weiteren Begleitung der Personen ab dem Hauptbahnhof Mainz abgesehen. Unmittelbar nach dem Eingang der Meldung über den Vorfall um 20:09 Uhr wurden durch die Funkleitzentrale des PP Mainz in Absprache mit der Bundespolizei umgehend Kräfte des PP Mainz zum Bahnhof Römisches Theater beordert.
Nach Feststellung der Personalien der Geschädigten und Erhebung weiterer Informationen vor Ort wurden die Polizeiführer vom Dienst der Führungszentrale des PP Mainz und der Bundespolizei vom Polizeiführer vor Ort am Bahnhof Römisches Theater um 20:24 Uhr über den bis dahin bekannten Sachverhalt in Kenntnis gesetzt.
Zum Vorfall gab es weder eine Beschreibung der Täter noch sonstige Hinweise auf diese. Es war allerdings der Polizei bekannt, dass auf dem Bahnhof Römisches Theater eine Videoüberwachungsanlage installiert war. Daher war davon auszugehen, dass über die Auswertung der Aufzeichnung Täterhinweise erlangt werden konnten. Erst am nächsten Tag stellte sich heraus, dass die Anlage außer Betrieb war.
Eine Steuerung der Informationen über den Vorfall durch die Führungszentrale des PP Mainz an die Polizeidirektion in Worms oder an das PP Rheinpfalz in Ludwigshafen erfolgte nicht, hätte aber erfolgen müssen. Insofern war den Einsatzkräften in Worms und Ludwigshafen von dem in Rede stehenden Vorfall nichts bekannt. Vorbereitungen für gezielte Folgemaßnahmen konnten somit nicht getroffen werden.
Bei Einsatzanlässen, wie sie der Anfrage zugrunde liegen, ist der Informationsaustausch zwischen den beteiligten Polizeidienststellen untereinander und mit anderen tangierten öffentlichen und nicht öffentlichen Stellen obligatorisch. Bei der in Rede stehenden unterlassenen Informationsweitergabe handelte es sich um ein individuelles Defizit.
Die sachliche Zuständigkeit für die Abwehr von Gefahren auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahn des Bundes ergibt sich aus § 1 Abs. 2 erste Alternative in Verbindung mit § 3 des Bundespolizeigesetzes für die Bundespolizei. Die örtliche Zuständigkeit ist in § 58 dort geregelt.
Im konkreten Fall war die Bundespolizeiinspektion Frankfurt die örtlich zuständige Dienststelle. Auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahn des Bundes hat die örtlich zuständige Dienststelle der Bundespolizei gemäß § 3 Bundespolizeigesetz danach die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren, die den Benutzern der Anlage oder dem Betrieb der Bahn drohen oder bei Betrieb der Bahn entstehen oder von Bahnanlagen ausgehen.
Bei den Bahnanlagen als solche, also auch bei den Zügen und Bahnhöfen, handelt es sich also um Objekte, die von der oben genannten Bestimmung erfasst werden. Danach ist generell in den genannten Bereichen die Bundespolizei für den Schutz und damit auch für eine eventuelle Begleitung Bahnreisender zuständig. Dies galt ebenso für den konkreten Anlass.
Zu den Fragen Nummer 2 der beiden Mündlichen Anfragen der CDU- und der FDP-Fraktion: Die Polizeidienststellen in Worms und Ludwigshafen, denen der Vorfall in Mainz nicht bekannt war, überwachten die von ihnen als grundsätzlich problemlos beurteilte Ankunft des Zuges mit den Personen des rechten Spektrums mit einem dieser Lageeinschätzung angepassten Kräfteeinsatz. In Worms, wo ca. 20 Szeneangehörige um 20:38 Uhr den Zug verließen, war dabei auch der Umstand zu berücksichtigen, dass sich dort zeitgleich 50 bis 60 zum Teil stark alkoholisierte Fußballfans von Wormatia Worms aufhielten, die von einer Fußballbegegnung aus Ludwigshafen kamen.
Der Schwerpunkt des polizeilichen Auftrages lag dort in der Verhinderung des Aufeinandertreffens der beiden Gruppierungen. Aufgrund des geringen Zeitverlaufes hätten dort, auch wenn das Ereignis vom Bahnhof Römisches Theater bekannt gewesen wäre, weder Unterstützungskräfte zusammengezogen noch weitergehende Maßnahmen durchgeführt werden können. In Ludwigshafen wurde die Ankunft der noch im Zug verbliebenen 70 bis 80 Angehörigen des rechten Spektrums um 21:12 Uhr von Beamten des PP Ludwigshafen und der Bundespolizei überwacht. Es kam zu keinerlei Vorkommnissen.
Wie bereits unter Frage 2 ausgeführt, war die Polizei in allen drei betroffenen Bahnhöfen präsent und anlassbezogen im Einsatz. Die Einsatzstärken betrugen
in Mainz am Vormittag 60 Beamte und am Abend 20 Beamte, davon drei Diensthundeführer, – in Worms fünf Beamte der Polizeidirektion und – in Ludwigshafen sechs Beamte der Polizeidirektion, davon zwei Diensthundeführer sowie drei Beamte der Bundespolizei.
Meine Damen und Herren, wie ich bereits dargestellt habe, handelte es sich bei der erwähnten unterlassenen Informationsweitergabe an diesem Abend um ein individuelles Defizit des für den Einsatz verantwortlichen Polizeiführers des PP Mainz. Sie können davon ausgehen, dass dieses Vorkommnis intern schon aufbereitet und insbesondere in der Führungsfortbildung unserer Polizei des Landes intensiv nachbereitet wird. Das Informationsmanagement insgesamt war von unserer Seite nicht zu beanstanden. Der Beamte hat sich lediglich zu stark auf die Videoüberwachungsanlage verlassen.
Einen Umstand, der den Einsatz nicht unerheblich beeinflusst hat, möchte ich allerdings nicht unerwähnt lassen. Dies ist das Problem der Zuständigkeit. Die originäre Zuständigkeit für den Bereich der Bahnanlagen und damit auch für die Bahnhöfe in Mainz, Worms und Ludwigshafen liegt bei der Bundespolizei. Dies gilt auch insbesondere für den Schutz der Bahnreisenden. Aus eigener Lagebeurteilung hat die Bundespolizei auf die weitere Begleitung des nach Ludwigshafen weiterfahrenden Zuges verzichtet.
Der Vorfall im Bahnhof Römisches Theater spielte sich ebenfalls im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei ab. Es ist mir aber zu billig, allein auf die Zuständigkeitsregelung hinzuweisen. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass die Polizei Hilfe leistet und sie präsent ist. Insoweit ist dies für uns ein sehr ärgerliches Ergebnis einer eigentlich guten Vorbereitung eines Einsatzes.
Ich denke, es ist wichtig klarzustellen, dass wir solche rechtswidrigen und rechtsextremistischen Gewaltanwendungen nicht dulden können und deswegen auch eine solche Erfahrung in einer Lagebeurteilung und einer Beurteilung für die nachfolgenden Einsätze umsetzen müssen.
Ermittlungsansätze gibt es, es gibt auch weitere Ermittlungen, aber ich kann Ihnen noch nicht mitteilen, wie die Ermittlungen ausgegangen sind.
Herr Minister, Sie haben im Unterschied zu Ihren ersten Presseverlautbarungen nun eingeräumt, dass es in der Tat auf der operativen Ebene individuelle Fehler gegeben hat. Die Fehlerhäufung, in deren Zentrum nun für Sie die nicht funktionierende Videokamera steht, gibt aber Anlass zu weiteren Fragen.
Von Ihnen eingeräumt worden ist die mangelnde oder fehlerhafte Kooperation mit der Bundespolizei. Ist das auch ein individueller Fehler gewesen, oder gibt es dafür strukturelle Gründe, zumal man in einer solch brisanten Situation an sich davon ausgehen müsste, dass die technischen Bedingungen vorher geprüft werden, die bei dem Einsatz letztendlich Anlass gaben, von einer Personenfeststellung abzusehen?
Meine zweite Frage in diesem Zusammenhang, die sich mir aus Ihren Ausführungen jetzt auch noch nicht beantwortet hat, lautet: Weshalb hat es, nachdem es am Hauptbahnhof ruhig war, keine Rückführung der Polizisten an den Südbahnhof gegeben, der vorher zu Recht als risikobehaftet eingestuft wurde?
Herr Dr. Schmitz, Sie haben nun zwei Fragen gestellt. Ich bitte Sie, wir halten die Geschäftsordnung ein. Zwei Fragen habe ich Ihnen zugelassen.