Die Mehrheit der Bevölkerung hat damals gedacht, diese Menschen gingen wieder zurück, rotierten, blieben nur für einen gewissen Zeitraum.
Ich will gar nicht wiederholen, wer regiert hat und wer welche Politik damals gemacht oder nicht gemacht hat. Wir haben dann eine Veränderung gehabt. Wir haben festgestellt, dass diese Menschen nicht zurückgegangen sind. Das waren vor allem Menschen aus der Türkei.
Die Türkei war damals nicht auf dem Weg in die EU, war aber schon in der Nato und hat die Natokarte gezogen, um in das Gastarbeiteranwerbeabkommen hineinzukommen, und hat ihre Bürger, die sie zu Hause nicht mehr beschäftigen und ernähren konnte, hierher geschickt.
Diese Menschen haben dann im Laufe der Jahrzehnte ihren Aufenthalt hier genommen, ihre Familien, ihre Kinder nachgeholt. Meine Damen und Herren, wir haben es damals nicht geschafft, auch aufgrund der politischen Diskussionen, die wir damals geführt haben, diese Menschen zu diesem Zeitpunkt zu integrieren.
Es gab in dieser Zeit zwei Strömungen. Die einen wollten keine Eindeutschung. Sie erinnern sich alle an diese Diskussionen. Sie wollten keine Angleichung an unsere deutschen Verhältnisse. Die anderen wollten, weil sie wieder zurückgehen wollten, ihre Herkunftsidentität nicht aufgeben.
Das war aus heutiger Sicht die Fehlentwicklung, die wir damals hatten. Sie ist mit einer der Gründe, warum die Integration bis zum heutigen Tag von einem ganz erheb
lichen Anteil der Menschen hier in Deutschland – sei es mit deutscher Staatsangehörigkeit oder ohne – nicht gelungen ist. (Beifall der CDU)
Frau Ministerin, es gibt ein Stichwort, das in Ihrer Rede auch nicht vorkommt, das Thema „Parallelgesellschaft“. Aus dieser Parallelgesellschaft, die wir vor allem in größeren Städten, auch in größeren Städten in RheinlandPfalz, wahrnehmen müssen, entwickeln sich Probleme, aufgrund derer wir uns in den letzten Jahren mit dem Thema beschäftigt haben.
Diese Probleme will ich nur stichwortartig nennen. Wir haben sie als CDU-Fraktion oft genug in diesem Landtag zur Sprache gebracht.
Wir haben über die Ehrenmorde, über Zwangsheirat, über Hilferufe von Lehrern aus den Schulen heraus und über die Entwicklung im außereuropäischen Nachbarbereich gesprochen. Das waren die Situationen, weshalb wir darüber nachgedacht haben, ob es solche extremen Entwicklungen weiter geben wird und es diese auch bei uns in Deutschland geben kann.
Dann gab es PISA, meine Damen und Herren. Das darf man nicht vergessen. In keinem anderen Land auf der Welt geht die Schere, die Sie auch an anderer Stelle genannt haben, so weit auf, was die Herkunft der Kinder anbelangt.
Das ist Ausfluss dieser verfehlten Integrationspolitik oder Nichtintegration der Ausländer, die wir damals als Gastarbeiter nach Deutschland geholt haben.
Mit diesen Menschen aus der Türkei und anderen Staaten kam auch eine neue Religion, meine Damen und Herren. Diese neue Religion, die uns bis dahin relativ fremd war, der Islam, hat uns auch vor Fragen gestellt, die wir heute so weit auf den Weg gebracht haben, dass sie gelöst werden können, denke ich.
Wir haben uns aber auch lange davor ein Stück weit verwahrt. Rheinland-Pfalz ist dafür wahrhaft kein Beispiel. Wenn ich einmal daran denke, was den Islamunterricht in den Schulen anbelangt. Jetzt führen wir wieder irgendwo einen Modellversuch durch. Andere Länder sind diesbezüglich schon wieder ein gutes Stück weiter.
Diese Frage der Religion und des damit zusammenhängenden kulturellen Umfelds ist eine ganz wichtige, wenn man die Aufnahmebereitschaft unserer Gesellschaft betrachtet. Auch das muss man einmal sagen.
Man kann nicht nur sagen, wir müssen jetzt das Menschenmögliche tun, um die Integration zu ermöglichen, sondern es gehört auch die andere Seite dazu, dass diejenigen, die hier auf Dauer leben wollen und die Staatsangehörigkeit beantragt und bekommen haben oder auch nicht, sich in unserer Gesellschaft einordnen.
Sie sprechen etwas nebulös von Gleichheits- und Freiheitsrechten unseres Grundgesetzes. Meine Damen und Herren, es geht um unser Grundgesetz, um unsere Grundwerte. Die kann man ruhig beim Namen nennen, wenn man über Integration und Migration spricht.
Es geht um unseren Rechtsstaat, es geht um die Frage der Religionsfreiheit und die Frage der Gleichheit von Mann und Frau.
Ich sage Ihnen noch etwas. Wenn Sie jetzt darüber sprechen, dass die Kinder Deutsch lernen müssen, damit sie eine Chance im Schulsystem haben, dann sage ich Ihnen, das stimmt, Frau Ministerin Dreyer. Aber das sagen wir seit vielen Jahren in diesem Landtag.
Ich sage Ihnen auch, vor drei Jahren hat unser damaliger Fraktionsvorsitzender Christoph Böhr in einer Pressekonferenz gefordert – die Welt war zu klein für Frau Ahnen, ihn als Menschenverächter darzustellen –, dass Kinder nur dann in die Schule kommen können, wenn sie die deutsche Sprache beherrschen, damit sie eine Chance haben, den Schulweg erfolgreich zu begehen.
Heute so zu tun, als wenn man das alles erfunden hätte, das heißt, die Augen ganz schön dick zugemacht. Das muss ich hier noch einmal so anfügen.
Diese Probleme sind schon ein Stück diskutiert worden. Jetzt geben Sie eine Regierungserklärung ab, Frau Dreyer. Sie kündigen an, dass Sie jetzt endlich aktiv werden.
Ich glaube, das hat man noch nicht gehabt, dass jetzt auch noch eine Regierungserklärung zur Vorbereitung von Regierungshandeln gebraucht wird. Das sollte man noch einmal überlegen.
Ich will noch einmal sagen, es ist ganz wichtig, dass man die Probleme, die sich aus diesen Aufnahmebedingungen, aus diesen Lebensumständen ergeben, beim Namen nennt und damit auch Veränderungen herbeiführt. Das ist auch im Sinne – das will ich schon noch einmal unterstreichen – derjenigen ausländischen Mitbürger, die sich in unser System integrieren haben und integrieren wollen, die wollen, dass ihre Kinder hier Lebenschancen haben, und sich insgesamt auf Dauer an unserer Gesellschaft beteiligen wollen.
Diese sind uns – das wissen Sie ganz genau, ich glaube, dass brauche ich nicht zu sagen – absolut willkommen. Das hat auch demografische Gründe, um das noch einmal zu unterstreichen.
Die Schule, die Ausbildung, die Hochschulausbildung und die spätere Berufstätigkeit oder Selbstständigkeit – wir brauchen diese Menschen in Deutschland. Wir dürfen nicht zulassen, dass uns jemand hier verloren geht.
An dieser Stelle möchte ich eine kleine Geschichte erzählen: Bei mir im Wahlkreis war Dr. Christoph Bergner, der Bundesbeauftragte für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten. Er hat gesagt, wir haben deswegen auch die großen Probleme bei den jungen Männern in diesem Bereich – wir haben sie übrigens auch in ostdeutschen Ländern, was die rechtsextreme Ausgestaltung anbelangt –, weil sie den Aufstieg nicht schaffen. Sie haben nicht die Chance, eine Berufswahl zu treffen, und nicht die Chancen – das ist das Entscheidende – bei der Brautschau, sicher auf Augenhöhe eine Partnerin zu suchen.
Das führt letztendlich zu diesen Strukturen, die uns nachher bei der Polizei, bei der Justiz oder bei den Strafvollzugsanstalten Probleme bereiten.
Vor diesen Geschichten darf man die Augen nicht verschließen, wenn wir wollen, dass unsere Bevölkerung letztendlich auch bereit ist, ihrerseits Integrationsbemührungen mitzutragen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Deutschland ist ein Einwanderungsland. Es hat sehr lange – wie ich meine viel zu lange – gedauert, bis diese Aussage Allgemeingültigkeit unter den Parteien des demokratischen Spektrums bekommen hat.
Durch das jahrelange Leugnen dieser wohl heute unbestrittenen Tatsache seitens der konservativen Kräfte in unserem Land – die CDU hat dabei eine unrühmliche Rolle gespielt –, ist sehr viel Zeit für eine sinnvolle und notwendige Integrationspolitik in Deutschland verloren gegangen.
In der Folge kam es zu einem schwer überwindbaren Problemstau, den unsere Gesellschaft mit entsprechend großen Mühen aufzulösen hatte und in vielen Bereichen noch aufzulösen hat – gerade für die politisch Handelnden eine immense Herausforderung.
Rheinland-Pfalz hat diese Herausforderung schon sehr früh angenommen und Erhebliches dabei erreicht. Dazu komme ich später ausführlich.
Ich habe die Ausführungen von Frau Kohnle-Gros im Vorhinein natürlich nicht kennen können, aber irgendwo hatte ich wohl prophetische Gaben;
denn genau das, was ich formuliert habe, passt als Erwiderung auf das, was Sie eben gerade gesagt haben.