Förderung von Wissenschaft und Forschung Antrag (Alternativantrag) der Fraktion der SPD – Drucksache 15/861 –
Herr Präsident, meine Damen und Herren! 60 Jahre Rheinland-Pfalz beinhalten auch 60 Jahre Aufbau und
Entwicklung der Hochschulen in unserem Land. Auf die Wiedergründung der heute großen Universität Mainz, die Gründung – zunächst als Doppeluniversität – der Universitäten Trier und Kaiserslautern, die Gründung der Universität Koblenz-Landau mit dem Schwerpunkt der Lehrerbildung und nicht zuletzt die Gründung vieler Fachhochschulen, oft im Zusammenhang mit Konversionsprojekten, können wir alle stolz sein – Christdemokraten, Sozialdemokraten und auch die Liberalen.
Wir können darauf stolz sein, weil der Aufbau fast aus dem Nichts erfolgen musste und weil er so wichtig für die Entwicklung unseres Landes war.
Mit den wachsenden Studierendenzahlen erhöhte sich auch die Mittelzuweisung von Jahr zu Jahr. Meine Damen und Herren, dennoch blieb das finanzielle Engagement des Landes – das gehört auch zur Wahrheit – im Ländervergleich aus welchen Gründen auch immer unterdurchschnittlich.
Meine Damen und Herren, wer hat heute noch die geringsten Zweifel, dass die Qualität von Wissenschaft, Forschung und Lehre die entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft sind? Wir entscheiden also heute über den Erfolg oder Misserfolg von morgen.
Wenn dem so ist, brauchen wir eine Offensive für Forschung und Lehre in Rheinland-Pfalz, und zwar nicht morgen, sondern heute. Deshalb muss die Landesregierung aus unserer Sicht ihre politischen Prioritäten neu setzen.
Meine Damen und Herren, die Öffentlichkeit weiß, dass die FDP seit Jahren eine Umorientierung in RheinlandPfalz verlangt. Das Hochschulsonderprogramm 2004 entsprach zur Hälfte den Forderungen der FDP von damals. 2007 wurde es auf 75 % aufgestockt. Wenn auch langsam und nach und nach, orientiert man sich aber immerhin an unseren Forderungen von 2004, auch wenn die weitere Aufstockung um 12,5 Millionen Euro aus den Mitteln des Europäischen Sozialfonds von der Regierungsmehrheit abgelehnt wurde.
Meine Damen und Herren, 2007 stehen wir vor Herausforderungen in einer neuen Dimension, die 2004 noch nicht absehbar waren. Der Wettbewerb in Forschung und Lehre hat sich noch einmal deutlich verschärft. Die benachbarten Bundesländer begegnen diesen Herausforderungen, indem sie ihren Hochschulen die Erhebung von Studienbeiträgen ermöglichen. Dies sichert den einzelnen Hochschulen jährlich – in den Ländern um uns herum – bis zu zweistellige Millionenbeträge in Euro an zusätzlichen Einnahmen, welche unmittelbar in die Hochschulen und damit verbunden zum Nutzen der Studierenden in die Lehre fließen.
Die rheinland-pfälzische Landesregierung hat nun auf die Einführung von Studienbeiträgen verzichtet, aber im Gegenzug nicht die entsprechenden Mittel über den Landeshaushalt bereitgestellt. Wenn unsere Hochschu
len schon bisher – das wird zugegeben – im Vergleich zu anderen unterfinanziert sind, fehlen demgemäß die zusätzlichen Finanzressourcen im direkten Ländervergleich. Rheinland-pfälzische Hochschulen geraten von nun ab von Jahr zu Jahr immer massiver ins Hintertreffen, wenn es darum geht, die besten Köpfe in Forschung und Lehre, aber auch bei den Studierenden zu gewinnen.
Meine Damen und Herren, ich nenne ein Beispiel: Bei Neuberufungen steht uns in Rheinland-Pfalz im Durchschnitt für die technisch-naturwissenschaftlichen Fächer ein Betrag von 300.000 Euro zur Verfügung. In den Nachbarländern rechnet man mit 1 Million Euro. Es ist die Frage, wie das auf Dauer durchzuhalten ist.
Meine Damen und Herren, deshalb fordert die FDPLandtagsfraktion die Landesregierung auf, bis zum Ende dieses Jahres ein Konzept zur Qualitätssteigerung in der Lehre vorzulegen. Das ist der Inhalt unseres Antrags.
Wenn Sie ihn genau gelesen haben, stellen Sie fest, dass wir das nicht blauäugig quantifiziert haben. Wir hätten auch sagen können, in der Höhe von 70 Millionen. Eine solche Aussage wäre blauäugig. Wir brauchen aber noch in diesem Jahr ein neues Konzept zur Qualitätssteigerung in der Lehre. Wir bitten die Landesregierung, ein solches Konzept vorzulegen.
Meine Damen und Herren, im Ländervergleich fehlen den rheinland-pfälzischen Hochschulen – sehr, sehr vorsichtig gerechnet – jährlich Mehreinnahmen von rund 70 Millionen Euro netto. Bei 100.000 Studierenden ergäben sich brutto 100 Millionen Euro. Aufgrund der Erfahrungen in anderen Bundesländern ziehen wir 30 % ab, weil man seriöserweise netto rechnen muss. Das wären immerhin 70 Millionen Euro.
Ich will einmal die Dimensionen klarmachen und deutlich vor Augen führen, was es für die einzelnen Hochschulen in Rheinland-Pfalz bedeuten würde, wenn diese Mittel zur Verfügung stünden. Das bedeutet im Vergleich ein Minus von 23 Millionen Euro für die Universität in Mainz, von 9 Millionen Euro für die Universität Trier, von 8 Millionen Euro für die Universität Koblenz-Landau, von 7 Millionen Euro für die Universität Kaiserslautern, von 4 Millionen Euro für die Fachhochschule Trier, von 4 Millionen Euro für die Fachhochschule Koblenz, von 3,5 Millionen Euro für die Fachhochschule Kaiserslautern, von 2,9 Millionen Euro für die Fachhochschule Mainz, von 1,8 Millionen Euro für die Fachhochschule Ludwigshafen, von 1,8 Millionen Euro für die Fachhochschule Worms und von 1,5 Millionen Euro für die Fachhochschule Bingen.
Meine Damen und Herren, statt der Einführung von Studienbeiträgen plante die Landesregierung die sogenannte Landeskinderregelung, die immerhin auch mit Einnahmen verbunden ist. Diese aus unserer Sicht abwegige Regelung hat sie zurückgezogen. Die von den Hochschulen daraus erwarteten Mehreinnahmen blieben ebenfalls aus. Das wurde auch mit Enttäuschung zur Kenntnis genommen.
Meine Damen und Herren, der Antrag der SPD-Fraktion beschreibt lediglich den Ist-Zustand. Mit anderen Worten: Es bewegt sich nichts. – Das kann nicht die Lösung sein.
Der Hochschulpakt hat mit dem Ganzen nichts zu tun. Die Ausweitung des Programms „Wissen schafft Zukunft“ – diese wurde von uns sehr begrüßt – hat eine andere Zielrichtung. Ich sage es Ihnen in aller Deutlichkeit und Eindringlichkeit: Folgen Sie dem Rat der FDP! – Als ehemaliger Koalitionspartner darf ich anmerken: Wenn Sie dies in der Vergangenheit getan haben, lagen Sie immer richtig.
Geben Sie sich einen Ruck und legen Sie das von uns geforderte Konzept zur Qualitätssteigerung der Lehre bis zum Jahresende vor! Es geht um Strukturfragen der Zukunft. Die Weichen müssen heute gestellt werden, damit wir uns morgen nicht mit dem Vorwurf auseinandersetzen müssen, dass wir wider besseres Wissen nicht gehandelt haben.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eines vorweg: Ich glaube nicht, ernsthaft darüber diskutieren zu müssen, dass wir vermutlich in allen Politikbereichen eine finanziell bessere Situation wünschen würden. Insofern gilt das auch für den Bereich der Wissenschaft.
Festzustellen ist auch und vor allen Dingen, dass es keinen Grund gibt, in Panik zu verfallen oder irgendwelche Horrorszenarien zu entwerfen, wie man das bei dem FDP-Antrag mutmaßen könnte.
Die rheinland-pfälzischen Hochschulen sind auf einem guten Weg. Ihre Attraktivität ist allein durch die Studierendenzahlen belegt. Während bundesweit die Studierendenzahlen sinken, sind in Hessen 13 % und in Nordrhein-Westfalen 5 % weniger Studienanfänger zu verzeichnen. In Rheinland-Pfalz steigen die Zahlen auf Rekordniveau. Das ist der Verdienst der von der SPD verantworteten Hochschulpolitik. Wir lassen uns weder diese Politik noch den Hochschulstandort RheinlandPfalz schlecht reden.
Bevor ich auf die in dem FDP-Antrag wieder einmal aufgeworfene Forderung nach Studiengebühren eingehe, möchte ich grundlegend einige Anmerkungen zur Hochschulbildung machen. Was ist die zentrale Heraus
forderung an das Wissenschaftssystem? Daraus folgt automatisch eine zweite Frage. Was ist die zentrale Herausforderung des Bildungssystems?
Die SPD-Fraktion ist der Auffassung, dass es die zentrale Aufgabe ist, im Hochschulbereich die Abschlussquoten nach wie vor deutlich zu erhöhen. Man kann es auch anders ausdrücken. Die SPD-Fraktion ist sich mit der Landesregierung einig, dass wir möglichst vielen jungen Menschen den Zugang zu unseren Hochschulen ermöglichen wollen. Das hat sehr pragmatische Gründe, hängt aber auch mit unserem Verständnis von sozialer Gerechtigkeit zusammen.
Wir sind uns mit allen Experten im Bildungsbereich einig. Wir haben in den kommenden Jahrzehnten einen erheblich wachsenden Bedarf an hoch qualifizierten Arbeitskräften. Als Folge des demografischen Wandels werden zahlenmäßig stark und gut qualifizierte Jahrgänge aus dem Arbeitsleben ausscheiden.
Der wirtschaftliche Strukturwandel führt zu mehr wissens- und forschungsintensiven Unternehmen in der Industrie und im Dienstleistungsbereich. Damit steigt auch die Nachfrage nach akademisch ausgebildeten Fachkräften. Wenn wir uns die Zahlen in RheinlandPfalz ansehen, können wir der Landesregierung bescheinigen, dass sie ihre Hausaufgaben vorzüglich gemacht hat.
Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg erzielen mit 22,1 % die höchste Quote unter den Flächenländern bei der Abschlussquote im Hochschulbereich, wie die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ belegt. Vor diesem Hintergrund ist die Kritik an der rheinland-pfälzischen Politik völlig verfehlt. Rheinland-Pfalz macht im Rahmen seiner Möglichkeiten seine Hausaufgaben im Bildungs- und Hochschulbildungsbereich ganz hervorragend.
Es ist geboten, auf einige dieser Leistungen der Landesregierung hinzuweisen, die ausdrücklich mit der Unterstützung der SPD-Fraktion auf den Weg gebracht wurden. Ein besonderer Schwerpunkt im Bereich der Hochschulfinanzierung wurde ab dem Doppelhaushalt 2005/2006 mit dem Hochschulsonderprogramm „Wissen schafft Zukunft“ gesetzt.
Mit diesen zusätzlichen Mitteln werden die Grundausstattung, aber auch die Bereiche Forschung und Lehre gefördert und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Universitäten, Fachhochschulen und Forschungseinrichtungen nochmals spürbar gestärkt.
Ab dem Jahr 2008 wird das Programm nochmals um 50 % erhöht. Bis zum Ende der Legislaturperiode stehen damit den Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen 225 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung.
Durch zahlreiche Maßnahmen wurde die Autonomie der Hochschulen ausgebaut. Insbesondere wurden die Flexibilität und Selbstverantwortung der Hochschulen bei der Haushaltsbewirtschaftung schrittweise erheblich
Mit den neuen Fachhochschulstandorten in Zweibrücken, Birkenfeld und Remagen wurden insgesamt 3.400 zusätzliche flächenbezogene Studienplätze geschaffen und ein deutlicher Ausbildungsschwerpunkt mit einer Vielzahl innovativer und stark nachgefragter Studiengänge im Fachhochschulbereich gesetzt.
Was die FDP mit ihrem Antrag formuliert, ist dennoch ernst zu nehmen. Schließlich werden um uns herum Studiengebühren erhoben. So, wie es dargestellt wird, ist es eine Vereinseitigung der Debatte, die ein Zerrbild erzeugt, das weder den Realitäten in Rheinland-Pfalz noch den Anforderungen der Wissensgesellschaft angesichts des real Machbaren gerecht wird. Vor diesem Hintergrund sind die FDP-Zahlen, die Sie anführen, trivial; denn sie besagen nichts anderes als die Tatsache, dass man mehr Geld zur Verfügung hat, wenn man jemanden abkassiert.
Damit ist noch gar nichts darüber gesagt, ob es bildungspolitisch, volkswirtschaftlich und sozialpolitisch der richtige Weg ist, solche Gebühren zu erheben. Vielmehr erinnert die jetzt aufgelegte Debatte um die Studiengebühren eher an die Diskussion über die Steuererklärung auf dem Bierdeckel. Das klingt auf den ersten Blick vielleicht einfach und schlüssig, aber mit den komplexen Realitäten, denen wir uns als Verantwortung tragende Fraktion und auch die Landesregierung stellen müssen, hat das wenig zu tun.
Die SPD-Fraktion bestärkt die Landesregierung ausdrücklich in ihrer Auffassung. Wir wollen das gebührenfreie Erststudium sichern. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Wir wollen den Zugang zum Studium nicht mit finanziellen Barrieren zusätzlich belasten. Damit würden nämlich gerade Menschen aus finanziell schlechter gestellten Verhältnissen gravierend benachteiligt.