Protocol of the Session on March 16, 2007

Meine Damen und Herren, die Wirtschaftspolitik in Rheinland-Pfalz ist auf einem guten Weg. Wir schauen optimistisch in die Zukunft, getragen auch vom allgemeinen Wirtschaftsklima, das uns umgibt. Ich denke, wir haben einen richtigen Weg gewählt, indem wir uns den Menschen in der Wirtschaft nähern, den Menschen mitnehmen und an den Entscheidungen beteiligen.

Meine Damen und Herren, Wirtschaft steht nicht für die Wirtschaft alleine, sondern die Wirtschaft ist für den Menschen da. Der Mensch lebt von der Wirtschaft, aber der Mensch trägt auch die Wirtschaft. In diesem Sinne denke ich, dass wir noch zu einer weiteren Aussprache kommen werden.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat Herr Kollege Creutzmann.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Rahmen der Beratung der Regierungserklärung des 8. Mittelstandsberichts der Landesregierung hat mich meine Fraktion gebeten, etwas zu dem Thema „Auswirkungen der Unternehmensteuerreform auf den rheinland-pfälzischen Mittelstand“ zu sagen. Die steuerlichen Rahmenbedingungen müssen für eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik stimmen. Das weiß jeder.

Auf den Antrag der CDU-Fraktion will ich nicht eingehen. Ich glaube, Sie haben ihn zurückgezogen. Es hätte nicht gelohnt. Das macht wenig Sinn.

Zur Sache selbst: Die Unternehmensteuerreform wurde am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedet. Kern ist die Senkung der Körperschaft- und Gewerbesteuer unter die Marke von 30 %. Damit soll Deutschland für internationale Investoren attraktiver gemacht werden.

Die Anreize für Konzerne, Gewinne ins Ausland zu verlagern, sollen sinken. Für Personenunternehmen, die selbst nicht steuerpflichtig sind, wird ein neuer Thesaurierungstarif eingeführt. Im Unternehmen investierte Gewinne werden den Plänen nach zur Folge zunächst mit 29,8 % inklusive Solidaritätszuschlag besteuert. Werden diese Gewinne später ausgeschüttet, müssen sie allerdings nachversteuert werden. Unter anderem wird dazu eine Abgeltungssteuer für alle Kapitaleinkünfte, also auch für Zinsen, Dividenden und Veräußerungsgewinne, eingeführt. Die Gewinne, die nicht thesauriert werden, müssten von den Unternehmen hingegen mit dem persönlichen Einkommensteuersatz wegen der Reichensteuer und Solidaritätszuschlag versteuert werden, also mit maximal 47,5 %.

Meine Damen und Herren, ist diese Unternehmensteuerreform nun für den rheinland-pfälzischen Mittelstand günstig? Auf den ersten Blick sieht die geplante Senkung der Unternehmensteuer von heute rund 39 % auf knapp unter 30 % verlockend aus. Doch tatsächlich steckt der Teufel im Detail. Der deutlichen Senkung der Steuersätze stehen umfassende Gesetzesänderungen zur Gegenfinanzierung gegenüber. Damit soll die Bruttoentlastung von fast 30 Milliarden Euro auf rund 5 Milliarden Euro begrenzt werden. Mittelfristig will das Bundesfinanzministerium die anfänglichen Steuermindereinnahmen sogar mehr als kompensieren.

Da der rheinland-pfälzische Mittelständler im Gegensatz zu großen internationalen Konzernen nicht einfach seinen Unternehmensstandort ins Ausland verlagern kann, auch keine Verschiebung der Gewinne und Aufwendungen von einem Land ins andere Land vornehmen kann, muss man bei der Beurteilung der Unternehmensteuerreform für den Mittelstand auf die Unternehmensrechtsform und die Bilanzstrukturen der Unternehmen im Wesentlichen eingehen.

Nach Berechnungen der Steuerexperten des Zentrums für die Europäische Wirtschaftsforschung und der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers kann von einer spürbaren Verbesserung der steuerlichen Standortbedingungen durch die Unternehmensform keine Rede sein. Ich zitiere: „Die Reform 2008 liegt damit im Trend vergangener Reformen: Die Entlastungen auf der für internationale Konzerne bedeutsamen Unternehmensebene werden teilweise durch Mehrbelastungen für in Deutschland ansässige Anteilseigner kompensiert.“ – Die Steuerreform führt dazu, dass die Bedeutung der Gewerbesteuer steigt, während die der Körperschaftsteuer sinkt. Da der Gesetzgeber auf die Höhe der Gewerbesteuer nur bedingt Einfluss hat, da jede Kommune den letztendlich für die Belastung entscheidenden Hebesatz selbst festlegen kann, besteht die große Gefahr, dass einzelne Gemeinden versuchen werden, ihre Gewerbesteuermindereinnahmen durch höhere Hebesätze zu kompensieren. Das Ergebnis wäre dann, dass die von der Bundesregierung geplante Entlastung spürbar geringer ausfallen wird.

Derzeit liegt der Hebesatz bei der Gewerbesteuer im Bundesdurchschnitt bei rund 400 %. In den Städten liegt er bei rund 432 %. Um die Gewerbesteuereinnahmen konstant zu halten, müsste der bundesdurchschnittliche Hebesatz von heute 400 % auf 476 % steigen, der

durchschnittliche Hebesatz in den größeren Städten von 432 % auf 580 %. Damit würden die Tarifbelastungen nicht, wie von der Bundesregierung angestrebt, auf knapp 30 % bzw. 31 % in den Städten sinken, sie wäre dann fast 3 Prozentpunkte höher. Im Klartext heißt dies, ob eine Steuerentlastung der rheinland-pfälzischen Unternehmen stattfinden wird, hängt also auch vom Verhalten der rheinland-pfälzischen Städte und Gemeinden ab, wie sie den Steuerausfall bei der Gewerbesteuer kompensieren wollen.

Herr Staatsminister Deubel, so ist es. Wir sind gespannt, ob die Kommunen ihren Hebesatz in voller Breite erhöhen oder nur zum Teil oder versuchen werden, dies durch Ausgabeneinsparungen zu kompensieren.

Als viel problematischer sieht die FDP-Fraktion die durch die Unternehmensteuerreform voraussichtlich ausgelöste Strukturveränderung in der mittelständischen Wirtschaft an. Die von der Bundesregierung geplante Steuerreform dürfte zahlreiche deutsche Personengesellschaften in die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft drängen. Dies gelte vor allem für große und ertragsstarke Unternehmen, so das Ergebnis des „Handelsblatt“Reformchecks.

Verantwortlich für die Ungleichbehandlung der verschiedenen Rechtsformen ist auch die geplante Abgeltungssteuer. Sie begünstigt Kapitalgesellschaften. Anteilseigner, die ihrem Unternehmen einen Kredit geben, müssen die empfangenen Zinsen lediglich mit dem geringen Abgeltungssteuersatz von 25 % inklusive Solidaritätszuschlag von 26,37 % versteuern. Die Abgeltungssteuer wird den Anreiz setzen, den Unternehmen Kapital zu entziehen; denn die Thesaurierungsrücklage lohnt sich allenfalls bei sehr hohen Gewinnen und sehr langen Thesaurierungsdauern.

Sollte die Unternehmensteuerreform tatsächlich dazu führen, dass den Unternehmen Kapital entzogen wird, dann nutzen alle Programme zur Eigenkapitalstärkung nichts. Da die Steuerreform die Belastung der Kapitalgesellschaften deutlich senkt, während die der Personengesellschaften leicht steigt, hat dies unter dem Strich zur Folge, dass letztendlich die Kapitalgesellschaften zur vorteilhafteren Rechtsform werden.

Lediglich für kleine Unternehmen bleibt die Personengesellschaft attraktiv. Dies könnte dazu führen, dass die Verantwortung eines Unternehmers für sein Unternehmen nicht gestärkt wird. Eine Personengesellschaft, bei der der Eigentümer mit seinem Privatvermögen haftet, bringt eine andere unternehmerische Einstellung zutage als bei Kapitalgesellschaften, die lediglich mit dem Stammkapital haften.

Laut „Handelsblatt“ warnt der Handwerksverband derweil vor einer Mittelstandslücke. Herr Glos macht das auch, Herr Steinbrück bestreitet dies. Der Handwerksverband sagt: Rund 88 % der Personenunternehmen würden durch die Reform nicht ent- sondern belastet. Von der Thesaurierungsrücklage würden allenfalls 2 % der Betriebe profitieren. Die Ansparabschreibungen könnte weitere 10 % nutzen. Alle anderen Personenunternehmen müssten die Entlastung der Konzerne über schlechtere Abschreibungsbedingungen finanzieren.

Meine Damen und Herren, ein weiterer Nachteil der Unternehmensteuerreform ist die von der Bundesregierung neu eingeführte sogenannte Zinsschranke. Allein die neue Zinsschranke soll dem Fiskus gut 1 Milliarde Euro zusätzlich einbringen. Sie beschränkt den Zinsabzug auf 30 % des Gewinns vor Zinsaufwand und Ertrag. Falls die Grenze überschritten wird, kann der Nettozinsaufwand in den betroffenen Jahren nicht mehr abgesetzt werden. Allerdings ist er unbegrenzt für spätere Jahre vortragsfähig. Die Vorschrift gilt grundsätzlich für die Kapital- und Personengesellschaften. Man muss sagen, um den Mittelstand auszuklammern, ist eine Freigrenze von 1 Million Euro Nettozinsaufwand vorgesehen.

Meine Damen und Herren, ob die Zinsschranke, die hauptsächlich internationale Konzerne treffen soll, greift, dürfte allerdings fraglich sein. Die sehr komplexe Neuregelung ist sehr streitanfällig und mit viel Bürokratie für Unternehmen und Finanzverwaltung verbunden.

Auch die Wirksamkeit ist zumindest fraglich. Die betroffenen Konzerne werden versuchen, Zinsaufwand etwa durch Leasingzahlungen zu vermeiden. Zudem kann die Zinsschranke dadurch umgangen werden, dass die Eigenkapitalquote etwa durch Einlagen oder Verringerung der Bilanzsumme so zu erhöhen, dass die sogenannte „Escape-Klausel“ greift. Kann der Konzern nachweisen, dass die Eigenkapitalquote des Konzerns insgesamt nicht höher als im deutschen Betrieb ist, greift die Zinsschranke nicht.

Wie man eine Eigenkapitalquote „manipulieren“ kann, zeigt gerade das von der Landesregierung aufgelegte Programm „Mitarbeiterbeteiligung RLP plus“. Ob diese Zinsschranke allerdings einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhalten wird, wird sich zeigen müssen; denn die mögliche Substanzbesteuerung ist ein klarer Verstoß gegen das verfassungsrechtlich verankerte Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.

Darüber hinaus dürfte die Zinsschranke mit dem EURecht kollidieren. EU-weit agierende Konzerne werden anders behandelt als nur in Deutschland ansässige Unternehmen. Es besteht die Gefahr, dass der Europäische Gerichtshof diese Gesetzesänderung für nicht rechtmäßig erklären wird, weil sie gegen die Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit innerhalb der EU verstößt.

Meine Damen und Herren, dann fehlt dem Staat wieder eine Milliarde Euro an Steuereinnahmen. Ich hoffe nicht, dass das auf die Bundesregierung zukommt. Wir haben das gestern bei der Pendlerpauschale diskutiert. Das wäre natürlich der nächste GAU, einmal bei der Pendlerpauschale 2,5 Milliarden Euro und dann bei der Zinsschranke 1,0 Milliarden Euro.

Nachteilig für die rheinland-pfälzischen mittelständischen Unternehmen dürfte sein, dass die degressive Abschreibung abgeschafft wird. Außerdem gilt die Sofortabschreibung für geringwertige Wirtschaftsgüter nur noch dann, wenn deren Wert 100 Euro nicht übersteigt. Bisher waren es 410 Euro. Änderungen der Abschreibungsregelungen ändern die Gesamtsteuerbelastung in der

Regel nicht, sondern haben nur Einfluss auf den Zeitpunkt der Steuerzahlung.

(Glocke des Präsidenten – Pörksen, SPD: Jawohl! Bravo, Herr Präsident!)

Daraus resultieren Zins- und Liquiditätseffekte.

(Erneut Glocke des Präsidenten)

Ich will mit dem Fazit schließen, das von Koch und Steinbrück erarbeitete Unternehmen „Steuerreform“ hilft den rheinland-pfälzischen Unternehmen nicht, die Steuerentlastung – so schrieb das „Handelsblatt“ – ja ein wenig, gerade noch befriedigend, mehr Bürokratie. Allein die Bundesregierung – das Bundesfinanzministerium – schätzt 72 Millionen Euro mehr an Bürokratiekosten für die Wirtschaft usw.

(Frau Spurzem, SPD: Ist es jetzt gut?)

Ich will nicht bestreiten, dass der – – –

(Heiterkeit bei Finanzminister Professor Dr. Deubel)

Herr Kollege Deubel, Sie lachen. Ich sage das nur – – –

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege, Sie sind schon etwas über der Zeit.

Sie lachen. Das ist halt das Schöne, wenn man eine Steuerreform macht, aber politisch sagt, sie darf nichts kosten. Das ist das Problem. Dann macht man eine Steuerreform wieder für die Konzerne und nicht für den Mittelstand.

(Unruhe im Hause)

Das ist schade.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Herr Kollege Hartloff. Ihnen stehen noch zwei Minuten Redezeit zur Verfügung.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal gemeldet, weil der Kollege Baldauf heute Morgen meinen Vorgänger zitiert und ein Zitat von ihm genannt hat. Herr Baldauf, das Zitat war falsch. Es war – das muss ich sagen, wenn ich das so sehe – bewusst falsch.

(Bracht, CDU: Wie ist es denn richtig?)

Ich zitiere aus dem Protokoll der 95. Sitzung des Landtags Rheinland-Pfalz vom 21. Oktober 1999. Da sagte mein Vorgänger: „Meine Freunde haben zu mir gesagt, das ich damit konfrontiert werden würde, weil ich gesagt habe – jetzt kommt das Zitat – ‚Sparen in öffentlichen Haushalten bedeutet heute, mit einer Hand statt mit zwei Händen das Geld zum Fenster hinauszuwerfen’“. Er führt das dann weiter aus.

Sie haben gesagt, dass die SPD das Geld mit zwei Händen rauswirft, hätte Kollege Mertes gesagt. Das ist so. Sie haben falsch zitiert. Das ist ein Falschmünzer, der so etwas macht.

(Starker Beifall der SPD)

Lassen Sie mich in der Kürze der Zeit noch zwei bis drei Sätze zur Unternehmensteuerreform sagen. Einleitend möchte ich Sie auch mit dem, was Sie, Herr Baldauf gesagt haben, konfrontieren. Sie haben vom rot-grünen Chaos gesprochen, das für die wirtschaftliche Ausgangssituation verantwortlich wäre.

(Schreiner, CDU: So ist es! Jawohl!)