Jede staatliche Maßnahme, die in den persönlichen Bereich der Bürgerinnen und Bürger eingreift und damit natürlich insbesondere in deren Grundrechte, bedarf einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Das wissen Sie alle. Diese muss sich insbesondere am Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit messen lassen. Das gilt natürlich umso mehr, wenn der Staat im Verborgenen agiert, wie das bei den heimlichen Online-Durchsuchungen der Fall ist, und sich dadurch natürlich die Betroffenen mangels Kenntnis nur sehr begrenzt oder erst nach dem Ende der Maßnahme zur Wehr setzen können. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um eine Maßnahme handelt – auch da ist die heute infrage stehende heimliche Online-Durchsuchung das passende Beispiel –, die sehr intensiv in die Privatsphäre eines jeden Einzelnen eingreift.
Diese Maßstäbe der Verfassung gelten sowohl für die Maßnahmen der Gefahrenabwehr als auch für jene der Strafverfolgung. Sie gelten für die Abwehrrechte der Bürgerinnen und Bürger, aber sie gelten auch – das dürfen wir nicht vergessen – für die mit den Abwehrrechten korrespondierenden staatlichen Schutzmächten.
Es ist allen Beteiligten klar, dass es nicht einfach sein wird, einerseits eine gesetzliche Grundlage zu formulieren, die der höchstrichterlichen Rechtsprechung, insbesondere den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes, hinreichend Rechnung trägt, andererseits aber die Handlungsspielräume der staatlichen Organe nicht so weit beschneidet, dass diese letztendlich gar nicht mehr existieren. Auch wird sich niemand wirklich darüber wundern – das ist auch bei meinen beiden Vorrednern angeklungen –, dass die rasant voranschreitende technische Entwicklung den Gesetzgeber immer wieder unter Zugzwang setzen wird. Wir als FDP-Fraktion sind der Ansicht, dass man dieser Entwicklung im Interesse des Rechtsstaates und seiner Bürgerinnen und Bürger Rechnung tragen muss.
Es gibt grundsätzlich nichts, was sich nicht regeln ließe. So lassen sich auch die Möglichkeiten der heimlichen polizeilichen Online-Durchsuchung, sei es zu Zwecken der Strafverfolgung oder sei es zu Zwecken der Gefahrenabwehr, regeln. Allerdings – ich glaube, da kann man nicht genug mahnen – bitte nicht im HopplahoppVerfahren und auch nicht ohne eine sehr gründliche Abwägung, ob es überhaupt einer solchen Maßnahme im Detail bedarf, für welche Bereiche solche Durchsuchungsmethoden überhaupt interessant sein können, für welche Fälle insbesondere Täter und Deliktgruppen in Betracht kommen, welche Gefahren damit abgewehrt werden sollen oder für welche Maßnahmen sie überhaupt geeignet sind.
Es sind dabei natürlich auch Fragen zu erwägen, die bereits hier angesprochen sind, nämlich die eines Richtervorbehaltes, vielleicht auch eines doppelten Richtervorbehaltes. Es ist die Frage: Sollten solche Regelungen unter Umständen einer zeitlichen Geltungsbegrenzung unterliegen? Auch ist zu erwägen: Wie sieht es aus, weil es sich um einen massiven Eingriff handelt, mit der Evaluation oder je nachdem mit einer parlamentarischen Kontrolle, die in anderen Landesgesetzen für den Bereich des Verfassungsschutzes schon einmal erwogen worden ist?
Auch wird natürlich zu regeln sein, was mit den gefundenen Informationen passieren darf, wem sie zur Verfü
gung gestellt werden dürfen, wann sie zu löschen sind, wann der Betroffene informiert wird etc. Sie kennen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zum Großen Lauschangriff, und auch der eine oder andere Gedanke der Entscheidung zur Rasterfahndung wird hilfreich sein.
Nicht zu vergessen ist, insbesondere vor dem Hintergrund der Terrorismusbekämpfung – auch das halten wir für sehr wichtig –, die Abgrenzung zwischen den Befugnissen des Verfassungsschutzes und jenen der Polizei. Die Wahrung dieses Trennungsgrundsatzes spielt gerade bei der zunehmenden Tendenz, die polizeilichen Befugnisse in den Bereichen vor der eigentlichen Gefahrenabwehr bei den sogenannten Vorfeldbefugnissen auszuweiten, eine erhebliche Rolle.
Noch einen Satz. Dass diese Tendenz vorliegt, sehen Sie insbesondere daran, auch wenn Sie die Polizeigesetze aller Länder betrachten, dass dort nicht immer sehr sauber differenziert wird zwischen den Standardmaßnahmen, den Vorfeldbefugnissen und solchen zur Rechtsverfolgung.
Bevor ich das Wort weitergebe, darf ich als Gäste bei uns im Landtag den Freundschaftskreis AndernachStockerau begrüßen. Herzlich willkommen!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die sogenannten Online-Durchsuchungen sind, wenn man es richtig nimmt, von einer besonderen Qualität, und der Name ist ein bisschen – da gebe ich Ihnen recht, Herr Pörksen – verniedlichend nach dem Motto: Ach, das ist etwas, was in die neue Technik passt. Tatsächlich hat es etwas mit der neuen Technik zu tun, aber es geht hier um verdeckte und unbemerkte Zugriffe der Sicherheitsbehörden mittels des Internets auf Ihren Rechner zu Hause.
Das war bis vor einiger Zeit nicht möglich. Seit etwa zwei Jahren ist dies anders. Es gibt Fälle, in denen dies auch durchgeführt worden ist. Dies ist ein gravierender Eingriff – wie die Landesregierung findet – in den direkten und unmittelbaren Lebensbereich der Menschen, in die private Sphäre, die wir zu schützen haben.
Frau Lejeune hat vorhin einen Begriff in die Diskussion eingebracht, der, wie ich denke, der richtige ist, um die
Qualität der Diskussion zu bemerken. Diese Qualität, die diese sogenannten Durchsuchungen per Internet haben, unbemerkt und in den privaten Rechner hinein, hat im Grunde genommen die gleiche Qualität wie die, als wir damals über den Großen Lauschangriff gesprochen haben. Die Qualität ist nichts anderes. Wir gehen in den geschützten, intimen, privaten Bereich unter ganz bestimmten Voraussetzungen hinein, die definiert werden müssen und die rechtsstaatlich von einem hohen Wert sind oder – anders herum – die rechtsstaatlich hoch geschützt werden müssen. So ist die Situation.
Die Landesregierung hat nie eine andere Position vertreten. Ich sage das deswegen, weil diese im Landtag nie abgefragt worden ist.
Als zum ersten Mal in der Öffentlichkeit diskutiert worden ist, dass der Generalbundesanwalt ein solches Ansinnen gestellt hat – das erst genehmigt wurde, wenn Sie sich noch erinnern, erst der zweite Fall wurde versagt –, erst dann wurde ich gefragt, wie ich das empfinde. Ohne Rechtsprüfung und einfach aus meinem Verständnis heraus habe ich gesagt, es kann wohl nicht sein, dass von außen, ohne dass ich etwas weiß, eine Durchsuchung meines Rechners stattfindet, auf dem mein Tagebuch gespeichert ist, in das möglicherweise nicht einmal meine Frau oder meine Kinder Einblick haben.
Dies bedeutet für mich, dass ich es unmöglich finde, ohne eine starke Rechtsgrundlage, die im politischen und rechtspolitischen Raum diskutiert wurde, einzugreifen.
Meine Damen und Herren, das ist die eine Seite. Die andere Seite ist, dass der Minister dafür einzutreten hat und alles tun muss, um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Erforderlich ist – man muss Phantasie walten lassen, wenn man das heute sieht – zu überlegen, ob es notwendig ist, ein Rechtsinstrument und ein technisches Instrument zu haben, um in einen bestimmten Rechner einer bestimmten Person zu einem bestimmten Zeitpunkt einzugreifen. Ich denke, wir werden das benötigen.
Wenn ich die ganze terroristische Entwicklung, wie zum Beispiel in England, und die Ermittlungsarbeit sehe, die dort geleistet worden ist, um zum Beispiel Terroristen im Vorfeld zu ermitteln, bevor die Tat durchgeführt werden konnte, sind wir gut aufgestellt. Dann werden wir uns über die Frage, welches Rechtsinstrument wir benötigen, rechtzeitig verständigen.
Ich denke, es ist gut, dass wir dann diskutieren. Die Landesregierung wird sich in diese Frage einbringen. Ich sage das ausdrücklich für den Kollegen Bamberger, mit dem ich in dieser Frage eine enge Korrespondenz habe. Frau Kohnle-Gros hat darauf hingewiesen. Wir brauchen eine strafprozessuale notwendige Veränderung, und zwar eine Rechtsgrundlage, die vom Bund zu schaffen ist.
Wir haben andererseits im Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (POG) in Rheinland-Pfalz eine analoge Regelung – Sie kennen diese –, die wir im Moment auf den Prüfstand gestellt haben. Diese wollen wir auf den letzten Bescheid des Bundesgerichtshofs hin und, nachdem der Landesverfassungsgerichtshof entschieden hat, nunmehr verändern. Insofern müssen wir uns mit dieser Frage auseinandersetzen.
Ich bin aber nicht der Meinung, dass wir uns auf ein Gebiet begeben, das so gänzlich von den bisherigen Überlegungen weg ist. Ich erinnere mich gut daran, als wir Anfang der 90er-Jahre in diesem Haus über die Frage geredet haben, unter welchen Kautelen man verdeckte Ermittlungen in Wohnungen im privaten Bereich durchführen kann.
Wir haben das im positiven Sinn sehr streitig gemacht, haben aber eine Entscheidung getroffen, die heute breit getragen wird und die auch von der Polizei und der Justiz mit den üblichen Problemen anzuwenden ist. Man muss mehr Personal einsetzen und es rechtsstaatlich mit möglicherweise einem doppelten Richtervorbehalt hoch sichern. Darüber muss man reden.
Diese Diskussion hat mir gezeigt, dass wir auf einem guten Weg sind. Ich bedanke mich bei jedem Einzelnen, der mitwirkt, damit wir eine solche Lösung finden werden, die rechtsstaatlich hoch gesteckt ist, andererseits aber auch den Sicherheitsbehörden die Möglichkeit lässt, definierte Straftaten im Vorfeld aufzudecken und zu verhindern.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Der Minister hat zu Recht ausgeführt, Freiheit ist in unserem Land ohne die Gewährleistung von Sicherheit undenkbar. Auch andersherum wird erst recht ein Schuh daraus, nämlich: Unsere Sicherheit ist ohne die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger erst recht undenkbar.
Bevor Detailregelungen angesprochen werden und obwohl Sie, Frau Dr. Lejeune, sicher im Einzelfall recht haben, muss man sich auch darüber klar sein, welche Haltelinie eingezogen wird und für uns gilt, wenn wir in die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger eindringen. Das Wort „Bundestrojaner“ klingt relativ harmlos. Der eine oder andere hat vielleicht die schöne Helena vor Augen, wenn er an Troja denkt.
Wir müssen auch zusehen, dass wir einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen den Freiheitsrechten des Einzelnen und dem Schutzbedürfnis der Allgemeinheit wahren. Es darf keinen heimlichen Einbruch in den per
sönlichen Lebensbereich und die Intimsphäre des Einzelnen geben, sei es im Tagebuch oder den Urlaubsbildern. Die hohen Hürden – das wurde allseits angesprochen – der akustischen Wohnraumüberwachung müssen erst recht für das heimliche Datenausspähen auf den Computern gelten.
Natürlich gibt es die Fälle schwerster Kriminalität. Ich will nicht nur vom internationalen Terrorismus sprechen, sondern auch von der schwersten Organisierten Kriminalität in unserem Land, in dem es dem Staat möglich sein muss, nicht nur im Rahmen von Ermittlungsverfahren der Strafprozessordnung, sondern auch präventiv tätig zu werden, bevor ein großer Schaden für die Allgemeinheit entsteht.
Die SPD-Fraktion hat dieses Thema in die Aktuelle Stunde genommen, um die Haltelinie von vornherein klarzumachen. Der Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensführung, wie es das Bundesverfassungsgericht zu Recht ausführt, muss gewährleistet bleiben.
Frau Kohnle-Gros, ich habe das eine oder andere nicht verstanden, was das mit dem Internet zu tun hat. Hier können wir sehr wohl fahnden. Es geht hier um den Computer, der zu Hause am Schreibtisch, am Bett, im Wohnzimmer oder sonst wo steht und das Sensibelste ist, was wir an Daten zu Hause sammeln.
Der Kollege Pörksen hat recht, wenn er sagt: Datenschutz ist hier nicht Täterschutz, sondern wir müssen auch sehen, dass unbescholtene Menschen nicht zum Opfer werden.