Protocol of the Session on January 18, 2007

Erst letzte Woche sahen wir die Bilder der Hinrichtung von Saddam Hussein in allen visuellen Medien. Kein deutscher Fernsehsender hatte darauf verzichtet, noch nicht einmal die Tagesschau. Besonders perfide war die Podcastversion von „RTL aktuell“, die jedem Schüler die Möglichkeit bot, Bilder einer Hinrichtung, die keinesfalls in eine Öffentlichkeit gehören, auf jedes Handy herunterzuladen. Aber auch Actionfilme wie „Der Terminator“, „Stirb langsam 1 bis 3“ bieten eine grausame fiktionale Gewaltwelt.

(Vizepräsident Schnabel übernimmt den Vorsitz)

Junge Menschen haben eine hohe Bereitschaft zur Nachahmung des Gesehenen. In den USA hat ein 10Jähriger nach den Hinrichtungsvideos das selbst ausprobiert und sich erhängt.

Einige Jugendliche scheinen Fiktion und Realität nicht mehr trennen zu können. Jugendliche schlüpfen in Rollen, die sie durch fiktionale Handlungen kennengelernt haben.

Besonders groß ist diese Gefahr bei Computerspielen, besonders bei sogenannten Shooter-Spielen wie „Counter-Strike“, „World of Warcraft“, „Diabolo“ und andere. Solche Spiele haben das Schießen und Treffen von gegnerischen Spielfiguren zum Inhalt. Es sind Missionen zu erfüllen, um Gegnerfiguren auszuschalten und die eigene Figur zum Ziel zu führen.

Egal, welche Variation des Genres gespielt wird, sie beinhalten ein hohes Suchtpotenzial und eine hohe Identifikation mit dem Hauptcharakter.

Meine Damen und Herren, entscheidend ist deshalb, dass wir heute gemeinsam über einen geeigneten Umfang mit gewaltverherrlichenden Medien und Spielen

beraten. Dabei müssen wir uns über eines klar sein, und ich zitiere Armin Laschet, Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration in Nordrhein-Westfalen: „Computerspiele sind Jugendkultur und gehören für Kinder und Jugendliche zum Alltag. Deshalb brauchen wir eine sachgerechte Diskussion über Computerspiele und keine pauschalen Verurteilungen.“

Die SPD begrüßt die Debatte auf allen Ebenen. Die europäische Ebene hat mit dem aktuellen Vorschlag von EU-Justizkommissar Franco Frattini, eine Art schwarze Liste zu erstellen, einen Vorstoß gemacht. Listen sind eine wichtige Maßnahme zur gezielten Öffentlichkeitsarbeit. Doch wir brauchen weitere Maßnahmen, Maßnahmenpakete, die viele Schritte umfassen.

Wäre die Lösung einfach, läge sie längst auf dem Tisch. Wir kennen die Lösungen der Veröffentlichung bei „Click Safe“, „Safer Internet“. Das sind wichtige Maßnahmen. Die Rechtslage bietet mit § 131 StGB und den Regelungen zum Jugendschutzgesetz und Jugendmedienstaatsvertrag ein umfangreiches Instrumentarium. Vielleicht könnten wir über deren Anwendung und verschärfte Kontrollen diskutieren.

(Beifall der SPD)

Wir sind jedoch skeptisch, ob sich durch ein Herstellungs- und Verbreitungsverbot für Deutschland der internationale Handel mit jugendgefährdenden oder strafbaren Inhalten über das Internet wirkungsvoll beschränken lässt.

Was wir im World Wide Web in Rheinland-Pfalz verbieten, wird vielleicht gerade in Singapur oder in Indien ins Netz gestellt.

Meine Damen und Herren, machen wir uns nichts vor. Bei allen Inhalten im Computer haben die Computerspiele groß zur Verbreitung der Computer beigetragen. Bei allen Inhalten im Netz fehlt uns ein Gatekeeper, ein Filter, ein Kontrollsystem, und Suchmaschinenbetreiber, Videoplattformen wie YouTube beweisen das.

Wir brauchen einen Umgang mit Computerspielen, eine neue zielgerichtete Sensibilisierung von Erwachsenen, der Eltern, der Pädagogen, auch der Kinder und Jugendlichen durch Öffentlichkeitsarbeit, die Aufklärung über Alterskennzeichnung von Spielen und das Suchtpotenzial betreibt.

(Beifall der SPD)

Aber nicht alle Jugendlichen sind gefährdet. Deshalb: Wer in einer Community spielt oder auf einer Netzwerkparty Freunde trifft, lebt eine Art neuer Jugendkultur. Wer aber allein, vernachlässigt, ohne Freunde zu Hause am Computer „rumdaddelt“, der braucht unsere besondere Aufmerksamkeit.

(Glocke des Präsidenten)

Gestatten Sie noch einen Satz. Ich bin deshalb zuversichtlich, dass wir mit unserer ganzheitlichen Bildungspolitik auch hier richtige Antworten geben. Schulsozialarbeit, freizeitpädagogische Angebote und Ganztags

schule sind wichtige Maßnahmen, gefährdete Jugendliche zu entdecken, ihnen Alternativen zum Computer oder einen sachgerechten Umgang damit anzubieten.

Danke.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat Frau Kollegin Beilstein.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! „Stehen Sie neben einem verletzten Gegner, erscheint gelegentlich die Exekutiermeldung: Drücken sie x und halten sie den rechten oder linken Analogstick, um ihren Gegner zu erdrosseln. Dank des Präzisionsmodus können sie nicht lebenswichtige Schwachpunkte ihres Gegners anvisieren. Dadurch lebt er lange genug, um ihnen zu erzählen, was er weiß.“ – Meine Damen und Herren, so steht es in der Gebrauchsanweisung zum Computerspiel „Der Pate“ von Electronic Arts.

Angesichts der Ereignisse von Erfurt und auch von Emsdetten stellt sich die Frage immer wieder neu: Führen Killerspiele zu Gewalt, oder sind es nur gewaltbereite Jugendliche, die diese Spiele spielen? – Thomas Zeitner, der Chef des Anbieters von „Counter-Strike“ ist der Meinung, der Reflex, gleich nach Verboten zu rufen, wenn etwas Schreckliches passiert sei, sei falsch. Er räumt aber gleichzeitig ein, dass sich bei intensivem Spielen durchaus Fiktion und Realität vermischen.

Union und SPD haben in ihrer Koalitionsvereinbarung eine nachhaltige Verbesserung des Jugendschutzes verabredet. Dabei soll das Verbot von Killerspielen vorrangig behandelt werden. Während aus Bayern nun eine entsprechende Bundesratsinitiative gestartet werden soll, hält der rheinland-pfälzische Innenminister Bruch ein Verbot von Computerkillerspielen für unsinnig.

Ich glaube zunächst einmal nicht, dass man es sich so einfach machen darf zu sagen: Ein Verbot bringt nichts. Es gibt doch Mittel und Wege, es zu übertreten.

(Beifall der CDU)

Das mag sein. Ich kann auch gegen eine Einbahnstraße fahren, wenn ich das will. Stünde aber das Schild mit dem weißen Querbalken nicht davor, dann würden wahrscheinlich noch sehr viel mehr Menschen in diese Richtung fahren.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Daher bin ich schon der Meinung, dass man die bayerische Initiative nicht mit einer einfachen Handbewegung vom Tisch fegen soll, sondern ernsthaft diskutieren muss.

(Beifall der CDU)

Andererseits waren Verbote allein bisher noch nie der Weisheit letzter Schluss, nicht nur, weil der Reiz des Verbotenen manche Menschen besonders lockt, sondern auch, weil dies in der Folge einen immer stärker werdenden Überwachungsdruck zur Folge hat. Gefragt ist zunächst einmal sicherlich die elterliche Verantwortung; denn auch der Suchtfaktor beim Medienkonsum allgemein sollte nicht unterschätzt werden. Aber meistens geraten genau diese Gewaltspiele ohne elterliche Kenntnis auf den PC des Sprösslings.

Nach übereinstimmender Auffassung aller Experten löst der Konsum allein noch keine gewaltsamen Handlungen aus. Es müssen noch weitere Faktoren dazukommen wie eine labile Persönlichkeit, permanente Frustration, Versagensängste oder vielleicht ganz einfach fehlende Freundschaften.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Jawohl!)

Was heißt das im Umkehrschluss? – Ich habe drei Söhne im Alter von 16, 13 und 11 Jahren, allesamt wie alle Jugendlichen heiß auf Computer und Co. Während sich die beiden Jüngeren vielleicht mit Spielen wie „SIMS“ oder „Anno 1701“ beschäftigen, habe ich vor kurzem meinen 16-Jährigen am PC angetroffen, wie er virtuellen Personen mit dem Gewehr nachjagte.

Ich bin mir ganz sicher, eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen in diesem Kreise haben das ebenfalls schon bei ihren Sprösslingen erlebt. Auf meine Frage, wie er denn an ein solches Spiel komme, antwortete er: „Ja, es ist freigegeben ab 16.“ – Seit 2003, als Reaktion damals auf den Amoklauf an der Erfurter Schule, müssen sich die Händler an die Altersfreigabe der USK halten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn es der Selbstkontrolle und dem Jugendschutz allerdings juristisch genügt, dass das Blut schon mal grün statt rot spritzt, obwohl die Darstellung dann nicht weniger realistisch ist, aber weil man glaubt, dass es so ist, dann, glaube ich, muss man hier noch einmal nachbessern. Das ist dringend gefordert.

(Beifall der CDU)

Zurück zur Situation im Jugendzimmer. Auf meine Bitte, diesen Schund doch zu beenden, antwortete mein Sohn: „Ist doch nur ein Spiel, aber ich werde es eh gleich runterfahren, weil ich zum Basketball muss.“ – Diesen Satz „Ist doch nur ein Spiel“ fand ich natürlich nicht so prickelnd, aber für mich bedeutender war der Satz „Ich muss zum Basketball“. Es war die Feststellung, dass es andere Dinge gibt, die wichtiger sind, die Tatsache, dass das reale Leben Vorrang hat und nicht das virtuelle Leben.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Diese persönliche Erfahrung deckt sich auch mit Aussagen ehemaliger Kollegen im Jugendamt und auch befreundeter Polizisten, die im Jugendbereich tätig sind. Ich zitiere: „Es ist leicht zu sagen, die Jungs von Erfurt und Emsdetten haben halt nur solche Videos geguckt oder Spiele gespielt. Nein, die waren isoliert. Denen hat

eine Alternative gefehlt, und niemand die Signale gesehen.“

(Beifall der CDU – Glocke des Präsidenten – Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Wo wir hier ansetzen sollten, dazu werde ich dann in der zweiten Runde kommen.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Bauckhage das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal lassen Sie mich sagen, es ist wichtig, dass wir eine gesellschaftliche Diskussion über diese Art der Mediennutzung führen. Ich sage das deshalb, weil das vor dem Hintergrund der abscheulichen und schlimmen Ereignisse sowohl an der Erfurter Schule als auch kürzlich in Mecklenburg-Vorpommern erstens erschütternd ist, aber man zweitens wissen muss, es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass die Ursache dafür diese Computerspiele sind.

Wir haben mittlerweile eine Medienlandschaft, die schon nachdenklich stimmt. Man muss wissen, Medien prägen natürlich Meinungen und auch Charakter. Das ist überhaupt keine Frage. Wenn wir es mit solchen modernen Medien zu tun haben – die Geschwindigkeit auf Veränderungen ist enorm –, hat man einmal damit zu tun: Wie ist die Information der Zukunft, wird sie über Internet und über Google laufen? – Wenn man weiß, wie die Priorität bei Google funktioniert – was die meisten abrufen, steht vorn –, dann kann man sich vorstellen, wie in Zukunft insgesamt die Medienlandschaft und die Information dieser Gesellschaft aussieht.

Es ist die spannende Frage: Wie gehen wir damit um? – Ich muss sagen, hier hilft nicht zu sanktionieren, hier hilft auch nicht zu verbieten, weil der graue oder schwarze Markt so groß sind und weil das zum Ersten im Computer, das heißt, im Internet datenschutzrechtliche Probleme berührt, und zum Zweiten werden Sie das alles nicht abschaffen können; denn dann wird der Staat zum Schnüffler.