Protocol of the Session on November 17, 2010

(Beifall der FDP und bei der CDU)

Herr Kollege Puchtler, Sie haben dargestellt, der Rechnungshof hätte festgestellt, dass im Jahr 2008 die Verfassungsschuldengrenze eingehalten worden wäre. Sie haben nur vergessen hinzuzufügen, dass das nur deshalb der Fall ist, weil die Zahlungen in den Pensionsfonds als Investition deklariert worden sind.

(Beifall der FDP und bei der CDU)

Wären die Zahlungen in den Pensionsfonds nicht als Investition ausgewiesen worden, hätten Sie die Verschuldungsgrenze um weit über 200 Millionen Euro überschritten. Der Haushalt wäre verfassungswidrig gewesen. Deshalb ist es aus Sicht der FDP-Fraktion geradezu eine Perversion des Vorsorgegedankens, wenn ich die Zahlungen, die dazu dienen, zukünftige Generationen zu entlasten, dann dazu heranziehe, zukünftige Verschuldungen für zukünftige Generationen zu begründen. Das widerspricht dem Vorsorgegedanken.

(Beifall der FDP und bei der CDU)

Deshalb sehen wir uns außerstande, an dieser Stelle eine Entlastung im Haushaltsverfahren auszusprechen, weil aus unserer Sicht gerade das, was wir gemeinsam mit dem Pensionsfonds gewollt haben, an der Stelle, wenn es so gehandhabt wird, unterlaufen wird.

(Beifall der FDP)

Für die Landesregierung hat Herr Finanzminister Dr. Kühl das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nicht üblich, dass der Finanzminister anlässlich der Entlastung der Landesregierung das Wort ergreift. Es ist auch bisher in der parlamentarischen Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz noch nicht vorgekommen. Es ist aber auch noch nicht vorgekommen, dass eine Fraktion dieses Hauses bekundet hat, dass sie der Landesregierung die Entlastung verweigern will.

(Zuruf des Abg. Wirz, CDU)

Zur Klarstellung: Die Entlastung ist ein Votum, ob geltendes Recht im Haushaltsvollzug eingehalten wird. Hierüber ist es ein Votum. Es ist kein Votum darüber, ob die politischen Inhalte einem gefallen oder nicht.

Es hat einen guten Grund, dass man dieses relativ hoch hängt, dass man von diesem Instrument sehr selten Gebrauch macht.

Die Entlastung ist ein staatspolitisch hoch anzusetzendes Gut, und wenn man nicht entlastet, will man dadurch in der Regel einen größeren Rechtsbruch beklagen. Der Rechnungshof stellt in seinem Gutachten verschiedene Punkte dar, wo er meint, dass die Landesregierung in Zukunft anders oder besser handeln sollte. An der einen oder anderen Stelle weist er sicherlich auch auf einen Rechtsverstoß, auf eine nicht saubere Anwendung des Haushaltsrechts hin, aber all das führt nicht dazu, dass man deswegen, wenn ein solcher Verstoß an einer kleinen Stelle festgestellt ist, die Entlastung verweigert.

Entlastung ist mehr, Entlastung bedeutet, man will auf etwas Besonderes aufmerksam machen.

(Licht, CDU: Ja, insofern richtig!)

Ich warne davor, dass man die Nichtentlastung zu einem konventionellen, alltäglichen, alljährlichen politischen Instrumentarium zwischen Regierung und Opposition werden lässt. Die Entlastung oder Nichtentlastung ist ein scharfes Schwert. Wenn man mit diesem scharfen Schwert ständig und beliebig schlägt, dann wird es irgendwann stumpf.

(Bracht, CDU: Wie oft haben wir schon die Entlastung verweigert?)

Anders ausgedrückt, auf einen Wachhund, der ständig bellt, wird nicht gehört, wenn tatsächlich ein Einbrecher kommt. Das sollten Sie bedenken, wenn Sie heute hier abstimmen.

(Beifall bei der SPD – Licht, CDU: War das eine Drohung, oder was? – Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

Die Regierung dankt dem Rechnungshof für seine Hinweise. Die Regierung dankt auch dafür, dass der Rechnungshof festgestellt hat, dass dem Haushaltsvollzug im Jahr 2008 in Gänze eine ordnungsgemäße Haushaltsführung zugrunde liegt. Ich erwähne das hier. Vermutlich haben Sie es in ihrem Manuskript überblättert. Vielleicht

habe ich es auch überhört, weil ich es in dem Bericht aus der Rechnungsprüfungskommission so nicht gehört hatte.

(Schweitzer, SPD: Es war doch gar kein Bericht!)

Ich möchte die beiden wesentlichen Punkte, die angesprochen worden sind, die Rücklagenbildung und die Pensionsfondszuführung, kurz näher beleuchten. Das geschieht im Hinblick darauf, ob gegen geltendes Recht verstoßen worden ist. Wichtig ist mir, Maßstab ist die Einhaltung geltenden Rechts und nicht die Antizipation zukünftiger Rechtsprechung durch Gericht und deren Folge für die Rechtsanwendung. Ich sage das dazu, weil ich in den letzten Wochen den Eindruck hatte, dass das ein neuer Maßstab für die politische Bewertung hier in diesem Haus ist.

(Beifall bei der SPD – Baldauf, CDU: Meine Güte! – Weitere Zurufe von der CDU)

Was hat der Gutachter, den wir, nachdem wir hörten, dass es ein entsprechendes Votum in der Rechnungsprüfungskommission gegeben hat, kurzfristig beauftragt hatten, die Frage der Rücklagen noch einmal zu beleuchten, ausgeführt? Er hat erstens ausgeführt, der Minister der Finanzen des Landes Rheinland-Pfalz hat bei der außerplanmäßigen Bildung einer Rücklage im Landeshaushalt 2007 entsprechend der Landeshaushaltsordnung gehandelt. Er bezieht sich auf § 25 Abs. 1 Satz 1 dort heißt es: „Übersteigen die Einnahmen die Ausgaben, so ist“ – also wenn dem so ist, dann muss – „der übersteigende Betrag vorrangig zur Verminderung des Kreditbedarfs oder zur Tilgung von Schulden zu verwenden oder einer Rücklage zuzuführen.“

Die Dinge stehen gleichberechtigt nebeneinander. Wenn er sich auf die Landeshaushaltsordnung und auf die Rücklagenbildung bezieht, muss der Finanzminister dies einhalten. Es spricht nichts dagegen, nein, im Gegenteil, es ist richtig und wichtig, dass der Finanzminister geltendes einfachgesetzliches Recht befolgt.

Der Gutachter stellt zweitens fest, ob § 25 der Landeshaushaltsordnung mit Artikel 119 der Landesverfassung Rheinland-Pfalz vereinbar ist, hatte der Finanzminister nicht zu prüfen. Warum nicht? Er muss nämlich davon ausgehen, dass der Gesetzgeber 1978 – 1978 ist diese Vorschrift in die Landeshaushaltsordnung aufgenommen worden – dies verfassungskonform gemacht hat. Ihm steht es umgekehrt gar nicht zu, die Verfassungsmäßigkeit zu beurteilen oder nach eigenem Gutdünken zu sagen, ob er diese Vorschrift für verfassungskonform hält oder nicht.

Drittens fügt der Gutachter hinzu, dass nach seiner Ansicht § 25 der Landeshaushaltsordnung verfassungsgemäß ist. Er begründet das damit, wenn es zu einer solchen Überprüfung käme, wenn der Minister der Finanzen außerplanmäßige Einnahmen für die Schuldentilgung oder Rücklagenzuführung verwendet, entsteht kein Bedrohungspotenzial für das parlamentarische Budgetrecht, welches Schutzobjekt der verfassungsrechtlichen Norm ist. Über die Verwendung der Rücklage entscheidet das Parlament.

Mit anderen Worten: Eine Rücklagenbildung ist keine Ausgabenermächtigung, und es ist keine Ausgabe der Landesregierung möglich, ohne dass das Parlament zuvor positiv entschieden hat. Das ist das, was die entsprechende Verfassungsvorschrift gewährleisten will. –

Herr Schreiner, dass die Rücklagenbildung dazu dient, die Schuldenbremse oder Schuldenregelungen zu umgehen, das habe ich nicht verstanden. Sehen Sie es mir nach. Vielleicht können Sie es mir noch erklären.

(Zuruf des Abg. Schweitzer, SPD)

Herr Schreiner, ich habe auch nicht verstanden, dass es noch jemanden gibt, der glaubt, wenn man eine Rücklage bildet, dass man dann etwas tut, was das Land mehr kostet, als wenn man entweder Schulden tilgt oder weniger Kredite aufnimmt.

Mitarbeiter meines Hauses haben das einmal für diejenigen aufgemalt, für die es sehr kompliziert und schwierig ist, das immer noch zu verstehen.

(Herr Staatsminister Dr. Kühl zeigt eine Grafik)

Ich habe nicht vermutet, dass ich es heute benötige. Ich hatte es gar nicht eingepackt. Zum Glück hat es ein Mitarbeiter dabeigehabt. Herr Schreiner, ich werde es Ihnen nachher geben, damit Sie da vielleicht noch einmal nachsehen können.

(Beifall der SPD)

Dieses Geld wird verwendet, um ansonsten Kreditaufnahmen zu vermeiden und zu substituieren. Ich hoffe, das ist den meisten klar.

(Schreiner, CDU: So wie die Grafik von hier aussieht, linke Tasche, rechte Tasche!)

Die entscheidende Frage für mich ist: War es sinnlos zu diesem Zeitpunkt 2008, eine Rücklage zu bilden? Ist das irgendwie gemacht worden, um Geld in das nächste Haushaltsjahr aus irgendeiner Willkür heraus zu schieben? – Nein, es gab einen ganz konkreten Grund, diese Konjunkturausgleichsrücklage von 177 Millionen Euro zu bilden. Alle wussten nämlich zu diesem Zeitpunkt, dass es eine Wirtschaftskrise gibt. Es gibt eine konjunkturelle Bedrohung. Es war klar, dass Bund und Länder gemeinsam ein Konjunkturprogramm auf den Weg bringen wollen. Was ist bei Konjunkturprogrammen wichtig? Man muss schnell reagieren können. Man kann schnell reagieren, wenn man die entsprechende Haushaltsermächtigungen und die entsprechenden Mittel dafür hat, die man einsetzen kann.

Im Übrigen ist dieses Parlament immer zeitnah und sofort über die Rücklagenbildung und auch über die Verwendung für die Konjunkturprogramme informiert worden.

(Zuruf des Abg. Schreiner, CDU)

Es war ein Segen, dass dieses Land diese Konjunkturausgleichsrücklage gebildet hat. Dass wir heute im Vergleich der Länder so gut in der Konjunkturpolitik und so

gut bei der Abrufung dieser Mittel dastehen, hat unter anderem damit zu tun.

(Beifall der SPD – Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Herr Mertin, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann schließen Sie sich jetzt auch sozusagen den Bedenken der CDU-Fraktion gegen die Rücklagenbildung an. Das hatten wir bisher so von Ihnen in der Rechnungsprüfungskommission nicht gehört. Mir wurde berichtet, Sie hätten eher Probleme mit dem Pensionsfonds oder mit dem Liquiditätspool. Das ist heute bei Ihnen nicht mehr gekommen.

Ich hatte das auch verstanden, warum die FDP-Fraktion möglicherweise da Zurückhaltung übt. Im Jahr 1999 beispielsweise wurde unter Anwendung des § 25 eine Rücklage gebildet. Da waren Sie mit in der Verantwortung. Da habe ich gedacht, na ja gut, das ist clever, da will man sich nicht sozusagen in ein Boot setzen, mit dem man selbst theoretisch dann argumentativ untergehen könnte. Das haben Sie nicht gemacht. Ich denke, Sie haben gute Gründe dafür, dass Sie jetzt anders darüber denken.

Im Übrigen hat sich auch die CDU-Fraktion genauso wenig wie die FDP-Fraktion – das muss dann im Jahr 2001 bei der Entlastung des Haushalts gewesen sein – darüber beklagt, dass diese Rücklage gebildet worden ist, und möglicherweise deswegen die Entlastung verweigert. Ich kann mir auch vorstellen, warum. Wenn es 2001 war, dann war es um diese Zeit im Jahr 2001. Da hat eine Wahl gerade ein halbes Jahr zurückgelegen. Dann ist das nicht wahnsinnig spannend, so etwas zu machen.

Ich glaube, hier soll nicht etwas hartes Rechtliches untersucht, analysiert und kritisiert werden, sondern hier soll ein bisschen ein Spektakel aufgeführt werden. Wenn man ein Spektakel aufführen will – deswegen dachte ich, na ja, Sie lassen das weg mit der Rücklage –, dann nehmen Sie den Pensionsfond. Auch den hatten Sie im Jahr 2007, als bereits alle Zuführungen in der Hauptgruppe 8 etatisiert wurden und als Sie ebenso wie im Haushaltsjahr 2008 der Nettokreditaufnahme gegenübergestellt wurden, nicht zum Anlass genommen, diesen Haushalt nicht zu entlasten. Das war vielleicht noch ein bisschen weit vor der Wahl. Jetzt ist es möglicherweise opportuner.

Ich denke, diese Dinge sind nicht ganz unwichtig, weil sie deutlich machen, wo die Motivation liegt, sich jetzt anders zu verhalten, aber anders zu verhalten an einem Punkt, an dem man sich meiner Ansicht nach es sich gut überlegen sollte, ob man sich anders verhält, weil man sozusagen die Hürden für die Zukunft sehr niedrig hängt.

Zum Pensionsfondsgesetz: Es ist ein Gesetz, und der Finanzminister hat es zu beachten. – Wenn das Gesetz sagt, dass die Zuführung ein Darlehen und der Rückfluss eine Tilgung ist, dann schaut er in die entsprechenden Haushaltsvorschriften. In denen steht, dass Darlehen Mittel der Hauptgruppe 8 sind. Wenn man in die Verfassung und in die entsprechenden Kommentare

schaut, dann weiß man, dass Mittel, die in der Hauptgruppe 7 oder 8 etatisiert sind, im Sinne der Verfassung als Investitionen gelten und einer Nettokreditaufnahme gegenübergestellt werden. Das ist Anwendung geltenden Rechts. Dafür wollen Sie der Landesregierung die Entlastung verweigern. Ich verstehe das nicht.