Protocol of the Session on July 7, 2005

Auch bei den Prüfungsordnungen aller Ausbildungsbereiche wurden Regelungen getroffen, die behindertengerechte Ausgleiche ermöglichen; denn auch für behinderte Menschen gilt: Je besser die Ausbildung, desto größer die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. – Auch hier ist das Ziel für uns, Arbeitsplätze zu erhalten und zu schaffen.

Das Land hat deshalb seit 1990 mit rund 26 Millionen Euro Landessonderprogramme zur Förderung der Beschäftigung behinderter Menschen zur Verfügung gestellt. Die flächendeckende Einrichtung der Integrati

onsfachdienste im Jahr 1999 hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Anzahl arbeitsloser schwerbehinderter Menschen nachhaltig gesenkt wurde. Das war in dem Bericht nachzulesen.

Bundesweit liegen wir damit zusammen mit dem Saarland an der Spitze. Unstrittig ist, dass auch dies noch verbesserungswürdig ist. Wegen des Erfolgs dieser Einrichtung haben wir diese bestehenden Kooperations- und Finanzstrukturen auch 2005 nicht verändert.

Die drei überregional eingerichteten Berufsbildungswerke bieten Möglichkeiten der qualifizierten Erstausbildung. Bauliche Veränderungen mit finanzieller Unterstützung des Landes gab es in den drei Berufsförderwerken in Mainz, Trier und Vallendar, Einrichtungen zur beruflichen Qualifizierung erwachsener behinderter Menschen.

Eine weitere Möglichkeit, um den behinderten Menschen den Einstieg und auch den Wiedereinstieg in den beruflichen Alltag zu ermöglichen, ist die Arbeit in einem Integrationsbetrieb. Diese betriebliche Sonderform wird dem ersten Arbeitsmarkt zugerechnet, obwohl sie eine finanzielle Förderung erhält. Das ist eine Förderung, die jedem anderen Betrieb auch zusteht, der behinderte Menschen beschäftigt.

Die SPD-Landtagsfraktion hatte im Juli 2004 eine Anhörung „Aufgabe und Zukunft der Integrationsbetriebe“ durchgeführt mit dem Ergebnis, dass es unser Ziel ist, langfristig die Zahl der Betriebe und der Arbeitsplätze in diesen Betrieben deutlich zu steigern und Beschäftigten in den Werkstätten einen Wechsel in den ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

Mehr als 12.000 Menschen mit besonders schwerer Behinderung erhalten Beschäftigung und Betreuung in den Werkstätten. Jeder von uns weiß von diesem gut ausgebauten Netz an Werkstätten. Nun sollen verstärkt Bereiche in den Werkstätten unterstützt werden, die einen Übergang zum Integrationsbetrieb vollziehen können.

Ein weiterer Schwerpunkt der rheinland-pfälzischen Behindertenpolitik ist, „Hilfe vor Ort“ zu geben, das heißt, die vorhandenen individuellen Bedarfsangebote auf- und auszubauen. Dazu gibt es seit 1994 verbindliche Hilfeplanverfahren und -konferenzen in allen 36 kommunalen Gebietskörperschaften in Rheinland-Pfalz. Dies ist bundesweit einmalig.

So gibt es seit 1998 das „Persönliche Budget“, das seit 2004 flächendeckend in Rheinland-Pfalz eingeführt wurde. Auch dies ist bundesweit einmalig. Es wurde als Modell in das SGB IX trägerübergreifend aufgenommen. Das „Persönliche Budget“ ermöglicht erstmals Heimplatzberechtigten ein eigenständiges Wohnen. Das Land beteiligt sich an den Kosten der ambulanten Eingliederungshilfe. Wie bei allen Reformen im Gesundheitsbereich gilt es, ambulant vor stationär umzusetzen.

In Rheinland-Pfalz leben mehr als 10.000 Menschen in stationären Einrichtungen. Mit dem „Persönlichen Budget“ können wir den Menschen in diesen Einrichtungen etwas helfen.

Deshalb haben die Kommunen, die Liga der freien Wohlfahrtsverbände und die Selbsthilfeorganisationen eine Zielvereinbarung getroffen, die den Aufbau von ambulanten Strukturen festlegt. Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit, dass hierbei die vielfältige Arbeit der ehrenamtlichen Tätigkeit vonseiten des Landes unterstützt wird.

Bereits vor der Verabschiedung unseres Landesgesetzes hat der Ministerrat Ende 2002 die Einrichtung von ressortübergreifenden Projektgruppen beschlossen, deren Aufgabe die Umsetzung des Gesetzes ist. Diese Arbeitsgemeinschaften erarbeiten Verbesserungen für behinderte Menschen in den Bereichen Verwaltung, Mobilität, Bauen, integrative Erziehung und Kultur.

Ich habe bereits einige Beispiele genannt. Ein ganz aktuelles Beispiel ist die Einrichtung eines Notfall-Faxes, das der Öffentlichkeit am 29. Juni 2005 vorgestellt wurde. In Zusammenarbeit mit dem Landesverband der Gehörlosen und dem Deutschen Schwerhörigenbund wurde für die Menschen die Möglichkeit geschaffen, im Notfall einen Notruf abzusenden.

Die deutsche Gebärdensprache ist durch das Landesgesetz gesetzlich anerkannt. Auch das Integrationsamt hat weitere Voraussetzungen geschaffen, dass Hörbehinderte barrierefrei Kontakt aufnehmen können.

Im Bereich der touristischen Entwicklung gibt es Modelle, wie zum Beispiel „Reisen ohne Grenzen“ in Rheinhessen.

Barrierefreiheit zu schaffen, ist eine große Herausforderung, aber nicht nur im Baubereich. Im LBB-Haushalt stehen für den barrierefreien Ausbau in den Jahren 2005 und 2006 jeweils 700.000 Euro zur Verfügung. In Zusammenarbeit mit 18 Behindertenbeauftragten, zehn Behindertenbeiräten und den vielen Selbsthilfegruppen im Land werden Spielplätze, Sportstätten, Freizeitanlagen, Arbeits-, Ausbildungs- und Wohnbereiche, aber auch die Verkehrssituation sach- und fachgerecht gestaltet.

Hier zeigt sich, wie wichtig die Vernetzung der verschiedenen Interessengruppen ist.

Ich denke, ich habe aufgezeigt, wie viel seit der Einführung des Gesetzes bereits geschehen ist. Ich freue mich auf den nächsten Bericht in 2006, der uns über die Umsetzung unserer Forderungen unterrichten wird, wie

den Aufbau weiterer Integrationsbetriebe verbunden mit der Weiterentwicklung der Werkstätten, – der Umsetzung des Mainzer Bündnisses für ein selbstbestimmtes Leben, – über ein erfolgreiches, trägerübergreifendes „Persönliches Budget“, – die Umsetzung der Zielvereinbarung „Wohnen“, – den Abschluss weiterer Zielvereinbarungen zwischen Wirtschaftsunternehmen und Behindertenverbänden, – die Unterstützung der Behindertenbeauftragten und Behindertenbeiräte,

die Ergebnisse des Modellprojekts des Amts für soziale Angelegenheiten in weiteren Verwaltungsbereichen, – den Aufbau eines Kompetenzzentrums für Barrierefreiheit im Internet und – den Aufbau einer Arbeitsgruppe, die sich um die Barrierefreiheit im Schienen-Personen-Nahverkehr kümmert.

Es ist alles im Gang. Es handelt sich um eine fortwährende und fortlaufende Arbeit. Parallel dazu wird die verstärkte Öffentlichkeitsarbeit einhergehen, damit der Paradigmenwechsel in der Politik für behinderte Menschen in Rheinland-Pfalz noch stärker bekannt wird und die Behinderten sagen können: In Rheinland-Pfalz kann ich trotz meiner Einschränkungen ein selbstbestimmtes Leben führen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und der FDP)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Thelen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben den Bericht, den wir im Gesetz gewünscht haben, zwei Jahre, nachdem das Gesetz auch mit unseren Stimmen verabschiedet worden ist, zur Aussprache vorliegen. Wir hatten darum gebeten, uns einen Bericht über die Fortschritte vorzulegen, um die Wirksamkeit des Gesetzes überprüfen zu können.

Wir sind uns in den Zielen des Gesetzes einig. Frau Leppla hat es vorgetragen. Sie sind sehr gut zusammengefasst vom Europäischen Rat wiedergegeben worden.

Wir wollen die Teilnahme behinderter Menschen an dem Leben in der Gesellschaft verwirklichen, die Gleichstellung durchsetzen und die Selbstbestimmung ermöglichen. Hierzu waren auch auf Landesebene noch eine Vielzahl von Regelungen notwendig, um die ganzen Facetten des Lebens auch behinderter Menschen anzusprechen, bei denen wir die Notwendigkeit gesehen haben und auch nach wie vor sehen, dass sich Veränderungen ergeben, um barrierefrei leben zu können und an dem Leben auch nicht behinderter Menschen teilzuhaben.

Allerdings waren wir in der Formulierung auch der Ziele vorsichtig, was die Verbindlichkeit der Einhaltung, der Umsetzung und der Fristsetzung angeht, weil wir gemeinsam der Auffassung waren, dass wir alles, was wir erreichen wollen, nicht von heute auf morgen erreichen können. Es muss auch alles finanziert werden. Die Gesellschaft muss in der Lage sein, auch die nötige Zeit zu haben, um die Dinge umzusetzen.

So schwierig die Situation auf Bahnhöfen ist – Herr Marz hat dies zu Recht dargelegt; ich könnte noch eine Reihe

von Beispielen aus der Region Koblenz anführen –, so schwierig ist es auch, die Dinge vor Ort umzusetzen. Ich erinnere an die vielen kleinen schönen Altstädte mit den wunderbaren Lokalen, die wir in Rheinland-Pfalz haben. Es ist schön, dass sich langsam in den Köpfen der Gastronomen festsetzt, dass auch sie etwas tun sollten und, wo es geht, sicherlich auch etwas tun werden. Es ist schwer, in der Altstadt und in den Weinlokalen ohne weiteres Barrierefreiheit herzustellen.

Wir fordern auch heute noch von den Menschen, die mit Handicap leben müssen und sich Barrieren gegenüber sehen, ein Stück Geduld. Wir müssen auch um ein Stück Verständnis werben. Ich glaube, der gute Wille ist bei allen vorhanden. Das zeigt sich auch an dem, was an Fortschritten durch die Landesregierung festgestellt werden konnte.

Anzumerken ist, dass erst ab Seite 16 die konkreten Aussagen zur Umsetzung des Gesetzes stehen und man bis dahin nicht das eigene Licht unter den Scheffel stellt sowie weitschweifig deutlich macht, was schon alles im behindertenpolitischen Bereich geschehen ist. Ich möchte an dieser Stelle im Gegensatz zu anderen Themen sagen, dass es tatsächlich Sinn macht, dass die behindertenpolitischen Maßnahmen, die durch das Gesetz angestoßen worden sind, in einen Gesamtzusammenhang gestellt werden.

Es gibt nach wie vor kritische Punkte, die wir auch weiterhin mit Skepsis begleiten werden. Ich erinnere an unsere grundsätzliche Auseinandersetzung zu der Frage, wie viel stationäre Hilfe wir in Zukunft noch für behinderte Menschen brauchen werden und in welchem Maß wir tatsächlich behinderte Menschen in eine weitgehende Selbstständigkeit entlassen und ihnen mit ambulanter Hilfe zur Seite stehen können? Da gibt es unterschiedliche Auffassungen, aber nachdem auch der aus unserer Sicht letzte Behindertenverband, der große Skepsis geäußert hat – die Lebenshilfe –, mittlerweile auch der Auffassung ist, dass auch für ihre in ihrem Verband angeschlossenen behinderten Menschen durchaus weitere Möglichkeiten gegeben sind, als dies bislang genutzt wird, wollen wir dem sicherlich nicht im Weg stehen.

Wichtig ist für uns in jedem Fall, dass die Bedürfnisse des behinderten Menschen immer im Mittelpunkt stehen müssen. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht Integration so weit übertreiben, dass wir Menschen in eine vermeintliche Selbstständigkeit entlassen, der sie aber in Tat und Wahrheit nicht gewachsen sind, also nicht Integration in ambulante Strukturen mit aller Gewalt unter Missachtung der tatsächlichen Bedürfnisse der behinderten Menschen.

(Beifall bei der CDU)

Das will keiner, aber es gibt Entwicklungen zum Beispiel im Bereich der Förderschulen, wo uns von Schulleitern, Lehrern Fälle angetragen werden, die von dort zum Teil sehr kritisch gesehen werden und wo man Sorge hat, dass in den Regelschulen zumindest unter bisherigen Bedingungen die Fördermöglichkeiten noch nicht so ausgebildet sind, dass tatsächlich integrativ ohne Vernachlässigung der besonderen Förderbedürfnisse dieser

behinderten Kinder die Förderung optimal für diese erfolgen kann. Ich sage dann, lieber mit einem Stück Bedacht, aber so, dass es wirklich zugunsten der betroffenen Menschen geschieht.

Ich will bei dieser Gelegenheit anlässlich dieser Debatte auf eine Entwicklung aufmerksam machen, wo ich gerade Sie, Frau Dreyer, um ein Stück Unterstützung zusammen mit Ihrer Kollegin Ahnen bitte. Wir erleben zurzeit, dass Fördermaßnahmen, die in den letzten Jahren noch von der Bundesagentur gerade für Abgänger von Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen, zum Teil aber auch dem Schwerpunkt Verhaltensbehinderung und selbst psychisch und geistig Behinderten diese Fördermaßnahmen nicht mehr angeboten werden. Für die jungen Menschen bleibt heute als einziger Schritt die so genannten Berufsvorbereitungsjahre der berufsbildenden Schulen.

(Zuruf von der SPD)

Das heißt, für viele der Kinder bleibt die einzige Alternative, sich in die Berufsvorbereitungsjahre bei den berufsbildenden Schulen anzumelden, um überhaupt noch eine Chance zu haben. Dort sitzen sie mit anderen Kindern zusammen, wo sie einfach nach Aussage der Lehrer in den berufsbildenden Schulen nicht dazugehören, hoffnungslos untergehen und wo auch die Schule sich überhaupt nicht aufgrund ihrer Ausstattung in der Lage sieht, diesen Kindern tatsächlich die Förderung angedeihen lassen zu können, die nötig ist. Das ist also meines Erachtens eine Fehlentwicklung, ein überhaupt nicht abgestimmtes Vorgehen, offensichtlich auch ein sehr schnelles Vorgehen der Bundesagentur für Arbeit, was das Land auch als Träger der Bildungspolitik vor die Situation stellt, neue Maßnahmen vielleicht ergreifen zu müssen, die einfach eine adäquate Beschulung dieser Kinder ermöglicht und ihnen wirklich noch Chancen gibt. Wenn sie nach diesem Jahr wirklich aus der Schule kommen, geht es ihnen schlechter als zu Beginn dieses Jahres. Das wäre völlig falsch verstandene Integrationspolitik. Ich glaube, es würde uns gut anstehen, wenn wir das in Rheinland-Pfalz schaffen würden, einen Teil dieser Kinder wieder in andere Maßnahmen zu bekommen, die ihnen einfach adäquater gerecht werden können.

(Beifall bei der CDU)

Hierum bitte ich Sie bei dieser Gelegenheit und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

Meine Damen und Herren, ich möchte Gäste im rheinland-pfälzischen Landtag begrüßen, und zwar Mitglieder des GMV Blasorchesters des Gesang- und Musikvereins, Volkschor Lambsheim e. V. und Mitglieder der FDP aus Frankenthal. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Schmitz das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst einmal bei meinen Vorrednern mit gewissen Einschränkungen, auf die ich noch komme, für den angemessen Ton bedanken, dass diese Kesselflickerstimmung, die zum Teil das Plenum gestern und heute geprägt hat, bei diesem Tagesordnungspunkt nicht aufgegriffen wurde.

(Billen, CDU: Das werden Sie jetzt ändern!)

Herr Billen, da sind wir beide doch etwas anders gestrickt.

Ich würde auch gern sofort auf den Wunsch der Kollegin Thelen eingehen, dass man diesen Kindern, ähnlich wie in der Vergangenheit, die Chance gibt, vernünftig weiterzumachen. Das setze ich in Zusammenhang – das ist aber auch der einzige kritische Punkt – zu dem, was Herr Kollege Marz gesagt hat, sinkende Mittel für Integration. Da muss Kollege Marz schon einmal bereit sein, genauer in die Zahlen zu schauen. Diese sinkenden Mittel sind in der Tat sinkende Mittel der BA, für die sie Verantwortung trägt und nicht die Landesregierung. Von daher will ich das erwähnt haben, um nicht den Ton hereinzubringen, den wir alle vermeiden wollen.

Meine Damen und Herren, ich steige so ein wie die meisten anderen. Wir haben als erstes Bundesland nach der Verabschiedung des Bundesgleichstellungsgesetzes für behinderte Menschen ein eigenes Landesgesetz zur Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen auf den Weg gebracht, und dies – auch das möchte ich in Erinnerung rufen – mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der CDU. Die BÜNDNISGRÜNEN standen schmollend im Abseits. Dort scheinen sie sich – so habe ich das verstanden – noch recht wohl zu fühlen.