Protocol of the Session on June 2, 2005

Doch. Herr Braun, ich nenne Ihnen noch einige Beispiele, so das Immissionsschutzgesetz. Die Einsparungen für Deutschland liegen bei 20 % mehr als in allen europäischen Ländern. Das zwang Unternehmen zu Immissionszukäufen, Herr Braun. Es zwingt manche Unternehmen, mit der Produktion ins Ausland zu gehen, um überhaupt wettbewerbsfähig zu sein.

(Beifall bei der CDU)

Rotgrün hat Arbeitsplätze aus Deutschland vertrieben und verjagt. Entschuldigung, jetzt sage ich das einmal so deutlich.

(Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schön, dass Sie sich dafür entschuldigen!)

Ich nenne noch einige Gründe, zum Beispiel das Antidiskriminierungsgesetz. Sie wollten nicht das Europäische Gesetz 1 zu 1 umsetzen, nein, auch hier wollten Sie etwas draufsatteln, was wieder den Firmen geschadet hätte.

(Schmitt, CDU: Das werden wir ja ändern!)

Dosenpfand, Verkomplizierung, Verteuerung, Wettbewerbsnachteile.

(Hartloff, SPD: Erzählen Sie jetzt Märchen- stunden? Das ist langsam lächerlich!)

Das sind keine Märchen in Deutschland, Herr Kollege. Das ist Tatsache.

(Beifall bei der CDU)

Lächerlich ist es mit Sicherheit nicht, wenn Arbeitsplätze abwandern. Es ist nachzuweisen und zu beweisen, dass es auch an den Gründen liegt, die ich gerade aufgeführt habe.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So macht man Lust auf Europa, Frau Schmidt!)

Meine Damen und Herren, diese Probleme sind nicht von Europa an uns herangekommen, sondern sie sind hausgemacht.

(Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Probleme stammen von der CDU!)

Wir müssen unkontrollierte Einwanderungen unterbinden.

(Unruhe im Hause)

Meine Damen und Herren, ich kann verstehen, dass Sie so unruhig werden, aber ich werde meine Redezeit nutzen.

Europa kritisiert Deutschland auch wegen der Praxis der VISA-Einwanderungen, die hier schon im Plenarsaal eine Rolle gespielt haben. Auch in Deutschland haben Bürger Zukunftsängste und zeigten Rotgrün dafür bei den jüngsten Wahlen ganz deutlich die rote Karte. Deswegen kann ich Ihre Unzufriedenheit und Ihre Unruhe verstehen.

(Hartloff, SPD: Kandidieren Sie für den Bundestag? – Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, ich warne dringend davor, jetzt über neue Erweiterungsrunden zu reden, bevor die

jetzigen 25 EU-Staaten zu einem gedeihlichen, funktionierenden und befriedigenden Miteinander gefunden haben und Vertrauen in die EU setzen. Daran wollen wir gemeinsam arbeiten.

Ich bedanke mich für Ihre unruhige Aufmerksamkeit.

(Beifall der CDU – Hartloff, SPD: Eine große europäische Rede!)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Franzmann das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Tag danach steht man betroffen da, wusste vorher eigentlich um das Risiko eines Unfalls, hatte ihn vor Augen, aber offensichtlich kein Handwerkszeug im Gepäck, um den Schaden zu verhindern oder ihn jetzt zu reparieren.

Sind wir von der Agilität und dem Erfolg der Gegner einer EU-Verfassung überrascht worden? Ich meine eigentlich nein, aber uns fehlten die Instrumente oder fehlen sie zumindest noch.

Herr Kuhn, ich stimme Ihnen zu, dass Europa für Rheinland-Pfalz, aber auch für alle anderen Bundesländer mit Sicherheit auch von vitalem Interesse ist. Ich glaube, man kann niemanden ausgrenzen. Wir sind eine Gemeinschaft, eine Familie, die hoffentlich zukünftig noch größer wird. (Vizepräsident Creutzmann übernimmt den Vorsitz)

Sie sagen zu Recht, dass die Volksabstimmung die Diskrepanz zwischen der – ich will es einmal so nennen – politischen Elite und den Bürgern, die wählen, offen gelegt hat. Daran gilt es zu arbeiten. Da stimme ich auch ausdrücklich Ihnen zu, liebe Kollegin Schmidt.

(Hartloff, SPD: Lieb war sie heute nicht!)

Sie hat ihren Vortrag zweigeteilt.

Sie hat eingangs darauf hingewiesen – da stimme ich ihr ausdrücklich zu –, dass das Ergebnis ein deutliches Signal an uns gerichtet sein müsste, noch besser für die Umsetzung der Verfassungsidee zu werben. In ihrem zweiten, dem letzten Teil, haben Sie, so meine ich, den untauglichen Versuch unternommen, die innenpolitische Diskussion in Deutschland als Begründung für die Ablehnung in Frankreich und in Holland zu nehmen. Das passt nicht zusammen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Die Ergebnisse der beiden Volksabstimmungen zeigen, dass es leichter ist, für eine Gegnerschaft Emotionen zu wecken. Frau Schmidt, ich habe Ihren Ansatz eben wiedererkannt. Es ist leichter, für eine Gegnerschaft Emotionen zu wecken und Stimmen zu erzeugen, als

Vertrauen in das Gelingen für etwas Neues zu schaffen. Ängste um Besitzstände, Ängste vor anderem und Andersartigem, wenn auch noch so unbegründet, sind leicht zu schüren und warmzuhalten. Da kann man noch so viel sachlich dagegen argumentieren, erklären, werben und Neugierde wecken. Es ist wie das Rennen gegen eine Wand.

Dies zeigt aber auch, dass der Fortschritt eine Schnecke ist und viele Jahre viel Pflege benötigt, um wieder einen Schritt weiter nach vorn zu kommen.

Die beiden aktuellen Ablehnungen einer Verfassung der EU in Volksentscheiden lassen aber auch ein Weiteres vermuten: Getroffen werden sollte nicht die Gemeinschaft der Mitglieder, sondern es ging um Ohrfeigen für die Regierenden in den Ländern, gleich, ob Mitte links oder ob Mitte rechts.

Es ist aber auch zu erkennen, dass es eine Kluft zwischen denjenigen gibt – ich stimme dem ausdrücklich zu –, die die Verfassung geschaffen haben, und denjenigen, die zustimmen sollen. Ich kann mir schon vorstellen, wenn wir die rheinland-pfälzische Landesverfassung oder die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland nehmen und die Bürgerschaft fragen würden, was dort drinsteht, dann wäre das auch nicht bekannt. Wie sollte man das denn von dem gerade geschaffenen Entwurf der Europäischen Verfassung erwarten?

In vielen Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern haben wir sicher alle erkannt, dass es ein dumpfes, ein ungutes Gefühl gegen diese Verfassung gibt, warum auch immer. Begründen konnte man dies in den meisten Fällen nicht.

Ich erinnere an die Geschlossenheit, mit der wir im rheinland-pfälzischen Landtag unsere Positionen formuliert und vertreten haben. Letztmals war dies am 20. Januar. Wären wir aber gewiss, trotz dieser Einvernehmlichkeit die Wählerschichten in Rheinland-Pfalz in dieser Frage geschlossen hinter uns zu bringen? Wenn ich noch einmal den Verfassungsentwurf von Europa nehme, so kann doch niemand ernsthaft dagegen sein, also gegen eine Stärkung der Rechte der Unionsbürger, gegen eine Verankerung der Charta der Grundrechte, gegen eine Stärkung der parlamentarischen Kompetenzen, gegen eine bessere Abgrenzung der Zuständigkeiten der verschiedenen Ebenen innerhalb der Europäischen Union, wofür wir intensiv gekämpft haben und uns in Rheinland-Pfalz oft auch damit auseinander gesetzt haben. Es kann doch niemand gegen eine Festigung des Subsidiaritätsprinzips sein. Es kann niemand gegen eine bessere Positionierung der Gemeinschaft in einer neuen Welt mit neuen Herausforderungen weg von einer Kleinstaaterei sein.

(Glocke des Präsidenten)

Welche Möglichkeiten gibt es als Weg aus der aktuellen Misere? Sicher noch keinen konkreten Handlungsvorschlag. Dazu werden wir noch intensiver Beratungen bedürfen. Ich werde mich damit auch noch einmal auseinander setzen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Wiechmann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch wir, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bedauern den negativen Ausgang der Referenden in Frankreich und in den Niederlanden zur EU-Verfassung. Die Ablehnung war aus unserer Sicht ein schwerer Rückschlag für die Verfassungsbefürworter in ganz Europa und ein bitterer Tag für die Europäische Union.

Zwar hatte Deutschland am 27. Mai die EU-Verfassung noch als neunter Staat ratifiziert, doch hatte dieses Signal leider keine positiven Auswirkungen mehr auf die Wahlentscheidung in unseren Nachbarstaaten.

Der Verfassungsvertrag hätte ohne Zweifel einen Fortschritt gegenüber den Verträgen von Maastricht und Nizza gebracht. Er hätte zu substanziellen Verbesserungen gerade auch mit Blick auf die Beteiligungsrechte der Länder geführt. Herr Kollege Kuhn hat es angesprochen.

Bei allen Schwächen, die Kompromisse immer an sich haben, legt der Verfassungsvertrag das Fundament für eine europäische Demokratie und ist ein wichtiger Schritt, um die Handlungsfähigkeit Europas zu sichern. Dennoch müssen wir natürlich das Votum der Franzosen und der Niederländer respektieren. Ohne Zweifel brauchen wir jetzt eine breite europäische Debatte über die Zukunft der Europäischen Union. Ein einfaches „Weiter so“ hilft jetzt nicht weiter.

Die Ablehnung des Verfassungsvertrages von zwei Gründerländern der Europäischen Union ist ein Weckruf für mehr Transparenz, mehr Mitsprache auf europäischer Ebene. Dieser Weckruf muss gehört werden.

Die Europäische Union steht vor der wichtigen Aufgabe, die Bürgerinnen und Bürger für ihre politische Vision, die wir alle bis auf das teilen, was ich gerade von Frau Kollegin Schmidt gehört habe, zu gewinnen. Spätestens jetzt muss jedem klar sein, dass die Zeit, in der man Europa von oben nach unten aufbauen kann, endgültig vorbei ist. Europa gibt es zukünftig nur mit den Bürgerinnen und Bürgern und nicht ohne sie.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, alternativ zu nationalen Volksabstimmungen, die oftmals von innenpolitischen Themen überlagert werden, haben wir Grünen uns immer wieder für ein europaweites Referendum eingesetzt, aus dem deutlicher wird, dass es um Europa und die EU-Verfassung und nicht um innenpolitische Auseinandersetzungen geht. Das haben wir bei den beiden Abstimmungen in den Niederlanden und in Frankreich erlebt.