Protocol of the Session on April 28, 2005

(Beifall bei FDP und SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Ich rufe die Aussprache zur Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Hörter (CDU), Auswirkungen der so genannten Visaaffäre auf Rheinland-Pfalz – Nummer 2 der Drucksache 14/4073 – betreffend, auf.

Herr Abgeordneter Hörter hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der „Spiegel“ titelt: „Fischers Schleusererlass grünes Licht für Menschenhändler“ und ein anderes Mal „Auswärtiges Amt fördert Prostitution“. Angesichts von 250.000 Prostituierten in Deutschland – davon sind nach Schätzungen des Bundeskriminalamts 150.00 Frauen Zwangsprostituierte –, angesichts der Medienberichte über Kaiserslautern, Ludwigshafen, Trier und Speyer ist es doch nur berechtigt, wenn wir Fragen stellen, was die Landesregierung gegen Menschenhandel, Zwangsprostitution und Schleuserkriminalität tut.

(Frau Reich, SPD: Das haben Sie vorhin alles gehört!)

Was tut die Landesregierung? Wie beantwortet sie berechtigte Fragen? Herr Innenminister, bei Ihrem Vorgänger hatte ich den Eindruck, dass er Fragen anständig und ordentlich beantwortet.

(Beifall bei der CDU)

Was wir hier in den vergangenen Wochen erlebt haben, ist der ständige Versuch, sich um Antworten zu drücken, mit Informationen nur dann herauszurücken, wenn man den Vorgang auch schon aus den Medien kennt.

Herr Innenminister Bruch, es wird von der Landesregierung stets argumentiert, die polizeiliche Kriminalstatistik weise keine signifikante Entwicklung auf und deshalb bestehe für die Landesregierung kein Handlungsbedarf. Andererseits weist der Justizminister darauf hin, dass es in der polizeilichen Kriminalstatistik keinen eigenen Erfassungsschlüssel gebe.

Meine Damen und Herren, Sie machen es sich denkbar einfach. Da es keinen Erfassungsschlüssel in der polizeilichen Kriminalstatistik gibt, gibt es keine signifikante Entwicklung, und daher besteht kein Handlungsbedarf. Dann stellen Sie sich hier hin und führen die Gründerin und Vorsitzende der Organisation SOLWODI, Schwester Lea Ackermann, als Kronzeugin dafür auf, dass Sie etwas tun. Dann will ich einmal genau Schwester Lea Ackermann aus dem „Pfälzer Merkur“ vom 19. März dieses Jahres zitieren: „Die Anzahl der Razzien in Rheinland-Pfalz ist nicht mehr zu unterbieten. Im letzten

Jahr gab es nur eine einzige.“ – So weit die Vorsitzende der Organisation, die sich um Frauen, die in Zwangsprostitution sind, kümmert. Sie stellen sich hier hin und tun so, als würde die Landesregierung etwas unternehmen. (Beifall der CDU)

Zwangsprostitution ist die massivste Form sexueller Gewalt und nichts anderes als Vergewaltigung. Der Innenminister sieht offensichtlich keinen Handlungsbedarf. Dafür gehen Sie aber hin und warnen vor der Kriminalisierung von Osteuropäern. Ich kann Ihnen nur sagen, Sie haben dieses Problem nicht verstanden. Dank der veränderten Visa-Politik durch den Schleusererlass des Herrn Fischer ist es Kriminellen, Menschenhändlern und Schleusern viel einfacher geworden, junge Frauen wie im Fall „Kaiserslautern“

(Zurufe von der SPD)

als Schautänzerinnen deklariert aus der Ukraine nach Deutschland und in die Zwangsprostitution zu bringen.

(Frau Reich, SPD: Das ist kein Zusammen- hang mit der Visa-Politik!)

Wie betonen Sie doch, dass für die Landesregierung kein Handlungsbedarf besteht.

Meine Damen und Herren, ich will in der ersten Runde noch ein einziges Zitat bringen, nämlich das von Alice Schwarzer: Die einzigen, die von der Visa-Praxis profitiert hätten, seien Zuhälter und Menschenhändler.

(Zuruf der Abg. Frau Ebli, SPD)

Wir hören von Ihnen ständig, es gebe keine Relevanz für Rheinland-Pfalz.

(Zuruf aus dem Hause)

Sie kennen den Bericht. Dann kann ich ihn nur allen empfehlen.

Schauen Sie einmal in die Sonderauswertung „Wostok“ – Bericht des Bundeskriminalamts über Schleusungen aus dem Gebiet der GUS-Staaten – und dort in den Punkt 2.2 – Regionale Brennpunkte –. Dort sind 14 regionale Brennpunkte für das ganze Bundesgebiet genannt. Einer dieser regionalen Brennpunkte ist Speyer. Soviel ich weiß, liegt Speyer unverändert in Rheinland-Pfalz.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Frau Abgeordneter Reich das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Hörter, wissen Sie, wie man das juristisch

nennt, was Sie gerade gemacht haben? Wissen Sie das? – Einen untauglichen Versuch.

(Widerspruch von der CDU)

Untauglich ist Ihr Versuch, heute durch die Debatte, aber auch durch Ihre früheren Presseerklärungen zu suggerieren, Sie wüssten von Auswirkungen der so genannten Visa-Affäre auf unser Land Rheinland-Pfalz. Aber in Wahrheit wissen Sie gar nichts.

(Beifall der SPD und bei der FDP)

Der Visa-Erlass – ich sage es hier auch noch einmal – hatte keine feststellbaren Wirkungen im Sinn von feststellbarer Kriminalität im Land.

(Zuruf des Abg. Schnabel, CDU)

Meine Damen und Herren von der CDU, das wissen Sie allerdings. Das gilt übrigens auch für den Bund; denn Sie haben die bundespolitische Debatte angefangen.

Die Zahlen des BKA bestätigen in keiner Weise, dass es seit dem Jahr 2001 zu einem starken Verbrechensimport aus der Ukraine gekommen ist. Ich zitiere nur eine Aussage des Max-Planck-Instituts für internationales Strafrecht: Die Behauptung, dass der Volmer-Erlass zu einer Zunahme von Menschenhandel aus der Ukraine geführt hätte, entbehrt jeder Grundlage. – Gleiches gilt übrigens auch für die Schwarzarbeit.

Vielmehr ist diese Aussprache ein weiterer Beweis dafür, dass die rheinland-pfälzische CDU keine eigenen landespolitischen Themen hat, mit denen sie meint, punkten zu können.

(Beifall bei SPD und FDP – Zurufe von der CDU)

Das, was Sie machen, ist nicht nur ein untauglicher Versuch, sondern es ist auch unseriös.

So gab es eine Presseerklärung des Herrn Kollegen Hörter von Anfang März. Da wurde die so genannte Visa-Affäre mit einem angeblichen Anstieg der Kriminalitätsrate in Rheinland-Pfalz vermischt, und es wurden dann auch noch Verbindungen zum Arbeitsmarkt hergestellt. (Zurufe von der CDU)

Wo bitte sind denn Ihre Erkenntnisse, die dieser Behauptung zugrunde liegen? – Wie gesagt, eine gesicherte Aussage über den Zusammenhang zwischen VisaPolitik und Kriminalitätsentwicklung ist eben nicht möglich. (Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, ich kann noch weitermachen. Es gab noch eine weitere Presseerklärung des Herrn Kollegen Hörter am 21. April 2005 zur Sitzung des Rechtsausschusses am selben Tag. Da ging es nämlich auch um angebliche Auswirkungen der Visa-Affäre.

Ein Zitat aus der „PM“. Ich möchte es zitieren. Es ist sehr bedeutungsschwanger: „Nur langsam kommt die

Wahrheit ans Licht. Es gibt also doch Auswirkungen auf Rheinland-Pfalz.“ Weiter wird ausgeführt, dass Justizminister Mertin tausend Verfahren für erschlichene Visa bestätigt haben soll.

Nur eine Bemerkung am Rande: Zwar hat sich Herr Kollege Hörter unmittelbar nach der Sitzung des Rechtsausschusses zu Wort gemeldet, aber er tat das, obwohl er in der Sitzung selbst gar nicht anwesend gewesen ist.

(Schwarz, SPD: Das passt!)

Ihre Anwesenheit hätte nämlich dem Wahrheitsgehalt Ihrer Mitteilung eher gut getan; denn was hat der Minister genau gesagt? – Der Minister hat Verfahren nach §§ 92 und 92 a des Ausländergesetzes genannt. Das ist in der Tat richtig. Er hat aber klargestellt, dass darin eine Reihe von Tatmöglichkeiten genannt ist. Das Wort „VisaErschleichung“ ist im Wortlaut dieser Vorschrift nämlich gar nicht erfasst.

Der Minister hat ausdrücklich betont, dass in allen von Ihnen geschilderten Verfahren der so genannte VolmerErlass überhaupt nicht thematisiert worden ist.

(Beifall der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Rosenbauer, CDU)

Ja, das ist bitter.

Ich wünsche mir mehr Mut zur Wahrheit.

(Heiterkeit bei der CDU)