Protocol of the Session on March 16, 2005

Das Schlimmste ist, dass sich mehr Menschen gegen den Bau der Pfalzarena ausgesprochen, als Menschen den Bürgermeister Deubig gewählt haben. Dennoch ist das eine Realität, und das andere gilt nicht. Wie wollen Sie das klarstellen?

Ich meine, ein Bürgerentscheid mit niedrigen Hürden wäre eine wunderbare Ergänzung zu all den guten Dingen, die in der rheinland-pfälzischen Kommunalverfassung im Sinn der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern gegeben sind. Deshalb hoffe ich, dass es in dem weiteren Gespräch noch einige Bewegung geben wird. Dabei bin ich nicht ganz unoptimistisch.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es spricht nun Herr Abgeordneter Schnabel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einer Feststellung beginnen, von der ich außerordentlich überzeugt bin. Die Bürgerinnen und Bürger in Rheinland-Pfalz haben nach dem geltenden Kommunal

verfassungsrecht eine Vielzahl von Mitwirkungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene. Ich bin der Auffassung, in dieser Hinsicht sind wir in Rheinland-Pfalz geradezu vorbildlich. Die Einwohnerversammlung, die Einwohnerfragestunde, das kommunale Petitionsrecht, die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sowie der Einwohnerantrag sprechen für sich. Auch bei Mitwirkungsrechten in anderen Bereichen, wie zum Beispiel bei der Bauleitplanung und bei Bebauungsplänen, spielen wir eine Vorreiterrolle.

Im Übrigen gibt es eine breit angelegte Möglichkeit für bürgerschaftliche Mitwirkung an der Meinungs- und Willensbildung durch den Kontakt der Bürgerinnen und Bürger zu den einzelnen Fraktionen, zu den Parteien und zu den Mitgliedern in Stadträten, Gemeinderäten und Kreistagen.

Unserer Kommunalverfassung liegt sowohl nach dem Grundgesetz als auch nach unserer Landesverfassung das System der repräsentativen Demokratie zugrunde. Dies zweifelt wohl niemand an, und das ist meines Erachtens richtig so. Die Beschlüsse werden bekanntermaßen von kommunalen Beschlussgremien gefasst, die aus Kommunalwahlen hervorgegangen sind und damit zweifelsohne eine sehr hohe Legitimation haben. Bei zu geringen Zugangsvoraussetzungen und geringen Zustimmungsquoren würden durch Plebiszit erlangte bindende Entscheidungen an die Stelle solcher Beschlüsse treten. Dies würde die Bedeutung der Organe mit Sicherheit minimieren und abwerten und darüber hinaus die Bereitschaft von Bürgerinnen und Bürgern, für diese Organe zu kandidieren, deutlich reduzieren. Durch geeignete Quoten ist nach unserer Auffassung sicherzustellen, dass dem Prinzip des Mehrheitsentscheids Rechnung getragen wird und nicht eine Minderheit am Ende majorisiert und das Ergebnis der Kommunalwahl ins Gegenteil verkehrt, also auf den Kopf stellt.

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Wir beklagen seit Jahren in diesem Haus die Überbürokratisierung und den hohen Standard. Wir werden beim nächsten Tagesordnungspunkt auch darüber reden. Gerade mit der Annahme dieses Gesetzentwurfs würden wir uns aber kontraproduktiv verhalten.

Ich bestreite auch, dass durch eine Änderung der Vorgaben für die Bürgerbeteiligung und das Bürgerbegehren auf der kommunalen Ebene Politikverdrossenheit abgebaut würde. Das Gegenteil wird der Fall sein; denn durch viele Abstimmungen werden sich unsere Bürgerinnen und Bürger mehr belästigt als gefordert sehen.

Meine Damen und Herren, die besondere Situation in Rheinland-Pfalz – das muss meiner Meinung nach mit Nachdruck gesagt werden – mit mehr als 2.000 Gemeinden, Städten, Verbandsgemeinden, verbandsfreien Gemeinden und darüber hinaus Ortsgemeinden bietet durch die Urwahl der Landräte, der Oberbürgermeister, der Bürgermeister, der Ortsvorsteher sowie der einzelnen Vertretungen mit der Möglichkeit des Panaschierens und des Kumulierens eine zusätzliche Einflussnahme, wie wir sie in anderen Bundesländern überhaupt nicht kennen. Wenn Sie in andere Bundesländer gehen, wer

den dort vielleicht 200 oder 300 Räte gewählt und nicht wie bei uns ungefähr 2.500.

(Beifall des Abg. Schmitt, CDU, und vereinzelt bei der SPD)

Dadurch ist schon ein Großteil dessen erreicht, was teilweise gefordert wird. Deshalb sind die verschiedenen Vergleiche, die mit anderen Bundesländern gesucht werden und die uns gerade von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN immer wieder versucht werden darzustellen, wenig überzeugend.

(Beifall der CDU)

Wir sind der Auffassung, dass sich die Quoren für Bürgerbegehren und Bürgerentscheid bewährt haben, sie ausreichend sind und sie nicht gesenkt werden sollen. Wir werden natürlich auch nicht einer Streichung der Positivliste und erst recht nicht der Veränderung der Negativliste zustimmen. Deshalb lehnen wir den Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab.

Ich bedanke mich.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Reinhold Hohn das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Instrument des kommunalen Bürgerbegehrens und Bürgerentscheids wurde von der FDP bei der Koalitionsvereinbarung im Jahr 1987 noch mit der CDU durchgesetzt. Das Land Rheinland-Pfalz war damals in der Frage der demokratischen Mitbestimmung unserer Bürgerinnen und Bürger in ihren Städten, Gemeinden und Landkreisen eine Art Vorreiter.

(Schmitt, CDU: Das war damals noch so!)

Mittlerweile hat das Instrument der kommunalen Bürgerbeteiligung in nahezu allen Bundesländern Verbreitung in die dortigen Kommunalverfassungen gefunden.

Nicht nur vor diesem Hintergrund, sondern insbesondere auch aufgrund der jüngsten Erfahrungen in RheinlandPfalz – sie wurden von den Vorrednern schon angesprochen – mit den Elementen der direkten Bürgerbeteiligung in unserer Kommunalverfassung, ist für unsere Fraktion der Zeitpunkt gekommen zu hinterfragen, inwieweit die damals einstimmig verabschiedeten Bestimmungen heute noch zeitgemäß sind oder ob nicht Änderungen in diesem Bereich zu mehr Bürgernähe führen könnten. Gerade das Beispiel Kaiserslautern hat gezeigt, dass sich dort mehr für ein Votum in eine Richtung ausgesprochen haben, als seinerzeit bei der Wahl des Oberbürgermeisters für den Oberbürgermeister gestimmt haben.

Meine Damen und Herren, das gilt insbesondere in Bezug auf das so genannte Quorum. In diesem Punkt stimme ich mit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dahin gehend überein, dass das in der Gemeinde- bzw. Landkreisordnung vorgesehene Zustimmungsquorum von 30 % der Stimmberechtigten nach unserer Auffassung eine zu hohe Abstimmungshürde für einen Bürgerentscheid darstellt.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Späte Einsicht!)

Die bisherige Praxis in Rheinland-Pfalz – ich habe das schon angedeutet –, zuletzt in Bad Neuenahr und Kaiserslautern, hat dies gezeigt.

Meine Damen und Herren, auch in einem Vergleich mit anderen Bundesländern wird deutlich, dass gerade bei uns die Hürde für die Annahme eines Bürgerentscheids verhältnismäßig hoch ist. So wird neben Rheinland-Pfalz nur noch im Saarland ein Zustimmungsquorum von 30 % verlangt. In allen anderen Ländern liegt das Zustimmungsquorum für einen Bürgerentscheid unter dem in Rheinland-Pfalz; in Bayern sogar deutlich darunter.

Meine Damen und Herren, deshalb sehen auch wir die Notwendigkeit, die rheinland-pfälzische Regelung an die der anderen Länder anzupassen und das Quorum von 30 % abzusenken.

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Thomas, keinesfalls sollte dabei aber, wie von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gefordert, von einem Extrem in ein anderes verfallen werden und das Zustimmungsquorum auf bis zu 10 % abgesenkt werden. Das wäre meiner Meinung nach ein Schritt in die falsche Richtung.

Eine solche Absenkung birgt aus unserer Sicht die Gefahr, dass politisch engagierte Minderheiten die gewählten Verwaltungsorgane nach Belieben übergehen können.

Meine Damen und Herren, man kann sicherlich auch darüber nachdenken,

(Zuruf des Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

inwieweit gewisse erleichternde Korrekturen beim Katalog der so genannten wichtigen Angelegenheiten, welche einem Bürgerbegehren oder Bürgerentscheid zugeführt werden können, vorzunehmen sind. Keinesfalls ist nach unserem Verständnis allerdings demokratische Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger so zu verstehen, dass, wie von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beabsichtigt, durch eine komplette Streichung des Positivkatalogs und eine Reduzierung des Negativkatalogs vom Grundsatz her zunächst einmal alle Angelegenheiten kommunaler Gebietskörperschaften bürgerentscheidsfähig sind. Meine Damen und Herren, in letzter Konsequenz würde dies zu einer Entmachtung der Gemeinderäte führen.

Abschließend gilt festzuhalten, dass in Rheinland-Pfalz die Beteiligungsmöglichkeiten unserer Bürgerinnen und Bürger auf kommunaler Ebene groß geschrieben werden. Ich erinnere beispielsweise an die Direktwahl von Bürgermeistern und Landräten und die Neugestaltung des Kommunalwahlrechts durch Erweiterung bzw. erstmalige Einführung des Kumulierens und Panaschierens.

Derart drastischer Erweiterungen der Bürgerbeteiligung, wie von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgeschlagen, bedarf es deshalb nicht. Unsere Fraktion wird deshalb den Gesetzentwurf ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP – Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wie haben Sie die Kurve eben gekriegt?)

Ich erteile Herrn Staatsminister Karl Peter Bruch das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man einen solchen Gesetzentwurf vor sich hat, fragt man sich, ob das, was wir gemacht haben, schlecht ist, oder ob es außerhalb von Kaiserslautern einen Änderungsbedarf gibt.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das kann noch verbessert werden!)

Ja, wenn man den GRÜNEN folgt, kann man immer etwas ändern. Ob das sinnvoll ist, ist dann eine andere Frage.

(Schweitzer, SPD: Meistens nicht!)

Ich habe mir einmal die Zahlen angesehen. Von 1994 bis 2004 hatten wir 91 Bürgerbegehren. 36 davon haben zu Bürgerentscheiden geführt. Zwölf waren erfolgreich, und 24 waren erfolglos.

Für das geneigte Publikum sage ich: Im Positivkatalog steht das, was Sie in ein Bürgerbegehren aufnehmen können und was Sie möglicherweise durch ein Bürgerbegehren verändern können. Im Negativkatalog ist das enthalten, bei dem dies nicht geht. Beide Kataloge möchten Sie verändern. Sehen wir uns das einmal etwas genauer an. Einen Positivkatalog hat außer Rheinland-Pfalz nur Baden-Württemberg.

Man kann über bestimmte Lockerungen in diesem Katalog nachdenken. Es ist aber auch klar, dass wichtige Angelegenheiten bei der Vertretung der Bürgerinnen und Bürger bleiben müssen. Das ist das System der repräsentativen Demokratie.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Morsblech, FDP)

Im Negativkatalog wollen Sie etwas Interessantes machen. Ich, der lange genug als Bürgermeister auf der Seite der Exekutive gestanden hat, bin der Meinung, dass Sie das nicht überlegt haben. Das kann nicht überlegt sein. Sie wollen im Negativkatalog die Bauleitplanung und die Planfeststellungsverfahren reduzieren.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir sind nicht das erste Land, das das macht!)

Wissen Sie, was das bedeutet? Was andere da machen, ist mir egal. Die Frage ist, ob wir in Rheinland-Pfalz dann noch ein System haben, bei dem die Bürgerinnen und Bürger zu Recht sagen können, das ist die Staatlichkeit, und das sind Minderheiten, die mich bestimmen wollen. Ich habe den Verdacht, dass Sie wollen, dass Minderheiten bestimmen und nicht mehr die Staatlichkeit.