Protocol of the Session on January 20, 2005

Lassen Sie mich zum Schluss noch ganz herzlich unserem Kollegen Dr. Schiffmann für das gute Miteinander danken. Die FDP-Fraktion wünscht Ihnen alles Gute für die zukünftige Arbeit, Herr Dr. Schiffmann.

Ihnen danke ich für Ihre Geduld!

(Jullien, CDU: Oh, wie aufmerksam! – Beifall der FDP und der SPD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Wiechmann von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Europäische Verfassung ist ein gewaltiger Meilenstein in der europäischen Integrationsgeschichte. Nach langen und schwierigen Verhandlungen wird sie nun endlich Wirklichkeit. Sie markiert das Ende der europäischen Teilung; denn sie schafft das Fundament, auf dem die europäischen Staaten in Ost und West ihre gemeinsame Zukunft gestalten können.

Die Europäische Union hat mit der Verfassung einen historischen Schritt vorwärts getan. Mit ihr wird die EU zum einen deutlich demokratischer, aber eben auch transparenter und bürgernäher. Aus der Wirtschaftsgemeinschaft wird eine politische Union, aus dem Europa der Staaten wird ein Europa der Bürgerinnen und Bürger.

Mit der neuen Verfassung wird die EU – so bin ich ganz sicher – die Herausforderung des 21. Jahrhunderts besser bewältigen können. Die wesentlichen Errungenschaften des Vertragswerks sind zweifelsohne die Verankerung einer einheitlichen Grundrechtecharta, die Stärkung der Kompetenzen des Parlaments sowie die Ausdehnung der qualifizierten Mehrheitsentscheidungen im Rat. Auch die Aufnahme des Nachhaltigkeitsprinzips im Umweltbereich sowie des Schutzes vor sozialer Diskriminierung in den Zielekatalog der Union unterstreichen aus unserer Sicht den fortschrittlichen Charakter des Werkes.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN konnten außerdem verhindern, dass der EURATOM-Vertrag, also der Auftrag zum weiteren Ausbau der Atomenergie, in den Text mit übernommen worden ist. Mit der Möglichkeit einer Unionsbürgerinitiative wird erstmals ein direktdemokratisches Element in der EU eingeführt und damit natürlich auch die Bürgerbeteiligung gestärkt.

Gerade aus Sicht der Länder und Regionen bringt die Verfassung enorme Verbesserungen, meine Damen und Herren. Der territoriale Zusammenhalt wird als Unionsziel neu vereinbart, und die EU erkennt die regionale und lokale Selbstverwaltung ausdrücklich an. Die Verankerung des Subsidiaritätsprinzips – das haben meine Vorredner bereits erwähnt – in der Verfassung und die Einführung eines Frühwarnmechanismus garantieren die politische Mitwirkung der Länder und der Regionen auch in Zukunft. Der Ausschuss der Regionen – auch das wurde erwähnt – wird gestärkt, und ebenso erhalten die nationalen Parlamente genauso wie der AdR das Recht, bei Verstößen gegen das Subsidiaritätsprinzip den Europäischen Gerichtshof anzurufen. Besonders wichtig ist auch, dass wir eine klare Kompetenzordnung bekommen haben, damit die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich auch klar erkennen, welche Ebene wofür zuständig ist.

Meine Damen und Herren, wir werden im kommenden Ratifizierungsverfahren darauf achten, dass die Mitwirkungsrechte der Landesparlamente in den entsprechenden Vereinbarungen mit dem Bund und in den Begleitgesetzen tatsächlich auch festgeschrieben und konkretisiert werden können. Es ist ohne Zweifel wichtig, dass gerade auch die Landtage ausreichend und wirksam in das Frühwarn- und Subsidiaritätsprüfungsverfahren mit einbezogen werden können. Ein entsprechendes Angebot hat Ministerpräsident Beck wiederholt gemacht, das wir GRÜNEN natürlich ausdrücklich begrüßen.

Meine Damen und Herren, die gemeinsame Europäische Verfassung stellt eine wichtige Etappe in die Richtung eines wirklich handlungsfähigen, transparenten und demokratischen Europas dar. Gleichwohl bleibt die Verfassung natürlich in ihrer gegenwärtigen Gestalt auch ein Reformauftrag für die Zukunft. Es besteht kein Zweifel: Die gefundene Einigung ist ein Kompromiss. Natürlich ist sie ein Kompromiss, und jeder von uns, jeder von Ihnen hätte sich bestimmt an dem einen oder anderen Punkt mehr gewünscht.

Für uns ist es beispielsweise bedauerlich, dass einige deutlich ambitioniertere Vorschläge, die der Verfassungskonvent gemacht hat, bei der Regierungskonferenz nicht durchsetzbar gewesen sind.

Beispielsweise wäre ein umfassenderer Übergang zur Mehrheitsabstimmung wünschenswert gewesen. Trotzdem sind wir auch in dem Bereich ein gutes Stück vorangekommen.

Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, wir müssen gemeinsam für diese Verfassung werben. Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, dass es eine europaweite öffentliche Debatte auch über die Inhalte dieser Verfassung gibt. Die europäische Zukunft muss auch von den europäischen Bürgerinnen und Bürgern gestaltet werden. Gerade auch die EU kann die Bürgerinnen und Bürger nicht für sich gewinnen, wenn sie sie links liegen lässt. Das Ergebnis zum Beispiel der sehr niedrigen Wahlbeteiligung bei den Europawahlen muss uns allen zu denken geben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei SPD und FDP)

Meine Damen und Herren, es ist auch kein Geheimnis, wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hätten uns ein europaweites Referendum über die Europäische Verfassung gewünscht. Dies wäre aus unserer Sicht ein entscheidender Hebel dafür gewesen, um die Menschen tatsächlich zu beteiligen und mitzunehmen und so der Verfassung die größtmögliche Legitimation zu geben.

Die Verbindung der Ratifizierung mit einem Referendum wäre auch deshalb aus meiner Sicht außerordentlich positiv gewesen, weil es tatsächlich zunehmend Stimmen gibt, die diesen Verfassungstext auch infrage stellen. Eine solche Volksabstimmung hätte eben tatsäch

lich alle politischen Kräfte gezwungen, Farbe zu bekennen, und alle demokratischen Kräfte, jedenfalls in der allergrößten Mehrheit, auch gemeinsam für diese Verfassung zu werben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei SPD und FDP)

Herr Kollege Dr. Schiffmann hat es erwähnt, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat auf Bundesebene gemeinsam mit der SPD einen Gesetzentwurf erarbeitet, der die generelle Einführung von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden sowie eben auch ein Referendum über die Europäische Verfassung ermöglicht hätte. Aus europapolitischen Gründen haben sich die Regierungsfraktionen und die Bundesregierung gegen eine Einbringung dieses Gesetzentwurfs zum jetzigen Zeitpunkt entschieden, da er offensichtlich die nötige Zweidrittelmehrheit nicht erhalten hätte. Wir alle kennen die Diskussion.

Ziel der Bundesregierung und Ziel auch von uns muss es sein, die Europäische Verfassung möglichst rasch zu ratifizieren – Ziel ist bis zum Sommer – und damit auch ein starkes Zeichen für die Annahme der Verfassung in der ganzen EU zu setzen. Die Bundesregierung will mit gutem Beispiel vorangehen. Je mehr Länder die Verfassung möglichst rasch verabschieden, desto stärker wird das Signal an die Staaten, von denen es tatsächlich einige gibt, in denen die Ratifizierung schwieriger wird, auch mitzuziehen.

Ohne Zweifel bleibt natürlich aber auch die Einführung von mehr direkter Demokratie in das Grundgesetz gleichwohl unser Ziel. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundesebene will mit der SPD gemeinsam den Gesetzentwurf, den es immer noch in der Schublade gibt, zu einem günstigeren Zeitpunkt einbringen. Das würde dann für die Europäische Verfassung bedeuten, dass, sollte er denn durchkommen, zumindest über künftige Änderungen der Europäischen Verfassung Referenden stattfinden könnten.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es gibt überhaupt keine Alternative zu dieser Verfassung. Die Annahme des Verfassungstextes bedeutet jedoch nicht das Ende des Verfassungsprozesses. Es bedeutet auch nicht das Ende des europäischen Integrationsprozesses, sondern es ist vielmehr an uns alle eine Verpflichtung und ein Auftrag, unser gemeinsames Engagement für ein gemeinsames, für ein ökologisches, für ein soziales und gerechtes, aber auch für ein weltoffenes, demokratisches und friedliches Europa noch zu verstärken.

Sehr geehrter Herr Dr. Schiffmann, lieber Dieter, auch von uns als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein herzlicher Dank für die gute und kollegiale Zusammenarbeit in den letzten Jahren. Für deine zukünftige für das Land auch immens wichtige berufliche Tätigkeit in der politischen Bildung, aber natürlich auch für deinen pri

vaten Lebensweg wünschen wir dir alles Gute, Gesundheit und viel Erfolg.

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei SPD und FDP)

Meine Damen und Herren, der Geräuschpegel ist ziemlich hoch. Es wäre schön, wenn es bei der nächsten Rednerin, Frau Schmidt von der CDU-Fraktion, etwas mehr Ruhe gäbe.

Vielen Dank.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der EUVerfassungsvertrag stellt die Europäische Union auf eine neue Grundlage, reformiert die Institutionen und die Beschlussverfahren. Mit der Verfassung kann und soll die Europäische Union handlungsfähiger, bürgernäher und auch demokratischer werden.

Der Verfassungsvertrag gibt Antworten auf die Herausforderungen für Europa zu Beginn des 21. Jahrhunderts.

Die neuen Befugnisse in der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik geben der Union ein neues Profil auf der internationalen Ebene. Dies stärkt die europäische Interessenwahrnehmung in der Welt.

Die institutionellen Reformen eröffnen den Weg zu mehr Demokratie, Transparenz und Handlungsfähigkeit. Sie ermöglichen ein Funktionieren der Union auch mit 25 oder mehr Mitgliedstaaten.

Die Verankerung der Grundrechte bietet dem Bürger Schutz gegenüber Übergriffen der EU in ihre Freiheits-, Gleichheits- und Teilnahmerechte.

Der Vertrag stellt die Union auf eine Wertegrundlage, wie sie unseren christdemokratischen Grundsätzen entspricht. Allerdings – das verhehle ich auch heute nicht – fehlt leider ein konkreter Gottesbezug in der Präambel.

(Beifall der CDU und des Abg. Dr. Geisen, FDP)

Ich möchte zur Subsidiarität in der Kürze der Zeit nur einen einzigen Satz sagen: Einige neue Grundsätze der Kompetenzordnung und verfahrensmäßigen Sicherung wirken den Zentralisierungstendenzen entgegen. Aber eine unmittelbare Rückführung der Zuständigkeiten wurde nicht erreicht. Dennoch, es ist ein großer Erfolg, die Europäische Union durch einen Verfassungsvertrag auf eine neue Grundlage zu stellen.

Der neue Gründungsakt ist ein formaler Vertrag, jedoch inhaltlich eine Verfassung. Mit dem Verfassungsvertrag ändert die Europäische Union deshalb nicht ihren

Rechtscharakter. Zwar erhält sie als Ganzes Rechtspersönlichkeit, jedoch ist sie kein Staat, kein Bundesstaat und schon gar kein Superstaat, wie es schon der Vorredner Dr. Schiffmann darstellte, wie es aber einige Gegner Europas immer wieder behaupten.

Die Mitgliedstaaten schließen nach wie vor die Verträge und bestimmen die EU-Kompetenzen. Die Union verpflichtet sich ausdrücklich, den Reichtum ihrer kulturellen und sprachlichen Vielfalt zu wahren.

Zur Grundrechtscharta möchte ich sagen, sie ist nun Bestandteil als Teil II des Entwurfs. Damit erhalten alle EU-Bürger erstmals einen einklagbaren Schutz gegen etwaige Verletzungen der Grundrechte durch die Europäische Union. Dies hat Roman Herzog, der Vorsitzende der Kommission, glücklicherweise vorausschauend eingearbeitet.

Zur Kompetenzordnung möchte ich anmerken, der Verfassungsvertrag enthält eine völlig neue Fassung der Kompetenzordnung. Wichtig ist, in den meisten Feldern wird von der Einstimmigkeit zur Mehrstimmigkeit übergegangen.

Meine Damen und Herren, das alles sind gute Gründe, sich in allen Mitgliedstaaten zügig für die Ratifizierung des Vertrags einzusetzen, die Bürgerinnen und Bürger durch gezieltere Informationen als bisher dabei mitzunehmen und die Akzeptanz für unser gemeinsames Europa weiter zu erhöhen. Dafür lassen Sie uns alle Botschafter sein.

Dass die Landesparlamente dabei zu beteiligen sind, ist unerlässlich, wenn wir hierbei Erfolg haben wollen.

Wenn es auch einmal strapaziös wird, Herr Dr. Schiffmann, das müssen wir in Kauf nehmen. Wie es damit in Wirklichkeit aussieht, werden wir leider bei der Wahl in den Ausschuss der Regionen erleben. Hier bleibt – das ist Fakt – das Landesparlament außen vor.

Diese meine Kritik richtet sich aber keinesfalls gegen die Person Dr. Schiffmanns. Wir wünschen Ihnen von uns erer Fraktion her viel Glück und Erfolg im neuen Amt. Wir würden uns freuen, auch weiterhin mit Ihnen eine gute Zusammenarbeit pflegen zu können.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der CDU und des Abg. Dr. Geisen, FDP)

Ich erteile Herrn Staatssekretär Dr. Klär das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung ist mit dem Antrag der vier Fraktionen sehr einverstanden. Die Landesregierung ist auch froh, dass es zu diesem bedeutenden Gegenstand ein Antrag von vier Fraktionen ist. In den Reden, die Sie