Protocol of the Session on December 15, 2004

Ich erteile Herrn Abgeordneten Lelle das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, dass die Hauptschule auf Dauer ein zukunftsfähiges Modell ist.

(Pörksen, SPD: Ja, was sagt der Herr Keller dazu?)

Genau, Herr Pörksen. Diese Äußerung stammt nämlich nicht von mir, sondern sie stammt von der nicht mehr ernst zu nehmenden Bundesbildungsministerin Bulmahn. Bulmahn will das dreigliedrige Schulsystem abschaffen.

(Pörksen, SPD: Die sitzt in Berlin!)

Das ist in meinen Augen eine bewusste Missinterpretation der PISA-Studie. Es ist reine Ideologie.

(Beifall bei der CDU)

Leider haben sich die GRÜNEN, die GEW und auch Teile der SPD diesem Unsinn angeschlossen. Es gibt aber keine wissenschaftliche Erkenntnis, dass Einheitsschulen bessere Ergebnisse als das gegliederte Schulsystem erzielen. Das Gegenteil ist in Deutschland der Fall.

Wenn diese Systemveränderer Finnland und Korea als Beispiel hinstellen, dann vergleichen Sie Äpfel mit Birnen.

Das überragende Ergebnis von Finnland ist nicht systembedingt, sondern profunde Kenner der Szene sagen ganz eindeutig, es ist ausschließlich auf bessere Rahmenbedingungen und eine ausgeprägte Förderkultur zurückzuführen.

(Beifall der CDU)

Deshalb wundert es nicht, dass Herr Baumert vom MaxPlanck-Institut und Herr Prenzel, der Leiter der Deutschen PISA-Untersuchung, von Schulstrukturveränderungen nichts halten. Prenzel weist darauf hin, dass im

gegliederten Schulsystem der Niederlande hervorragende Lernergebnisse erzielt werden, weil entsprechende Förderung vorgenommen wird.

Ich frage mich: Wo bleibt da die Logik? Wer hat denn bei uns in Deutschland die besten Ergebnisse erzielt? Die Gymnasien oder die Integrierte Gesamtschule? Haben Nordrhein-Westfalen und Bremen besser abgeschnitten als Bayern und Baden-Württemberg?

Eines steht unzweifelhaft fest: In Deutschland ist unter den gegebenen Bedingungen das gegliederte Schuls ystem den Integrierten Gesamtschulen überlegen. Ich meine, das muss endlich einmal klar und deutlich gesagt werden.

Ich möchte aber nicht ausschließlich eine Negativdiskussion führen, sondern ansprechen, was in meinen Augen notwendig ist.

Ich nenne erstens die Unterrichtsqualität. Die PISAStudie hat eindeutig gezeigt, dass es keinen Königsweg gibt. Aber bestimmte Kriterien wie Klarheit, Verständlichkeit, Strukturiertheit und insbesondere eine gute Lernatmosphäre sind entscheidend. Um dies zu erreichen, brauchen wir entsprechende Fort- und Weiterbildung. Die muss verpflichtend werden, Frau Ministerin.

(Beifall der CDU)

Elternhaus und Schule müssen intensiver und konstruktiver miteinander umgehen. Gegenseitige Schuldzuweisungen sind wenig hilfreich.

Ich nenne zweitens eine bedeutend bessere Förderung der Schülerinnen und Schüler mit Defiziten. Dies setzt einen frühzeitigen Sprachtest voraus und eine anschließend verpflichtende Teilnahme an Sprachkursen. Herr Keller hat Recht, man kann nicht alles der Freiwilligkeit überlassen. Das ist der falsche Weg. Manche müssen zu ihrem Glück gezwungen werden.

Wenn Frau Bulmahn behauptet, eine solche Förderung wäre allein schon mit dem Systemwechsel gegeben, dann ist das reine Ideologie. Die TIMS-Studie, die noch nicht so lange her ist, hat eindeutig bewiesen, dass die gleiche Behandlung ungleicher individueller Lern- und Leistungsvoraussetzungen nachweislich zur Vergrößerung und Verschärfung der Problematik führt.

Dass Integrierte Gesamtschulen Schüler besser fördern als das gegliederte System, ist in dieser Studie widerlegt worden. Frau Ministerin, ich nehme an, das ist der Hintergrund, warum Sie die Meinung von Frau Bulmahn nicht teilen, dass das gegliederte System abgeschafft werden muss.

Diese TIMS-Studie hat bewiesen, dass die soziale Integration gerade bei den Hauptschülern hervorragend gelungen ist.

Als dritte Notwendigkeit nenne ich die Bekämpfung des Unterrichtsausfalls. Mir sind Vorgänge aus meinem Wahlkreis bekannt. Frau Ministerin, Sie kennen dies. Ich will darauf hinweisen. Natürlich haben Sie schnell reagiert. Das ist lobenswert. Aber es wäre verhängnisvoll,

wenn draußen der Eindruck entsteht, dass nur dort entsprechend reagiert wird, wo laut diskutiert und protestiert wird. Das kann und darf nicht sein.

(Beifall der CDU – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Vielleicht gibt es in anderen Städten gar keine Probleme!)

Meine Damen und Herren, wenden wir uns der Realität zu und ziehen entsprechende Konsequenzen.

(Zuruf von der SPD)

Ich will noch ein Wort zur Situation der Jugendlichen sagen. Hier stellen wir fest, dass heute durch einen sorgloseren Umgang mit Konsumgütern und ein stark verändertes Freizeitverhalten der Jugendlichen große Probleme, größere Abhängigkeiten, Verschuldung und Insolvenz mit 18 Jahren entstehen. Ich denke, da sind wir gefordert. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Hier müssen wir die Prävention ganz eindeutig besser betreiben. Gerade die Kindergärten und Schulen sind gefordert.

Mit einem Beispiel will ich abschließen. Frau Ministerin, da geht es nicht immer nur um Freiwilligkeit. Ich denke an die rauchfreie Schule. Hier sind Sie und nicht nur die Schulleiter gefordert. Sie müssen Verantwortung übernehmen. Es spricht überhaupt nichts mehr dafür, dass wir solche Dinge in der Schule zulassen. Hier ist Handlungsbedarf gegeben.

Vielen Dank. (Beifall der CDU)

Zu einer weiteren Kurzintervention hat Herr Kollege Wiechmann das Wort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen gerade von der SPDFraktion, ich hätte mir gewünscht, dass jemand von Ihnen aufsteht und sagt, die Bundesbildungsministerin hat gar nicht so unrecht. Deswegen schimpft jetzt nicht, wenn ich das für euch mache.

(Frau Spurzem, SPD: Sie haben sich vorgedrängt! – Weitere Zurufe von der SPD)

Herr Kollege Lelle, ich sage Ihnen etwas, weil Sie das so wollen. Lesen Sie bitte einmal den PISA-Bericht, und hören Sie sich an, was die Leute sagen, die diesen Bericht geschrieben haben.

(Zuruf des Abg. Lelle, CDU)

Das ist zum Beispiel Herr Schleicher.

(Keller, CDU: Der soll sich einmal wegschleichen!)

Ja, Sie können sagen, von dem wollen wir nichts hören. Er ist und bleibt der OECD-Beauftragte für den Bereich der Bildungspolitik. Herr Schleicher sagt und schreibt uns etwas in allen Artikeln, die er veröffentlicht. Das sind sehr viele in der letzten Zeit.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: So ein Quatsch, das wissen Sie auch!)

Das gegliederte Schulwesen ist gescheitert. Das schreibt uns Herr Schleicher, der die PISA-Studie für die OECD gemacht hat. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lesen Sie einfach einmal etwas von den Leuten, die sich damit beschäftigt haben.

(Zuruf von der FDP)

Nicht Ideologen, das sind Wissenschaftler, Herr Dr. Schmitz. Das kommt nicht von mir.

(Unruhe im Hause – Glocke der Präsidentin)

Herr Wiechmann, einen Moment bitte. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Lärmpegel ist zu hoch, ich bitte, etwas mehr Ruhe zu bewahren.

Herr Wiechmann hat das Wort.

(Zuruf des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Es geht nicht um Ideologie, es geht darum, dass ich Ihnen vortrage, was die Kolleginnen und Kollegen sagen, die die PISA-Studie geschrieben und ausgewertet haben.

Herr Lelle, wer uns die Einheitsschule vorwirft, dem muss ich sagen, ihr führt eine Einfaltsdebatte. Wir wollen gerade weg von dem Motto, 30 Kinder in der gleichen Zeit schaffen das Gleiche mit den gleichen Mitteln.

(Zurufe von der FDP)