Sehen Sie, ich habe gestern Abend einmal die Pressemitteilungen der Landesregierung der letzten Wochen und Monate durchgeblättert. Es gibt kaum ein Thema, das irgendwo auf der Welt jemanden beschäftigt, zu dem es nicht postwendend Pressemitteilungen der Landesregierung hagelte: Bei Fragen beispielsweise der Ankündigung landesweiter Wildwochen.
Was mich aber besonders beeindruckt hat – ich habe mir das im Übrigen auch heruntergeladen –, ist das Stichwort „Rezepte“: Landesvertretung veröffentlicht Kochbuch Nummer 1. Dabei wird der bedeutenden Frage nachgegangen: Was machen eigentlich die Köche der rheinland-pfälzischen Landesvertretung, wenn im Sommerloch weniger Besucher als sonst zu bewirten
Meine sehr geehrten Damen und Herren, alles in Ehren! – Zu jedem Thema, das irgendwo unter Gottes Sonne eine Rolle spielt, äußert sich diese rheinland-pfälzische Landesregierung. Nur zu den zentralen und entscheidenden Zukunftsfragen wie Rente, Gesundheit oder Pflege werden Sie seit dem Abgang von Florian Gerster keine Stellungnahmen dieser Landesregierung irgendwo finden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde, das ist ein wenig bezeichnend für das Denken und natürlich auch das Handeln dieser Landesregierung: Wenn es um die wirklich wichtigen Zukunftsfragen geht, ist die Landesregierung stumm wie ein Fisch im Wasser.
Mich würde schon einmal interessieren, wo diese Landesregierung in der Rentendiskussion steht. Da wird das Feld Frau Nahles überlassen. Ist das, was Frau Nahles denkt, auch die Meinung der rheinland-pfälzischen Landesregierung? Ist das die Meinung der rheinlandpfälzischen Sozialdem okraten?
Wo steht die Landesregierung bei der Debatte über die Reform der Gesundheit? Wo steht sie bei der Diskussion zu Fragen des Arbeitsmarktes? – Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich frage einmal alle: Gibt es irgendeinen Reformansatz, der sich mit dem Namen der rheinland-pfälzischen Landesregierung verbindet? – Wenn Sie dieser Frage nachgehen, werden Sie feststellen: Tiefes Schweigen im Walde. Nicht ein einziger Reformansatz, nicht ein Projekt verbindet sich mit dem Namen der rheinland-pfälzischen Landesregierung.
Ein Projekt, an dem man sich abarbeitet, eine Alternative zur herkömmlichen verteilungspolitischen Befriedigung von Ansprüchen, irgendeine Idee zwischen den wöchentlichen Ordensverleihungen, den zahlreichen Fes tlichkeiten, den vielen Preisausschreiben, den Events und den Festivals, die jedes Wochenende füllen, Sommer wie Winter und Winter wie Sommer, aber nicht ein Projekt, nicht eine Idee lässt sich mit dem Namen der Landesregierung verbinden.
Vor diesem Hintergrund einen Haushalt aufzustellen, der diesem selbst gewählten Anspruch gerecht wird, Zukunftsvorsorge zu betreiben – – – Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wo soll denn dieser Anspruch, Zukunftsvorsorge zu betreiben, Maß nehmen? Entsprechend ist das, was dabei in 15 Jahren herausgekommen ist.
Im Bundesrat steht von vornherein die Enthaltung fest, und damit fühlt man sich von jeder Diskussion irgendeiner Streitfrage in dieser Republik entbunden. Wenn Sie einmal in andere Bundesländer blicken – nun können Sie relativ wahllos auswählen zwischen dem Saarland, Bayern, Baden-Württemberg, Hessen oder Niedersach
sen, selbst das Land Berlin, die Landesregierungen und die Ministerpräsidenten machen ihre Länder fit für die Herausforderungen der Zukunft.
(Ministerpräsident Beck: Berlin ist ein gesundes Bundesland! – Creutzmann, FDP: Berlin war sehr gut!)
Ja, Herr Ministerpräsident, selbst in Berlin wird unter Beteiligung einer Partei, von der ich nach wie vor große Zweifel habe, dass sie auf dem Boden dieser Verfassung steht, der Versuch unternommen, das Land für die Zukunft fit zu machen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie das auf Rheinland-Pfalz übertragen, erscheint dieses Land wie ein großer Märchenpark. Bei uns ist alles so, wie es in der Vergangenheit war. Das Bemühen dieser Landesregierung konzentriert sich auf den einen Punkt, möglichst keine Veränderung herbeizuführen, alles so zu belassen, wie es einmal war. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, damit lässt sich Zukunft nicht gewinnen. Wir sind in einer Zeit der Veränderung und nicht in einer Zeit des Stillstands.
Ja, es ist aber so. Ich weiß, dass dies manchen erfreut. Aber der Preis, der für diesen Stillstand gezahlt werden muss, ist gewaltig.
Herr Finanzminister Mittler hat es uns gestern etwas verklausuliert vorgetragen: Das Land ist längst nicht mehr handlungsfähig. Unsere Verschuldung ist in eine Schwindel erregende Höhe geklettert. Alles und jedes, was wir tun – es ist wenig genug –, kann nur noch über Kredite finanziert werden. Jeder Euro Investition ist ein kreditfinanzierter Euro.
Jetzt ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Im bürgerlichen Leben nennt man so etwas konkursreif. Diese Lage haben wir inzwischen erreicht. Wir leben von der Substanz. Alles, was wir uns leisten, ob es richtig ist oder falsch, alles, was wir investieren, ist ausnahmslos über Kredite finanziert. Vor diesem Hintergrund das Ziel zu erreichen, das Herr Finanzminister Mittler gestern vorgetragen hat, eine neue Wachstumsdynamik zu erzeugen, ist ein Ding der Unmöglichkeit.
Sehen Sie, andere Länder treten auf die Ausgabenbremse, weil es dort so ganz anders nicht ist als bei uns. Das behauptet auch kein Mensch.
Natürlich haben wir in anderen Ländern ähnliche Probleme mit der Verschuldung und der drohenden Überschuldung. Aber andere Länder reagieren auf diese Lage.
Andere Länder ziehen Schlussfolgerungen aus dieser Lage. Zu diesen Schlussfolgerungen gehört – ich sage bewusst, nicht als Einziges, aber auch –, dass man auf die Ausgabenbremse tritt. Ich war im Vorfeld der gestrigen Rede des Finanzministers sehr gespannt, was uns nun als Vorschlag unterbreitet wird, wo das Land Rheinland-Pfalz in den nächsten Jahren eine Sparanstrengung unternehmen will. Ich habe in dieser Rede mehrfach gehört, dass uns ein Sparhaushalt vorgetragen wird. Darüber werden wir gleich noch reden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Sparhaushalt, aber mit welcher Sparanstrengung denn? Wo soll denn eine Sparanstrengung in diesem Landeshaushalt stattfinden? – Ich habe die Rede aufmerksam verfolgt und habe sie noch einmal nachgelesen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in dieser einstündigen Rede des Finanzministers zur Einbringung des Doppelhaushalts finden Sie nicht einen einzigen Sparvorschlag!
Es wird dauernd das Ziel beschworen, und es wird wortreich dargestellt, dass der vorgestellte Haushalt natürlich ein Sparhaushalt sei.
Aber es wird nicht in einem einzigen Punkt gesagt, wo eine Sparanstrengung in den nächsten zwei Jahren stattfinden soll.
Das ist bezeichnend für die Haushaltspolitik der Landesregierung, und zwar nicht nur für die kommenden zwei Jahre, sondern für die Haushaltspolitik der Landesregierung für die vergangenen 14 Jahre.
Immerhin sind wir so weit, dass von der Landesregierung eine ungewöhnlich hohe Nettokreditaufnahme zugegeben wird, weil sie zugegeben werden muss. Das steht im Finanzplan für die nächsten Jahre ausdrücklich drin. Ich kann mich an Haushaltsberatungen erinnern, in denen dies bestritten wurde. Dort wurden die Zahlen infrage gestellt. Über lange Jahre hinweg wurde das Spiel betrieben, einfach die Zahlen infrage zu stellen. Das geht jetzt nicht mehr. Es muss zugegeben werden, dass wir eine ungewöhnlich hohe Nettokreditaufnahme in Rheinland-Pfalz zu verantworten haben.
In der Stelle im Finanzplan, wo dieses Eingeständnis zu Papier gebracht worden ist, wird aber auch gleichzeitig sozusagen der Schuldige mitgeliefert, der dafür verantwortlich ist, dass wir eine ungewöhnlich hohe Nettokreditaufnahme zu bewerkstelligen, zu verantworten und zu verkraften haben. Der Schuldige für diese ungewöhnlich hohe Nettokreditaufnahme ist ausgerechnet der hoch gelobte, angeblich allseits geschätzte Pensionsfonds. Er
wird dafür verantwortlich gemacht, dass wir im Land Rheinland-Pfalz auch im Vergleich zu anderen Bundesländern eine so ungewöhnlich hohe Nettokreditaufnahme haben, dass wir uns auf einer im Ländervergleich einmaligen Höhe bei der Pro-Kopf-Verschuldung bewegen. Schuld daran ist der Pens ionsfonds.
Der Pensionsfonds spielte gestern in den Ausführungen des Finanzministers auch eine gewisse Rolle. Ich fand, das war eine ganz schöne Passage, wie er davon gesprochen hat, dass er dem Landtag nun noch eine Delikatesse servieren wolle, sozusagen etwas für die Feinschmecker unter den Haushaltspolitikern. Diese Delikatesse war das Eckpunktepapier zur Reform des Beamtenrechts, das vorgestern veröffentlicht wurde und das gemeinsam vom Vorsitzenden des Deutschen Beamtenbundes, dem Vorsitzenden der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und dem Bundesinnenminister der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.
Ich zitiere jetzt den Finanzminister aus seiner Rede gestern, nicht das Eckwertepapier. Es steht dort der folgende Satz: „Diese Lösung“ – also des rheinlandpfälzischen Pensionsfonds – „bietet sich auch für die übrigen Länder zur nachhaltigen Finanzierung der Beamtenversorgung an.“ Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin mir sehr sicher, dass den Beteiligten nicht so ganz klar war, wie der Pensionsfonds in Rheinland-Pfalz funktioniert.
Ich lese noch einmal den Satz vor: „Diese Lösung bietet sich auch für die übrigen Länder zur nachhaltigen Finanzierung der Beamtenversorgung an.“ Wissen Sie, nachdem wir über den Pensionsfonds diskutieren, was wir schon seit vielen Jahren machen, so bitte ich um Aufklärung darüber, wie man eine Finanzierung mithilfe einer Schuldverschreibung vornimmt.
Der rheinland-pfälzische Pensionsfonds ist nichts anderes als ein Anspruchstitel. Es ist – bildlich gesprochen – sozusagen eine Kassette, in der von Jahr zu Jahr mehr Anspruchstitel und Schuldverschreibungen liegen. Jetzt füge ich ausdrücklich hinzu, was ich übrigens nie bestätigt habe, das hat durchaus einen guten Sinn, denn wir etatisieren Zukunftslasten mit diesem Pensionsfonds. Dadurch erhält der Haushalt ein Stück mehr Transparenz, ein Stück mehr Durchschaubarkeit, ein Stück mehr Verlässlichkeit, auch ein Stück mehr Wirklichkeitssinn. Das ist wahr. Wir etatisieren Ansprüche der Zukunft.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir etatisieren sie aber nur auf dem Papier in Form von Schuldverschreibungen. Eine Finanzierung kann ich mit einer Schuldverschreibung überhaupt nicht bewerkstelligen.