Wir alle führen ständig Diskussionen mit unseren Angehörigen, mit unseren politischen Freunden und mit vielen Nachbarn. Daher wissen Sie alle, dass die Furcht vor weiteren terroristischen Anschlägen in den USA und in anderen Ländern vorhanden ist, die sich mit der Furcht und der Sorge verbindet, dass sich durch eine militärische Abwehr international agierender Terroristen eine weitere Eskalation von Gewalt bis hin zu einem möglicherweise nicht einzugrenzenden Krieg entwickeln könnte. Diese Sorge müssen wir ernst nehmen. Sie wird von vielen geteilt, die die politische Lage kenntnisreich beurteilen.
Wir setzen darauf, dass die politischen Entscheidungsträger in den Regierungen und in den Parlamenten – dazu gehören auch wir – bedenken, dass es bei der Bekämpfung des Terrorismus auch darauf ankommt, dass dieser isoliert werden muss, und Maßnahmen, wie ein ungerichteter und vielleicht ungerechtfertigter Gegenschlag, der aus Rache oder aus Vergeltung geführt würde, genau in die Falle der Terroristen trifft und die große Gefahr besteht, Gemäßigte in das Lager der Terroristen zu treiben.
Deshalb schließe ich mich an dieser Stelle dem Bundespräsidenten an, der am vergangenen Freitag Folgendes gesagt hat: „Wir werden auf die Herausforderungen nicht mit Ohnmacht und nicht mit Schwäche reagieren, sondern mit Stärke und Entschlossenheit und mit Besonnenheit. Hass darf nicht zum Hass verführen. Nichts ist so schwer zu bauen und nichts ist so leicht zu zerstören wie der Frieden.“
In einer zweiten Bemerkung schließe ich mich dem an, was meine Vorredner gesagt haben, dass die Solidarität auch die Verbundenheit mit den Menschen des islamischen Glaubens umfasst, die in Rheinland-Pfalz und in Deutschland leben, und die mit uns die schrecklichen Geschehnisse in New York und Washington verurteilt haben. Sie müssen unser aller Schutz erfahren. Es muss heute und in den nächsten Wochen und Monaten klargemacht werden, dass die überwältigende Mehrheit dieser Menschen an einem friedlichen und gemeins amen Leben interessiert ist und sich deutlich von ideologischen Fundamentalisten abgrenzt.
Das liegt in unser aller Verantwortung. Es liegt in der Verantwortung der Politik, der Medien und der Kirchen, alle fremdenfeindlichen Äußerungen und Handlungen mit aller Entschiedenheit zurückzuweisen und sowohl
innen- als auch außenpolitisch nicht dem Kampf der Kulturen das Wort zu reden, sondern dem Dialog der Kulturen. Das muss unser ganzes Bemühen bestimmen. Wichtig ist es uns gerade jetzt, im Inneren verstärkt zum Dialog und zur Integration bereit zu sein.
Meine Damen und Herren, kaum jemand wird die Ereignisse am vergangenen Dienstag nicht als weltgeschichtliche Zäsur am Anfang dieses Jahrhunderts begreifen. Wenn das so ist, dürfen wir nicht in alten Mustern, alten Reaktionsmustern oder in kriegerischen Kategorien denken.
Die USA und die internationale Gemeinschaft müssen vielmehr entschieden und multinational abgestimmt weitere Anschläge vermeiden, Täter und Hintermänner bestrafen, ihnen ihre Ressourcen und Infrastrukturen abnehmen sowie dem Terrorismus den Nährboden entziehen.
In den aktuellen Diskussionen dürfen wir nicht den „Clash of Civilizations“ herbeireden. Der Autor des Buchs, das so oft zitiert wurde, verweist selbst darauf, dass die islamische Welt gespalten ist und sehr viel in der nächsten Zukunft davon abhängen wird, ob islamische Staaten mit den USA und den Verbündeten bei der Bekämpfung des Terrors zusammenarbeiten werden.
An dieser Stelle stimme ich unserem Außenminister ausdrücklich zu, wenn er feststellt, dass jedes mögliche Vorgehen von einem politischen Konzept begleitet werden muss, das über den Tag hinausweist und Angebote zur wirksamen Behandlung von Konflikten enthält. Das erfordert politische, diplomatische und wirtschaftliche Maßnahmen im internationalen Kontext. Das erlaubt keine Reduzierung auf militärische Optionen. Das verstehe ich unter dem Kampf bzw. unter einem langwierigen Engagement gegen den Terrorismus.
Ich bin davon überzeugt, dass dieser Kampf auf kurze Sicht vor allem eine Aufgabe der Sicherheits- und Geheimdienste ist. Wir haben alle erkennen müssen, dass die falsche Ausrichtung ihrer Tätigkeiten der falsche Weg ist und sich die gefährliche Vision, sich mit Raketenabwehr vor terroristischen Angriffen schützen zu können, in den vergangenen Wochen als schrecklicher Irrglaube bestätigt hat.
Die einzige Möglichkeit, den Terrorismus langfristig zu bekämpfen, besteht im Kampf gegen seine Ursachen. Herr Mertes hat vorhin Bundespräsident Rau zitiert. Auch er sagt, dass der Kampf gegen die Ursachen des Terrorismus neben den Ideologien, die Hass produzieren, den sozialen und politischen Ungerechtigkeiten zu gelten habe.
Das bedeutet auch, gegen Elend und Verzweiflung in Ländern wie Afghanistan anzugehen. Ich habe gestern den Beitrag nicht gehört, aber wir haben in den vergangenen Tagen von Organisationen, die vor Ort sind und die dortigen Zustände geschildert haben, einen nachdrücklichen Eindruck erhalten. Das erfordert – da unterscheiden wir uns nicht –, dass mit allem Einsatz versucht wird, Frieden im Nahen Osten zu schaffen.
In einer letzten Bemerkung gehe ich noch darauf ein, dass heute im Deutschen Bundestag eine Diskussion zu notwendigen innenpolitischen Maßnahmen stattfindet. Ich merke an, dass nicht die Härte und Rasanz entscheidend ist, mit der Vorschläge vorgebracht werden, sondern dass differenzierte Konzepte erforderlich sind, die einerseits die Balance zwischen den Grundrechten, die wir uns auf langen Wegen erworben haben und den Wunsch nach Freiheit und andererseits das Sicherheitsbedürfnis Einzelner oder der Gesellschaft wahren.
Wenn wir das, was am vergangenen Dienstag geschehen ist, als Zäsur sehen, muss das durchaus auch als Zäsur bei dem Nachdenken und den Entscheidungen über innenpolitische Maßnahmen angenommen werden. Es greift meiner Meinung nach zu kurz, wenn wir jetzt einfach nach Bundeswehreinsätzen im Inneren rufen oder auch auf gescheiterte Rezepte der Terrorismusbekämpfung aus vergangenen Jahrzehnten zurückgreifen oder diese wieder erwecken wollen.
Ich nenne nur ein Beispiel: Wir können nicht 8.000 Studierende aus den islamischen Bereichen in der Bundesrepublik Deutschland zu potenziellen Terroristen stempeln und sie präventiv auf Schritt und Tritt überwachen.
Ein anderes Beispiel: Die viel zu vielen Telefonüberwachungen im Rahmen des kleinen Lauschangriffs haben keine Hinweise auf die in Deutschland lebenden Attentäter von New York und Washington gebracht.
Auch bei der Frage, ob der Datenschutz eingeschränkt werden muss, müssen wir sehen, dass bisher die Fülle von Datenmaterial, die es gab, nicht ausgewertet werden konnte. Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch an die Einwände des Bundesbeauftragten für den Datenschutz Jacob. Es gilt vielmehr, Vollzugsdefizite abzubauen und Konzepte für die notwendige Sichtung der Daten zu erarbeiten.
Ich bin der Meinung, dass ganz neue Überlegungen im Hinblick auf den Objektschutz notwendig sind. Dabei denke ich nicht nur an öffentliche Gebäude, sondern ich denke an Atomkraftwerke und daran, dass wir bei der Sicherheitsbeurteilung und entsprechenden Maßnahmen weiterkommen müssen. Ein weiterer Punkt ist der Schutz von Wasserwerken unter dem Stichwort „Biologische Waffen“.
Das Bundeskabinett ging heute erste Schritte. Extremistische Religionsgemeinschaften künftig verbieten zu können, kann wohl nicht falsch sein. Auf der anderen Seite müssen wir uns meiner Meinung nach auch ganz ernsthaft mit dem Anliegen des Islamischen Zentralrats beschäftigen, islamischen Religionsunterricht an deutsche Schulen zu holen, weil der Islamische Zentralrat darin einen Weg sieht, extremistischen Teilen in Koranschulen den Boden entziehen zu können. Können wir uns dann einem solchen Wunsch versagen?
Ich habe sicherlich heute zu dem Bereich mehr Fragen als Anworten, aber ich bin der Meinung, dass wir uns dafür und auch für eine Debatte um eine Zuwanderungsregelung – auch bei der Notwendigkeit und dem Bedürfnis vieler, jetzt schnelle Antworten bekommen zu können
oder bekommen zu wollen – die Zeit nehmen müssen, um diese Konzepte differenziert diskutieren zu können und nun nicht zu Schnellschüssen zu kommen. Dafür müssen wir den parlamentarischen Rahmen nutzen und dürfen nicht unter der Maßgabe, schnell zu reagieren, zu Überreaktionen kommen.
Ich zitiere – damit will ich auch schließen – Benjamin Franklin, der gesagt hat: „Wer die Sicherheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, der verliert am Ende beides.“
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, gestern vor einer Woche um dieselbe Uhrzeit verließen wir diesen Raum, in dem wir voll Optimismus Gespräche mit unseren polnischen Freunden im Hinblick auf den Ausbau unserer Kontakte beendet hatten. Beim Verlassen dieses Saales erfuhren wir zum ersten Mal von diesen entsetzlichen Ereignissen. Welch ein furchtbarer Kontrast. Ich brauche das von den Em otionen und Gefühlen her nicht weiter zu beschreiben.
Ich lege für die FDP-Fraktion Folgendes dar: Wir verurteilen den schrecklichen, barbarischen und durch nichts zu entschuldigenden Terrorakt auf die Vereinigten Staaten von Amerika. Wir trauern mit den Angehörigen um die Toten; wir sprechen ihnen unser Beileid und unser Mitgefühl aus. In dieser schweren Stunde stehen wir fest an der Seite unserer amerikanischen Freunde.
Amerika hat uns die Freiheit gebracht und mit uns die Freiheit verteidigt. Die terroristischen Taten von fanatisierten Massenmördern waren ein Anschlag gegen die gesamte zivilisierte Welt. Das Verbrechen war, so wie wir es wissen, langfristig und global geplant. Deshalb brauchen wir eine internationale Koalition im Kampf gegen den Terrorismus.
Die geplanten Aktionen gegen den weltweit organisierten Terror müssen sich jetzt gezielt gegen die Urheber des Verbrechens und deren Unterstützer richten. Die Bevölkerung erwartet Entschlossenheit, aber auch Besonnenheit bei den jetzt bevorstehenden Aktionen, die sich nicht allein auf das Militär und die Polizei beschränken dürfen.
Wir brauchen auch eine politische Lösung, wir brauchen politische Lösungskonzepte, um die Wurzeln des Terrors trockenzulegen. Die Innere Sicherheit in unserem Land steht auf der politischen Agenda. Die FDP-Fraktion unterstützt jede rechtsstaatliche Maßnahme, die im Interesse der Sicherheit unserer Bürger notwendig ist.
Die FDP begrüßt, dass die Innenminister von Bund und Ländern sich bereits auf ein Paket von Vorhaben zur verstärkten Terrorbekämpfung verständigt haben.
An dieser Stelle hebe ich die wichtige Funktion des Verfassungsschutzes hervor, der bei uns in RheinlandPfalz eine hervorragende Arbeit leistet. Rheinland-Pfalz wird auch alles unternehmen, um die Sicherheit der hier wohnenden US-Bürger zu gewährleisten.
Die FDP-Fraktion warnt eindringlich vor schnellen Verurteilungen und Vorbehalten gegenüber der arabischen Welt oder gegenüber Angehörigen der islamischen Religionsgemeinschaften.
Fanatismus und verbrecherische Akte im Namen des Islams dürfen nicht mit der Weltreligion Islam gleichgesetzt werden. Die mehr als 99 % friedvollen Muslime in Deutschland dürfen nicht mit den wenigen Fanatikern und Terroristen vermengt werden. Der Islam ist im Kern eine friedliche Religion, wie das Christentum auch.
Wir begrüßen es, dass der Zentralrat der Muslime alle islamischen Organisationen aufgerufen hat, sich an der Aufklärung über islamistisch-terroristische Netzwerke zu beteiligen.
Unsere islamischen Mitbürger dürfen aber auch erwarten, dass wir uns bei vereinzelten Übergriffen vor sie stellen – jeder Einzelne von uns. Kein noch so perfider Terrorakt vermag Freiheit und Demokratie zu erschüttern, meine Damen und Herren. Die freie Welt wird ihre Werte verteidigen. Menschlichkeit und Freiheit werden über den Terrorismus siegen.
Zu schriftführenden Abgeordneten berufe ich die Abgeordneten Dieter Klöckner und Matthias Lammert. Herr Lammert führt die Rednerliste.
Entschuldigt sind für heute die Abgeordneten Anne Kipp, Heike Raab, Dr. Dieter Schiffmann, Johannes Berg, Guido Ernst, Ute Granold und Simone Huth-Haage.
Ich freue mich, auch einem Kollegen, der vor einiger Zeit einen runden Geburtstag gefeiert hat, nachträglich gratulieren zu können.
Der Ministerpräsident hat gestern, am 18. September 2001, einen Gesetzentwurf zum Staatsvertrag über die Provinzial-Feuerversicherungsanstalt vorgelegt und gebeten, diesen in erster Lesung an einem der beiden Plenarsitzungstage zu behandeln. Um dies zu ermöglichen und die Frist abzukürzen, bedarf es einer Zweidrittelmehrheit. Wer sich dagegen wendet, möge sich dazu äußern. – Ich sehe keinen Widerspruch.
Ich komme zu Punkt 20 der Tagesordnung. Dem Vernehmen nach soll über den Antrag der Fraktion der CDU „Weinherbst 2001 – Den Rheinland-pfälzischen Winzern schnell und wirksam helfen“ – Drucksache 14/261 –, heute im Anschluss an die Aktuelle Stunde abgestimmt werden. – Dagegen gibt es keine Einwände.