Protocol of the Session on July 1, 2004

Deutschland sehen wir dies aus einem etwas anderen Blickwinkel, das muss ich ganz ehrlich sagen, weil wir nicht diese Gefahr sehen. Sie sind uns den Beweis schuldig geblieben, dass es in Deutschland einen Anlass dafür gibt, solche unabhängigen zusätzlichen Institutionen einzuführen.

(Beifall der CDU)

Zu einer Kurzintervention hat Herr Abgeordneter Hartloff das Wort.

(Zurufe von der SPD: Das war unerhört! – Schmitt, CDU: Sprücheklopper!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau KohnleGros, gestatten Sie mir zwei oder drei Anmerkungen.

Ich denke, Selbstgewissheit ist etwas, das auch unseren Industriestaaten, wie Deutschland einer ist, nicht so sehr ansteht. Wir haben geschichtliche Erfahrungen, und wir haben eine aktuelle Diskussion, die man nicht ausblenden kann, wenn man das Thema betrachtet.

Ich denke, zur Selbstgewissheit gehört auch das Pendant der Selbstzweifel. Diese stehen uns gut an, insbesondere wenn ich Diskussionsbeiträge von Herrn Wolffson oder auch Herrn Lafontaine höre, die sagen – ich verniedliche das – „ein bisschen Folter darf es schon sein“, wenn der gute Zweck das Mittel heiligt. Ich meine, genau das darf es nicht sein. Das ist der Diskussionsbeitrag.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir als ein demokratischer Staat, der selbstverständlich Vertrauen in seine Rechtsstaatsqualitäten hat – das ist keine Frage – diese Konvention mittragen, dann meine ich, weil wir genau diese Selbstgewissheit bekämpfen müssen und weil diese Zweifel aus Erfahrungen des Falls „Daschner“ und aus Erfahrungen von Guantanamo angebracht sind und weil nur eine sehr dünne Wand zwischen Irrsinn und Verstand besteht.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hohn das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Gegensatz zu Frau Kollegin Kohnle-Gros möchte ich etwas zu dem gemeinsamen Antrag sagen.

Ich muss feststellen, dass sich mein Redemanuskript im Grunde genommen mit der Rede des Kollegen Klöckner deckt. Herr Kollege Klöckner, ich möchte mich ganz herzlich bei Ihnen für Ihre Ausführungen bedanken, weil sie identisch mit dem sind, was ich vortragen wollte. Ich möchte das nicht noch einmal wiederholen.

Lassen Sie mich noch folgende Anmerkung merken: Die FDP-Fraktion begrüßt ausdrücklich, dass fraktionsübergreifend Einigung erzielt wurde, obwohl das bei meiner Vorrednerin so leider nicht herüberkam, eine zügige Unterzeichnung und Ratifizierung des Zusatzprotokolls zur UNO-Anti-Folter-Konvention von Rheinland-Pfalz aus anzustoßen. Ich denke, insbesondere gilt Staatsminister Zuber ein großes Dankeschön für seine Bemühungen, dass es zu diesem gemeinsamen Antrag gekommen ist.

(Beifall bei FDP und SPD)

Meine Damen und Herren, gerade für die unionsgeführten Länder müsste dies ein Ansporn sein, das Einvernehmen untereinander und zwischen dem Bund mit dem Ziel herzustellen, dass Deutschland anderen Ländern gegenüber beispielhaft vorangeht und mit dazu beiträgt, dass das Zusatzprotokoll bald in Kraft treten kann. Wir würden damit ein wichtiges Signal für eine Verbesserung des weltweiten Schutzes vor Folter setzen.

Politisch und religiös Andersdenkende, Minderheiten und insbesondere Frauen in Ländern, wo völkerrechtliche Vereinbarungen und politische Maßnahmen bislang gegen Folter versagen, werden uns auf ewig dankbar sein. Ich denke, das kann man behaupten.

Ich kann für unsere Fraktion nur noch einmal bestätigen, dass wir dem gemeinsamen Antrag uneingeschränkt zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei FDP und SPD)

Ich erteile Frau Abgeordneter Grützmacher das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man kann seine Rede nicht vortragen, wenn man nicht zu Anfang auf das eingeht, was Frau Kohnle-Gros gesagt hat. Meine Damen und Herren von der CDU, Frau KohnleGros, mich hat es erschreckt, um nicht zu sagen erschüttert, wenn Sie sagen,

(Beifall bei der SPD)

dass Sie den Antrag nur unterschrieben haben, um nicht in die Ecke gestellt zu werden, dass wir die Guten sind, die gegen Folter sind, und Sie sind diejenigen, die dafür sind.

(Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, damit haben Sie gesagt, dass Sie hinter dem, was in dem Antrag steht, nicht stehen. Ich finde, das ist unglaublich. Dann muss man auch dazu stehen und eine schwierige Diskussion durchhalten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, wir machen das nur aus opportunistischen Gründen, dann finde ich das unglaublich. Das ist ein so ernstes Thema, dass man dabei nicht opportunistisch sein darf. Dann muss man auch seine Meinung durchhalten. Ich bin wirklich entsetzt, dass diese Meinung, die in dem Antrag zum Ausdruck kommt, nicht Ihre Meinung ist.

Seien Sie doch nicht so blauäugig. Herr Hartloff hat es richtig gesagt. Wir vertrauen unseren staatlichen Einrichtungen. Sie wissen aber genau, dass wir auch Kontrolle ausüben müssen. Warum haben wir denn die Strafvollzugskommission?

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Das haben wir doch alles!)

Wir sind doch in der Strafvollzugskommission. Es ist aber doch auch wichtig, solche Institutionen, die die Freiheit von Menschen entziehen, auch von unabhängigen Gremien zu kontrollieren. Es gibt andere Gremien bei uns. Es gibt die Abschiebegefängnisse. Es gibt Heime und Anstalten, wo es diese institutionalisierte Kontrolle noch gar nicht gibt, wo es noch keine regelmäßigen Besuche gibt. Das alles müssen wir bedenken und überlegen, ob es Möglichkeiten gibt, wie man so etwas einrichtet. Das steht in diesem Antrag. Ich finde, das ist keine Misstrauenserklärung gegenüber staatlichen Institutionen, sondern das ist einfach eine demokratische Wahrnehmung unserer Aufgaben, dass wir auch alle staatlichen Institutionen jederzeit und immer kontrollieren müssen, besonders diejenigen, wo Freiheitsentzug von Menschen stattfindet. Dort ist unsere Kontrollfunktion umso wichtiger und umso größer. Das steht in dem Antrag.

Wir müssen dies auch weiter machen. Ich glaube, die Erfahrungen der letzten Monate haben gezeigt, dass eine Relativierung in diesem Bereich eingetreten ist, die Sie auch in Ihrer Rede vorgenommen haben. Man sagt, unter ganz schlimmen bestimmten Umständen, wenn es um das Leben und den Tod anderer Menschen geht, dann ist Folter unter bestimmten Umständen möglich. Das darf nicht sein. Wenn wir hier einen Einstieg in dieses Thema machen, wenn Folter unter ganz gewissen, wenn auch begrenzten Möglichkeiten erlaubt ist, dann gibt es kein Halten mehr. Das müssen wir als freiheitlich demokratischer Staat, der die Menschenwürde in seinem Grundgesetz als obersten Grundsatz setzt, unterstützen. Das erwarte ich auch von einer konservativen christlichen Partei.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP – Glocke des Präsidenten)

Frau Grützmacher, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Bischel?

Ja.

Frau Kollegin Grützmacher, können Sie uns an dieser Stelle wenigsten einen Fall in Deutschland nennen, wo es zu Folter kam?

Letztens sind zwei oder drei Strafvollzugsbeamte aus dem Dienst in einem Bundesland entlassen worden, weil sie Menschen, die in ihrer Obhut waren, menschenunwürdig behandelt haben. Diese Möglichkeiten gibt es immer wieder.

(Bischel, CDU: War es ein Fall von Folter?)

Das hat es in Hamburg gegeben. In diesem Fall geht es um die Menschenwürde. Das ist ein sehr weiter Bereich.

Herr Bischel, ich finde es äußerst blauäugig, dass Sie glauben, dass Sie dem Staat immer und überall und jederzeit vertrauen können. Ich finde, Kontrolle hat eine ganz wichtige Funktion.

Ich möchte gar nicht mehr im Einzelnen auf den Antrag eingehen. Ich finde es ganz wichtig, was von allen gesagt wurde, dass es vor allem um Prävention geht. Es gibt dazu noch das Übereinkommen gegen Folter, das inzwischen schon von 130 Staaten ratifiziert worden ist. Dies ist ein Zusatzprotokoll, dass diese Antifolterkonvention vorantreiben soll und dass vor allem im präventiven Bereich wirken soll. Wir wissen natürlich, dass bei uns in Deutschland Folter nicht im Geringsten an der Tagesordnung ist. Das ist etwas, was höchstwahrscheinlich in dieser Form gar nicht so vorkommt, wie wir uns das unter schlimmer Folter vorstellen. Dennoch glaube ich aber einfach, dass eine Kontrolle dazu dient, dass auch diese Dinge erst gar nicht in Betracht gezogen werden.

Ich glaube, dass es auch bei uns richtig ist, dass wir diese Mechanismen einrichten. Ich muss schon sagen, dass ich es ehrlich gesagt als ziemlich unverständlich empfinde, dass dieses Protokoll bisher nur von 24 Staaten unterzeichnet wurde und nur von drei Staaten, die eben auch genannt wurden, ratifiziert wurde.

Ich hoffe, dass trotz dieser Diskussion von diesem gemeinsam unterschriebenen Antrag vielleicht eine Signalfunktion für andere Bundesländer ausgeht, dass sie sich auch damit beschäftigen, diesen Antrag zur Ratifikation des Zusatzprotokolls voranzutreiben und diesen Antrag nahe zu bringen, sodass Deutschland endlich

auch zu denjenigen gehört, die das Protokoll unterzeichnen und ratifizieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Ich erteile Herrn Staatsminister Zuber das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Folter ist in vielen Ländern der Erde leider noch eine weit verbreitete Praxis, obwohl fast 130 Staaten das Übereinkommen gegen Folter und – Herr Abgeordneter Bischel – andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984 ratifiziert haben.

Dennoch sind wir immer wieder mit Berichten aus allen Teilen der Welt konfrontiert, dass Menschen, die sich im behördlichem Gewahrsam befinden, gefoltert, bedroht, erniedrigt oder sonst unmenschlich behandelt werden. Teilweise erfolgt dies auch von nicht staatlichen Gruppen, womöglich aber mit staatlicher Duldung.

Meine Damen und Herren, unabhängig von den Gründen, die zum Gewahrsam führen, kann es für mich niemals eine Rechtfertigung für Folter, für grausame oder unmenschliche Behandlung geben.