Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin dagegen, dass wir zu diesem speziellen Thema noch einmal in den Ausschuss gehen. Ich bin auch dagegen, dass wir eine Anhörung durchführen. Ich finde, die beiden Anträge sind so klar und eindeutig, dass das Plenum in der Lage ist, heute darüber abzustimmen.
Herr Kollege Marz, ich nehme das Thema genauso ernst, wie Sie es tun, und verwahre mich gegen eine Einschätzung, die zum Ausdruck bringt, dass die Regierung und auch die regierungstragenden Fraktionen sich erst auf den Druck Ihres Antrags hin damit beschäftigt haben. Das Gegenteil ist der Fall. Ich bin überzeugt davon, dass es sich bei diesem unstrittigen Problem um ein Problem handelt, dem man nicht mit neuen Erkenntnissen entgegentreten muss, sondern in dem es Vollzugsprobleme auf den ganz unterschiedlichen Ebenen gibt. Ich bin überzeugt davon, dass das ein Problem ist, das nicht von der Regierung zuallererst und ausschließlich gelöst werden kann oder gar durch eine Diskussion im Sozialpolitischen Ausschuss, sondern das ist ein Problem, das so vielschichtig ist, dass man die unterschiedlichen Ebenen, die entscheidend sind, entsprechend antippen muss.
Ich glaube, der Satz, den wir in unserem Alternativantrag geschrieben haben, ist zielführend. Es muss das Ziel verfolgt werden, mit vertretbarem Aufwand und unter Beachtung subsidiärer und eigenverantwortlicher Strukturen einen Weg zu finden, wie im Bedarfsfall die Bevölkerung ursachengerecht informiert wird und vorbeugend in Gefahrensituationen eingegriffen werden kann.
Vordergründig scheinen die beiden Anträge in die gleiche Richtung zu gehen. Wenn man sich aber die Form ulierungen im Detail anschaut, sieht man, wo der Unterschied liegt. Es mag sein, dass es Ihnen sprachlich nur verrutscht ist. Ich kann den Antrag aber nur so nehmen, wie er hier vorliegt. Dann darf ich an einem Satz festmachen, weshalb ich diesem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf gar keinen Fall zustimmen kann. Sie schreiben unter dem zweiten Spiegelstrich: „Für den
privaten Wohnbereich sind Empfehlungen und Schutzmaßnahmen für den potenziell gefährdeten Personenkreis allein stehender älterer Menschen darzustellen“. Ich nehme an, dass Sie meinen, dass Informationen zu geben sind, wie man Schutzmaßnahmen darstellen kann. Sie schreiben aber mit dem Hinweis an die Landesregierung: Es sind Schutzmaßnahmen darzustellen. – Also, Herr Staatssekretär Auernheimer bringt die Dame vom siebten Stockwerk in den Keller, die Ministerin Dreyer sorgt dafür, dass die Flüssigkeitszufuhr stimmt. Das ist genau das Problem, das im letzten Antrag schon besprochen wurde. Die Fülle von gut gemeinten Anträgen sorgt bei Ihnen dafür, dass die Quantität zu Lasten der Qualität geht. Das ist bedauerlich, gerade weil wir und die Regierung dieses Thema sicherlich genauso ernst nehmen wie Sie.
Das haben Sie jetzt mit Frau Malu Dreyer bezüglich der Flüssigkeitszufuhr gemacht. Aber lassen wir das.
Ich will eine Anmerkung zum Thema „Beratung im Ausschuss“ machen. Sonstige Anmerkungen erspare ich mir. Ich halte auch eine Überweisung der Anträge oder auch nur eines Antrags an den Ausschuss nicht für sinnvoll, weil ein Grund, weshalb wir diesen Antrag gestellt haben, der bevorstehende Sommer war. Es ist natürlich richtig, dass heute ein Antrag verabschiedet wird.
Entschuldigen Sie, Herr Jullien. Wenn Sie gerade hereinkommen und vorher nicht zugehört haben und dann einen solchen Zwischenruf machen, dann schmerzt das.
Wir reden zum einen über kurzfristige Maßnahmen, die jetzt greifen sollen und auch greifen werden. Das gilt für beide Anträge. Wir reden über mittelfristige Maßnahmen, die man sich überlegen kann und die Gegenstand einer Anhörung sein können. Von daher macht diese Abfolge sehr wohl Sinn.
Von daher also verfahrensmäßig Zustimmung und keine Verweisung an den Ausschuss. Das wäre zum gegenwärtigen Zeitpunkt sinnlos.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung nimmt die von den anhaltenden Hitzeperioden, insbesondere für ältere Menschen, ausgehenden Gefahren ernst. Der von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhobene Vorwurf, sie ignoriere oder verharmlose die Situation, ist deshalb schlichtweg falsch.
Es sind weder die Beziehungen zwischen Ursache und Wirkung in diesem Fall klar – wie dies von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dargestellt wird – noch ist ein direkter Vergleich zwischen Frankreich und Rheinland-Pfalz möglich.
Wie bereits in der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Reiner Marz, betreffend Sterbestatistik und möglicher Zusammenhang mit der Ursache Hitzetod im Sommer 2003, also direkt im Anschluss an die Hitzeperiode, dargestellt, verstarben in Rheinland-Pfalz in den Monaten Juli und August des letzten Jahres zusammen 1.048 Menschen, mehr als im vergleichbaren Zeitraum der vorangegangenen fünf Jahre. Der Umstand, dass diese erhöhte Sterblichkeit nur in der Altersgruppe der 75-Jährigen und über 80Jährigen und Hochbetagten zu beobachten war, scheint ein Indiz für eine zumindest mittelbare Auswirkung der Hitzeperiode zu sein. Auch wenn es aktuell nicht unbedingt danach aussieht, werden wir uns nach den Prognosen der Klimaforscher in Zukunft zunehmend auf heiße Sommer einrichten und somit die medizinischen Folgen berücksichtigen müssen. Dies kennzeichnet den Handlungsbedarf, den wir durchaus sehen.
Die Landesregierung ist vorbereitet, auch wenn es in diesem Sommer wirklich noch einmal heißer werden sollte. Die Versorgung der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner wird bereits jetzt durch eine gute fachliche Qualifikation des Pflegepersonals garantiert. Die Landesregierung hat dennoch den stationären Altenpflegeeinrichtungen in diesen Tagen vorsorglich spezielle Empfehlungen unmittelbar zugeleitet. Bereits in der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage – Hitzetod im Sommer 2003 in Rheinland-Pfalz, Drucksache 14/2489 – wurde darauf hingewiesen, dass die Heimaufsicht je nach Anlass und Erfordernis prüft, ob der Flüssigkeitsbedarf der Heimbewohnerin oder des Heimbewohners berechnet wurde, ob Pläne für die Flüssigkeitsaufnahme der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner existieren, ob Trinkverhalten und Flüssigkeitskonsum vom Pflegepersonal dokumentiert werden, ob für die Heimbewohnerinnen und Heim-bewohner ausreichend unentgeltlich Getränke zur Verfügung gestellt werden, ob die Zimmer der Heim-bewohnerinnen und Heimbewohner angemessen temperiert sind und ausreichend qualifiziertes Personal zur Pflege eingesetzt wird.
Dieser Katalog umfangreicher Überprüfungen und Maßnahmen ist selbstverständlich und wird in RheinlandPfalz nicht erst seit diesem Jahr angewandt. Wenn Expertinnen und Experten ein bundesweites Warnsystem fordern oder andere Bundesländer ein solches System ankündigen, können wir für Rheinland-Pfalz sagen, dass das hier bereits die gängige Praxis der Heimaufsicht ist. Dies erfüllt das Ziel, die Schutzbedürfnisse der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner zu beachten.
Das Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit hat zudem einen Ratgeber für Seniorinnen und Senioren vorbereitet, der sich sowohl an die älteren Menschen selbst als auch an die sie betreuenden Personen richtet und wichtige Empfehlungen zum Verhalten bei großer Hitze beinhaltet. Dieser Ratgeber ist jederzeit einsetzbar. Er richtet sich an alle, auch an Privathaushalte. Insofern wird das Thema an diese Privathaushalte auch von uns noch einmal herangetragen.
Auch die Landeszentrale für Gesundheitsförderung wird über das Gesundheitstelefon zu gegebener Zeit entsprechende Ratschläge und Informationen direkt erteilen und zur Verfügung stellen.
Denkbar ist bei Bedarf auch die Schaltung von Hotlines bei größeren Tageszeitungen und bei Gesundheitsämtern. Die vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit herausgegebenen Materialien werden selbstverständlich auch unter verschiedenen Rubriken in das Internet eingestellt werden und so auch der breiten Öffentlichkeit zugänglich sein.
Ich bin überzeugt, dass wir den Handlungsbedarf, wenn er entsteht, erkennen und rechtzeitig die Bedingungen so schaffen, dass es den Menschen in Rheinland-Pfalz, besonders den Heimbewohnerinnen und -bewohnern, trotz einer so anstrengenden Hitzeperiode auch entsprechend gut geht.
Wer dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/3243 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer ist dagegen? – Damit ist der Antrag mit den Stimmen der SPD, der CDU und der FDP gegen die Stimmen des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.
Wir kommen zum Alternativantrag der Fraktionen der SPD und FDP. Wer dem Antrag – Drucksache 14/3264 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer ist dagegen? – Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen der SPD, der CDU und der FDP gegen die Stimmen des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen.
Folter ächten und bekämpfen – Ratifikation des Zusatzprotokolls zur UN-Anti-Folter-Konvention vorantreiben Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/3244 –
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was ist und wozu dient die Folter? In einem bemerkenswerten Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ hat Professor Dr. Thomas Scharff, der Mittelalterliche Geschichte an der Technischen Universität Braunschweig lehrt, diese Frage aufgeworfen und dazu wie folgt Stellung genommen.
Mit Ihrem Einverständnis möchte ich zitieren: „Es dürfte unstrittig sein, dass Folter immer, auch wenn sie reglementiert ist“ – so der Autor –, „in extremer Weise Machtausübung des Folternden oder seiner Auftraggeber gegenüber dem Gefolterten ist.
Dadurch wird Herrschaft hergestellt, inszeniert und aufrechterhalten. Durch ihre abschreckende Wirkung trifft dabei die Tortur nicht nur den Gefolterten, sondern hat insgesamt zeichenhaften Charakter.
Außerdem zielt die Folter mehr als alles andere direkt auf den Körper des Menschen und dient dazu, diesen Körper und die Persönlichkeit des Gefolterten zu zerstören. Dadurch wird dieser andere, der auch immer Gegner ist, bekämpft und ausgegrenzt, im extremen Fall entmenscht.“
Auf legale Weise wurde in Prozessen von der Antike bis weit in die Neuzeit gefoltert. Erst in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts kam es zur Abschaffung der Folter in den meisten europäischen Staaten.
Über zwei Jahrhunderte hatte es gebraucht, bis sich die Vorstellungen von der Würde des Menschen und seiner körperlichen Integrität im westlichen, christlichabendländisch geprägten Europa durchsetzen konnten.
1522 war es Juan Luis Vives, ein Schüler des Erasmus, der erstmals die Abschaffung der Folter aus humanistischen Gründen gefordert hatte. Aber wie wir alle aus der
Gerade im 20. Jahrhundert blühte die Folter in Europa in schrecklicher Weise auf, nicht nur in diktatorisch geführten Staaten, sondern auch in demokratisch verfassten Ländern; in diesen zwar meist nicht staatlich angeordnet, aber zumindest von einer mittleren Ebene gebilligt oder sogar angeordnet.
Und heute? Nach den glaubhaften Angaben von staatlichen und Nichtregierungsorganisationen, die weltweit Folter bekämpfen, wird in mehr als der Hälfte der 192 Staaten nach wie vor gefoltert. Das ist eine beschämende Vorstellung, die einen schon an der Fortentwicklung des Homo sapiens zweifeln lässt.