Protocol of the Session on June 30, 2004

Bevor ich das zweite Thema der Aktuellen Stunde aufrufe, möchte ich gern Herrn Kollegen Dr. Braun zur Vollendung seines 46. Geburtstags gratulieren.

(Zurufe aus dem Hause)

Nein. Doch. Wie viel?

(Zuruf aus dem Hause: 47!)

Hier steht 46. Wie auch immer, herzliche Glückwünsche.

(Beifall im Hause)

Da wird man neidisch.

Ich rufe nun das zweite Thema der

AKTUELLEN STUNDE auf:

„Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen in Rheinland-Pfalz“ auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 14/3255 –

Für die Antrag stellende Fraktion spricht Herr Abgeordneter Wirz.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der vergangenen Woche wurden die Insolvenz

zahlen für das erste Halbjahr 2004 durch die „Creditreform“ bekannt gegeben. Diese Zahlen sind ein weiteres Glied in der Kette der Hiobsbotschaften, die uns nun schon seit einigen Jahren mit einer beängstigenden konstanten Regelmäßigkeit erreichen.

(Dr. Schiffmann, SPD: Seit Helmut Kohl!)

Danach ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Westdeutschland gegenüber dem ersten Halbjahr 2003 nochmals um 0,2 % gestiegen.

Meine Damen und Herren, dies erscheint zwar wenig, aber die Steigerung erfolgt von einem bereits sehr hohen Niveau.

Von 1999 bis 2003 stieg die Zahl der Insolvenzen für Westdeutschland von 19.050 auf 29.650 im Jahr 2003.

Meine Damen und Herren, ich spreche von den Unternehmensinsolvenzen. Darin ist die Zahl der Privatinsolvenzen nicht enthalten, die mittlerweile auch in einer beängstigenden Höhe stattfinden. Hält diese Entwicklung an, wird zum Jahresende auch diese Zahl noch einmal übertroffen.

Auch in unserem Land sieht es schlimm aus. Hier stieg die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im selben Zeitraum von 851 im Jahr 1999 auf 1.549 im Jahr 2003.

Meine Damen und Herren, das ist also fast eine Verdoppelung. Auf diesem Höchstniveau geht es weiter.

Nun sind die Insolvenzen nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite sind neue Unternehmen oder – besser gesagt – Unternehmensneugründungen, die hinzukommen.

Es ist mehr als beunruhigend, was die „Creditreform“ hierzu zu vermelden hat. Bei den Handelsregisterneueintragungen je 10.000 Unternehmen erreicht Rheinland-Pfalz im ersten Halbjahr 2004 mit 244 den allerletzten Platz aller deutschen Bundesländer. Die Anzahl der wirtschaftlich relevanten Neugründungen im Verhältnis zur Zahl der vorhandenen Unternehmen ist in Rheinland-Pfalz also die geringste in ganz Deutschland.

Das bestätigt sich ebenfalls durch einen anderen Wert. Mit einem Saldo von plus 663 bei Neueintragungen und Löschungen von Unternehmen erreicht Rheinland-Pfalz bezogen auf die Zahl seiner Unternehmen und seiner Bevölkerung leider ebenfalls einen der hintersten Plätze aller Bundesländer.

(Zuruf des Staatsministers Bauckhage)

Herr Minister, vielleicht lesen Sie einmal die Zahlen in aller Ruhe und ziehen die richtigen Konsequenzen daraus. Herr Ministerpräsident, damit spreche ich auch Sie an. Es reicht nicht, diese Situation mit salbungsvollen Worten hinwegzufegen. Damit bekommen Sie die Dinge nicht vom Tisch.

Ein Positivsaldo bei Neueintragungen und Löschungen von Unternehmen heißt aber keinesfalls, dass es mehr Arbeitsplätze gibt, meine Damen und Herren; denn neu

gegründete Unternehmen beschäftigen in der Regel nicht besonders viele Mitarbeiter. So sinkt zugleich seit dem Jahr 2000 bei immer noch wachsender Bevölkerung die Zahl der im Land erwerbstätigen und beschäftigten Arbeitnehmer.

(Zurufe von der FDP)

Verehrte Kollegen von der FDP, ich habe die Zahlen nicht gemacht. Das sind amtliche Zahlen, die so sind, wie sie sind. Das können wir nicht ändern. Das ändern Sie heute auch nicht.

(Beifall bei der CDU – Unruhe bei der FDP)

Meine Damen und Herren, diese Zahl sinkt nun von einem besonders niedrigen Niveau noch weiter ab. Mit rund 289,7 im Land sozialversicherungspflichtig Beschäftigten je 1.000 Einwohner verzeichnet RheinlandPfalz nur noch vor Schleswig-Holstein und Brandenburg den drittschlechtesten Platz aller deutschen Bundesländer.

Klar unter dem Durchschnitt liegt auch das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 1991 bis heute. Rheinland-Pfalz befindet sich ebenfalls am unteren Ende der Skala des Wachstums des Bruttoinlandsprodukts je Einwohner oder je Beschäftigten.

Die Talfahrt geht also munter weiter. Leider deutet nichts darauf hin, dass dieser Landesregierung oder dem Ministerpräsidenten irgendetwas einfällt, mit dem der Kurs auf Neuordnung und Wachstum geändert werden könnte.

Ich werde die Sache in der zweiten Runde vertiefen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Puchtler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sicher leben wir in einer Zeit lokaler, regionaler und globaler Strukturveränderungen, insbesondere im wirtschaftlichen Bereich. Daher gibt es die Zahl von 1.549 Betrieben, die im vergangenen Jahr Insolvenz angemeldet haben. Um aber konkret ableiten zu können, was politisch zu tun ist, muss man sich aber auch die Gründe anschauen.

Ein Großteil der Betriebe hat ein Lebensalter von acht Jahren noch nicht erreicht. Dabei fängt das entscheidende Thema „Existenzgründung“ an. Dabei ist es wichtig – in dieser Hinsicht bin ich der Investitions- und Strukturbank dankbar –, nicht nur die Existenzgründung auf den Weg zu bringen, sondern auch den Prozess über die ersten Jahre zu begleiten, damit es gelingt, das Unternehmen auf einen guten Weg zu bringen.

Ein zweiter Punkt bezieht sich auf die Eigenkapitalschwäche. Wir haben zu wenig Risikokapital. Wir haben zu wenige Kapitalgeber, die bereit sind, bei den Unternehmen einzusteigen. Deswegen hat die Investitionsund Strukturbank Instrumente auf den Weg gebracht, um Wagniskapitalgesellschaften zu gründen. Damit ist es der Investitions- und Strukturbank gelungen, ca. 44.000 neue Arbeitsplätze mit diesen Instrumenten in den vergangenen Jahren im Land zu schaffen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Kuhn, FDP)

Der dritte Punkt bezieht sich auf die Zahlungsmoral. Für einen Betrieb ist es gar nicht so einfach, wenn er auf Außenstände wartet und wenn er seine Mitarbeiter bezahlen muss. Es gibt eine Quote von weit über 70 % der Zahlungspflichtigen, die nicht pünktlich zahlen. Das sind Ansätze, die wir angehen müssen.

Viertens ist anzumerken, dass ein Unternehmen davon lebt, Produkte abzusetzen und Dienstleistungen zu vermarkten. An dieser Stelle setzt der Punkt der Innovation und der Punkt an, Strukturveränderungen als Chance zu begreifen und nach vorn zu gehen.

Lieber Herr Kollege, Sie haben das Thema angesprochen, für welche Rahmenbedingungen das Land zuständig ist. In einer Studie von Ernst & Young, einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen, sind Aussagen über einen Attraktivitätsindex, über die besten Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln enthalten. Auf Platz 3 findet sich Rheinland-Pfalz, während Hessen auf Platz 6 wiederzufinden ist.

Ein weiterer Punkt bezieht sich auf Standortfaktoren und die staatliche Verwaltung. Über dieses Thema diskutieren wir heute.

(Wirz, CDU: Sagen Sie doch einmal etwas zu Insolvenzen!)

Rheinland-Pfalz steht auf Platz 2.

Zum Thema „Insolvenzen“ gibt es einen Index, der die Wachstumsrate, die Selbstständigenquote, die Existenzgründungsquote und die Unternehmensaufgaben in Relation zur Gesamtzahl der Unternehmen darstellt. In dieser Bilanz landet Rheinland-Pfalz auf Platz 3, während die Kollegen aus Hessen auf Platz 6 landen.

Damit will ich deutlich machen, dass wir eine Struktur und eine Ausgangsbasis haben. Jetzt gilt es, das weiter durch aktives Handeln zu ergänzen. Dazu stehen die Instrumente bereit. Mit E-Commerce, mit dem Medienstandort Rheinland-Pfalz und mit Technologiezentren setzen wir auf künftige Entscheidungen, während die Investitions- und Strukturbank mit Haftungsfreistellung und verstärktem Einsatz von Kapital auf künftige Entscheidungen setzt.

Rheinland-Pfalz als Exportland ist darüber hinaus ein Thema der Zukunft. Wir sind exportabhängig und setzen mit dem baltischen Büro auf dem Flughafen Hahn entscheidende Akzente, um Dinge nach vorn zu bringen; denn die Zukunft wird auch entschieden von Marktni

schen, Exportmöglichkeiten und flexiblen Genehm igungsverfahren. Dafür steht das Land Rheinland-Pfalz. Diesen Weg werden wir gemeinsam – Land, Kommunen und Wirtschaft – weiter erfolgreich gehen.