Protocol of the Session on February 12, 2004

Meine Damen und Herren, ich begrüße zunächst weitere Gäste, und zwar Orts- sowie Verbandsbürgermeister und Beigeordnete aus der Verbandsgemeinde Birkenfeld

(Beifall im Hause)

und Schülerinnen und Schüler der Realschule Dierdorf. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Wiechmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nach uns erer werten Vorsitzenden des Europaausschusses zu reden, ist mir eine Freude.

(Heiterkeit bei der Abg. Frau Klamm, SPD – Hartloff, SPD: Das verstehe ich wiederum!)

Meine Damen und Herren, in wenigen Wochen wird die Europäische Union wachsen. Das europäische Haus wird größer.

Doch der Weg dorthin war und die weiteren Schritte werden nicht einfach. Die vorläufig gescheiterte Verfassung ist leider ein markanter Höhepunkt.

Meine Damen und Herren, was mir in der Regierungserklärung und in der darauf folgenden Debatte gefehlt hat, ist der Blick über die reine regionale Wirtschaftspolitik hinaus. Ich glaube, auch diesen müssen wir uns in den heutigen Zeiten tatsächlich einmal erlauben.

(Zuruf des Abg. Creutzmann, FDP)

Der Wirtschaftsminister des Landes Rheinland-Pfalz hält eine Regierungserklärung für den wirtschaftlichen Benefiz, den die rheinland-pfälzische Wirtschaft aus der EUErweiterung erreichen könne und wie toll sie dabei vom Team des Wirtschaftsministers unterstützt wird.

Meine Damen und Herren, dem liegt ein veralteter oder wollen wir einmal so sagen, zumindest kein kompletter Europabegriff zugrunde; denn Europa ist mehr als eine Wirtschaftsgemeinschaft, Europa ist auch eine politische Union und eine Wertegemeinschaft geworden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Das ist doch der Teilaspekt, den wir diskutieren!)

Meine Damen und Herren, es geht nicht darum, dass Herr Bauckhage heute sagt, wir profitieren von Europa, vollkommen klar, da unterstütze ich ihn auch. Aber wenn wir sagen, wenn es allein darauf ankommt und die Regierungserklärung allein das eigentlich als Hauptziel nennt: „Wir profitieren von Europa“, wenn das die einzige Botschaft der Landesregierung rund 80 Tage vor diesem historischen Ereignis ist, dann glaube ich, ist es mehr als zu wenig.

Kaum ein Wort darüber, dass wir auch solidarische und soziale Verpflichtungen des immer noch reichen Deutschlands gegenüber den neuen Beitrittsländern haben.

(Zuruf des Staatsministers Zuber – Zuruf des Abg. Creutzmann, FDP)

Entschuldigung – hören Sie mir einmal zu –, deswegen sage ich Ihnen nämlich, dass hier und heute nicht nur eine Regierungserklärung des Wirtschaftsministers gefragt gewesen wäre, sondern auch eine Erklärung des Ministerpräsidenten des Landes Rheinland-Pfalz.

Ich hätte es mir gewünscht – das sage ich ganz ehrlich; Herr Creutzmann, ich komme jetzt darauf, was Sie gesagt haben –, wenn unser Ministerpräsident eine Rede über die politische Bedeutung des Beitritts und die daraus resultierende gegenseitige kulturelle Bereicherung, die weiter zu intensivierenden Kontakte über die reinen wirtschaftlichen Kontakte hinaus, die Festigung und die Stabilisierung der noch jungen Demokratien im Osten und den notwendigen Abbau von Vorbehalten gegenüber der Erweiterung der Europäischen Union gehalten hätte.

(Beifall der Abg. Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es kann nicht unser Ziel sein, dies rein auf wirtschaftliche Nutzbarkeit des Landes Rheinland-Pfalz zu beschränken. Ich glaube, das ist auch nicht Ihr Ziel. So habe ich die Politik der Landesregierung bisher verstanden.

Deshalb müssen wir die Aussagen über wirtschaftliche Impulse aus der EU-Erweiterung immer auch gemeinsam mit einem politischen Konzept ausrichten. Dieses politische Konzept muss unmittelbar mit involviert und eingebettet sein, ein politisches Konzept, das meiner Meinung nach den Prinzipien der Solidarität und des fairen und gerechten Miteinanders, aber auch der großen Chancen der kulturellen Vielfalt, der ökologischen und der sozialen Nachhaltigkeit, aber auch der Verantwortung für ein friedliches, ziviles und weltoffenes Zusammenleben gerecht wird, meine Damen und Herren.

Erst in diesem Rahmen können sich Rheinland-Pfalz und die rheinland-pfälzische Wirtschaft in einem ehrlichen Wettstreit mit den anderen Regionen Europas um die Gunst der Neuen bem ühen.

Es ist natürlich richtig, dass die rheinland-pfälzische Wirtschaft auf verstärktem Wettbewerb auch mit den Produzenten der mittel- und osteuropäischen Staaten vorbereitet wird, auch wenn die Mittel in einigen Fällen durchaus diskussionswürdig sind, Herr Minister.

Es ist auch richtig, dass Sie gesagt haben, dass insbesondere die Westpfalz jetzt nicht plötzlich aus der EUStrukturförderung herausfallen darf. Die Hausaufgaben sind in der Westpfalz aber noch nicht abgeschlossen. Auch das müssen wir dazu sagen.

Ich möchte noch einen Satz sagen. Eine Reduzierung der ganzen Debatte, auch eine Reduzierung der Debatte um die Struktur- und Regionalpolitik auf eine Nettozahlerdebatte, wie wir sie im Moment in Deutschland erleben und teilweise in diesem Parlament erlebt haben, ist kontraproduktiv und meiner Meinung nach für eine wirkliche Integration schädlich.

(Glocke der Präsidentin)

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin.

Meine Damen und Herren, von der Erweiterung der Europäischen Union profitieren wir alle, sowohl die neuen Mitgliedsstaaten als auch das alte Europa.

Die Teilung Europas während des Kalten Krieges wird endgültig überwunden, und es eröffnen sich ganz neue Chancen für ein wirkliches Zusammenwachsen.

Diese Erweiterung und dieses Zusammenwachsen funktionieren aber nur, wenn man sie in den Zusammenhang mit einer Europäischen Verfassung und mit der damit verbundenen notwendigen Vertiefung der Europäischen Union stellt. Dies ist auch unsere Aufgabe.

Ich danke Ihnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Abgeordneten Creutzmann das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die GRÜNEN finden immer ein Haar in der Suppe.

(Zuruf der Abg. Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Beschimpfung dieser Landesregierung gehört zu ihrem Programm, Herr Kollege Wiechmann und Herr Kollege Dr. Braun? EU-Osterweiterung – Chancen für die rheinland-pfälzische Wirtschaft. Da muss man sich einmal überlegen, wo denn die Chancen sind, und nicht nur polemisieren.

Ich gehe auf Ihren Redebeitrag ein. Die Chancen für diese Länder sind mehr Wohlstand, mehr Arbeitsplätze und mehr Umweltschutz. Das sind die Chancen für diese Länder durch die Osterweiterung.

(Zuruf der Abg. Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es hilft natürlich auch, wenn die rheinland-pfälzische Wirtschaft es erreicht, dort mehr zu exportieren, dort mehr Arbeitsplätze zu schaffen.

Wenn Sie mir zugehört hätten, hätten Sie gehört, ich habe den Weg in intraindustrielle Kooperationen, in Produktionen und in Beteiligungen gewiesen. Das hilft beiden, dem Land Rheinland-Pfalz und den Beitrittsstaaten, meine Damen und Herren.

Das war der Versuch, für die Chancen zu werben, gerade weil wir exportorientiert sind. Alle anderen Dinge, die das Europapolitische betreffen, stehen heute nicht auf der Tagesordnung. Deshalb hat es auch keinen Wert, die Landesregierung und den Ministerpräsidenten zu beschimpfen und zu sagen, Sie hätten auch noch etwas dazu sagen können, Herr Kollege Wiechmann.

Halten Sie sich an die Themen. Sagen Sie etwas zu den Themen. Überlegen Sie sich etwas. Kritisieren Sie auch, aber bauen Sie nicht immer Wolkenkuckucksheime.

(Beifall der FDP und der SPD)

Zur Erwiderung hat Herr Abgeordneter Wiechmann das Wort.

Meine Damen und Herren! Herr Creutzmann, ein Satz. Ich habe mit keinem Wort den Ministerpräsidenten beschimpft. Ich habe nur gesagt, ich hätte mir gewünscht,

dass er eine Erklärung auch zu dem politischen Zusammenhang abgegeben hätte.

(Ministerpräsident Beck: Habe ich vor zwei Monaten getan! Waren Sie nicht da?)

Natürlich war ich da, Herr Ministerpräsident. Aber ich habe es mir heute gewünscht. Ich darf doch noch einmal Wünsche äußern.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ministerpräsident Beck: Machen wir nachher privatissime!)