Protocol of the Session on February 12, 2004

Allerdings wird der Wettbewerbsdruck nicht nur im OstWest-Verkehr durch den verstärkten Eintritt der osteuropäischen Unternehmen zunehmen. Vielmehr werden generell deutsche Binnentransporte und grenzüberschreitende europäische Verkehre unter Druck geraten. Das gilt insbesondere für Transportgüter mit geringen logistischen Anforderungen.

Um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten, ist eine Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen notwendig, um den Standort Deutschland für das Gewerbe zu sichern. Notwendig ist auch ein effizientes System zur Kontrolle und zur Sanktionierung des Transportverkehrs.

Es darf nicht sein, dass die Staaten in sehr unterschiedlichem Umfang ihrer Kontroll- und Sanktionsverpflichtung nachkommen.

(Beifall bei FDP und SPD)

Die EU-Osterweiterung wird ebenso wie die aktuelle Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik und die WTOVerhandlungen den Wettbewerbsdruck auf die Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz zweifellos erhöhen, allerdings überwiegen auch hier die Chancen deutlich die Risiken.

Die Agrarstruktur in den Beitrittsländern ist sehr heterogen. Sie reicht von starken Agrarproduzenten wie Ungarn bis hin zu Agrarsektoren mit hohem Anteil an Subsistenzwirtschaften, beispielsweise Polen. Niedrige Löhne, geringe Pachtzahlungen, großbetriebliche Strukturen sind Trümpfe der Beitrittsländer.

Gleichzeitig aber haben die MOE-Staaten bei den verarbeiteten Produkten großen Nachholbedarf. Auch im Schlachtsektor fällt es den MOE-Staaten schwer, die Standards flächendeckend zu gewährleisten.

Hier liegt eine große Chance auch für unsere Agrarwirtschaft, können sich doch deutsche Erzeuger mit veredelten Produkten und Markenartikeln künftig auf einem deutlich größeren Absatzmarkt präsentieren. Dies gilt vor allem für Milch- und Fleischprodukte im PremiumBereich.

Dieser Trend wird sich mit zunehmendem Wachstum und Wohlstand in den Erweiterungsländern fortsetzen. Die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Lebensmitteln wird weiter steigen. Auch hier verfügt Deutschland aufgrund der räumlichen Nähe über einen Standortvorteil.

Nicht zuletzt bietet die Entkopplung der Preisausgleichszahlungen im Rahmen der GAP-Reform Chancen für die rheinland-pfälzischen Unternehmen, da damit die Ungerechtigkeiten des bestehenden Systems – ich erinnere an die deutlich unterschiedlichen Prämienhöhen innerhalb Deutschlands – beseitigt werden können.

Meine Damen und Herren, die Erweiterung betrifft auch den rheinland-pfälzischen Weinbau. Die europäische Rebfläche, die Weinproduktion und der Weinkonsum werden wachsen.

Hier einige Kennzahlen: Die Rebfläche aller zehn Beitrittskandidaten, also inklusive Malta und Zypern, beträgt rund 205.000 Hektar. Bisher werden dort auf der doppelten Rebfläche Deutschlands lediglich 6,1 Millionen Hektoliter produziert.

Mit dem späteren Beitritt von Bulgarien und Rumänien kommen weitere 360.000 Hektar Rebfläche hinzu. Der Weinkonsum ist in allen Beitrittsländern derzeit wesentlich niedriger als in den Mitgliedstaaten der EU. Er beläuft sich auf 12,5 Millionen Hektar bzw. elf bis zwölf Liter pro Kopf.

Die Osterweiterung bedeutet somit auch für die Weinwirtschaft in Rheinland-Pfalz einen intensiveren Wettbewerb.

Ein ganz besonderer Wettbewerbsvorteil unserer Weinwirtschaft ist aus Sicht der Landesregierung der Qualitätsaspekt, den es zu nutzen und auszubauen gilt. Gleichzeitig haben deutsche Wein- und Sektkellereien bereits in die Produktionsstrukturen der Beitrittsländer investiert. Für unsere Erzeuger bieten die Beitrittsländer, insbesondere Polen und das Baltikum, attraktive neue Märkte, auf denen sie schon heute offensiv und gewohnt kreativ und deshalb erfolgreich tätig sind.

Auch die Weinwirtschaft von Rheinland-Pfalz sehe ich daher gerade mit Blick auf die Osterweiterung der EU auf einem guten Weg.

(Vereinzelt Beifall bei FDP und SPD)

All diese facettenreichen Chancen, die sich in Mittel- und Osteuropa in Zukunft bieten, müssen wir intensiv weiter nutzen.

Ich will daher kurz den strategischen Service der Landesregierung mit der Darstellung der breiten Palette an Rat und Tat für rheinland-pfälzische Unternehmen skizzieren, die in Mittel- und Osteuropa aktiv werden möchten.

So werden mittelständische Unternehmen bei Auslandsgeschäften vom rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerium, von den Industrie- und Handelskammern, den Handwerkskammern und der Investitions- und Strukturbank durch umfassende Beratungs- und Finanzierungshilfen intensiv unterstützt.

Eine aussichtsreiche Möglichkeit für ein erstes Engagement in Osteuropa liegt auch im Auftreten als Branchenverbund. Entsprechende Verbünde sind in RheinlandPfalz bereits für die Automobil-Zulieferindustrie und die Umwelttechnik ins Leben gerufen worden. Unterstützung finden die Mitgliedsbetriebe bei der Zulieferung, der Gründung von Joint Ventures und Direktinvestitionen in diesen Ländern.

Neben der derzeit laufenden Veranstaltungsreihe „Follow me – Neue Partner, neue Chancen“ ist ein weiterer wichtiger Termin das Außenwirtschaftsforum, das am 23. und 24. April 2004 gemeinsam mit dem Saarland in Trier geplant ist. Es soll eine Plattform für einen intensiven Austausch sein. Zu dieser Veranstaltung sind Fachleute der Beitrittskandidaten 2004 und 2007 sowie aus der Ukraine, der Russischen Föderation, Kroatien und Serbien-Montenegro eingeladen.

Als ständige Anlaufstelle schließlich empfiehlt sich das Baltische Informationsbüro in Rheinland-Pfalz, strategisch günstig gelegen am Flughafen Frankfurt-Hahn. Nach bereits fünfjähriger erfolgreicher Arbeit wird es in diesem Jahr mit entsprechend aufgestockter finanzieller Basis personell und räumlich zu einem Osteuropazentrum erweitert.

(Vereinzelt Beifall bei FDP und SPD)

Auch die zahlreichen Wirtschaftsdelegationsreisen, die mein Haus in Richtung Mittel- und Osteuropa durchführt und die von den Unternehmen stark nachgefragt werden, sind eine hervorragende Informationsquelle.

Schließlich möchte ich noch das „4er-Netzwerk der Regionalpartner“ erwähnen. In diesem Netzwerk haben sich die Regierungen und Parlamente von RheinlandPfalz, Burgund, Oppeln und Mittelböhmen zusammengeschlossen. Dies ist in dieser Zusammensetzung europaweit bisher einmalig. Die Regionalpartner präsentieren sich auch gemeinsam auf der diesjährigen RheinlandPfalz-Ausstellung.

Meine Damen und Herren, es wird zurzeit viel davon geschrieben, dass das Jahr 2004 ein Schicksalsjahr für die EU insgesamt sei.

Neben den bereits erwähnten komplexen Fragen der EU-Kohäsionspolitik wird die adäquate Lösung der künftigen Finanzierung des EU-Gemeinschaftshaushalts eines der schwierigsten Verhandlungskapitel der kommenden Monate sein.

Kurz nach der Erweiterung im Mai bringt der Juni dann die mit Spannung erwarteten Wahlen zum Europäischen Parlament. Ebenfalls im Juni wird beim EU-Gipfel der neue Kommissionspräsident benannt. Zum 1. November 2004 wird eine voraussichtlich rundum erneuerte EUKommission ihre Arbeit aufnehmen.

Über allem schwebt die noch ausstehende Herkulesarbeit an einem Europäischen Verfassungsvertrag, die Diskussionen um den Stabilitätspakt sowie die widersprüchlichen Gedankenspiele um ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten.

Meine Damen und Herren, wir dürfen uns von der Vielgestaltigkeit dieser Diskussionen nicht verwirren lassen. Wir müssen gerade angesichts des intensiver werdenden Wettbewerbs durch die Osterweiterung die Chance nutzen, die die Neuverhandlung des Europäischen Verfassungsvertrags bietet und den unternehmerischen Charme eines großen, einheitlichen Wirtschaftsraums stärken.

Wir sollten uns daher insbesondere dafür einsetzen, gerade die wirtschaftlichen Stellschrauben des Verfassungsvertrages im Sinn der Voten auch des Bundesrats stärker in Richtung Wettbewerb zu stellen.

(Vereinzelt Beifall bei FDP und SPD)

Es würde keinen Sinn ergeben, wenn sich die Politik Europas maßgeblich definiert über akribische und umfassende Koordinationsvorgaben im Bereich von Kompetenzen der Mitgliedstaaten, namentlich etwa der Wirtschaftspolitik.

In diesem Sinn wünsche ich mir auch eine neue Kommission mit einem in den Taten sichtbaren, überzeugenden Bekenntnis zu Subsidiarität, schlanker Verwaltung und konsequentem Abbau von Bürokratie.

Dem Wettbewerb als Grundprinzip wirtschaftlicher Investition und Prosperität muss EU-weit neu Geltung verschafft werden. Er ist der Garant für besondere Anstrengungen der Menschen, für neue Ideen, konkurrenzfähige und innovative Produkte.

Dieser Grundgedanke ist auch für das wirtschaftliche wie das gesamtgesellschaftliche Selbstverständnis der nun neu hinzukommenden Länder von hoher Bedeutung, blicken diese Länder doch auf eine jahrzehntelange zentralistische Planwirtschaft, Gängelung und Bevormundung zurück, Länder, die sich nun freuen, als gleichberechtigte europäische Nationen ihre Ideen, ihre Kraft zu Aufbruch und Veränderung in den Wettbewerb einzubringen.

(Beifall bei FDP und SPD)

Meine Damen und Herren, der 1. Mai 2004 sollte für uns alle daher zusätzlich einen kräftigen neuen Impuls bringen, mit dem der erste Mai auch namentlich so prägnant verbunden wird – nämlich der „Tag der Arbeit“.

Nicht Zaudern, sondern Zupacken muss für uns die Devise angesichts der gewaltigen Menge an Reformarbeit sein, die auch und gerade vor uns „alten“ EUMitgliedstaaten liegt.

Freuen wir uns am 1. Mai 2004 in diesem Sinn über eine wirklich historische EU-Osterweiterung und nehmen wir gleichzeitig die Herausforderung dieses neuen Aufbruchs mit Optimismus und neuer Tatkraft an.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Anhaltend Beifall der FDP und der SPD)

Ich möchte Gäste im rheinland-pfälzischen Landtag begrüßen, und zwar die Landfrauen aus DittelsheimHeßloch. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Gölter.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Da der Herr Kollege Michael Billen nicht im Saal ist, wage ich folgende Bemerkung mit Blick auf die weinbaupolitischen Passagen: Mir ist durch die Regierungserklärung klargeworden, wie wir in Rheinland-Pfalz aus der Dornfelder-Falle herauskommen. Das nur nebenbei.

(Beifall der Abg. Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich mache eine erste Bemerkung. Die Europäische Union ist trotz aller Krisen, Diskussionen, Probleme, Chemikalienpolitik aktuell, eine große Erfolgsgeschichte. Auf diese Erfolgsgeschichte können alle Beteiligten, auch die Bundesrepublik Deutschland, stolz sein. Das ist einer der Punkte, den wir offensiv vertreten können.

Ich sehe auch in der jetzt anstehenden Erweiterung eine Zwangsläufigkeit, zu der es keine Alternative gegeben hat.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei der SPD)