Protocol of the Session on January 22, 2004

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch schon so!)

Frau Kollegin Grützmacher, dann sind Sie anders informiert als ich. Soweit mir bekannt ist, ist die Bereitschaft, auf alle Forderungen der Bundesländer einzugehen, bisher sehr unterentwickelt. Auf die wichtigste Bereitschaft bezieht sich das nämlich nicht. Deshalb muss das Gesetzgebungsverfahren abgewartet werden. Jedenfalls ist essenziell für alle Justizhaushalte der Länder, dass auf Bundesebene in diesem Bereich letztlich eine gesetzliche Veränderung verabschiedet wird.

(Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Grützmacher, der Koalitionspartner in diesem Land hat mit mir zusammen im Bundesrat diese Gesetzesinitiative unterstützt. Ich muss meinen Koalitionspartner im Land gar nicht davon überzeugen, dass dies für den Justizhaushalt des Landes notwendig ist. Gestatten Sie mir aber vielleicht die Bitte, dass Sie versuchen, Ihre Freunde in Berlin davon zu überzeugen, damit auch sie dem Gesetzentwurf zustimmen; denn ein gewisser Widerstand ist auch von dieser Seite aus feststellbar.

(Beifall bei der FDP)

Gestatten Sie mir noch einige Anmerkungen zu den Justizvollzugsanstalten im Land. Den Bediensteten ist ein Lob auszusprechen, die mit hohem Einsatz gewährleisten, dass ein vernünftiger Strafvollzug in RheinlandPfalz stattfinden kann, und die mit hohem Einsatz die steigenden Gefangenenzahlen bewältigen.

An dieser Stelle betone ich, dass auch die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen in der Vergangenheit Bemühungen unternommen haben, so durch das Bereitstellen von Finanzmitteln für zusätzliches Personal sowie von Finanzmitteln, um neue Haftplätze zu bauen, wie es in Rohrbach, in Diez und in Schifferstadt geschehen ist, sodass nicht der Eindruck erweckt werden darf, als ob in diesem Zusammenhang keine Maßnahmen unternommen worden wären, Frau Kollegin Grützmacher.

Sie erwähnten Bezug nehmend auf einen Artikel in der „Frankfurter Rundschau“ Ausführungen zu SchleswigHolstein. Diesem Artikel war aber auch zu entnehmen, dass in Schleswig-Holstein derzeit genau das passiert, was in allen anderen Bundesländern auch passiert, dass nämlich die Gefangenenzahlen steigen.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Von einem niedrigeren Niveau!)

Aber auch dort steigen sie. Das heißt, das Phänomen tritt auch dort auf. Frau Kollegin Grützmacher, ich bin gern bereit, in den nächsten Monaten mit Ihnen in Diskussionen einzutreten, wie man Haft vermeiden kann. Entsprechende Versuche bzw. andere Konzepte gibt es in Österreich, die wir uns gern anschauen und die wir gern mit Ihnen diskutieren wollen. Damit habe ich kein Problem. Die Umsetzung wird aber nicht von heute auf morgen zu machen sein.

An dieser Stelle weise ich darauf hin, dass es bereits jetzt viele ehrenamtliche Initiativen gibt, die versuchen, straffällig gewordene Menschen in die Gesellschaft wieder einzugliedern. Letztlich ist aber die Vermeidung von Strafbarkeit und die Wiedereingliederung von Straffälligen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nicht allein der Justiz überantwortet werden kann.

(Beifall bei FDP und SPD)

Für die originären Aufgaben, die die Justiz im Land zu erfüllen hat, werden mit diesem Haushalt meines Erachtens die notwendigen Mittel bereitgestellt.

(Beifall der FDP und der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Ich rufe nun den Einzelplan 03 – Ministerium des Innern und für Sport –

Das Wort hat Herr Kollege Hörter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Kollegen! Lassen Sie mich ein Zitat aus dem „Focus“ dieser Woche voranstellen: „Die Terrorismusgefahr in Deutschland war seit 1945 noch nie so konkret wie heute und die Innere Sicherheit noch nie so gefährdet.“

Vor dem Hintergrund dieser Aussage des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, die meines Erachtens präzise die derzeitige Situation beschreibt, sind die Bemühungen der Landesregierung zu bewerten, ob und wie sie der Gefährdung begegnet und ob die ergriffenen Maßnahmen ausreichen.

Gestern hat der Herr Ministerpräsident zwei Zahlen genannt. Er hat die Ausgaben für die Innere Sicherheit im Jahr 1990 mit denen des Jahres 2004 so gegenübergestellt, als sei damit die Frage, ob damit die Innere Sicherheit gewährleistet wird, beantwortet. Ich denke, man muss genau hinsehen. Bitte gestatten Sie, dass ich das tue.

Von 1990 bis 2004 sind die Pro-Kopf-Ausgaben, also jene Ausgaben für die Innere Sicherheit je Einwohner, um rund 46 % gestiegen. Man muss noch ein Stück genauer hinsehen. Ich habe einmal die Bezüge eines Polizeibeamten – 30 Jahre alt, Besoldungsgruppe A 9 – des Jahres 1990 denen eines Polizeibeamten – 30 Jahre alt, Besoldungsgruppe A 9 – im Jahr 2004 gegenübergestellt.

Diese liegen um 44 % über denen des Jahres 1990.

(Staatsminister Zuber: Dank unserer Politik! – Pörksen, SPD: Warum ist das so?)

Das ist nur bedingt richtig, aber wer argumentiert – – –

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Können Sie das erklären? Ich habe das nicht richtig verstanden!)

Ich will das gern erklären. Wenn sich jemand an dieses Pult stellt und darstellt, wie sehr und wie viel man mehr für die Innere Sicherheit dieses Landes getan hat und dabei eine Zahl aus dem Jahr 1990 und dann eine Zahl aus dem Jahr 2004 präsentiert, so als sei in diesem Zeitraum in Bezug auf die Innere Sicherheit ein gewaltiger Quantensprung erreicht worden, in Wirklichkeit sich aber herausstellt, es geht nur um die prozentuale Steigerung der Personalkosten in dieser Zeit, ist eben nicht ein Mehr an Innerer Sicherheit erreicht worden.

(Beifall der CDU – Zuruf des Ministerpräsidenten Beck)

Herr Ministerpräsident, ich schlage vor, dass Sie sich dann die Zahlen besorgen. Das monatliche Gehalt eines Polizeibeamten einschließlich Ortszulage – – –

(Zuruf des Ministerpräsidenten Beck)

Herr Ministerpräsident, darf ich Ihnen das dann vielleicht kurz erläutern? Sie haben dann die Gelegenheit, das nachzuprüfen.

1990 hat ein Polizeibeamter inklusive der Ortszulage, der allgemeinen Zulage und der Polizeizulage 3.100 DM verdient. Das sind rund 1.550 Euro. Heute sind es 2.230 Euro. Das ergibt eine Differenz von 680 Euro. Wenn Sie das in Prozente umrechnen, sind Sie exakt bei 44 %. Daneben macht es meiner Meinung nach Sinn, wenn man den Zahlen, von denen der Eindruck erweckt wird, als wäre das der Beleg dafür, dass mehr für die Innere Sicherheit getan wurde, auch einmal den Preisindex gegenüberstellt. Dann wird man feststellen, was in diesem Zeitraum noch für Investitionen möglich sind.

Noch viel interessanter als dies ist aber die Frage, ob angesichts der allgemeinen Sicherheitslage die Landesregierung das Notwendige veranlasst hat. Wenn Sie diese Gegenüberstellung von 1990 zu 2004 herausgefordert haben, empfiehlt es sich, den Blick auf die polizeiliche Kriminalstatistik zu lenken. Diese erfasste für das Jahr 1990 202.766 Fälle und für das Jahr 2002 – das sind die neuesten Zahlen, die wir haben – 280.795. Das entspricht einer Steigerung in diesem Zeitraum um 38,5 % bei den erfassten Fällen der polizeilichen Kriminalstatistik.

(Beifall bei der CDU)

Diesem Anstieg steht eine Polizeidichte im Jahr 2004 von 454 gegenüber. Auf einen Polizeibeamten kommen also 454 Einwohner. 1990 lag die Polizeidichte noch bei 415 Einwohnern. Das ist die dramatische Veränderung bei der Sicherheitslage in unserem Land.

(Beifall der CDU)

Die Mehrausgaben für die Innere Sicherheit wurden praktisch durch die prozentuale Steigerung aufgebraucht. Im Zeitraum von 1990 bis 2002 ist die Zahl der erfassten Fälle um 38,5 % gestiegen, während im gleichen Zeitraum die Polizeidichte um fast 10 % abgenommen hat. Das ist die Situation, so wie wir sie heute in diesem Land haben.

Dass das nicht alles neu ist und dass wir immer wieder darauf hingewiesen haben, dass wir zu wenige Beamte haben, die immer mehr Arbeit zu leisten haben, ist das Dramatische an dieser Situation, weil kein Einlenken erkennbar ist.

Sie haben das eigentlich einmal im Jahr 2001 erkannt. Da haben Sie nämlich in Ihre Koalitionsvereinbarung hineingeschrieben, dass es ab dem Jahr 2003 und in den Folgejahren bis 2007 notwendig sei, jährlich 300 neue Anwärterinnen und Anwärter einzustellen. Anstatt dass Sie das richtig Erkannte umsetzen, sehen Sie für dieses Jahr erneut nur 200 Neueinstellungen vor.

Selbst die noch druckfrische Unterrichtung der Landesregierung vom 8. Januar dieses Jahres über die Zukunft der Polizei in Rheinland-Pfalz empfiehlt zumindest eine Einstellungsquote zur Sicherstellung des Personalbedarfs von 250 Anwärterinnen und Anwärtern für die Jahre 2004 bis 2011.

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion beantragt, statt der 200 eben die in Ihrer Koalitionsvereinbarung

festgelegten und vorgeschlagenen 300 neuen Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter einzustellen.

(Beifall der CDU)

Dies nicht aus Begeisterung über Ihre Koalitionsvereinbarung, sondern weil das zwingend geboten ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass das der einzige Ansatz ist, um den Beamtinnen und Beamten noch eine Perspektive aufzuzeigen. Mit immer weniger, mit immer älteren und mit immer stärker belasteten Beamten den Kampf gegen Terrorismus und Organisierte Kriminalität aufnehmen zu wollen, heißt, die Fürsorgepflicht sträflich zu vernachlässigen.

(Beifall der CDU)

Ich will an dieser Stelle aber herzlich den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten für ihren Dienst danken. Nur durch ihr hohes Engagement ist es möglich gewesen, gute Ergebnisse und eine hohe Aufklärungsquote in einer Reihe von Bereichen zu erzielen. Dies wäre auch in Bereichen, die den Bürger häufig sehr persönlich betreffen – ich nenne das Stichwort Tageseinbrüche –, möglich, wenn mehr Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte zur Verfügung stünden.

(Beifall der CDU)

Lassen Sie mich eine Bemerkung zum geplanten Umzug des BKA nach Berlin machen. Im Moment scheint Rheinland-Pfalz nur mittelbar davon betroffen zu sein, auch wenn Bürgerinnen und Bürger unseres Landes in Wiesbaden und Meckenheim arbeiten. Auch in diesem Fall lohnt es sich meiner Meinung nach aber genauer hinzusehen.

Die Verlagerung operativer und ermittlungsunterstützender Einheiten ist – das müssen wir befürchten – nur der erste Schritt. Machen wir uns nichts vor. Auch wenn das heute in der Zeitung dementiert wurde, der Bundesinnenminister hat mehrfach in dieser Diskussion, wenn auch nur in Nebenbemerkungen, vom FBI gesprochen. Meine große Sorge ist, dass es ihm letztlich um etwas ganz anderes geht als das, was im Moment in der Diskussion steht.

Zumindest nicht auszuschließen ist, dass es am Ende ein Bundespolizeipräsidium mit der Abteilung Kriminalpolizei in Berlin geben könnte. Das ist dann das ehem alige BKA. Man muss sich nur die Zeitachse ansehen. Die jetzige Behördenleitung bleibt am Standort Wiesbaden bis 2006. 2006 findet die Fußballweltmeisterschaft statt.