Sie haben Ihre letzte finanzpolitische Glaubwürdigkeit verspielt. Ich finde, man kann über solche Entwicklungen nicht einfach hopplahopp herübergehen, so wie Herr Mertes das versucht hat, indem er gesagt hat: Wir machen Schulden, die anderen machen Schulden. – Verteufeln darf man Sie aber auch nicht; denn das, was Sie für dieses Jahr planen, nämlich dass Sie mit der Nettokreditaufnahme über der verfassungsmäßigen Grenze landen werden, geschieht nicht zum ersten Mal.
Wenn ich den Zwischenruf von Herrn Beck und Sie richtig verstanden habe, rechnen Sie für 2003 mit einer Neuverschuldung von 1,5 Milliarden Euro. Damit liegen Sie deutlich über dem, was Sie sich als Grenze gesetzt haben. Sie liegen damit auch deutlich über dem, was Sie an Gesamtinvestitionen – da rechne ich alle Landesbetriebe hinzu – getätigt haben. Sie lagen 2002 mit 1,5 Milliarden Euro Neuverschuldung deutlich über dem gesamten Investitionsprogramm. Sie lagen 2001 letztlich auch darüber. Sie haben eine Rücklagenbildung betrieben und damit versucht, die Nettokreditaufnahme herunterzurechnen. Nach jüngsten Entscheidungen von Verfassungsgerichtshöfen wissen wir aber, dass das so nicht zulässig war. Sie liegen also in diesem Jahr, wenn wir es abschließen werden – da werden Sie mir nicht widersprechen können –, zum vierten Mal über der verfassungsmäßig gesetzten Grenze.
Ich sage Ihnen: Natürlich ist ein Teil dieser Probleme und dieser Entwicklungen auf die Steuerpolitik und auf die Steuerentscheidung, die alle hier wollten, nämlich die Absenkung der Steuertarife und der Steuersätze, zurückzuführen. Das ist aber nur ein Teil davon. Ein Großteil ist ausgabenbedingt hausgemacht. Diese Entwicklung betreiben Sie in diesem Jahr ungeschminkt und ungebremst weiter. Damit starten Sie dieses Jahr mit einem falschen Signal, mit einem falschen Zauber, mit einer falschen Richtungsgebung. Sie haben nicht den Mut, sich dazu zu bekennen, sondern Sie versuchen, das schönzurechnen und zu übertünchen, Herr Mittler. Damit täuschen Sie nicht nur dieses Parlament oder die, die sich täuschen lassen wollen, sondern Sie täuschen auch die Öffentlichkeit über die Brisanz und über die Problematik Ihrer Haushaltsführung. Das lassen wir Ihnen in diesen Haushaltsberatungen so nicht durchgehen.
Meine Damen und Herren, die rotgrüne Bundesregierung hat mit Beginn dieses Jahres ein Jahr der Innovation ausgerufen. Von vielen Seiten, von vielen Vertretern der Bundesregierung kam der Appell, im Jahr 2004 ein Innovationsjahr zu starten und die Zukunftsfelder Bildung, Forschung und Innovation, aber auch nachhaltige Modernisierung als die Aufgaben in diesem Jahr und in den Folgejahren zu betrachten und dieses Land darauf vorzubereiten und eine entsprechende Richtung in der
Ich habe in einem neuen Artikel von Professor Bullinger, dem Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, gelesen, und zwar gezielt auf die Unternehmen – ich glaube, man kann es auf die Politik mit übertragen –: Kostensenkung allein macht nicht wettbewerbsfähig.
Wenn wir Innovation haben und erzielen wollen, um nicht nur die Chancen des Einzelnen, sondern die Chancen in diesem Land zu erhöhen und an einem nationalen und einem internationalen Wettbewerb mitwirken zu können, dürfen wir nicht nur in diesen Bereichen an Kostensenkungen denken, sondern müssen auch ein klares Signal setzen und diese Bereiche stärker ausbauen. Ich rede nicht von Effizienzgewinnen, sondern tatsächlichen Kostensenkungen.
Herr Mertes hat die Zielmarge der Bundesregierung genannt, nämlich 3 % des Bruttoinlandsprodukts in den Bereich Forschung zu investieren. Er hat auch zu Recht gesagt, dass man überlegen muss, woher diese Mittel kommen und woraus man es finanzieren kann.
Ich sage Ihnen eines: Wir können mit einer Innovationsoffensive nicht warten, bis sich vielleicht auf der Bundesebene die CDU entschieden hat, was sie in der Steuerpolitik will, und man dann über eine weitergehende Steuerreform beraten kann. Wir können auch mit einer Innovationsoffensive und einem Start in das Innovationsjahr nicht warten, bis wir eine aus meiner Sicht notwendige Erbschaftsteuerreform durchgeführt haben, um aus diesen Einnahmen noch einmal zusätzliche Ausgaben in diesem Bereich investieren zu können. Wir müssen mit dieser Innovationsoffensive sofort beginnen. Wir müssen damit beginnen, die Ausgaben, die wir haben und innerhalb des Haushalts platzieren, genau auf die Felder zu konzentrieren, die uns Innovation versprechen.
Meine Damen und Herren, das waren für uns die Wegweisung und die Leitlinien für unsere Vorschläge in dem Haushalt und in den Haushaltsberatungen. Sie sind von keinem in dieser Form bisher aufgegriffen worden. Es gab erstaunlicherweise in allen Fraktionen ein Umschwenken. Je mehr wir auf diese Bereiche hingewiesen haben, insbesondere den Bereich der Universitäten und der Hochschulen, umso stiller wurde es auf einmal – Herr Kuhn, bis auf Ihren gestrigen Ausbruch – und umso mehr haben Sie geschaut, was wir noch in diesem Bereich tun können.
Wir wollen mit unseren Vorschlägen Investitionen in Bildung, Ausbildung und in der nachhaltigen Technologie statt in Beton – ich will es einmal unter diese Überschrift stellen – finanzieren, weil wir der Auffassung sind, dass dies unerlässlich ist, wenn wir den Innovationsstandort Rheinland-Pfalz aufbauen wollen. Wir brauchen einen qualifizierten Bildungsstandort und eine Bildungsstandortdebatte.
Meine Damen und Herren, diese kann nicht bei dem stehen bleiben, was wir an Projekten im Ganztagsschulbereich machen oder an Qualitätsicherung in Schulen versuchen. Diese muss weiter zurückgehen, und zwar in
die Betreuung und Elementarförderung im jungen Alter, und im Alter weiter nach vorn gehen, wenn wir an den Bereich der Hochschulen und die Zukunftsaufgabe denken. Wir müssen jetzt, und zwar sofort, und nicht im nächsten oder übernächsten Doppelhaushalt Voraussetzungen dafür schaffen, dass die jungen Menschen an den Hochschulen gut ausgebildet werden und zukünftig kreativ mit Know-how, Interesse, Neugier, aber auch mit einer entsprechenden Anerkennung dem Arbeitsmarkt, dem Erfindermarkt und den Betrieben zur Verfügung stehen, damit dieses Land nach vorn kommt und innovativ sein kann.
Die Qualität unseres Bildungssystems und unserer Bildungsangebote ist Grundlage für die Innovationsfähigkeit. Es fängt bei der Elementarförderung und bei der Verbesserung der Kindertagesbetreuung sowie bei der Bildung und den Erziehungsaufgaben an. Es geht weiter über die Ganztagsschule. Sie wissen, wir streiten über die Ausgestaltung, aber nicht über das Ziel im Einzelnen. Es geht weiter im Bereich der Ausbildung. Natürlich müssen wir jungen Menschen gerade nach der Ausbildungsmisere, die wir in diesem Jahr erlebt haben, neue Perspektiven geben. Das sind für uns die Investitionsfelder für die Zukunft.
Das ist kein l’art pour l’art. Die OECD-Studie „Bildung auf einen Blick 2003“ stellt ganz klar und unwidersprochen fest, dass sich ein höherer Bildungsstand positiv auf das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung auswirkt. Investitionen in die Bildung lohnen sich sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft.
Ich kann mich noch gut an Diskussionen im Oktober und November in diesem Parlament erinnern, als wir die schwierige und schwierigste Haushaltssituation der Hochschulen in diesem Land angesprochen und Beispiele angeführt haben. Wir wurden belacht. Ich kann mich noch gut an die Beiträge aus der FDP-Fraktion erinnern. Es wurde gesagt, das sind Hirngespinste von Frau Thomas,
wenn Sie sagt, dass Erstsemester nicht in Seminare einziehen können und herausgeschickt werden, Räume geschlossen werden und die Leute auf den Fluren versuchen, den Vorlesungen zu folgen.
Ich kann mich noch gut an den Beitrag der SPD-Fraktion erinnern, der hieß: Wir haben wunderbare Hochschulen. – Ich habe gar nicht bestritten, dass wir wunderbare und engagierte kluge Menschen an unseren Hochschulen haben. Wir haben aber bestritten, dass es wunderbare Zustände an diesen Hochschulen gibt und dort Grundlagen für Ausbildung, Forschung, Impulse und Innovation gelegt werden können, die wir aus diesen Hochschulen zur Entwicklung dieses Landes benötigen.
Frau Kohnle-Gros ich kann mich noch gut an Ihren Beitrag erinnern, der von hinten durch die Brust ins Auge kam und verdeckt hat, dass Sie gesagt haben, am besten machen wir es wie in den anderen Bundesländern. Wir schließen ein paar Standorte. Dann haben wir mehr Geld, um es in andere Standorte fließen zu lassen. Das ist letztendlich Ihre Hochschulpolitik. Das ist nicht uns ere. Das will ich noch einmal ganz deutlich sagen.
Wir wollen die Hochschulen, ob sie Universitäten oder Fachhochschulen sind, als Zukunftswerkstätten dieses Landes haben. Wir wissen, dass wir fast 96.000 Studierende in diesem Land haben. Das sind 5 % mehr als im letzten Studienjahr. Wir haben weniger Studienanfänger. Das wurde seitens der Landesregierung vorgestellt nach dem Motto: Der Druck ist nicht mehr so stark.
Natürlich ist der Druck noch genauso stark. Die Universitäten fangen nur an, ihre Notreaktionen vorzunehmen und verschließen sich gegenüber den Bewerbern und Bewerberinnen mit NC. Sie wissen doch, wie hoch die Anzahl der Fächer und der Studiengänge sind, die durch den NC zugeschnitten sind. Sie wissen auch, welcher Druck seitens der Landesregierung aus der anderen Richtung kommt, nämlich dass die jungen Menschen an den Hochschulen schneller studieren sollen, weil sie sonst von den Studienkonten oder den Studiengebühren eingeholt werden.
Meine Damen und Herren, mit dem Sonderprogramm von 3 Millionen Euro kommen wir in diesem Land für die Hochschulen nicht weiter.
Herr Kuhn, das ist noch nicht einmal das, was Sie in Ihrem Haushaltsplan als globale Minderausgabe für die Universität in Mainz eingetragen haben. Das wird nicht ausreichen.
Wir werden schon gar nicht weiterkommen, wenn wir Ihrem Plan folgen und sagen, wir machen zwar nichts in diesem Jahr, aber im nächsten Jahr, und wenn wir das noch einen Tag vor der Haushaltsberatung darstellen. Soll ich Ihnen sagen, was mir gestern durch den Kopf gegangen ist?
Die FDP braucht wieder einmal ein Thema, damit sie wahrgenommen wird. Dann muss sie in eine Größenordnung greifen, die dem Bedarf entspricht. Ich bin aber einmal gespannt, was Sie in Ihrem nächsten Haushaltsentwurf bringt.
Mit dem, was Sie gestern vorgestellt haben, haben Sie sich unglaubwürdig gemacht. Wenn Sie das, was Sie gestern vorgetragen haben, ernst meinen, will ich sehen, dass am Freitag bei unseren Änderungsvorschlägen, mit denen wir den Hochschulen, den Universitäten und den Fachhochschulen in diesem Land 15 Millionen Euro
mehr geben wollen, Ihre Finger nach oben gehen. Ansonsten sollten Sie sofort Ihre Pressekonferenz dementieren und sagen: Es war nicht so gemeint, aber wir wollten einmal einen Luftballon starten.
Was Sie wirklich wollen, haben Sie deutlich gemacht. Eigentlich wollen Sie etwas, was Sie in Ihrer Koalition nicht durchsetzen können, nämlich Studiengebühren einführen. Von einem gebührenfreien Erstsemester ist bei der FDP auch nicht die Rede. Ihre Linie ist, dass die Studierenden für unsere verkorkste Hochschulpolitik der Vergangenheit in der Zukunft bezahlen sollen. Ich sage Ihnen: Das ist etwas, was mit uns in diesem Land nicht passieren wird.
Wir wollen dagegen Investitionspotenzial der Hochschulen heben, indem wir ein Bildungsbündnis eingehen wollen. Wir wollen, dass die Landesregierung ein solches Bündnis eingeht mit den Hochschulen und nicht Luftballons steigen lässt, sondern verlässliche Finanzierungszusagen für die kommenden fünf Jahre macht. Das sind die fünf Jahre, in denen wir genau wissen, dass die Studierendenzahlen nach oben steigen werden und die Universitäten und die Fachhochschulen unter diesen zusätzlichen Studierenden nicht zu leiden haben werden. Ich glaube, letztendlich wollen sie sie lehren, letztendlich wollen sie sie unterrichten, und sie wollen mit ihnen auch kreativ arbeiten. Sie werden die Voraussetzungen dafür schaffen müssen. Das heißt, wir gehen ein Bündnis ein mit den Hochschulen des Landes. Sie brauchen eine klare Grundfinanzierung, die sich auch an den Mitteln, die sie pro Kopf für Studierende bekommen, orientieren. Auf der anderen Seite erfüllen die Hochschulen das, was wir an Forderungen an sie haben, nämlich dass sie sagen, wir verpflichten uns, Qualität von Forschung und Lehre zu verbessern. Wir gehen klare Zielvorgaben ein. Ich glaube, mit einem solchen Bildungsbündnis, wie wir es vorschlagen, kommen wir wesentlich weiter als mit einer gehetzten FDP, die glaubt, sie müsste noch schnell vor den Haushaltsberatungen einen finanzierungs- und einen bildungspolitischen Luftballon steigen lassen.
Meine Damen und Herren, wenn wir von Innovationspotenzialen der Hochschulen sprechen, dann meinen wir nicht ein eingegrenztes und eingeschränktes Eliteverständnis. Wir meinen nicht, dass der Geldbeutel entscheidend sein darf, ob jemand an den Hochschulen bestimmte Studienangebote erreichen und wahrnehmen kann. Wir sind der Meinung, dass Bildung der entscheidende Rohstoff ist. Aber wenn die Bildungsdebatte sich auf den Begriff „Elite“ verengt, dann liegen wir damit völlig falsch und daneben.
Wer bessere Universitäten will – das sage ich auch ganz klar –, der muss für eine ausreichende Finanzierung sorgen. Er muss sie vom Beamtenrecht befreien. Herr Bischel ist gerade abgelenkt, sonst hätte er schon wieder dazwischen gerufen. Er muss die Möglichkeiten für
Wettbewerb schaffen, für Eigenverantwortung schaffen, und er muss Leistungskontrolle zulassen. Wir werden nur Spitze werden und Elite haben, wenn wir eine breite Begabtenförderung machen. Das ist Leitlinie für uns in der Schulpolitik wie auch in der Hochschulpolitik. Wir lassen uns nicht auf die Diskussion ein, ob wir nun eine oder 16 Eliteuniversitäten im Land brauchen.
Herr Kuhn, im Gegensatz zu Ihnen, sagen wir auch, obwohl das immer mit Kritik versehen wird und obwohl das immer mit harten Eingriffen, aber auch mit sinnvollen Verschiebungen von Projekten zu tun hat, woher wir die Finanzierung nehmen, wenn wir 15 Millionen im Haushalt sagen. Sie wissen, dass wir es benennen. Das werden Sie nachher auch kritisieren, dass wir zurück auf die Bäume oder mit dem Pferdekarren durchs Land ziehen wollen. Wir wollen diese Investition in die Zukunft und die Innovationsfähigkeit der Hochschule haben, indem wir im Verkehrsbereich und vornehmlich im Straßenbau auch Kürzungen vornehmen.
Ich sage Ihnen, dass wir das in einem Volumen tun, das wir für vertretbar halten und das durchaus in einer politischen Linie steht.
Wir sind nicht der Meinung, dass wir als einziges Bundesland Bundesstraßen und Bundesfernstraßen mitfinanzieren müssen. Diesen Betrag nehmen wir aus dem Haushalt heraus.