Protocol of the Session on January 21, 2004

Erlauben Sie mir aber vorweg noch einen Blick auf das Gender Mainstreaming in Ihrem Mammutressort oder besser auf die Lücke dort, wo Gender Mainstreaming in den genannten Elementarbereichen des Lebens stattfinden müsste. Frau Ministerin Ahnen, das geht auch ein bisschen in Ihr Ressort. Am Beispiel der Verkehrspolitik ist das ganz gut zu verdeutlichen.

Im Wesentlichen ist im Ressort von Herrn Bauckhage in den entscheidenden Positionen eine „gesellschaftliche Minderheit“ am Werk, deren verkehrspolitisches Leitbild in vielen Fällen über die Bedürfnisse der Mehrheit der Gesellschaft hinweg definiert wird. Ich rufe die Merkmale dieser „gesellschaftlichen Minderheit“ in Erinnerung. Herr Kollege Kuhn schaut schon ganz neugierig. Sie sind männlich, erwerbstätig, freigestellt von Haus- und Familienarbeit, im Besitz eines Führerscheins, im Besitz eines PKW und in der Regel nicht behindert. Sie können sich leicht ausrechnen, dass all diejenigen, die diese Kriterien nicht oder nicht in Gänze erfüllen, zusammengenommen die Mehrheit der Gesellschaft sind. Das gilt nicht nur für Rheinland-Pfalz.

Sie können sich genauso gut vorstellen, dass die Mobilitätsbedürfnisse einer 16-jährigen Schülerin auf dem platten Land – Herr Weiner, in Pirmasens oder sons two –, einer 30-jährigen Mutter, die versucht, Familienarbeit und eine Teilzeitbeschäftigung unter einen Hut zu bringen, oder eines 75-jährigen Rentners, dem das Autofahren wegen Sehschwierigkeiten untersagt wurde, nicht mit den Forderungen der Herren von der IHK oder der HWK im Land, der großen Zahl der Herren Landräte oder der Bauingenieure, die gern große beeindruckende Brückenbauwerke im Verlauf mehrspuriger Autobahnen oder Bundesstraßen planen und realisieren, identisch sind.

Auch ein Mensch, ob weiblich oder männlich, im Rollstuhl oder mit einer Gehhilfe – es war auch schon die

Rede von dem Krückstock, an dem die Landesregierung geht – ist weit mehr an abgesenkten Bordsteinkanten und dem barrierefreien Zugang zu den Anlagen des ÖPNV als an einer weiteren Verdichtung des rheinlandpfälzischen Straßennetzes interessiert, egal ob in Form von Bundes-, Landes-, oder Kreisstraßen. Herr Bauckhage hat in einer schönen bunten Broschüre seines Hauses gesagt: Wir haben ein wunderbares Straßennetz. Es ist ganz dicht und wunderbar ausgebaut. – Ich frage mich, warum Sie überhaupt noch Neubau betreiben lassen wollen. Lassen Sie es doch sein! Sie haben doch alles.

(Frau Mohr, SPD: Die Ortsumgehungen! – Zurufe der Abg. Creutzmann und Dr. Schmitz, FDP)

Die Ortsumgehungen im Landesstraßenbau gibt es nicht, von denen Herr Nink in der letzten Plenarsitzung geredet hat. Keine einzige ist darin zu finden. Sie werden sie mir zeigen.

Wenn Herr Dr. Langen – Herr Bauckhage kennt ihn gut – aus dem Verkehrsministerium im Hörfunk auf das fundamentale Recht auf Mobilität für diejenigen pocht, die auf dem Hahn mit Ryanair für einen Tag nach Pisa oder Montpellier fliegen wollen, dann klage ich dagegen das Recht für die Schülerin, den alten Rentner und die Oma in einem Hunsrückdorf ein. Ich wüsste nicht, dass es dort keine Straßen gibt, aber die Busse darauf fehlen.

Herr Kollege Nink, das Problem ist, dass die Busse selten fahren. Ich hoffe, ich konnte etwas deutlich machen, dass es unterschiedliche Mobilitätsbedürfnisse im Land gibt und sie im Schwerpunkt einseitig vom Verkehrsministerium bedacht werden.

Wenn Sie unseren Änderungsanträgen und unserer Verkehrsentschließung zustimmen, können Sie einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass ein breiteres Spektrum in der Bevölkerung seine Mobilitätsbedürfnisse befriedigt bekommt. Sie können einen Beitrag zum Gender Mainstreaming leisten, weil Sie hier im Vergleich zu anderen Ministerien ziemlich hinterherhinken.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir fordern deshalb den Ausstieg aus der Flugverkehrssubventionierung und die Konzentration der gekürzten Straßenbaumittel auf die Substanzerhaltung – wir wollen die Schlaglöcher zugestopft sehen – sowie die Umschichtung von 20 Millionen Euro zum Umweltverbund.

Zunächst zum Flugverkehr. Herr Kollege Nink hat schon danach gerufen, dass er etwas dazu hören will. Ich erläutere Ihnen gern noch einmal, was inzwischen dorthin geflossen ist. Wir haben inzwischen an Defizitausgleichen bei Flughafenbetreibergesellschaften 10,5 Millionen Euro auf dem Hahn. Bis Fraport eingestiegen ist, war das gängige Praxis. Wir haben in Zweibrücken bis 2002 12,5 Millionen Euro gehabt und von 2002 bis 2007 noch einmal 7,4 Millionen Euro zu erwarten.

Herr Kollege Mertes ist nicht anwesend. Nächstes Jahr läuft der Ergebnisabführungsvertrag mit Fraport aus. Ich habe mit ihm bei der Sendung „Ländersache – Politik in

Rheinland-Pfalz“ gewettet, dass der Landesregierung kein Ergebnis abgeführt wird. Er hat sich nicht getraut, die Wette anzunehmen, weil er weiß, dass er sie verliert.

(Ministerpräsident Beck: Die Wette werden Sie verlieren!)

Er verliert sie. Als zweite Investitionsförderung gab es auf dem Hahn – ich rede nur von der flugaffinen Infrastruktur –

(Staatsminister Bauckhage: Das ist mir klar!)

bis 2002 25,6 Millionen Euro. 2003 kam noch 1 Million Euro aus dem Ministerium von Herrn Zuber dazu. Das ist nicht flugaffin gewesen, nämlich Abwasser etc. Das, was ich aufgeführt habe, sind zusammen 56 Millionen Euro. Dazu kommen noch Kleinigkeiten aus dem Titel „Projekte und Maßnahmen im Bereich Verkehr“ für den Verkehrslandeplatz Mainz-Finthen, für Pirmasens und Oppenheim sowie ein noch etwas dickerer Brocken für Speyer, nämlich 1,2 Millionen Euro für Grundstückserwerb und 0,5 Millionen Euro für Tankstellenmodernisierung und solche Sachen. Unter dem Strich haben wir in den letzten Jahren 57,9 Millionen Euro in den Flugverkehr gesteckt.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Ich komme zu den indirekten Subventionen. Dahinter mache ich ein Fragezeichen. Herr Minister Bauckhage hat zu Beginn des Jahres in einem Beitrag von „Ländersache – Politik in Rheinland-Pfalz“ erklärt, dass die Fluggesellschaft Ryanair, der Hoffnungsträger auf dem Hahn – hoffentlich bleibt er Ihnen erhalten –, Landesmittel für Incoming-Tourismus-Maßnahmen erhält. Sie hatten mir das auch schon einmal auf eine Kleine Anfrage geantwortet und gesagt: Wir machen gemeinsam ein paar Sachen mit Ryanair betreffend IncomingTourismus.

Sie haben gesagt, es gibt einen Link, der etwas kostet. Die Summe wollen Sie uns nicht nennen. Sie sei überschaubar.

Herr Minister, was ist für Sie ein überschaubarer Betrag? Es wäre gut, wenn Sie das etwas konkretisieren könnten. Beim Neujahrsempfang am Sonntag in meiner Heimatgemeinde hat der Ortsbürgermeister gesagt, dass ihm 55.000 Euro für den naturnahen Spielplatz fehlen, den alle wollen, der im Rahmen der Dorferneuerung entwickelt wurde. Ich frage Sie: Wie viele Spielplätze könnte man für einen überschaubaren Betrag nach Ihrer Definition gestalten, einen, zwei, zehn oder zwanzig? Ich wäre dankbar, wenn Sie mich aufklären könnten.

Ich komme zum nächsten Punkt. Wir wissen alle, dass der Chef von Ryanair mit harten Bandagen mit so genannten Provinzflughäfen um extrem gute Standortbedingungen kämpft. Für Lübeck sind ganz hanebüchene Forderungen bekannt. Mit Straßburg hat sich ein Gericht beschäftigt. Ich nenne die ganzen Standorte. Charleroi ist ein Wettbewerbsverzerrungsthema für die EUKommission geworden. In Wirtschaftsfachzeitschriften ist nachzulesen, dass es bei der Eröffnung neuer Flugli

nien üblich ist, eine so genannte Entwicklungsförderung zu leisten. Es fällt auf, dass Ryanair in kurzen Abständen Fluglinien einstellt und neue eröffnet.

Auf dem Hahn soll es das alles nicht geben, was woanders diskutiert wird, wenn man den öffentlichen Verlautbarungen der Landesregierung Glauben schenken darf. Komisch ist, dass Mr. O‘Leary bei einer Anhörung im irischen Parlament im März vergangenen Jahres erklärt hat, seine Kosten pro Passagier auf dem Hahn seien so niedrig, dass er sie nicht einmal seiner Mutter verraten würde. Bei der gleichen Gelegenheit erklärte er, in Dublin sei das alles mehr als zehnmal so teuer.

Herr Minister, meine Damen und Herren, bei mir tauchen ganz viele Fragezeichen auf. Ich werde nicht ruhen, bis wir sicher sein können, dass auf dem Hahn keine umweltschädlichen Subventionen mehr fließen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will zum Landesstraßenbau nicht mehr viel sagen. Wir haben im letzten Plenum aus Anlass der Großen Anfrage der CDU breit darüber geredet.

Herr Creutzmann, ich will Sie noch einmal darauf hinweisen, dass Sie vorhin den Finanzminister beleidigt haben, nämlich als Sie gesagt haben, es sei ein dümmliches Geschwätz, immer von Bildung statt vom Beton zu reden. Ich lese Ihnen einmal etwas vor. Wenn die Investitionen in das Humankapital bei insgesamt eng begrenztem Budget noch zunehmen sollen – das wollen wir alle –, müssen die Investitionen in Stein und Beton zurückgehen. Ich vermute, Sie werden sich beim Finanzminister dafür entschuldigen, dass Sie ihn der dümmlichen Aussage bezichtigt haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie argumentieren, breite Straßen und mehr Spuren seien ökologisch, weil man Emissionen vermeiden könnte. Ich kann nur sagen: Hören Sie doch mit diesen dümmlichen Aussagen auf. Sie werden durch Wiederholungen nicht wahrer.

(Creutzmann, FDP: Wieso ist es dümmlich?)

Herr Minister, ich wiederhole noch einmal meinen Appell, was den Straßenbau angeht: Sehen Sie zu, dass das vorhandene Straßennetz von der Erblast Ihres Vorgängers – ich nenne ihn gern Brüderle Schlagloch – befreit wird, und lassen Sie neue Projekte so lange ruhen, bis Sie das aufgearbeitet haben! Es ist noch eine dreistellige Millionensumme nachzuarbeiten. Daran haben Sie noch einige Jahre zu tun.

Wir wollen natürlich in den SPNV umschichten. Im SPNV fehlt uns das Geld für sinnvolle Maßnahmen. Ich will mich auf ein Beispiel beschränken. Durch ein Versehen der DB wurde öffentlich – die Züge sind alle auf der CD-ROM „AFAS“ enthalten, falls Sie, Herr Bauckhage, einmal hineinschauen, wenn Sie einmal mit dem Zug fahren wollen –, dass die trans regio und die DB als Gemeinschaftsproduktion die Einführung schneller Regionalexpresszüge von Kaiserslautern nach Koblenz im Berufsverkehr planten. Das Vorhaben, dort eine Nei

Tech-Linie einzurichten, wie auf der Nahestrecke, die inzwischen läuft, liegt seit Jahren auf Eis.

Auch dieses Projekt – also die extrem abgespeckte Version einer Linie Kaiserslautern – Koblenz – kann offenkundig aus finanziellen Gründen nicht umgesetzt werden. Die Liste der unerledigten Arbeiten im SPNV könnte fortgesetzt werden. Ich nenne die Hunsrückbahn, für die sich der Ministerpräsident gerade wieder stark gemacht hat, wobei fraglich ist, woher das Geld kommen soll, oder die Brexbachtalbahn. Es gibt also einiges zu tun.

Herr Ministerpräsident, natürlich ist es schön – Sie haben das auch heute Morgen gewürdigt, und noch jemand hat das gewürdigt –, dass die Regionalisierungsmittel durch Landesmittel ausgeglichen worden sind. Das war auch sinnvoll. Aber wir sehen, wenn wir genauer hinschauen, dass die Regionalisierungsmittel auch für Sachen verwendet werden, wofür sie ursprünglich nicht gedacht waren. Der hohe Anteil von Regionalisierungsmitteln beim Ausbildungsverkehr ist nicht in unserem Sinn und auch nicht im Sinn des Erfinders gewesen, als die Bahnreform gemacht wurde und die Regionalisierungsmittel eingerichtet wurden. Es ist zwar legal, wie das gemacht wird, aber eigentlich nicht im Sinn des Erfinders.

Wir müssen, wenn wir den Rheinland-Pfalz-Takt erhalten und ausbauen wollen – worüber wir uns fraktionsübergreifend einstimmig verständigt haben –, natürlich mehr Geld in die Hand nehmen und vor allen Dingen auf eine Vertaktung mit den Busverkehren achten. Perspektivisch muss die Landesregierung deshalb bei der überfälligen Reform des ÖPNV mitwirken. Es muss, bevor die Kosten weiter steigen, ohne dass erkennbare Verbesserungen im Angebot zu verzeichnen sind, diese Reform angepackt werden. Die Bahnreform kann ein ganz gutes Beispiel sein, weil man mehr Angebote und bessere Qualität vor allen Dingen dort erreicht, wo zwischen Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen klare vertragliche Grundlagen bestehen.

Ich will zum Schluss noch einmal darauf hinweisen, was wir in unseren Anträgen fordern und wofür wir um Zustimmung bitten. Wir denken, dass das das Notwendige ist, was in Rheinland-Pfalz zu tun ist, um eine Verkehrswende, die wir für dringend notwendig halten, einzuleiten, das heißt, eine neue Prioritätensetzung.

Wir haben die Streichung beim Landesstraßenbau gefordert. Wir wollen dem LSV weniger zur Verfügung stellen. Wir wollen 20 Millionen Euro in den ÖPNV investieren, in den Umweltverbund, Schiene, Bus und Fahrrad. Wir wollen auch, dass die Verkehrspolitik demokratisiert wird. Wir wollen die Fahrgastgruppen der unterschiedlichsten Art an der Verkehrsplanung, an Verkehrsentscheidungen beteiligen. Wir wollen ferner, dass die Forschung und die Gutachten im Verkehrsbereich auf nachhaltige, umweltverträgliche Verkehrspolitik ausgerichtet werden.

Ich kann Sie nur auffordern: Stimmen Sie unseren Anträgen zu.

Danke.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Staatsminister Bauckhage das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Rheinland-Pfalz ist das Land – das ist im Verlauf der Debatte schon gesagt worden –, welches 2002 das höchste Wirtschaftswachstum hatte, das im Jahr 2003 auch wieder über dem Bundesdurchschnitt liegen wird, das Land, welches an drittgünstigster Stelle bei der Arbeitslosenstatistik liegt. Es fällt mir immer schwer „drittgünstigste Stelle“ zu sagen, weil ich natürlich weiß, dass hinter jedem Prozent arbeitslose Menschen stehen. Trotzdem muss man das, wenn man wirtschaftliche Parameter beleuchtet, erwähnen.

Rheinland-Pfalz ist das Land, welches nach einer Studie von Ernst & Young die höchste Produktivität hat. Rheinland-Pfalz ist das Land, welches nach einer Kapitalstudie bei dem Bundesländer-Ranking an zweiter Stelle steht. Rheinland-Pfalz ist das Land, in dem fast 2.031 neue Existenzen gegründet wurden und darüber hinaus bis 2002 sich die Existenzgründerzahl in etwa bei 30.000 eingependelt hat. Rheinland-Pfalz ist das Land, in dem die Insolvenzen so um die 1.000 lagen. Bis 2002 lagen sie etwas höher, fast 1.500. Das hat natürlicherweise konjunkturelle Gründe. Rheinland-Pfalz ist das Land, in dem die Landwirtschaft auch im Ranking der Einkommen relativ gut dasteht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, RheinlandPfalz bietet eigentlich für die Wirtschaft und für die Menschen in diesem Land eine gute Geschäftsgrundlage und gibt den Menschen eine gute Perspektive in einer schwierigen Zeit.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist immer eingebettet in eine Gesamtwirtschaftslage hinein. Wir leben nicht auf der Insel der Glückseligen, aber wir sind eingebettet in die Gesamtwirtschaftslage in Deutschland, in das europäische Geflecht und in eine Weltwirtschaft. Ich glaube, man kann sagen, diese Politik und dieser Haushalt ist die richtige Anwort auf die Fragen der Zeit. Ich sage das deshalb, weil man, wenn man meinen Haushalt 08 beleuchtet, dann die Rahmenbedingungen sehen muss. Man muss verständlicherweise sehen, wie der Status des Landes ist. Wir stehen im Ländervergleich mehr als gut da.

Das hat natürlich Hintergründe. Diese Hintergründe sind klar oder haben etwas damit zu tun, wie die Verkehrsin