Protocol of the Session on January 21, 2004

denn diese zeitweise Entspannung, die wir durch die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses erfahren, hat noch nicht einmal gereicht, um auf der Grundlage dieser Vermittlungsausschussergebnisse einen verfassungsgemäßen Haushalt vorzulegen.

Ich will nicht der Frage nachgehen, ob es nach diesem Ergebnis des Vermittlungsausschusses überhaupt noch zulässig ist, den finanzpolitischen Notstand auszurufen. Das ist eine sehr offene und möglicherweise sehr kontrovers zu diskutierende Frage.

Selbst auf der Grundlage dieser Vermittlungsausschussergebnisse haben Sie zu einem mehr als zweifelhaften Trick greifen müssen, um die Verschuldung uns eres Haushalts wenigstens formal unter die Verfassungsgrenze zu drücken. Spätestens diese Tatsache beweist, dass für eine allgemeine finanzpolitische Entwarnung überhaupt kein Anlass besteht.

Sie haben – dies hat uns in den letzten Wochen vielfach beschäftigt, und ich will es deshalb noch einmal erwähnen – eine Forderung des Landes gegenüber den Kommunen vor der Zeit – dies ist zulässig; das will ich überhaupt nicht bestreiten – in den Haushalt als Kredit eingebucht. Ich umschreibe den zweifelhaften Trick, dessen Sie sich bedienen mussten, um mit Ihrem Haushalt 2004 bei der Verschuldung wenigsten formal unter die Verfassungsobergrenze zu kommen. Sie haben in der gleichen Größe bei den Schlüsselzuweisungen einen Abzug vorgenommen und dies als Darlehen ausgewiesen, um dann allerdings – dies beschreibt ein bisschen die Zweifelhaftigkeit dieses Haushaltskniffs – in der Übersicht des Finanzausgleichs, die später im Einzelplan 20 erfolgt, diesen Betrag in der Gesamtsumme in den Schlüsselzuweisungen aufgehen zu lassen.

Sie haben da schon so ein bisschen einen doppelten Salto veranstaltet. Diese ganze Operation wird jetzt als Investition deklariert. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Wahrheit ist das keine Investition, sondern schlicht eine Umbuchung, die Sie im Haushalt vorgenommen haben.

(Beifall der CDU)

Es macht Sie mächtig stolz, dass Sie auf diesen Trick verfallen sind. Sie glauben, die Welt ist wieder in Ordnung. Aber die Welt ist nicht in Ordnung.

Meine Damen und Herren, so einfach und schmerzlos kann offenbar eine Haushaltssanierung vonstatten gehen, indem man einen Betrag mehrfach ein- und ausbucht, und schon ist der Haushalt saniert. Wenn man dies weiterverfolgt und sich gedanklich damit beschäftigt, könnte man, einmal auf den Geschmack gekommen, sich glatt mehr solcher Buchungen wünschen.

Jetzt komme ich zu dem Traum, den Sie, die Landesregierung, und möglicherweise Teile der sie tragenden Fraktionen träumen. Sie träumen den Traum, irgendwann saniert sich dieser Haushalt von selbst, und keiner bemerkt es.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Traum ist genauso Schaum, wie alle Träume Schäume sind. So wird es nicht gelingen. Deswegen wird Ihnen irgendwann – in diesem Jahr offenbar nicht; dies beweist der Haushalt – in den nächsten Jahren all das nicht erspart bleiben, was andere tun müssen, um ihre Haushalte wieder ins Lot zu bekommen.

Im Übrigen bedienen Sie sich dieser Tricks seit Jahren. Ich will dies nur noch einmal sagen, damit uns dies in der Kontinuität der Haushaltspolitik der letzten Jahre am Ende dieser Haushaltsberatungen und vor der Verabschiedung des Haushalts klar wird: Seit Jahren versuchten Sie mit diesen Kniffen, durch Ausbuchung, durch die Eröffnung von Nebenhaushalten, Umbuchungen, das Entleihen des eigenen Geldes – ich denke an das Perpetuum mobile unseres Pensionsfonds, wie das Geld eingezahlt, wieder ausgezahlt und Zinsleistungen ausgezahlt und beliehen werden –, die zeitliche Streckung von Finanzhilfen – dies ist ein interessanter Trick, indem man die Finanzzusagen, die man gemacht hat, erst in fünf, sechs, sieben, acht Jahren auszahlt –, gewaltige Verschiebebahnhöfe, die Sie eröffnen, den Haushalt am Ende immer wieder so knapp über dem Wasser zu halten. Dieser zuletzt genannte Haushaltstrick ist ein gutes Beispiel dafür. Sie freuen sich wie ein Schneekönig, wenn Sie wieder einen Weg gefunden haben, um dies mit einem solchen Trick zu machen.

Millionen hineinzurechnen und anschließend die Millionen wieder herauszurechnen, hat nur einen Sinn. Diese ganzen Kniffe, diese Kunstgriffe und Tricks haben nur einen Sinn. Sie tun alles – in den letzten Jahren ist es meine Überzeugung geworden –, und Sie werden in den nächsten Jahren alles tun, um eines unter allen Umständen zu vermeiden, nämlich an irgendeiner Stelle irgendwo einmal mit dem Sparen zu beginnen und irgendjemandem nein zu sagen. Das Wort „nein“ gibt es in Ihrem Sprachgebrauch nicht.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen machen Sie „business as usual“. Aber „business as usual“ wird nie dazu führen, dass dieses Land die politischen Handlungsspielräume zurückgewinnt, die es dringend braucht.

m Übrigen wird uns das in den nächsten Wochen weiter beschäftigen. Ob dieser Trick der Einbuchung eines Darlehens, von dem ich eben sprach, das anschließend wieder zu Schlüsselzuweisung umgebucht wird, rechtlich Bestand hat, wird sich zeigen. Das ist eine nicht ganz einfache Diskussion, die wir führen müssen. Sie berufen sich auf das Haushaltsgrundsätzegesetz. In der Tat, das Haushaltsgrundsätzegesetz legt nahe, dass so etwas machbar ist.

Das Haushaltsgrundsätzegesetz ist jedoch nicht das einzige Gesetz auf der Welt und steht nicht im luftleeren Raum. Ich erinnere daran, dass schon vor vielen Jahren das Bundesverfassungsgericht in dieser Frage eine andere Meinung vertreten hat und die Rechnungshöfe unserer Bundesländer sich erst kürzlich, nämlich im Mai 2003, anders geäußert haben, als die Landesregierung jetzt ihre Argumentation geltend gemacht hat. Diese haben sich ähnlich geäußert wie das Bundesverfassungsgericht schon vor vielen Jahren, als die Rechnungshöfe sogar verneinten, dass Investitionsschlüsselzuweisungen an die Städte und Gemeinden für die Ermittlung der verfassungsrechtlichen Kreditobergrenze herangezogen werden dürfen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn das die Rechnungshöfe sogar verneinen, dann habe ich starke Zweifel, ob eine solche Kreislaufluftumbuchungsnummer in der Tat am Ende als Investition in diesem Land herangezogen werden kann, damit Sie Ihren Haushalt über Wasser halten.

(Beifall der CDU)

Ich will darauf verweisen, es gibt in diesen Zusammenhang in den letzten Jahren eine Reihe von Äußerungen der Rechnungshöfe. Es ist schon etwas länger her. Ich nannte eben den Beschluss vom Mai 2003. Als die Rechnungshofpräsidenten im Mai 2001 zusammens aßen, haben sie einen Beschluss gefasst. Das Thema ist so alt.

(Zuruf von der SPD: Was soll das denn?)

Herr Kollege, ich kann Ihnen sagen, was das soll. Das zeigt nämlich, dass Sie einen Haushalt vorgelegt haben – ich erspare mir jetzt eine etwas drastischere Formulierung –, der, gelinde gesagt, auf Sand gebaut ist.

Das ist ein Kartenhaus, das beim leisesten Windhauch in sich zusammenstürzen wird. Sie müssen das dann ausbaden.

Deswegen wäre es gut, wenn Sie diese Argumentation ein bisschen mehr beherzigen würden.

(Beifall der CDU)

Die Rechnungshofspräsidenten haben im Jahr 2003 in ihrem Beschluss angemerkt: „Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass die Höhe der aufgenommenen Kredite durch die tatsächlich getätigten, nicht lediglich durch die veranschlagten Investitionen begrenzt werden.“ Meine Damen und Herren, eine „Luftkreislaufumbuchungsnummer“ ist vieles, vielleicht eine Investition in Druckerschwärze, aber keine Investition, wie sie das Haushaltsrecht in unserem Land vorsieht. Das ist sie zweifelsfrei nicht.

(Beifall der CDU)

Tatsache ist, dass wir in der Haushaltsplanung für das Jahr 2004 bei einer Nettokreditaufnahme von rund 1,18 Milliarden DM liegen. Nach vielen Jahren in den 90er-Jahren, in denen wir den Haushalt mit einer Nettokreditaufnahme von 500 Millionen DM bis 700 Millionen DM aufgestockt haben, haben wir uns inzwischen an die Milliardenmarke gewöhnt, mit der wir die Nettokredite Jahr für Jahr aufstocken. Wir werden Ende des Jahres 2004 bei einem Schuldenstand von etwa 24,567 Milliarden Euro angekommen sein. Das heißt, in 13 Jahren wurde die Verschuldung dieses Landes von ca. 11 Milliarden Euro auf rund 24,567 Milliarden Euro gesteigert.

Meine Damen und Herren, wer in der Lage ist, eine solche Kletterpartie zu vollführen, der hat vielleicht das Zeug zum Bergsteiger, aber als Kassenwart taugt er so wenig wie der Hund, den Franz-Josef Strauß selig weiland immer beschrieben hat, dem man die Aufgabe zumisst, einen Wurstvorrat zu bewachen. Meine Damen

und Herren, die Gier im Zugriff auf das Geld übermannt Sie von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr.

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Lewentz, SPD)

Der Hund hieß „Max“. Vielen Dank, Herr Kollege Lewentz. Das zeigt eine intensive Beschäftigung der SPDFraktion mit diesem Hund, der ihr nämlich namentlich bekannt ist. Herr Kollege Lewentz kennt ihn persönlich. Er heißt „Max“. Deswegen ist es umso weniger verwunderlich, dass Sie sich sozusagen inzwischen das Verhalten dieses Hundes antrainiert haben.

Scherz beiseite. Ich halte es zwar für recht lustig, dass wir das nicht alles so bierernst nehmen. Außerdem halte ich es für gut, dass die SPD-Fraktion das in humorvoller Gelassenheit trägt. Das Thema, über das wir reden, wird uns aber alle einholen. Es ist aber falsch zu glauben, man könnte mit ein paar lockeren Sprüchen darüber hinweg nach dem Motto „Übermorgen ist alles vergessen,“ – ich weiß, dass Sie so denken – „auch wenn morgen die Zeitungen noch einmal ein bisschen voll damit stehen, dass die Verschuldung des Landes weiter geklettert ist“. Sie wissen genau wie wir, dass die meisten die Artikel gar nicht lesen, wenn die Überschrift schon so lautet. Übermorgen ist vielleicht alles vergessen, aber in zwei bis drei Jahren holt uns das alles ein.

Das, was ich vorhin gesagt habe, entspricht der Wahrheit: Wir sitzen fest in der Schuldenfalle. Mir muss einmal einer verraten, wie wir uns irgendwann einmal aus dieser Schuldenfalle befreien wollen. Deshalb wäre es doch die Aufgabe der Landesregierung zu sagen: Leute, die Welt hat sich verändert. – Herr Kollege Mertes hat in den vergangenen Jahren Haushaltsreden gehalten, die mich in Teilen durchaus beeindruckt haben, weil er auf all die Veränderungen immer wieder eingegangen ist. Wenn sich aber die Welt verändert, dann macht es doch keinen Sinn, dass sich ausgerechnet eines in der Welt nicht verändert, nämlich das Ausgabenverhalten der rheinland-pfälzischen Landesregierung.

(Beifall der CDU)

Ich sprach davon, wie sich die Schuldenlast nach der von der Landesregierung vorgelegten Haushaltsplanung aufbauen, gar im Jahr 2004 und im kommenden Jahr 2005 auftürmen wird. Im Übrigen fällt mir bei dieser Gelegenheit die Bemerkung ein, dass so Haushalte aussehen, die auf Kante genäht sind. Diese Haushalte landen dann bei 2,08 Milliarden Euro Neuverschuldung. Das sind die auf Kante genähten Haushalte der rheinland-pfälzischen SPD/FDP-geführten Landesregierung.

Jetzt komme ich zu einem Punkt, den die Landesregierung noch viel weniger gern hört, als wenn man über ihre Verschuldung spricht. Obwohl wir diese unglaubliche Kletterpartie hinsichtlich der Verschuldung hinter uns haben und diese Kletterpartie weitergeht: Trotz ständiger Verschuldung, trotz ständig steigender Verschuldung – das sind noch einmal zwei verschiedene Dinge; die Verschuldung ist nicht unser ständiger Begleiter, sondern die steigende Verschuldung ist unser ständiger Begleiter –, trotz all dieser besinnungslos

ausgabenfinanzierten Haushalte stehen wir im Land vor immer schwerwiegenderen Fehlentwicklungen.

Ich will zwei oder drei dieser Fehlentwicklungen aufzeigen, von denen mir in letzer Zeit erzählt worden ist. Ich weiß, dass man nicht alles eins zu eins in die Wirklichkeit übertragen kann, aber das, was ich nachgeprüft habe und vortrage, hat sich alles bewahrheitet.

Ich nenne zunächst die Lage der Sicherheit in unserem Land. Ich könnte jetzt schon aus der Replik der Landesregierung der vergangenen Jahre die Entgegnung herunterspulen, weshalb das alles nicht so sei, wie ich es vortrage. Ich fürchte aber, dass es so ist, wie ich es vortrage. Meine Damen und Herren, die Lage der Sicherheit in unserem Land Rheinland-Pfalz ist inzwischen beschämend.

(Beifall der CDU)

Meine herzliche Bitte ist, dass nicht gleich schon wieder der Zwischenruf „Aufklärungsquote“ in diesen Saal geplärrt wird. Ich kenne die Statistik der Aufklärungsquote auch. Meine Damen und Herren, im Blick auf die Entmythologisierung dieses Begriffs lohnt es sich, einmal gelegentlich mit Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten zu reden. Die Aufklärungsquote bei Tageseinbrüchen in Rheinland-Pfalz liegt zwischen 12 % und 18 %. Das ist doch eine tolle Aufklärungsquote. Bei der Polizeistärke liegt Rheinland-Pfalz inzwischen am Ende der Skala aller Bundesländer.

Mir wird ein Fall geschildert, dass zu nächtlicher Stunde – wie das häufig der Fall ist – im Norden unseres Landes in ein Ladenlokal eingebrochen wird. Die Betreiber bzw. die Besitzer dieses Ladenlokals wohnen im gleichen Haus, und zwar eine Etage über diesem Ladenlokal. Sie hören nachts den Lärm im Ladenlokal, vermuten, dass sich dort jemand zu schaffen macht, sie rufen den Notruf an, sie bleiben dann drei Minuten bis vier Minuten in der Warteschleife und werden mit beruhigender Musik getröstet, die sie zu hören bekommen. Dann dauert es 40 Minuten, bis die Polizei am Tatort erscheint.

Meine Damen und Herren, jemand, der gelernt hat, Geldschränke zu knacken, und es in 40 Minuten nicht schafft, den Safe auszuräumen, der hat den Titel „Krimineller“ nicht verdient. Sie sind alle in der Lage, innerhalb von 40 Minuten das zu bewerkstelligen, was sie bewerkstelligen wollen.

Meine Damen und Herren, wenn das ein Einzelfall wäre, dann könnte man sagen, dass das eine unglückliche Fügung sei, weil mehrere schwierige Umstände zusammengekommen sind. Wenn Sie aber mit Polizeibeamten in Rheinland-Pfalz reden, dann wissen Sie spätestens nach zehn Minuten, dass das kein Einzelfall ist. Das ist inzwischen leider mehr die Regel als die Ausnahme. Es ist beschämend, dass es mittlerweile so weit gekommen ist.

(Beifall der CDU)

Ein bewaffneter Täter überfällt eine Tankstelle. Der Tankwart flüchtet in einen Nebenraum und schließt sich

dort ein. Der Täter versucht, die Tür aufzubrechen, schießt dann auf das Schloss, um die Tür zu öffnen, während der Mann Todesängste aussteht. Es dauerte 35 Minuten, bis die Polizei da ist, nicht weil die Polizeibeamten dumm und faul sind – ganz im Gegenteil –, sondern weil mit immer weniger Polizei immer mehr Kriminalität erfolgreich nicht zu bekämpfen ist, meine Damen und Herren. Das ist eine ganz simple Rechnung.

(Beifall der CDU)

Mir erzählte ein hochrangiger Polizeibeamter, der es wirklich wissen muss, dass es bei Unfällen auf Bundesautobahnen in Rheinland-Pfalz inzwischen die Regel ist, dass der Rettungsdienst lange vor der Polizei eintrifft und notwendige Absperrungsmaßnahmen vom Rettungsdienst vorgenommen werden, von Leuten, die dazu weder befugt noch ausgebildet sind, weil die Polizei nicht anwesend ist.

Deswegen meine herzliche Bitte: Lassen Sie uns diejenigen, die mit einem unglaublichen Einsatz ihren Job bei der Polizei machen, nicht ständig und über Jahre hinweg im Regen stehen.