Protocol of the Session on January 21, 2004

(Beifall der CDU)

Man kam mit dem Geld, das man hatte, nicht aus, obwohl man mehr als viele andere westliche Flächenländer hatte.

Das Jahr 2001 ist in dieser Hinsicht ein geradezu beispielhaftes Jahr. In diesem Jahr hatten wir bei den Steuereinnahmen den letzten Platz im Gefolge der westlichen Flächenländer. Nach Länderfinanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungen hatten wir einen vorderen dritten Platz, lagen also bei den Einnahmen ganz oben. Man muss auch in diesen Fragen ganz ehrlich diskutieren und argumentieren.

(Staatsminister Mittler: Vor allen Dingen!)

Herr Minister, deswegen sage ich es doch. Das kürzt vielleicht Ihre Rede ab, weil Sie diese Replik nicht mehr anbringen müssen. Ich gebe zu, dass es im Jahr 2002 anders war. Da geht ein herzliches Dankeschön auch der Landesregierung an die rotgrüne Steuergesetzgebung in Berlin. Im Jahr 2002 haben viele finanzstarken Länder Unsummen von Körperschaftssteuer mit dem Ergebnis zurückerstatten müssen, dass sich die Berechnungsgrundlage für den Länderfinanzausgleich völlig verändert hat, was wieder zur Folge hatte, dass wir nach Bundesergänzungszuweisungen und Länderfinanzausgleich nicht so gut standen wie in all den Jahren zuvor.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist jedoch ein Ausreißer. Ich möchte deshalb zunächst einmal festhalten, dass wir seit Anfang der 90er-Jahre nicht bei den Einnahmen irgendein Problem hatten, sondern dass unser Problem spätestens seit Mitte der 90er-Jahre ausschließlich darin begründet ist, dass das, was uns an Einnahmen, also Steuereinnahmen, Bundesergänzungszuweisungen und Länderfinanzausgleichsmittel zur Verfügung stand, nie ausgereicht hat, um das zu bezahlen, was diese Landesregierung für notwendig gehalten hat. Ich sage es jetzt ganz wertneutral und gar nicht vorwurfsvoll, sondern nur als eine Beschreibung dieses Sachverhalts. Man hat sich nie bequemt, sich in den Finanzrahmen einzupassen, der einem als Landesregierung vorgegeben ist. Wir sind noch nicht so weit, dass wir im Rahmen des Föderalismus maßgeblich über unsere Einnahmensituation mit entscheiden können.

Diese Kraft, sich in diesem Rahmen einzurichten, hat diese Landesregierung seit ihrem Regierungsantritt 1991 nie besessen. Nicht in einem einzigen Haushaltsjahr hat sie sich in diesem Rahmen orientiert.

(Beifall der CDU)

Die Folgen holen uns jetzt ein. Wir haben eine Verschuldung in einer Schwindel erregenden Höhe. Ich bin einmal gespannt, ob diese Zahl auch bestritten wird. Ich

sage gleich vorsorglich, es ist die Zahl, die die Landesregierung uns selbst an die Hand gegeben hat. Mit Stand 2003 haben wir eine Verschuldung in einer Größenordnung von 23,387 Milliarden Euro erreicht. Das sind 2,08 Milliarden Euro mehr als im Jahr 2002. Wir werden nach Finanzplanung der Landesregierung – ich verzichte heute komplett auf die Betrachtung der Haushaltsrisiken, die es in diesem Jahr und in den nächsten Jahren gibt, sondern nehmen wir jetzt einfach einmal die Finanzplanung des Landes, wie sie uns seitens der Landesregierung an die Hand gegeben wurde – im Jahr 2005 einen Schuldenstand von 25,69 Milliarden Euro erreicht haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerechnet auf 1991 ist das ein Zuwachs von 14,5 Milliarden Euro. Das ist ein Zuwachs um 129 % in dann 14 Jahren bis 2005. Wenn ich das auf den Zuwachs pro Kopf unserer Einwohner umrechne, ist das ein Plus von 115 % und ein Zuwachs von 3.396 Euro.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind gigantische Zahlen. Wer angesichts dieser Zahlen bezweifelt, dass diese Landesregierung Beweglichkeit vor allem in einem Punkt gezeigt hat, nämlich wenn es darum ging, einen Sprint in die Verschuldung zu veranstalten, der nimmt diese Zahlen nicht zur Kenntnis.

(Beifall der CDU)

Nun weiß ich auch, dass sich daraus öffentlich wenig machen lässt, weil wer interessiert sich schon abstrakt für die Verschuldung einer Gemeinde, einer Stadt oder eines Landes? Abstrakt interessiert sich dafür niemand. Das Problem ist nur, dass sich die Folgen nicht sozusagen irgendwann in Luft auflösen werden, sondern diese Folgen werden uns von Jahr zu Jahr einholen. Das ist das eine. Das Zweite ist, dass man dann schon einmal den Versuch unternehmen muss zu rechtfertigen, was diesen Sprint in die Verschuldung verursacht hat. Ich habe bis heute dazu keine mich überzeugende Rechtfertigung gehört.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Gegenteil, diese Entwicklung unserer Verschuldung der letzten 14 Jahre zeigt, in all diesen Jahren wurde eine Haushaltspolitik nicht nach Maßgabe der Einnahmen, sondern mit einer geradezu hemmungslosen Verschuldung betrieben. Nicht die begrenzten Einnahmen haben sozusagen den Rahmen für das politische Programm der Landesregierung vorgegeben, sondern es war genau umgekehrt. Die politischen Entscheidungen, das, was man wollte – jetzt füge ich mit einem Anflug von Verständnis hinzu, das, was man vielleicht für notwendig gehalten hat –, hat den Rahmen gesetzt, der dann über Kredite aufgefüllt wurde, wenn die Einnahmen nicht zur Verfügung standen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit sprengt man natürlich jede Haushaltspolitik, weil in dem Moment, wo das, was an Einnahmen verfügbar ist, nicht den Rahmen bestimmt, in dem ich mich haushalts- und finanzpolitisch bewege, geht dieser Rahmen aus dem Leim. Das ist die Entwicklung, die uns jetzt auf eine schlimme Weise einholt. Das wird bis heute so weitergemacht. Es ist nicht so, dass angesichts der allgemei

nen Diskussion, die wir in Deutschland über begrenzte Finanzen, Einnahmenrückgänge, Kreditfinanzierungsobergrenzen erleben, ein Einsehen bei der Landesregierung zu spüren wäre. Es wird so weitergemacht, als wenn sich die finanzpolitische Welt in den letzten drei, vier oder fünf Jahren nicht verändert hätte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das hat auch seinen politischen Sinn. Das macht man nicht, weil einem nichts anderes einfällt, sondern das hat seinen politischen Sinn. Diesen politischen Sinn erleben wir bei vielfältigen Gelegenheiten immer dann, wenn Mitglieder der Landesregierung öffentlich auftreten. Der tiefe politische Sinn dieser Operation liegt natürlich darin, nach wie vor in einer breiten Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, als wenn man in Rheinland-Pfalz sozusagen auf einer Insel der Glückseligen leben würde. Die Landesregierung hat alles fest im Griff,

(Ministerpräsident Beck: Das ist wahr! Das ist wahr!)

und das, was in anderen Ländern dazu führt, dass die Wogen der Empörung hochgehen, 10.000, 15.000, 20.000 Demonstranten wegen dieser oder jener Sparmaßnahme,

(Ministerpräsident Beck: Wo?)

findet in Rheinland-Pfalz alles nicht statt, – –

(Ministerpräsident Beck: Schade!)

Nein, nicht schade, Herr Ministerpräsident; Herr Ministerpräsident, mit dem Einwurf habe ich natürlich gerechnet.

weil eine Landesregierung, solange sie das vermeiden kann, natürlich glänzend dasteht in den Augen der Öffentlichkeit. Herr Ministerpräsident, ich habe eben die absolute Zahl genannt, die wir im Jahr 2005 erreicht haben werden. Ich würde mir wünschen, dass sie heute Mittag nicht sagen „Im Jahr 2007 haben wir den schuldenfreien Haushalt“, sondern hier einmal sagen, wie Sie denn von diesen 25 Milliarden irgendwann im Leben noch einmal herunterkommen wollen.

(Starker Beifall der CDU)

Jetzt stellen Sie sich einmal vor, der liebe Gott meint es gut mit Ihnen, und Sie gewinnen 2006 die Landtagswahl – – (Beifall der SPD – Mertes, SPD: So wird es sein!)

Ja, so wird es sein, Herr Kollege; es spricht im Moment ja auch alles dafür, dass das so kommt.

und Sie sitzen auf diesem Schuldenberg. Wissen Sie, das Problem ist, so sehr das im Moment bei Ihnen zu frohen Gefühlen führt und Sie genüsslich sagen „Was bin ich doch in einer tollen Lage, die Kollegen um mich herum, was haben die für einen Brass am Hals, und im Vergleich dazu geht es uns hier doch ganz glänzend“,

(Kuhn, FDP: Richtig!)

so schön das im Moment ist, in zwei, drei Jahren ist das nicht mehr durchzuhalten. Nur dann liegt das Kind wirklich im Brunnen. Aufgabe einer verantwortungsvollen Finanzpolitik wäre es doch, dann, wenn man sieht, dass man in die Nadelkurve hineinfährt, schon einmal das Bremspedal zu suchen, damit man es dann irgendwann benutzen kann. Sie haben es aber aus Ihrem Auto wegmontiert. Sie haben überhaupt kein Bremspedal mehr, sondern Sie gehen mit vollem Karacho in diese Nadelkurve.

(Starker Beifall der CDU – Pörksen, SPD: Sie haben gar kein Auto!)

Das Ergebnis ist, wir sitzen fest in der Schuldenfalle. Wenn – was niemand ausschließen kann – in den nächsten Jahren die Zinsen nur geringfügig steigen – jetzt rede ich nur vom Land, die Städte und Gemeinden lasse ich einmal ganz beiseite, obwohl das für sie auch ein ganz wichtiges Thema ist –, dann wird die jährliche Zinslast in unserem Land Rheinland-Pfalz einschließlich der Nebenhaushalte auf über 2 Milliarden Euro hochklettern. Aber die sind auch zu bezahlen. Den Nebenhaushalt kann ich nicht irgendwann in den Rhein werfen nach dem Motto „Das geht mich nichts mehr an, ich trenne mich von meinem Nebenhaushalt“, sondern der bleibt erhalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dann haben wir eine jährliche Zinslast von über 2 Milliarden Mark zu tragen.

(Zuruf von der FDP: Euro!)

Das ist dann ein Viertel unserer gesamten Einnahmen: Steuermittel, Länderfinanzausgleich, Bundesergänzungszuweisungen. – Ein Viertel geht dann nur für die jährliche Zinslast flöten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn das nicht Anlass ist, sich endlich selbst zu fragen, ob es nicht Zeit wäre, mit dem Sparen zu beginnen, dann weiß ich wirklich nicht, was noch passieren muss, damit diese Landesregierung beginnt, das Wort „Sparen“ schreiben zu lernen; denn schreiben kann sie es bis heute nicht.

(Beifall der CDU)

Dieser Landeshaushalt, der uns jetzt vorliegt, ist natürlich alles andere als ein Sparhaushalt. Ich habe manchmal ein bisschen den Eindruck – ich habe eben diese Frage gestellt in der Replik auf Ihren Zwischenruf, Herr Ministerpräsident: Was wäre wenn? –, Sie denken wirklich – – – Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie sich mit den Fragen nicht beschäftigen.

(Zuruf aus dem Hause)

Das sprengt wiederum meine Vorstellungskraft. Natürlich beschäftigen Sie sich mit den Fragen. Ich kann nur zwei Möglichkeiten entdecken, wie man als Politiker mit diesen Fragen sozusagen am Ende umgeht. Entweder, man hat viel Gottvertrauen – dagegen ist nichts zu sagen – und sagt „Irgendwann wird sich das Problem lösen, die Konjunktur springt an, die Steuereinnahmen in Rheinland-Pfalz verdoppeln sich“ – ja gut, ich habe auch viel Gottvertrauen, aber so viel Gottvertrauen habe ich

nicht, um darauf zu bauen – oder liebe Kolleginnen und Kollegen, man kommt irgendwann zu dem Schluss und sagt „Sei es drum, ich möchte, dass dieses Gefühl in einer breiten Öffentlichkeit so bestehen bleibt, und wenn es dann halt nicht anders geht, nach uns die Sintflut.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so ist es: Nach uns die Sintflut; denn diejenigen, die das auszubaden haben, werden eine nicht gerade vergnügungssteuerpflichtige Veranstaltung unternehmen müssen.

Mir wurde das sehr klar, als ich die ersten Reaktionen der Landesregierung – dieses Aufatmen, dass man sozusagen dem Teufel noch einmal von der Schippe gesprungen ist – nach den Beschlüssen des Vermittlungsausschusses erfahren, gelesen, gehört und gesehen habe.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will dies ausdrücklich sagen, weil kaum einer damit rechnet, dass ich diese Bemerkung mache: Nach dem, was ich über die Arbeit und die Gespräche des Vermittlungsausschusses höre, übrigens auch von meinen Parteifreunden, hat unser Finanzminister in diesen Gesprächen eine gute Rolle gespielt.

(Beifall bei SPD und FDP)

Es gab ein Aufatmen, als diese Ergebnisse auf dem Tisch lagen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wahr ist – infolgedessen macht es uns die Beratung dieses Landeshaushalts ein wenig einfacher, Frau Kollegin Berichterstatterin hat zu Recht darauf hingewiesen –, wir müssen in unserem Landeshaushalt des Jahres 2004 nur etwa die Hälfte der geplanten Einnahmenausfälle verkraften, allerdings nicht dank des Einsatzes der sozialdemokratischen Bundesländer, sondern dank des Einsatzes der CDU/CSU-regierten Bundesländer, die zu Recht gesagt haben, Einnahmenausfälle oder eine steuerliche Entlastung, die zu mehr als 25 % nicht gegenfinanziert ist, sind mit uns nicht zu machen. Ich finde, das ist eine richtige Einstellung. Den Nutzen hat diese Landesregierung. Ich gönne ihr diesen Nutzen von Herzen. Aber das zu nehmen und sozusagen eine Strategie der umfassenden Entwarnung daran zu knüpfen, ist blanke Fahrlässigkeit; denn für Entwarnung gibt es nach dem Ergebnis des Vermittlungsausschusses überhaupt keinen Grund.

Als ich Ihre erste Reaktion gelesen habe, war mir völlig klar, das Ergebnis kostet uns weniger als zunächst befürchtet. Kaum war das Ergebnis unter Dach und Fach, hat man sich wieder die rosarote Brille aufgesetzt und die finanzpolitische Welt in den schönsten und hellsten Farben gesehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dafür gibt es aber wahrlich keinen Anlass;

(Beifall der CDU)

denn diese zeitweise Entspannung, die wir durch die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses erfahren, hat noch nicht einmal gereicht, um auf der Grundlage dieser Vermittlungsausschussergebnisse einen verfassungsgemäßen Haushalt vorzulegen.