Wenn Sie sagen, das sei falsch, dann müssen Sie das zugeben. Dann haben Sie uns etwas Falsches zur Verfügung gestellt. Entweder ist das falsch, was Sie uns zur Verfügung gestellt haben, oder das, was Sie heute gesagt haben. Nur eines kann davon richtig sein.
Ich halte es im Übrigen für einen sehr unfairen Stil, dass Sie uns diese Zahlen an die Hand geben und uns heute in der abschließenden Debatte mit völlig anderen Zahlen konfrontieren. Das ist kein fairer Stil im Umgang miteinander. Sie hätten fairerweise zumindest vorher darauf hinweisen können, dass es andere Zahlen gibt.
Wenn Sie den Pensionsfonds als Kapital des Landes darstellen und sich damit brüsten, dann sagen Sie doch fairerweise auch, dass das ein Stock ist, bei dem Sie buchungstechnisch Kapital angesammelt haben, dieses Geld aber wieder im Landeshaushalt verwenden. Sie haben sich das Geld selbst zurückgeliehen. Sie aber brüsten sich damit, dass Sie diesen Pensionsfonds haben. Wenn Sie ihn nicht hätten, müssten Sie Kapital am Kapitalmarkt aufnehmen. Deshalb ist es so nicht in Ordnung, wie Sie es dargestellt haben.
Herr Kollege Mertes hat sich zu Steuerfragen geäußert. Ich habe schon andere anständigere Reden von ihm gehört als die, die er heute gehalten hat. Wenn er sich schon zu Steuerfragen äußert, dann sollte er dies wenigstens korrekt tun, aber nicht die Bürgerschaft täuschen.
Herr Kollege Mertes hat unredlich argumentiert, weil er nur die negativen Dinge dieser Steuerreform genannt hat und die positiven Aspekte völlig außen vor gelassen hat. Er hat nichts zu den Freibeträgen von 8.000 Euro pro Einwohner gesagt, die in dem Steuerkonzept der CDU enthalten sind. Bei einer vierköpfigen Familie, von der einer arbeitet, ergibt sich daraus, dass 33.000 Euro steuerfrei bleiben. Es bleiben 33.000 Euro steuerfrei! Diese Menschen interessiert überhaupt nicht das, was Herr Kollege Mertes zuvor angesprochen hat, was auf der anderen Seite als Belastung hinzukommt. Das interessiert sie überhaupt nicht, weil die Entlastung um ein
Entscheidender Unterschied ist, dass wir eine radikale Steuerreform und eine Nettoentlastung wollen. Wir wollen eine Rückführung des Staates. Wir wollen deshalb sparen. Sie wollen das nicht. Das ist auch unser aller Problem bei diesem Haushalt.
Meine Redezeit ist leider schon zu Ende. Frau Präsidentin, darf ich noch einen Schlussaspekt ansprechen, der heute so schön passt? Ich will das ganz kurz machen und habe deshalb ein Sparschwein mitgebracht.
Der VdK hat den Abgeordneten gestern dieses Sparschwein in die Fächer legen lassen. Dafür sollten wir uns meiner Meinung nach bedanken. Ich verstehe die Überreichung dieses Sparschweins vor den Haushaltsberatungen als Ermunterung, zu einem vernünftigen Sparen zu kommen, nämlich zu einem Sparen zu kommen, das die Einnahmen und die Ausgaben in einen Gleichklang bringt, und bei dem das Sparen so nachhaltig ist, dass nicht unsere Kinder für unsere heutigen Verschwendungen aufkommen müssen. Leider ist dieses Land aus unserer Sicht davon weit entfernt.
Ich will meine Rede mit einer Frage an die Regierung und die Regierungsfraktionen beenden. Meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, meine Damen und Herren der Regierung und der Regierungsfraktionen, kennen Sie den Unterschied zwischen diesem neuen Sparschwein und der Regierung und Ihnen? – Den kennen Sie natürlich nicht. Den können Sie auch nicht kennen. Ich kann Ihnen aber diesen Unterschied sagen. In diesem neuen Sparschwein ist die Luft noch drin; bei Ihnen ist sie längst raus. Das werden wir in den nächsten Tagen hier auch nachweisen.
Lieber Herr Kollege Bracht, ich habe Sie auch schon mit intelligenteren Gags erlebt. Das, was zur Luft zu sagen ist, ist heute Morgen schon gesagt worden. Ich will das aber noch einmal wiederholen: Zu dieser Kampagne fällt einem wirklich nur ein: Nix Fußball, nix Schneemann, nur heiße Luft. – Das haben wir auch heute den ganzen Tag gehört.
Meine Damen und Herren, wenn ich in diesem Saal auf meinem Platz gegenüber der Fensterreihe sitze, bin ich bei bestimmten Reden versucht, zum Fenster hinauszuschauen. Wenn ich durch diese Fenster hinausschaue, sehe ich ein gelobtes Land. Hessen! Das hat unter anderem drei Unterschiede zu uns: Erstens hat es mehr Einnahmen, zweitens wird es von der CDU regiert, und drittens hat es keinen verfassungsgemäßen Haushalt.
Meine Damen und Herren, weshalb sage ich das mit den Fenstern? Weil ich heute Morgen mindestens eine dieser Fensterreden gehört habe, nämlich die des Herrn Kollegen Böhr. Herr Böhr stellt sich an dieses Pult und redet vom Aufgalopp in die Verschuldung, verlangt dann aber massiv mehr Polizei, mehr Lehrer, mehr Geld für die Universitäten und mehr Geld für die Kommunen. Er fordert das, obwohl er ganz genau weiß, wie stark dieser Landeshaushalt von den Personalkosten abhängig ist. Er weiß ganz genau, dass sich Einsparungen in der Tat immer auf die Personalkosten massiv auswirken müssen. Da ist es nur ein populistisches Alibi, wenn gleichzeitig in der Verwaltung 250 Stellen eingespart werden sollen. Wir haben heute schon gehört, wie unmöglich das ist. Meine Damen und Herren, das ist purer Populismus; das hat nichts mit einer klugen Haushaltspolitik zu tun. (Beifall der SPD)
Meine Damen und Herren, der kluge Haushälter tritt nicht nur auf die Bremse, sondern er erkennt, in welchen Bereichen er Impulse setzen muss und wo er einschneiden kann. Der kluge Haushälter weiß, dass der Staat auch in der Zukunft seinen Beitrag zum wirtschaftlichen Wachstum und zu einer gerechten Gesellschaft leisten muss.
Es gibt einige zentrale Fragen, die uns, die Koalitionsfraktionen bewegen. Wie können wir die Qualität der Bildung und der Wissenschaft in unserem Land unter den obwaltenden Finanzbedingungen verbessern? Wie und welche Infrastruktur können wir verbessern, und welche Infrastruktur benötigen wir unter veränderten Rahmenbedingungen? Welche Auswirkungen hat die Erweiterung der Europäischen Union? Wie stark wird sich der demographische Wandel auch auf unsere Kassen auswirken? Wie sieht eine gute Mischung von Freiheit und sozialer Sicherheit aus; denn Freiheit kann den wirtschaftlichen Bereich auch schnell so gestalten, dass es ausschließlich eine Freiheit der wirtschaftlich Starken wird. Welche Folgen – heute ist schon über das Hochwasser geredet worden – wird der Klimawandel für uns haben? Wie müssen wir uns anpassen? Welche Maßnahmen sollten wir unbedingt treffen, um diese Probleme abzufedern?
Die Antwort auf jede dieser Fragen wird mit Sicherheit nicht darin bestehen können, dass sich der Staat aus allen Feldern zurückzieht, privatisiert und einige wenige Rahmenbedingungen für sich behält. Der Staat wird in den Gesellschaften Europas auch weiter ein Akteur sein, der mitgestalten muss. Es geht uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in dieser Zeit um Sparen und Gestalten in schwieriger Zeit. Wir wollen dort sparen, wo das nötig ist, aber dort gestalten, wo das erforderlich ist.
Wer jetzt um des kurzfristigen Erfolgs willen an der falschen Stelle zu radikal einschneidet, radikal streicht und Einrichtungen gefährdet, greift zu kurz. Die rheinlandpfälzische CDU hat sich in der Diskussion in den letzten Wochen und Monate auch auf die angeblichen Sparerfolge der CDU in Hessen, Bayern und Niedersachsen bezogen. Können diese Länder wirklich Vorbild für uns sein? Für uns sind diese Beispiele abschreckend. Wer Universitäten finanziell enthauptet, die Forschungsförderung drastisch abbaut, die Förderung von Übungsleiterinnen und Übungsleitern im Sport abschaffen will, Frauenhäuser und Frauennotrufe schließen lässt oder Schuldnerberatungen abschafft, der setzt die falschen Signale.
Lassen Sie mich das konkretisieren. Wir müssen trotz aller Bemühungen um Ausgabenverzicht die soziale Infrastruktur erhalten.
Die Dienstleistungen in diesem Bereich sind nur durch eine Unterstützung von Ehrenamtlichen möglich, die eine professionelle Begleitung durch hauptamtliche Kräfte einschließt. Nur so können die Qualität und das Engagement gesichert werden. Freiwillige und ehrenamtliche Helferinnen und Helfer sind ein ungeheurer Reichtum unserer Gesellschaft. Anders als in CDUregierten Ländern wollen wir dieses Netz der Menschlichkeit nicht zerstören, sondern fördern. In diesem Zusammenhang ist auch unser Vorschlag zur Versicherung der Ehrenamtlichen zu sehen.
Auch unsere Universitäten müssen sparen. Das ist wohl wahr. Das war noch nie einfach. Wir haben aber erkannt, dass trotz der schwierigen Finanzlage hier Handlungsbedarf besteht. Konkret unterstützen wir die Lehrer an unseren Hochschulen durch unsere Anträge auf zusätzliche Mittel in Höhe von 3 Millionen Euro zunächst in diesem Haushalt.
Das, was in Hessen, Niedersachsen und Bayern geschieht, ist ein Kahlschlag im Hochschulbereich. Der Protest der Studierenden spricht Bände. Alle konservativen Reden zur Hochschulpolitik werden angesichts dieser Einschnitte zu Lippenbekenntnissen.
Die Haushalts- und Finanzpolitik der CDU ist widersprüchlich. Wochenlang haben Sie den Eindruck erweckt, als wären weitere drastische Steuerentlastungen möglich, wenn man sie nur wolle. Es müsse halt gespart werden. Natürlich wolle man Subventionen reduzieren
und Personal abbauen. Lassen wir uns das noch einmal auf der Zunge zergehen, und betrachten wir das genauer.
Die CDU will angeblich Subventionen abbauen, dies natürlich radikal. Wie soll das bei einer solchen Partei anders sein? Wir sprechen von der gleichen CDU, von der gleichen Partei, die sich bisher gegen alle Einschnitte in diesem Bereich gewehrt hat, dies zum Teil mit uns zusammen bei der Eigenheimzulage oder bei der Pendlerpauschale. Wenn man sich aber die Zahlen betrachtet und einmal nachschaut, wo die großen Brocken der Subventionen stehen, ist die Situation so. Zum Vergleich: Die Steuerbefreiung der Zuschläge zur Nachtarbeit macht 2004 voraussichtlich 2 Milliarden Euro aus. Die Eigenheimzulage schlägt mit etwa 11 Milliarden zu Buche. Allein die Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur“ bindet 545 Millionen Euro.
Auf die Vielzahl von weiteren Finanzhilfen für die Landwirtschaft will ich überhaupt nicht eingehen. Welche Finanzhilfen sollen es denn sein, die Sie kürzen wollen? Das Schauspiel haben wir heute wiederholt erlebt. Herr Böhr und auch Herr Bracht scheuen sich wie immer, konkrete Vorschläge zu machen.
Ein besonderer Freund von Herrn Böhr macht es konkreter. Ich habe ihn schon ein paarmal angesprochen. Ich habe nie eine Antwort gehört. Es handelt sich um den Koblenzer Bundestagsabgeordneten, Herrn Fuchs. Er will die Privatschulen, die Kindertagesstätten und die Kultur anständig rasieren und richtig einschneiden. Ich habe noch nie eine Reaktion der Landes-CDU gehört. Anscheinend wird das je nach Publikum unterschiedlich verkündet.
Den ersten Hauptsatz der Steuer- und Haushaltspolitik der CDU muss man wohl wie folgt zusammenfassen: Verlange von den andern, bei Subventionen zu kürzen, verhindere aber die Kürzung, wenn es konkret wird.
Die CDU will oder wollte bis vor wenigen Tagen die Steuern noch weiter senken. Keine Rolle spielte bei diesen Vorschlägen, dass der Gesamtstaat in Deutschland einschließlich der CDU-regierten Länder seit dem Versprechen der blühenden Landschaften mit einer Zahl, die man sich kaum vorstellen kann, nämlich mit 1,3 Billionen Euro in der Kreide steht.
Selbstverständlich sagen wir: Vor allem darum müssen schnell die Stabilitätskriterien des Stabilitäts- und Wachstumspaktes eingehalten werden. Vor allem darum müssen wir uns alle bemühen, alle öffentlichen Haushalte zu konsolidieren. Natürlich brauchen wir dazu wirtschaftliche Impulse, die durch Steuersenkungen ausgelöst werden können. Zentral für unsere Volkswirtschaft ist aber auch ein besseres Bildungssystem, qualitativ hochwertige Forschung und Entwicklung und mehr
ganztägige Bildungs- und Betreuungsangebote für uns ere Kinder, damit sich die Quote der erwerbstätigen Frauen erhöht und die demographische Entwicklung stabilisiert werden kann.
Wir brauchen eine gute Verkehrsinfrastruktur und die Einsicht, dass es eine Belastungsgrenze der öffentlichen Haushalte gibt, die wir im Begriff sind, erreicht zu haben. Mehr Entlastung können wir uns aktuell aber nicht leisten. Ihre Vorstellungen sind irreal. Das wissen Sie auch.