Ich habe diese Situationen beschrieben, weil alle, vielleicht mit Ausnahme des letzten, „tägliches Brot“ der
Jugendhilfe und der Beratungsstellen sind, die Adoptionsvermittlung und zum Teil anonyme Beratung machen. Sie versuchen, Unterstützungsangebote für diese Familien oder für diese Mütter zu organisieren. Keiner dieser beschriebenen Problemsituationen würde sich mit herkömmlichen Angeboten, also mit Beratung oder mit herkömmlichen Adoptionsverfahren nicht regeln lassen. Alle sechs haben anonym ihr Kind zur Welt gebracht. Kein Fall wäre nicht über reguläre Adoptionsverfahren zu regeln gewesen, weil sie ihr Kind nicht behalten wollten.
Ich glaube, keine dieser beschriebenen Problemsituationen würden Sie in die Situation oder in die Kategorie einordnen, von der Sie sagen, verzweifelte Mütter in höchster Not, oder es sind potenzielle Kindsaussetzerinnen oder -töterinnen. Ich beschreibe das so, weil ich glaube, dass man anhand dieser ganz konkreten Recherchen und dieser ganz konkreten Beispiele deutlich machen kann, dass ein Angebot für anonyme Geburten auch einen bestimmten Bedarf schafft. Das sagen wir, dass wir nämlich mit dem Angebot der anonymen Geburt einen zusätzlichen Bedarf schaffen für die Pers onen, die aus welchen Gründen auch immer, auf die regulären Angebote nicht zurückgreifen wollen, weil sie sich administrative Hürden vorstellen, weil sie über ein reguläres Adoptionsverfahren nicht informiert sind, weil sie nicht wissen, wie das abläuft, weil sie nicht wissen, dass sie zum Beispiel den Kindsvater nicht nennen müssen, weil sie nicht die Form der Inkognito-Adoption kennen.
Wir sagen also mit unserem Antrag, dass wir alle anderen Möglichkeiten nutzen müssen, bevor wir mit der Eröffnung der Legalisierung der anonymen Geburt zusätzlichen Bedarf schaffen. Ich glaube, deswegen ist es sehr logisch und sehr konsequent, wenn wir sagen: Wir informieren über die vorhandenen Angebote, die anonyme Beratung, die regulären Adoptionsverfahren.
Ich will an dieser Stelle auf einen Punkt zu sprechen kommen. In Ihrem Antrag steht, Sie wollen bei dem Sexualaufklärungsunterricht schon auf die Möglichkeit der anonymen Geburt und der Babyklappe hinweisen. Da ist mir echt das Blatt aus der Hand gefallen. Da würde ich mir wünschen, dass Sie schreiben: Wir setzen auf sexuelle Selbstbestimmung der jungen Frauen und Mädchen. Wir setzen darauf, dass sie Zugänge haben zu Beratungsangeboten, dass sie wissen, wo es Adoptionsvermittlungsstellen gibt usw. – Das hätte ich mir zumindest in Ergänzung dazu gewünscht.
Ich stelle infrage, dass die Angebote, die anonym erstellt werden – die Babyklappe wie auch die anonyme Geburt in unterschiedlicher Ausprägung –, den Betroffenen und in Not geratenen Frauen helfen. Es ist das falsche Instrument. Dafür gibt es schon Zahlen. Das Land Berlin ist das einzige, das alle Kinder, die in Babyklappen abgeliefert werden, zentral über die staatliche Adoptionsvermittlung vermittelt. Sie sind die Einzigen, die eruieren, wie sich die Zahl der abgegebenen Kinder in Babyklappen zu den Zahlen der ausgesetzten oder auch der getöteten Kinder verhält. Das sind die Zahlen, die wir Ihnen in unserem Antrag dargelegt haben. Da sehen
Sie, obwohl die Zahl der abgegebenen Kinder in den Babyklappen nach oben geht, und zwar deutlich und signifikant, verringert sich die Zahl der ausgesetzten Kinder oder der getöteten in Berlin, wo dies sehr genau überprüft wurde, nicht.
Das ist mit Statistikschwächen belastet – ich weiß es –, weil nicht jedes ausgesetzte Kind tatsächlich gefunden wird usw. Aber auch die Zahlen, auf die wir zurückgreifen können – in Berlin und auch in anderen Bundesländern –, zeigen, dass die Zahl der Aussetzungen und der Kindstötungen nicht zurückgeht. Ich stelle gar nicht Ihre gute Absicht infrage. Aber ich stelle infrage, ob die Instrumente, die Sie nutzen wollen, die richtigen Instrumente sind, um hier zu helfen. Ich sage, die bisher vorgelegten Zahlen und Daten zeigen, sie sind nicht geeignet.
Man muss in diesem Bereich auch über die Landesgrenzen hinaus sehen. Sie wissen, dass zum Beispiel in Frankreich die Zahl der anonymen Geburten seit dem Zweiten Weltkrieg zum Teil pro Jahr auf 10.000 anonyme Geburten gestiegen ist. Sie wissen, dass sich dort eine engagierte Bewegung der Baby-X-Generation, nämlich derjenigen, die anonym geboren werden, organisiert hat, dass sie darauf drängen, dass in Frankreich die Gesetzeslage geändert wird. Mittlerweile gibt es auch in Frankreich sehr gezielte Versuche, auch vonseiten der Regierung, die Möglichkeiten der Herkunftsermittlung zu verbessern und damit den Jugendlichen, aber auch den abgebenden Müttern und den aufnehmenden Familien die Chance zu geben, Wissen über die Herkunft zu erhalten.
Frau Huth-Haage, ich glaube, dass man zu kurz greift, wenn man sagt, das ist das Recht auf Leben, und das darf nicht abgewogen werden gegenüber dem Recht, die eigene Herkunft zu wissen und zu kennen. Auch dieser „Werbespruch“ von „SterniPark“, „Wir tun Ihnen und Ihrem Kind etwas Gutes“ hört eigentlich in dem Moment nach der Geburt auf. Sie wissen, dass alle drei in einer Adoptionsbeziehung – das abgegebene Kind, die abgebende Mutter, aber auch die aufnehmende Familie – zu einem späteren Zeitpunkt immer – das wissen alle Adoptionsstellen – den Bedarf und das Bedürfnis haben, mehr über die Herkunft der Kinder zu wissen und das auch entscheidend ist für die psychische Gesundheit aller drei Beteiligten. Deswegen sagen wir, wir wollen mehr in den Bereich der Beratung stecken. Wir wollen tatsächlich vorhandene Angebote niederschwellig machen und deutlich machen, dass es dort Hilfe gibt. Ich will in einer Busstation kein Hinweisschild auf ein Krankenhaus sehen, das anonyme Geburt ermöglicht. Ich möchte lieber ein Hinweisschild darauf sehen, wo betroffene Frauen entsprechende Beratungsangebote und Ähnliches bekommen.
Meine Damen und Herren, ich will Ihnen auch noch ein Beispiel zur Babyklappe auch aus Berlin, die übrigens im März dieses Jahres eine große Tagung zu diesem Bereich gemacht hat, auch aus dem Bereich der Jugendhilfe, bringen. Dort war es so, dass auf dem Gelände
eines Krankenhauses ein Paar mit einem Kinderwagen auffiel. Es suchte die Babyklappe. Krankenhauspersonal eilt herbei. Ein Kind mit Kinderwagen und einem Rucksack voll Wechselwäsche wie für eine Reise wird übergeben. Alles ist sauber und schön verpackt. Das Kind ist gepflegt und in gutem Zustand. Es ist nach Aussagen der Überbringer kein neugeborenes Kind, sondern zwei Monate alt. Das Krankenhaus nimmt das Kind entgegen und holt nicht die Polizei. Wochen später findet der Vormund des Kindes die Mutter. Sie ist 18 Jahre alt. Es gab automatisch einen Vormund, und dieser Vormund hat die Mutter gesucht. Die Mutter ist 18 Jahre alt, deutscher Herkunft, hat das Abitur – –
und lebt noch bei ihren Eltern. Sie wollte eigentlich gemeinsam mit dem Vater das Kind großziehen, aber noch vor der Geburt brach die Beziehung auseinander. Die junge Mutter fühlte sich mit dem Kind überfordert. Sie hat eine Beziehung zu dem Kind, und jetzt ist sie sehr traurig. Sie macht den Eindruck, dass sie bei der Entscheidung, das Kind wegzugeben, beeinflusst wurde, vielleicht auch durch ihren Begleiter. Sie möchte das Kind noch einmal sehen und auch wiederhaben.
Ich rede nicht darüber, dass Frauen leichtfertig Kinder abgeben, aber ich rede darüber, dass Frauen in Situationen kommen, wo sie diese Entscheidungsmöglichkeit nicht mehr haben. Bei dem regulären Adoptionsverfahren wurde für die informierte Entscheidung der Mutter gekämpft. Wir können doch nicht wirklich hinter diese Fortschritte für die Frau zurückfallen, indem wir solche anonymen Abgabemöglichkeiten eröffnen.
Ich möchte noch Gäste im rheinland-pfälzischen Landtag begrüßen, und zwar „Mitglieder des Bobenheimer Carneval Vereins. Herr Kollege Baldauf hat gesagt, es wären Mitglieder des Bobenheimer und des Roxheimer Carneval Vereins. Recht herzlich willkommen im rheinland-pfälzischen Landtag!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Herren und Damen! Die Landesregierung begrüßt die gemeinsame Initiative der Fraktionen der SPD, CDU und FDP. Sicherlich geht es um eine schwierige Abwägung zwischen hochrangigen Rechtsgütern. Ich möchte vorab zunächst einmal feststellen, weil es für mich auch absolut selbstverständlich ist, dass man in diesen Punkten unterschiedliche Positionen respektieren muss und man
auch respektieren muss, dass es möglicherweise unterschiedliche Vorstellungen von Lösungsansätzen in einer solchen Frage gibt. Aber dennoch möchte ich gern begründen, warum ich glaube oder davon überzeugt bin, dass es vor allem auf zwei Ebenen einen wichtigen Handlungsbedarf gibt. Ich glaube, dass an dem ersten Punkt ein großes Einvernehmen hier im Parlament insgesamt besteht, nämlich bei der Frage, dass wir natürlich – das kommt auch im Antrag zum Ausdruck – dafür sorgen müssen, dass die sozialen und die sozialps ychologischen Hilfeangebote noch niedrigschwelliger und noch effektiver werden müssen.
Ich sage das deshalb, weil wir alle, die sich mit diesem Thema beschäftigen, wissen, dass wir nach wie vor eine Vielzahl von Frauen einfach nicht erreichen, obwohl unsere Angebote sehr gut ausgebaut sind.
Obwohl wir groß ausgebaute Angebote haben, schaffen wir es immer noch nicht, einen bestimmten Personenkreis von werdenden Müttern zu erreichen. Deshalb müssen wir da natürlich einen besonderen Akzent auch in der Zukunft setzen, in diesem Bereich einfach noch besser zu werden. Ich denke, insofern gibt es eine weitgehende Übereinstimmung bei diesen Fragen: mehr Transparenz ins Hilfesystem, mehr Kooperation in den Hilfeinstanzen usw.
Ein grundlegender Dissens zwischen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und den Antrag stellenden Fraktionen und der Landesregierung ist in der Einschätzung an der Stelle vorhanden, wo es darum geht, dass das Thema „anonyme Geburt“ doch einer Rechtsklarheit bedarf. Ich möchte diesen Punkt gern aus meiner Sicht begründen.
Die gegenwärtige Hilfepraxis im Bereich von Beratung, Kindesaufnahme, medizinischer und geburtshilflicher Versorgung unter der Bedingung der Anonymität ist in einer großen rechtlichen Grauzone angesiedelt. Wir alle in diesem Hause wissen, dass es etliche Krankenhäuser gibt, die bereit sind, anonym zu entbinden und vor allem die Ärzte, die das tun, immer wieder in eine rechtlich problematische Situation geraten.
Natürlich ist die Ermöglichung von Anonymität nur dann hilfreich und vertretbar, wenn sie die extrem hilfebedürftigen Frauen nicht sich selbst überlässt, sondern auf deren Wunsch mithilfe zugesagter Anonymität auch
Zugangsmöglichkeiten für erforderliche soziale und sozialpsychologische Hilfen in Extremsituationen geschaffen werden können.
Ich sage es deutlich: Die Schaffung von Rechtssicherheit ist keinesfalls ein Plädoyer dafür, eine weitere Öffnung in Richtung Anonymität zu erwirken, sondern meint eigentlich eine sorgfältige Prüfung, mit welchen rechtlichen Änderungen sich die Voraussetzungen für vertrauliche Geburt und vertrauliche Hilfen in Zukunft verbessern können. Natürlich geht es auch darum, diesen Bereich nicht weiter auszuweiten, sondern für die Zukunft rechtlich sicher zu fassen, weil wir wissen, dass die Krankenhäuser, die Frauen in Konfliktsituationen in einem solchen Fall unterstützen, es nicht mehr ertragen, dass sie sich in einer rechtlich ungesicherten Position befinden.
Deshalb bin ich fest davon überzeugt, dass wir die Krankenhäuser, die sich systematisch auf Geburtshilfe in entsprechenden Konfliktsituationen einstellen müssen, rechtlich davon freistellen, die Identität der Mutter zu ermitteln und gegebenenfalls auch weiterzumelden. Andererseits müssen sie dafür Sorge tragen, dass eine medizinisch betreute Geburt möglichst durch eine sens ible sozialpsychologische Beratung vorbereitet und begleitet wird und hierbei in sachgerechter Abwägung alle im Einzelfall möglichen Anstrengungen bei einer anonymen Geburt unternommen und besonders die Rechte der Kinder gesichert werden; denn auch ich bin davon überzeugt, dass das Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung elementar ist, und die Krankenhäuser, die im Bereich der anonymen Geburt tätig sind, die Verpflichtung haben, darauf hinzuwirken, dass für das Kind in der Zukunft eine Möglichkeit besteht, Kenntnis über seine Abstammung zu erhalten.
Ich möchte ein paar Beispiele dafür nennen, auch wenn sie nach wie vor unkonkret sind, dass es längst Verabredungen von Jugendämtern mit Krankenhäusern gibt. Ich kenne ein paar Städte, weil ich da auch schon tätig war, wo man zwischen Jugendamt und Krankenhaus Wege gefunden hat, einerseits sicherzustellen, dass die Kinder später die Möglichkeit haben, von der Abstammung Kenntnis zu erhalten, andererseits die Ärztinnen und Ärzte nicht in einem rechtlichen Konflikt stehen, dass sie melden müssen, und zwar an die Ordnungsbehörden, die zurzeit Meldepflicht haben.
Ich glaube, dass wir an diesem Punkt einen Handlungsbedarf haben und es darauf ankommen wird, auch in der Ausgestaltung eines entsprechenden Gesetzes, es so zu fassen, dass man einerseits dem Bedarf hinsichtlich der Legalisierung der anonymen Geburt und der Rechtssicherheit gerecht werden und andererseits auch vorbeugen kann, dass Anonymität nicht zur Beliebigkeit wird; denn das will keiner in diesem Hause, und so verstehe ich auch den Antrag der Antrag stellenden Fraktionen nicht.
Ich denke, in diesem Sinn ist für uns völlig klar, wenn im Bundestag dieses Thema im Rahmen der Bundesgesetzgebung aufgerufen wird, dass wir entsprechend der Antragstellung als Landesregierung versuchen werden, diese Anträge auch zu unterstützen und darauf einzuwirken, dass wir tatsächlich in dem Sinn, wie wir es eben auch dargestellt haben, Formulierungen erreichen, die wir miteinander tragen können.
Ich nehme noch einmal Bezug auf die ursprünglichen Anträge, die letztendlich nicht verabschiedet worden sind, die vor allem daran gekrankt haben, dass es überhaupt keine Aussage dazu gab, wie die anonyme Geburt insgesamt im beraterischen und sozialpsychologischen Bereich weiter umrahmt und unterstützt werden kann. Aus unserer Sicht kann das natürlich nicht zielführend sein, sondern beide Aspekte müssen bei einer solchen Legalisierung berücksichtigt werden.
Ich gehe davon aus, dass in diesem Sinn der Antrag zu verstehen ist. Ich habe ihn auf jeden Fall so gelesen.
Meine Interpretation des Antrags ist klar: Dass es einerseits um die Legalisierung der anonymen Geburt geht, andererseits allen Antrag stellenden Fraktionen daran gelegen ist, dass die Begleitung der Mutter so ausgestaltet ist und vor Ort in den Krankenhäusern mit den Organisationen, beispielsweise den Jugendämtern, versucht wird, Konzepte zu erarbeiten, die sowohl dem Interesse der Mutter entsprechen als auch möglichst auf die Tatsache eingehen, dass das Kind grundsätzlich ein Recht auf Kenntnis der Abstammung hat.
Klar im Vordergrund steht die Priorität, die in Not geratene Mutter zu unterstützen. Ich glaube aber, dass der eine Punkt den anderen nicht ausschließt. Ich kenne Krankenhäuser, die das ideal lösen, leider auf einer illegalen Basis. Es ist das Problem, dass man den Ärztinnen und Ärzten dies in Zukunft nicht zumuten kann und viele Krankenhäuser inzwischen die anonyme Geburt deshalb ablehnen, auch in Notsituationen, weil sie sagen, wir sind nicht bereit, als Träger zuzulassen, dass die Ärzte sich im illegalen Bereich bewegen. An dieser Stelle sehe ich einen Handlungsbedarf. Deshalb freue ich mich über diese Initiative. Sobald es auf der Bundesgesetzgebungsebene relevant ist, bleiben wir in Kontakt, um dieses Verfahren auch so zu unterstützen, wie der Landtag es verabschieden oder in der Folgezeit diskutieren wird.
Selbstverständlich werden wir den Wunsch aufgreifen, in Zukunft über die Erfahrungen über die Inanspruchnahme von Babyfenstern zu berichten.