Protocol of the Session on December 10, 2003

Es ist der FDP gelungen, noch einmal zu zeigen, wie viel Macht sie hat, indem sie im Rechtsausschuss diesen Gesetzentwurf sozusagen platzen ließ. Das wird heute wieder geheilt werden. Wir werden es wohl sehen.

Meine Damen und Herren, jetzt zum Inhaltlichen: Auch wir sehen die Möglichkeit, die der vorgelegte Gesetzentwurf bringt, nämlich die Richterwahl zu demokratisieren, als etwas Positives. Allerdings weist der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung verschiedene Halbheiten und Mängel auf. Er bleibt unserer Meinung nach auf halbem Weg zu einer wirklichen Demokratisierung der Richterwahl stehen. Darum werden wir auch so, wie der Gesetzentwurf vorliegt, diesen nicht unterstützen und ablehnen. Deshalb haben wir auch unseren Änderungsantrag eingebracht.

Meine Damen und Herren, die erste Halbherzigkeit dieses Gesetzentwurfs liegt darin, dass die wichtigste Entscheidung, nämlich die Einstellung des Richters oder der Richterin auf Probe, nicht durch den Richterwahlausschuss erfolgt, sondern weiterhin durch den Justizminister entschieden wird.

Meine Damen und Herren, damit wird nach der allgemeinen Erkenntnis, die wir bis jetzt haben, wie die Richterinnenauswahl vor sich geht, dieser Richterwahlausschuss mehr oder weniger zu einem Richterbestätigungsausschuss degradiert; denn es ist wohl so, und dies wurde in der Anhörung auch deutlich, dass die Einstellung zum Proberichter und zur Proberichterin die wichtigste Hürde auf dem Weg zu einem Richteramt ist, weil im Normalfall all diejenigen, die auf Probe eingestellt werden, spätestens nach fünf Jahren auf Lebenszeit ins Richteramt berufen werden. Damit hat der Richterwahlausschuss keine echte Auswahl mehr. Das halten wir für ein großes Manko dieses vorliegenden Gesetzentwurfs.

Das ist auch umso bedauerlicher, weil durch eine Antwort auf meine Kleine Anfrage zur Einstellung von Richterinnen und Richtern deutlich wurde, dass die

Einstellungskriterien für Richterinnen auf Probe alles andere als transparent sind. Aus der Antwort haben wir erfahren, dass es nicht nur strikt nach Examensnoten geht, sondern auch andere Kriterien wie Befähigung usw. bei der Einstellung eines Richters oder einer Richterin auf Probe eine Rolle spielen. Das ist auch in Ordnung. Dagegen haben wir nichts. Aber das zeigt, dass die Entscheidung des Ministers, warum er zum Beispiel die eine Richterin oder den einen Richter der anderen vorzieht, dadurch nicht transparent ist.

Um Transparenz und Gleichberechtigung herzustellen und jeglichen Geruch von Parteilichkeit zu vermeiden, sollten unserer Meinung nach auch Richterinnen und Richter auf Probe vom Richterwahlausschuss gewählt werden. Erst dann kann man von einer echten Wahl sprechen. Darum haben wir unseren Änderungsantrag eingebracht.

Manchmal kam das Argument, dass dann der Richterwahlausschuss überfordert wäre, weil die Richterinnen und Richter auf Probe gewählt werden müssen. Aber das ist nicht stichhaltig; denn wir haben in unserer Antwort auf die oben genannte Kleine Anfrage gesehen, dass es sich im Jahr um 50 bis 60 Entscheidungen handelt. Ich denke, hier würde der Richterwahlausschuss nicht überfordert werden.

Meine Damen und Herren, unsere Forderung, auch die Richterinnen und Richter auf Probe vom Ausschuss wählen zu lassen, wurde von fast allen Expertinnen, die sich bei der Anhörung dazu geäußert haben, unterstützt. Ich verstehe wirklich nicht, warum die Landesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen bei der Demokratisierung der Richterinnenauswahl auf halbem Weg stehen geblieben sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hartloff, SPD)

Herr Hartloff, das mögen Sie so sehen. Wir müssen das natürlich anders sehen.

Auch in einem weiteren Punkt fallen die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen hinter ihren eigenen Anspruch der Demokratisierung zurück. Wir sprachen gerade darüber. Frau Reich hat dies noch einmal sehr deutlich ausgeführt, nämlich dass mit diesem neuen Konstrukt des Richterwahlausschusses der Wille des obersten Souveräns – Frau Reich, das ist das Volk und nicht die hiesige Versammlung – im Richterwahlausschuss repräsentiert sein soll.

Meine Damen und Herren, aber dann müssen unserer Vorstellung nach auch Vertreterinnen und Vertreter, die Minderheiten im Land repräsentieren, also die kleinen Fraktionen, im Richterwahlausschuss mitbeteiligt werden und über die Auswahl der zukünftigen Richterinnen und Richter mitbestimmen dürfen. Darum fordern wir mit unserem Änderungsantrag auch ein Grundmandat für alle im Landtag vertretenen Fraktionen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist allerdings zu befürchten, dass wir auch hierfür keine Mehrheit im Landtag bekommen. Es zeigt sich,

dass die Koalitionsfraktionen es mit der Demokratisierung auch nicht so furchtbar weit treiben wollen.

(Ministerpräsident Beck: Die GRÜNEN sind selbstlos!)

Herr Beck, das habe ich nicht gesagt.

Meine Damen und Herren, einer der Hauptdiskussionspunkte in der Anhörung betraf die Frage der Zusammensetzung des Ausschusses.

Dies ist in einigen vorherigen Reden bereits angeklungen. Die Richterschaft fordert eine deutliche Erhöhung des Anteils der Richterinnen und Richter, während die Koalitionsfraktionen unbeirrt bei ihrer Vorstellung einer starken Repräsentanz von gewählten Vertretern, sprich Abgeordneten, geblieben sind. Das Argument lautet, dass die demokratische Legitimation der Wahl und die Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter größer sei, wenn demokratisch gewählte Vertreterinnen und Vertreter ein Übergewicht in dem Gremium hätten.

Demgegenüber fürchten die Richterinnen und Richter, dass es in der vorliegenden Zusammensetzung des Ausschusses leicht zu parteipolitisch beeinflussten Entscheidungen kommen könne. Immerhin wird die stärkste Fraktion im Landtag – zurzeit ist das die SPD – fünf Mitglieder des Ausschusses stellen und nur eine weitere Stimme benötigen, um ihre Vorstellungen durchsetzen zu können. Die Richter meinen, dass dadurch der Einfluss der größten Fraktion doch zu groß sei.

Wir werden uns dies einmal ansehen. Ich halte es für wichtig, den Ausschuss demokratisch zu legitimieren. Wir werden uns die Entwicklung der Einstellung von Richterinnen und Richter in der nächsten Zeit sehr genau unter diesem Aspekt ansehen.

Meine Damen und Herren, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN befürwortet grundsätzlich die Einführung eines Richterwahlausschusses, in dem sowohl Volksvertreterinnen und -vertreter als auch Richterinnen und Richter sitzen sollen. Damit wird für uns ein Schritt zu mehr Unabhängigkeit der Judikative gegangen, also hin zur Gewaltenteilung. Die Umsetzung dieser wichtigen Weiterentwicklung der Judikative hin zu mehr Transparenz und Demokratie ist aber in dem vorliegenden Gesetzentwurf viel zu halbherzig geraten. Deshalb werden wir diesen Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Anheuser, CDU: Sehr gut!)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Creutzmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zu Beginn meiner Ausführungen bedanke ich mich bei Herrn Kollegen Hartloff für das sehr liebe Geschenk. Ich habe jetzt drei Handys aus Schokolade.

Frau Kollegin Grützmacher, das, was Sie gesagt haben, halte ich schon fast für schäbig. Sie wissen ganz genau, wie das abgelaufen ist. In Ihrer Rede mir zu unterstellen, die FDP-Fraktion hätte ihre Macht ausgespielt, halte ich für nicht kollegial. Das bedaure ich zutiefst, wenn man weiß, wie es tatsächlich war. Das halte ich dann für nicht korrekt. So sind Sie aber nun einmal.

(Beifall bei FDP und SPD)

Für genauso unkollegial halte ich es zu behaupten, nur wenn es ein Grundmandat gebe, sei das Gesetz demokratisch. Offensichtlich sprechen Sie nur dann von Demokratie, wenn die GRÜNEN an der Macht sind. Wenn die GRÜNEN nicht mit dabei sind, dann ist es wohl nicht demokratisch. Sie wissen ganz genau, dass man das mit dem Grundmandat so oder so regeln kann. Das hat auch das Anhörungsverfahren ergeben. Insofern will ich auf dieses Thema nicht eingehen.

Herr Kollege Baldauf, mit Ihrem heutigen Redebeitrag haben Sie sich schlicht und einfach von der Seriösität verabschiedet. Anders kann man Ihren Redebeitrag nicht werten.

(Beifall bei FDP und SPD)

Die Anhörung eines Richters hat genau das erbracht, was Sie gesagt haben. Die Koalition hat die Änderungsanträge aufgrund der Anhörung gestellt. Wie wären wir denn verfahren, wenn wir den Gesetzentwurf des Ministeriums geändert hätten, ohne die Anhörung durchgeführt zu haben? Dann hätten Sie uns das umgekehrt vorgeworfen.

Sie behaupten, die Unabhängigkeit der Richter werde aufgegeben. Genau das Gegenteil ist der Fall. Es gibt Bundesländer, die den Richterwahlausschuss haben, und es gibt Bundesländer, die den Richterwahlausschuss nicht haben. Darüber kann man vielleicht diskutieren. Ich halte es für falsch, zu postulieren, dass durch die Einführung des Richterwahlausschusses die Unabhängigkeit der Richter aufgegeben werde. Frau Kollegin Reich hat bereits entsprechende Ausführungen gemacht. Darauf werde ich in meiner Rede noch zu sprechen kommen.

Den großen Unmut, den die Einführung eines Richterwahlausschusses in Rheinland-Pfalz bei Teilen der Justiz hervorgerufen hat, kann die FDP-Fraktion nicht teilen. Am stärksten richtet sich dieser gegen die Anzahl der Richter als Mitglieder im Ausschuss, die als unterrepräsentiert angesehen werden.

Herr Kollege Baldauf, die Anhörung hat ergeben, dass es auch Richterwahlausschüsse gibt, in denen kein einziger Richter vertreten ist. Es ist natürlich klar, dass der Berufsstand fordert, stärker vertreten zu sein. Dies ist bei zwei Richtern aber keine Brüskierung des Berufsstandes, wie es der Landesvorsitzende des Deutschen Richterbundes postuliert hat. Weder rechtliche noch sachliche Erwägungen stützen die Forderung der Richterschaft nach einer Erhöhung der Anzahl der Richter im Ausschuss. In dieser Einschätzung sehen wir uns durch die kürzlich durchgeführte Anhörung voll bestätigt.

Richterinnen und Richter entscheiden im Namen des Volkes. Dem Willen des Volkes kann noch stärker Rechnung getragen werden, wenn die Richterinnen und Richter zusätzlich vom Volk über deren Vertreter legitimiert werden. Diese demokratische Legitimation der dritten Gewalt würde konterkariert werden, wenn die Zahl der stimmberechtigten Richter im Ausschuss zulasten der Abgeordneten erhöht würde.

Der FDP-Fraktion erscheint im Übrigen das Verhältnis von acht Abgeordneten, zwei Richtern und einem Rechtsanwalt als sachgerecht. Daran ändert der Einwand auch nichts, zusätzliche richterliche Mitglieder würden für mehr Fachkompetenz sorgen. Die gesamte justizbezogene Erfahrung wird durch den Präsidialrat und den Ausschussvorsitzenden, sprich den Justizminister, eingebracht.

Für das Ansinnen der Richterinnen und Richter, wonach die Richterschaft bestimmen soll, wen sie in den Richterwahlausschuss entsenden, kann ich durchaus Verständnis aufbringen. Dennoch muss eine Wahl durch den Landtag erfolgen, um die demokratische Legitimation herzustellen und den Sinn des Richterwahlausschusses erfüllen zu können.

Immer wieder wird vorgebracht, in anderen Bundesländern sei das Verhältnis von Politikern und Richtern ausgewogener, in manchen Bundesländern gebe es sogar eine Mehrheit aufseiten der Richter. Das stimmt. Allerdings wird dabei verkannt, dass in diesen Ländern die Entscheidung des Richterwahlausschusses nicht so transparent und vor allen Dingen nicht derart überprüfbar ist, wie dies bei uns in Rheinland-Pfalz der Fall sein wird. Insofern ist ein derartiger Vergleich nicht haltbar.

Lassen Sie mich zu einem Punkt kommen, den ich für abenteuerlich, geradezu absurd erachte. Durch die Zusammensetzung des Richterwahlausschusses würde es zu einer „Totschlagsmehrheit“ der Abgeordneten kommen, rein politischen und sachfremden Entscheidung würde Tür und Tor geöffnet und es würde rein nach Parteibuch entschieden werden.

Wie dies funktionieren soll, hat sich mir leider immer noch nicht erschlossen. Die Sachverständigen konnten weder mir noch Frau Reich eine stichhaltige Antwort hierauf geben. Natürlich wird sich der Richterwahlausschuss bei seinen Entscheidungen hinsichtlich der Bewerber einzig und allein an den Grundsätzen von Befähigung, Leistung und Eignung orientieren. Alle Rechtsuchenden in Rheinland-Pfalz haben einen Anspruch darauf, dass an unseren Gerichten nur die Besten Recht sprechen. Deshalb wird von dem Prinzip der Bestenauslese auch in Zukunft nicht abgewichen werden. Durch die für alle Bewerberinnen und Bewerber gleichen und insbesondere transparenten Maßstäbe bei der Personalentscheidung und die Überprüfbarkeit der Entscheidungen durch unabhängige Gerichte wird parteipolitisches Taktieren so weit wie möglich ausgeschlossen.

Meine Damen und Herren, eine Entscheidung nach Parteibuch wird es mit den Liberalen nicht geben. Ich bin davon überzeugt, dass dies auch für die Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion gilt.

Für das Ansinnen der Richterinnen und Richter, wonach die Richterschaft bestimmen soll, wen sie in den Richterwahlausschuss entsendet, habe ich durchaus Verständnis. Dennoch – ich betone es wiederholt – muss dies durch den Landtag legitimiert werden.

Herr Kollege Baldauf, nehmen wir rein hypothetisch einmal an, die Opposition, die zusammen mit den Richtern und dem Rechtsanwalt im Richterwahlausschuss immer eine Mehrheit hat, würde eine parteipolitisch motivierte Abstimmung anstreben. Dann muss sie immer noch die Hürde der schriftlichen Begründung einer Entscheidung des Richterwahlausschusses nehmen. Um die Beachtung der Auswahlprinzipien sicherzustellen, muss der Ausschuss nämlich seine Entscheidung schriftlich begründen und hierbei die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe sowie die wesentlichen Gesichtspunkte der Beurteilung der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung angeben.

Meine Damen und Herren, durch die bundesweit einmalige schriftliche Begründungspflicht der Entscheidungen des Richterwahlausschusses wird die notwendige Transparenz, weshalb es zu der getroffenen Entscheidung gekommen ist, geschaffen und damit auch deren gerichtliche Überprüfbarkeit nachhaltig erleichtert. Nach einer möglichen Konkurrentenklage eines unterlegenen Bewerbers steht es dem Justizminister anheim, bei Zweifeln an der Richtigkeit der Auswahlentscheidung des Richterwahlausschusses den Verfassungsgerichtshof des Landes anzurufen. Dies ist einmalig im Vergleich mit allen Richterwahlausschüssen im Bundesgebiet. Damit wird zusätzlich eine objektive Überprüfung der Einhaltung des Prinzips der Bestenauslese auf höchster gerichtlicher Ebene ermöglicht.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Damit ist Ihre Behauptung, dass in der Zukunft die Justiz parteipolitisch instrumentalisiert werden soll, völlig falsch und ad absurdum geführt worden.

Lassen Sie mich noch kurz etwas zum Änderungsantrag von SPD und FDP sagen. Als Ergebnis der Anhörung haben wir die Zahl der in die Vorschlagslisten aufzunehmenden Richter bzw. Rechtsanwälte nach oben auf acht begrenzt. Andernfalls hätte jeder Richter, auf den bei der Wahl zu den Vorschlagslisten auch nur eine Stimme entfällt und der die Wahl annimmt, in die jeweilige Vorschlagsliste aufgenommen werden müssen. Es bedarf wohl keiner näheren Ausführungen, dass dies nicht sinnvoll ist. Deshalb macht eine Begrenzung der jeweiligen Liste Sinn.

Meine Damen und Herren, ich habe vorhin schon erwähnt, man kann die Überlegung, ob ein Grundmandat eingeführt werden soll oder nicht, diskutieren. Es ist aber nicht nur demokratisch legitim, sondern aus der Sicht der großen Fraktionen auch gerechtfertigt, auf ein Grundmandat zu verzichten.

Abschließend halte ich noch einmal fest, auch bei der Einführung des Richterwahlausschusses, der jetzt zu einer größeren demokratischen Legitimation der Richter führt, ist es völlig ausgeschlossen, dass wir künftig die