Protocol of the Session on December 10, 2003

dazu: Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses – Drucksache 14/2714 –

Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/2316 –

Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und FDP – Drucksache 14/2718 –

Zunächst hat die Frau Berichterstatterin Marlies KohnleGros das Wort. (Zuruf von der SPD)

Ich bin angeschlagen, deshalb kann ich heute nicht so viel schwätzen.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich mache es wirklich kurz.

Der Rechtsausschuss hat sich in drei Sitzungen im Lauf dieses Herbstes mit dem Gesetzentwurf der Landesregierung beschäftigt, und zwar in seiner 21. Sitzung am 2. Oktober, in seiner 23. Sitzung am 20. Oktober – da hat eine Anhörung stattgefunden – und in der 24. Sitzung am 4. Dezember. Der Gesetzentwurf der Landesregierung hat bei der Abstimmung im Rechtsausschuss keine Mehrheit gefunden.

(Mertes, SPD: Ha, ha, ein Patt!)

Herr Abgeordneter Baldauf hat das Wort. Die Fraktionen haben eine Redezeit von zehn Minuten vereinbart.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Itzek, SPD: Herr Baldauf, denken Sie daran, was ich Ihnen gesagt habe!)

Zunächst möchte ich ausführen, dass wir uns dem Votum des Rechtsausschusses, das Gesetz abzulehnen, uneingeschränkt anschließen werden.

(Beifall der CDU und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hartloff, SPD: Das zeugt von mangelnder Weisheit!)

Schließlich hat die Anhörung eindeutig ergeben, dass der Gesetzentwurf mit großer Mehrheit von den Betroffenen abgelehnt wird und deshalb die Einführung des Richterwahlausschusses nicht erfolgen darf.

(Zuruf von der SPD)

Warum hört man dies auch aus den Reihen der FDP, darf man dabei fragen.

Deshalb war uns völlig unverständlich, weshalb in der Sitzung noch Änderungsanträge eingebracht wurden, wenn man doch zu der Einsicht gekommen war, dass der Richterwahlausschuss keinen Sinn macht. Das zeigt nur, dass die Regierung selbst und die Regierungsfraktionen nicht von dem ursprünglichen Entwurf überzeugt waren und sind und wieder einmal vor Einbringung des Gesetzentwurfs die Betroffenen nicht angehört wurden. Das ist zwischenzeitlich leider schon Routine bei dieser Landesregierung. Da wird scheinbar manchmal nur nach Gusto entschieden.

(Beifall bei der CDU – Hartloff, SPD: Behaupten Sie doch nicht Zeug, was überhaupt nicht zutrifft!)

Im gesamten Verfahren seit Einbringung des Gesetzentwurfs hat die Regierung krampfhaft versucht, die Sinnhaftigkeit dieses Richterwahlausschusses zu belegen. Bisher hat aber auch niemand behauptet, dass die bisherige Lösung im Gesetz Unfug war und verbessert bzw. ausgetauscht werden müsste. Niemand hat bisher gesagt, dass mit dem bisherigen System die Justiz nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen wäre, wenn auch dünn besetzt, oder funktionsunfähig war. Nein, jede Pressemitteilung aus dem Justizministerium überschüttet die Richter mit Lob über deren Fleiß. Trotzdem wird dann ein solches Gesetz vorgelegt, obwohl jeder von Deregulierung spricht.

Die einzige Ursache und damit Begründung liegt auf der Hand. Dies war so in der Koalitionsvereinbarung fixiert. Jetzt versucht man auf die zwei Jahre zurückliegende Affäre um die Besetzung des Präsidentenstuhls am Mainzer Landgericht zu verweisen und hierin einen Grund für die Änderung zu konstruieren. Leider nimmt Ihnen dies aber niemand ab. Die Koalitionsvereinbarung war leider davor beschlossen worden.

Also kommen wir zu dem einzig denkbaren Grund, warum so etwas Sinnloses von der Regierung verfolgt wird. Man will Parteibuchpolitik betreiben – traurig, traurig – und die SPD-Juristen vorrangig in der Justiz versorgen.

(Zurufe der Abg. Schweitzer und Frau Klamm, SPD – Weitere Zurufe von der SPD)

Das scheint Sie zu treffen. Das ist aufgrund der Mehrheitsverhältnisse klar absehbar.

Da man nur eines sagen kann: Armes Deutschland. – Da fällt mir nur eines ein: Auf Ihrem eigenen Bundesparteitag hatten Sie ein Motto ausgegeben, das lautete: Das Wichtige tun. – Wie Recht hatte abends Harald

Schmidt als er in seiner Show sagte, es müsse eigentlich heißen: Das Unwichtige tun. – Genau das tun Sie hier, meine sehr verehrten Damen und Herren. Besser gesagt: Nicht nur das Unwichtige, sondern auch das Unrichtige tun.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Sehr geehrter Herr Minister, während sich Ihr Vorgänger, Herr Peter Caesar, noch erfolgreich gegen die Einmischung bei der Einstellung und Besetzung von Richterstellen zur Wehr gesetzt hat, kapitulieren Sie jetzt. Das zeugt leider von einem schwachen Rückgrat und inkonsequenter Vertretung der Interessen der Richterschaft, Herr Mertin. Dass sich die Richterschaft von dem eigenen Minister im Stich gelassen fühlt, ist die Konsequenz. Das ist bedauerlich, vielleicht sogar bedenklich.

Die Richterschaft ist zu Recht – wie dies der Vorsitzende des Richterbundes von Rheinland-Pfalz, Udo Werner, treffend ausführte – empört und stocksauer. Herr Minister, mit jedem zweiten Wort verweisen Sie immer wieder auf die richterliche Unabhängigkeit. Hier gerade kapitulieren Sie vor dem großen Koalitionspartner und geben diese Unabhängigkeit auf. Man muss sich das wirklich noch einmal auf der Zunge zergehen lassen. Sie unterstützen jetzt die massive Einflussnahme von Parlamentariern, und damit Parteien, auf die dritte Gewalt. Das ist unvorstellbar.

Frau Reich, in der Anhörung im Ausschuss haben sich alle Anzuhörenden – deshalb war leider Ihre Pressemitteilung etwas neben der Bahn – zunächst gegen diesen Gesetzentwurf ausgesprochen; Ausnahme ein OLGPräsident.

(Frau Reich, SPD: Sie haben nicht richtig zugehört!)

In diesem Zusammenhang muss aber darauf hingewiesen werden, dass wir im Land zwei OLG-Präsidenten haben und man vielleicht auch einmal den anderen OLG-Präsidenten hätte fragen sollen, wie er zu diesem Ausschuss steht. Das kann ich Ihnen nämlich sagen. Die, die es nicht wissen, können sich auch vorstellen, in welcher Partei er ist. Er ist nämlich nicht in der unsrigen, sondern er ist einer der Regierungsparteien. Das würde aber nicht der gewohnten Vorgehensweise dieser Regierung entsprechen.

(Mertes, SPD: Das muss erschütternd sein für Sie, dass der da nicht drin ist! – Zurufe der Abg. Frau Reich und Dr. Schiffmann, SPD)

Herr Kollege Dr. Schiffmann, in einem halben Jahr sehen wir uns vielleicht nicht mehr, weil Sie dann im Europaparlament sind. Ich würde mich darüber freuen, wenn Sie bleiben würden.

Aber ich denke, wir reden jetzt über die Richterschaft. Da müssen wir auch ein bisschen auf die Richterschaft eingehen. Auf jeden Fall ist die Vorgehensweise dieser

Regierung nicht verständlich. Sie hat sich objektiv über die Meinung der Richterschaft hinweggesetzt. Fragt man denn danach, wie viele Mitglieder jeweils von den einzelnen Vereinigungen vertreten werden, so bekommt man vom Vorsitzenden des Richterbundes mitgeteilt, dass er für 700 Richter spricht. Die Personen, die grundsätzlich für die Einführung eines Richterwahlausschusses sind, die ihre eigene Meinung kundtun, bzw. ein Richter des Oberlandesgerichts, vertreten gerade einmal 40 Personen der Richterschaft. Fazit: Die Regierung interessiert – wie in der letzten Zeit leider des öfteren geschehen – die Meinung der Betroffenen herzlich wenig. Es wird lediglich im Anhörungsverfahren ein Schaulaufen durchgeführt. Dass sich dann die Betroffenen verschaukelt fühlen, ist ihnen egal, meine sehr verehrten Damen und Herren der Regierung und ihrer Fraktionen. Aber machen Sie nur weiter so, die Quittung werden Sie irgendwann alsbald auch dafür erhalten.

(Beifall der CDU)

Es gibt glücklicherweise eine Bevölkerung, die wählen darf. (Kuhn, FDP: Aha!)

Daran ändern – wie bereits ausgeführt – auch die Änderungsanträge der Koalition nach der Anhörung überhaupt nichts. Diese sind lediglich der untaugliche Versuch, hier rechtfertigen zu wollen. Dies gelingt ihnen aber damit nicht. Das Gesetz ist schlichtweg überflüssig. Deshalb lehnen wir es in seiner Gänze ab, da keine Verbesserungen, sondern wieder einmal nur weitere Reglementierungen vorgenommen werden. Wir kämpfen eben für die Betroffenen. Das sehen wir in diesem Fall bei Ihnen nicht als gegeben an.

Vielen Dank. (Beifall der CDU – Vereinzelt Heiterkeit bei der SPD – Ministerpräsident Beck: Politik ist, wenn man immer die Betroffenen hört und macht, was die wollen!)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Reich das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich am Anfang eine kurze Bemerkung zu den Anwürfen des CDU-Kollegen machen, was die Abstimmung im Rechtsausschuss anbetrifft. Ich greife hier nur die Worte des Ausschussvorsitzenden, Herrn Schneiders, auf – er sitzt dort in der CDU-Fraktion –, der gesagt hat, der Beschluss sei eine nicht bindende Empfehlung des Rechtsausschusses. Dies stimmt. Der Landesgesetzgeber von Rheinland-Pfalz sitzt heute hier. Wir werden heute rechtswirksam über das Gesetz abstimmen, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und der FDP – Zurufe von der CDU)

Die am stärksten diskutierte Änderung im neuen Richtergesetz ist in der Tat die Einführung des Richterwahlausschusses. Deshalb werde ich mich in meiner Rede darauf und auf den Änderungsantrag der SPDund FDP-Fraktion beschränken. Was ist nicht alles über dieses neue Gremium gesagt worden. Wir haben es gerade wieder sehr anschaulich von Herrn Kollegen Baldauf gehört: Verstärkte politische Einflussnahme auf die Justiz droht, und ebenso, dass nun nur noch parteipolitische Aspekte bei Beförderungen im Vordergrund stehen werden, usw. – Ein Abgrund tut sich auf, muss man denken, wenn man das so hört.

Meine Damen und Herren, deshalb und weil der Kollege Baldauf immer noch nicht weiß, was die Gründe für dieses Gesetz für uns sind, werde ich Ihnen noch einmal sehr kurz und knapp – –

(Hartloff, SPD: Er ist nicht lernfähig!)

Er ist nicht lernfähig, genau.

zwei prägnante Gründe darlegen:

Einmal: Richter werden durch den Wahlausschuss in Rheinland-Pfalz erstmals direkt demokratisch legitimiert.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Du lieber Gott! – Mertes, SPD: Das ist ja ganz schrecklich!)

Ja, ich erkläre es Ihnen. Richter sprechen Recht im Namen des Volkes und werden eben auch durch den obersten Souverän des Volkes gewählt.

(Beifall der SPD und der FDP – Frisch, CDU: Haben die bisher nicht im Namen des Volkes Recht gesprochen?)