Durch die Vorgehensweise, dass nicht neben dem Haushalt mündlich in Begründungen und in Diskussionsbeiträgen die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts diagnostiziert wird, Therapiemaßnahmen vorgeschlagen werden und dargestellt wird, wie die Therapie wirken soll, wird der Landtag dies dadurch, dass das ins Haushaltsgesetz aufgenommen wird oder ist, im Januar bei der Verabschiedung – davon geht die Regierung aus – feststellen. Dann ist der letzte i-Punkt der Vorgaben des Verfassungsgerichts Berlin erfüllt.
Herr Dr. Deubel, eine letzte Frage. Sind Sie meiner Auffassung – wenn ja oder nein hätte ich gern eine Begründung –, dass man indirekt aus diesem Urteil und den Entscheidungen und der Argumentation auch ableiten kann, dass der Haushaltsgesetzgeber eigentlich dazu angehalten werden muss, noch alle Möglichkeiten
der Gegenfinanzierung, das heißt, die Reduzierung der erhöhten Nettokreditaufnahme, vornehmen zu müssen. Auch das gehört in den Begründungszusammenhang. Ich ziele auf den entschiedenen Abbau von Finanzhilfen, Subventionen usw. Das muss ich nicht alles aufführen.
Natürlich ist es aus Sicht der Landesregierung und insbesondere des Finanzministeriums erwünscht, dass die Nettokreditaufnahme so niedrig wie möglich ist.
Bei Gegenfinanzierungsmaßnahmen in einer konjunkturell labilen Situation aber muss einerseits die Landesregierung und dann auch der Haushaltsgesetzgeber Landtag sehr genau abwägen, ob er Gegenfinanzierungsmaßnahmen ergreift, die ihrerseits wiederum das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht stören können, sprich, Wachstum etwa dadurch vermindern, dass Nachfrage wieder entzogen wird, oder ob Maßnahmen ergriffen werden, die eine solche Auswirkung nicht haben.
Man muss volkswirtschaftlich unterschiedliche Perioden unterscheiden. Kurzfristig geht es im Wesentlichen um Nachfragewirksamkeit, mittel- und längerfristig geht es darum, ob ein Haushalt solide ist und die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft in ihren Erwartungen davon ausgehen können, dass eine solide Haushaltswirtschaft durchgeführt wird, die die Bürgerinnen und Bürger nicht dazu zwingt, aus Sorge vor der Zukunft zusätzlich einzusparen.
Das heißt, die ideale Konstellation ist die, aktuell keine oder wenig Gegenfinanzierung vornehmen, die konsumoder investitionseinschränkend ist. Andere Gegenfinanzierungen sind selbstverständlich möglich, etwa Vermögenserlöse; denn die sind neutral, was Nachfrage angeht. Insofern sind Vermögenserlöse in einer solchen Situation zunächst einmal Mittel der Wahl.
Es sollten sinnvollerweise Maßnahmen ergriffen werden, die mittelfristig eine Gegenfinanzierung sichern. Idealerweise werden Maßnahmen beschlossen, die dazu führen, dass etwa 2005 bis 2007 die Ausgaben des Staats aufgrund der beschlossenen Maßnahmen zurückgehen bzw. die Einnahmen kräftig steigen. Das ist volkswirtschaftlich ideal.
Wenn das noch mit einem Konsens darüber verbunden ist, dass die Maßnahmen geeignet sind, und nicht mit einem Zerreden der Maßnahmen in der Öffentlichkeit einhergehen, was psychologisch auch problematisch ist, dann macht man das, was für den Haushalt, für die Volkswirtschaft und für Rheinland-Pfalz vernünftig ist.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, wie Sie Ihre Aussage, die Sie jetzt gemacht haben, nämlich dass die Maßnahme der Landesregierung, eine höhere Kreditaufnahme zu tätigen als Investitionen im Haushalt sind, dazu führt, eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts einzudämmen oder zu verhindern, in Einklang mit den Aussagen des Wirtschaftsministers zu Frage 1 bringen wollen? Er hat dazu klipp und klar erklärt, dass es keinen Zusammenhang zwischen höherer Neuverschuldung und Wirtschaftswachstum in Rheinland-Pfalz gibt?
Das steht im völligen Einklang. Herr Bracht, ich habe Ihrer Frage zu Punkt 1 aufmerksam zugehört. Sie haben gefragt, ob die bisherige Neuverschuldung des Landes einen Effekt, positiv oder negativ, auf die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts gehabt hat.
Herr Bracht, nicht die Nettokreditaufnahme ist die Urs ache dafür, dass dieser Haushalt im nächsten Jahr positive Wirkung auf die rheinland-pfälzische Wirtschaft entfaltet. Das ist nicht die originäre Ursache, sondern die originäre Ursache ist das Vorziehen der Steuerreform, und damit – zweite und dritte Stufe zusammengenommen – eine Milliarde mehr Mittel bei den Bürgerinnen und Bürgern und der Wirtschaft, die zu mehr Nachfrage führt.
Das ist der volkswirtschaftliche Effekt, nicht die Neuverschuldung. Die Neuverschuldung ist eine zwingende Folge des Vorziehens, aber nicht die Ursache für den volkswirtschaftlichen Effekt.
Ich rufe die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Hans-Josef Bracht (CDU), Ausgaben und Verschuldung des Landes Rheinland-Pfalz – Nummer 4 der Drucksache 14/2614 – betreffend, auf.
Herr Präsident, zum Thema „Ausgaben und Verschuldung des Landes Rheinland-Pfalz“ frage ich die Landesregierung:
1. Trifft es zu, dass das Land Rheinland-Pfalz – die Kreditaufnahme der Landesbetriebe, die Kreditaufnahme der Universitätsklinik Mainz zur Finanzierung des Landesanteils an Investitionen nach dem Hochschulbauförderungsgesetz und die aus dem Landeshaushalt zu refinanzierende private Vorfinanzierung von Landesstraßen, Hochwasserschutzanlagen und Hochbauten eingeschlossen – seit 1991 die höchste Zunahme der Verschuldung je Einwohner aller westlichen Flächenländer zu verzeichnen hat?
2. Trifft es zu, dass die Verlagerung von Ausgaben aus dem Kernhaushalt des Landes in Landesbetriebe, in die Vorfinanzierung von Investitionen nach dem sog. „Mogendorfer Modell“, in ausgegliederte oder verselbstständigte Teile der Verwaltung wie die Universitätsklinik Mainz und andere Einrichtungen die im Kernhaushalt ausgewiesenen Ausgaben und jährlichen Ausgabensteigerungen wesentlich verringert hat?
3. Trifft es nach Kenntnis der Landesregierung zu, dass auch andere Bundesländer wie zum Beispiel diejenigen, die an der Grenze zum früheren Os tblock lagen, nach 1990 in erheblichem und mit Rheinland-Pfalz wenigstens annähernd vergleichbarem Umfang die Konversion ehemaliger Militärstandorte zu bewältigen hatten?
4. Welche noch vorhandenen Beteiligungen des Landes und sonstigen Vermögensbestände beabsichtigt die Landesregierung in den Jahren ab 2005 zu veräußern, nachdem die mit dem Haushalt 2004 vorgelegte Finanzplanung hieraus jährliche Einnahmen von 160 bis 200 Millionen Euro zur Deckung von Ausgaben vorsieht?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Bracht, namens der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage wie folgt:
Die Fragen 1 bis 3 stehen in einem engen sachlogischen Zusammenhang. Deshalb möchte ich sie auch zusammengefasst beantworten.
Zu den Fragen 1 bis 3: Richtig ist, dass das Land Rheinland-Pfalz im Verhältnis zu seiner Größe und seinen finanziellen Möglichkeiten die bei weitem höchsten
Konversionslasten zu tragen hatte. Zum einen waren dies die gesamtwirtschaftlichen Wachstumsverluste infolge des außerordentlich starken Nachfrageausfalls und des Wegfalls von Arbeitsplätzen, rund 2 % des Bruttoinlandsprodukts, zum anderen die finanziellen Folgekosten für die Schaffung neuer Arbeitsplätze.
Diese Tatsachen sind ebenso bekannt wie die Tatsache, dass das Land Rheinland-Pfalz vom Bund für diese Sonderlasten keine Hilfe erhalten hat, im Gegensatz zu anderen Ländern, und zwar insbesondere neuen Ländern, die ihre Konversionslasten finanziert bekommen haben.
Die Konversionsausgaben belaufen sich bisher, das heißt, von 1992 bis einschließlich 2002, auf rund 1,4 Milliarden Euro und mussten vom Land, wie gesagt, allein finanziert werden.
Um in anderen Bereichen öffentlicher Leistungsausgaben nicht hinter die anderen Länder weiter zurückzufallen, mussten die Konversionsausgaben im Wesentlichen kreditfinanziert werden. Die Landesregierung hat dies immer unmißverständlich kommuniziert.
Trotz dieser Sonderlasten und des zeitweise höheren Schuldenanstiegs liegt Rheinland-Pfalz aber im Vergleich mit den westlichen Flächenländern – davon gibt es acht – auf einem Rangplatz, der nicht schlechter ist als zum Beispiel in den 80er-Jahren. Die Bundesstatistik weist aus, dass wir per 30. September 2003, also der jüngsten Statistik, auf dem vierten Rangplatz liegen. Auf diesem Platz lagen wir auch in den 80er-Jahren.
Bei Berücksichtigung der Sonderlasten in den 90erJahren wäre also eher die Frage berechtigt, warum wir in den 80er-Jahren, das heißt, ohne Sonderlasten, nicht besser waren als heute.
Die Anfrage enthält den Hinweis auf Ausgliederungen aus dem Kernhaushalt und deren Auswirkungen auf die Ausgabensteigerung und die Verschuldung. Das Problem ist nur, dass viele Länder in den letzten Jahren Ausgliederungen und Buchungsänderungen vorgenommen haben. Als Beispiel will ich nur das milliardenschwere Sonderprogramm in Bayern erwähnen, das völlig außerhalb des Haushalts gefahren wird. In Hessen wird der Hochschulbereich im Landeshaushalt nur noch netto nachgewiesen. Dort sind die Personalausgaben in einem Jahr nicht gestiegen, sondern um 5,7 % gesenkt worden. Selbstverständlich steht dahinter nur eine Ausgliederung.
Nordrhein Westfalen hat wie Rheinland-Pfalz einen Landesbetrieb für Straßen und Verkehr, und ich könnte noch etwa eine halbe Stunde lang weitere Maßnahmen aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein und anderen Bundesländern darstellen. Das heißt, es besteht bundesweit die Situation, dass aus unterschiedlichen Gründen, teilweise aber auch wie bei uns aus wirtschaftlichen
Gründen, Teilbereiche des Haushalts ausgelagert werden, um sie insbesondere in kaufmännischer Form zu führen.
Wir haben allerdings auch Fälle von riesigen echten Schattenhaushalten, die nichts mit kaufmännischer Führung zu tun haben, aber nicht in Rheinland-Pfalz, zumindest nicht in diesem großen Umfang.
Ja, selbstverständlich! Wir haben kleinere Stiftungen wie die Stiftung Innovation, die Stiftung Kultur und ähnliche. Das ist bekannt. Das sind zugegebenermaßen Schattenhaushalte, aber auch nur diese, nicht etwa die Landesbetriebe, die sozusagen voll im Licht stehen.