Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf vorab das eben dargestellte Horrorszenario des Kollegen Wiechmann etwas relativieren, ohne damit irgendetwas bagatellisieren zu wollen.
Ich bin aber der festen Überzeugung, dass wir der gesamten Situation und der Sache nicht dienen, wenn wir sie noch schlechter reden, als sie praktisch ist.
Gestern habe ich zum ersten Mal, was die Ausbildungsplatzsituation angeht, eine positive Überschrift der Bundesanstalt für Arbeit gelesen, die da lautet – ich darf zitieren –: „Lehrstellenlücke im September deutlich verringert“. – Damit ist natürlich das Problem nicht gelöst. Das weiß ich auch. Es ist aber zum ersten Mal so etwas ähnliches zu erkennen wie etwas, dass das Pendel in die andere Richtung ausschlägt. Wenn wir uns ansehen, wie beispielsweise in der Region Trier – weil wir die Zahlen für Rheinland-Pfalz noch nicht abschließend haben – der Lehrstellenmarkt aussieht, wo hundert Lehrstellen mehr zur Verfügung stehen als im letzten Jahr, ist das ein positives Beispiel.
Ebenso lese ich heute Morgen in der Zeitung, dass in Ingelheim auch eine befriedigende Situation eingetreten ist, was den Ausbildungsmarkt angeht. Insgesamt haben in Rheinhessen im Moment 195 junge Menschen keinen Ausbildungsplatz. Dem stehen 132 nicht besetzte Stellen gegenüber. Ich meine, das ist zumindest in Rheinhessen etwas, womit wir leben können. Ich bin da tatsächlich auch zuversichtlich, dass das gelöst werden kann. Das werden wir dann sehen. Ich möchte bloß vorbeugen, dass wir uns hier in Szenarien hineinreden, aus denen wir dann vielleicht nicht wieder herauskommen.
(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP – Creutzmann, FDP: So ist es! – Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das hat Schröder doch schon getan!)
Dann darf ich noch etwas vom Kollegen aufgreifen: „Wir dürfen die jungen Menschen nicht allein lassen.“ Da muss man schon fragen, wer sie allein lässt. Das ist nun
wirklich so. Die Landesregierung an allererster Stelle nicht, und auch da kann man IHK und Kammern keinen Vorwurf machen; denn durch die unterschiedlichen Aktionen, die gestartet worden sind, stellt sich ganz eindeutig dar, wie sehr alle Parteien darum bemüht sind, den jungen Menschen einen Ausbildungsplatz zur Verfügung zu stellen.
Da ich bei Zuversicht bin, möchte ich auf zwei Dinge eingehen, die wir im Rahmen der Anhörung, was die Ausbildungsplatzsituation in Rheinland-Pfalz angeht, haben erkennen können. Da geht es nämlich um die Ausbildungsvergütung. Wir haben zu unserer Überraschung feststellen können, dass die Ausbildungsvergütung nicht einen solchen Stellenwert in der Problematik einnimmt, wie es eigentlich immer demonstriert wird von den Kammern und auch von der IHK. Es gibt eine Untersuchung des Bundesinstituts für Berufsbildung, die ganz klar macht, dass, wenn überhaupt, diese Ausbildungsvergütung einen sekundären Charakter hat.
Im Übrigen ist es so, dass den Betrieben meines Erachtens auch noch mehr – meinetwegen auch durch Lotsenaktionen der IHK oder wie auch immer – in persönlichen Gesprächen klar gemacht werden muss, wie wichtig es ist, dass sie ausbilden; im Übrigen auch für ihr Prestige und für die Werbung ihres eigenen Unternehmens. Wenn man sich vorstellt, wie viel Werbung von den mittelständischen Unternehmen oder auch von den kleinen Unternehmen initiiert wird, damit sie einen besseren Umsatz machen, muss man sich auch darüber im Klaren sein, dass es außerordentlich wichtig ist für den Ruf eines Unternehmens oder einer Firma, wenn denjenigen, die mit denen zu tun haben oder dort einkaufen, klar wird, dass dort ausgebildet wird und sich dort junge Menschen in den Betrieben befinden.
Des Weiteren möchte ich noch kurz auf die Qualifikation der Auszubildenden zu sprechen kommen. Das ist immer wieder ein Thema. Auch das ist etwas, was sehr viel schlechter dargestellt wird, als es in der Wirklichkeit zu sein scheint. Ich will nicht bezweifeln, dass es hier und da Probleme geben mag, was die Qualifikation angeht, aber dennoch ist es so, wenn wir uns ansehen, wie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei „Jugend forscht“ aussehen, oder wenn ich mir ansehe, dass meine beiden Söhne und ihre Freunde, die zu uns nach Hause kommen, verhältnismäßig viel wissen. Das finde ich schon. Das mag dann unseren Ansprüchen in Einzelfällen nicht genügen, wenn wir sagen: Das eine Datum passt nicht, oder in Geschichte könnte das vielleicht besser sein. – Dafür sind sie aber in der Lage, uns auf der Homepage Sachen zu installieren in zehn Minuten, für die wir vielleicht einen halben Tag brauchen würden. Das sind Verschiebungen in der Qualifikation, die von großer Bedeutung sind.
Meine Damen und Herren, bevor wir in die zweite Runde gehen, möchte ich noch kurz etwas zur Umlage sagen. Natürlich müssen wir darüber reden. Das tun wir auch. Es geht auch gar nicht darum, dass man kategorisch sagt: Wir lehnen eine Umlage ab. – Man muss bloß genau schauen, wie sie sein soll.
Wir haben in der Anhörung den Hauptgeschäftsführer der IHK Koblenz gehört, Herrn Podzun, der selbst sagte,
Auch vonseiten der Unternehmer gab es keinen Block, also kein kategorisches Nein. Die Kernaussage bestand darin, diejenigen, die ausbilden, dürften auf keinen Fall bestraft werden. – Das steht fest. Es darf keine Blüten treiben
ich bin sofort fertig –, dass beispielsweise die kammerinternen Prüfungsgebühren angehoben werden, um den Einnahmenausfall zu regulieren.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Jeder, der einen Ausbildungsplatz sucht und ausbildungsfähig ist, muss einen Ausbildungsplatz bekommen – so das Versprechen des Kanzlers im März dieses Jahres. Heute zu Beginn des Ausbildungsjahres 2003/2004 fehlen jedoch noch immer zwischen 35.000 und 40.000 Lehrstellen. Dabei verschweigt diese Zahl den größten Anteil der eigentlichen Lücke. Über 100.000 Jugendliche sind in Auffangmaßnahmen geparkt und tauchen in der Statistik überhaupt nicht mehr auf. Das gilt auch für RheinlandPfalz. Wir hatten im August 6.900 Lehrstellensuchende, im September noch 2.058. Das sind Zahlen, die am Montag vom Landesarbeitsamt veröffentlicht werden.
Die 4.800, die aus der Statistik verschwunden sind, sind zum Großteil im Berufsgrundschuljahr geparkt, ein Problem, das man wie eine Bugwelle vor sich herschiebt und das sich im nächsten Jahr erneut stellen wird. Eine Entlastung bei den Lehrstellen durch eine Belebung des Arbeitsmarkts ist leider auch nicht zu erwarten. Das heißt, alle Anstrengungen, Jugendliche noch in ein Ausbildungsverhältnis zu bringen, konzentrieren sich auf die bessere Vermittlung von Angebot und Nachfrage und auf moralische Appelle an die Unternehmen. Die vielfältigen Vermittlungsanstrengungen verdienen Respekt und Anerkennung und haben auch Erfolge gebracht. Beispielsweise konnte im letzten Jahr im Rahmen einer Nachvermittlungsaktion durch Lehrstellenlotsen und -paten im Oktober schließlich noch die Hälfte aller bis dahin ohne Lehrvertrag verbliebenen Jugendlichen in Ausbildung gebracht werden.
Meine Damen und Herren, der traurige Rest aber läuft Gefahr, ganz zu resignieren und sich als Ungelernte mit Gelegenheitsjobs durchs Leben zu schlagen.
Meine Damen und Herren, ich glaube wir verfolgen alle das Ziel, alle ausbildungsfähigen und -willigen Jugendlichen zu einer Ausbildung zu verhelfen. Aber die Wege dahin sind gravierend verschieden. So hat die Bundesregierung millionenschwere Kampagnen und großflächige Anzeigen veranlasst, die Handlungsfähigkeit vorspielen, jedoch nichts bewegen, so wie die Anzeigen und Plakate für die Agenda 2010, die wir jetzt allerorts sehen können. Profitieren soll das rotgrüne Erscheinungsbild, indem von verfehlter Regierungspolitik abgelenkt wird. Den betroffenen Jugendlichen wird damit leider nicht geholfen.
Nach Aussage von Minister Clement von gestern Abend ist das Thema „Ausbildungsabgabe“ zumindest vorerst vom Tisch. Aber mit Sorge sehen wir den steigenden Druck, der insbesondere vonseiten der Gewerkschaften auf die Bundesregierung ausgeübt wird. Wir wissen doch, die Zwangsabgabe schafft nur mehr Bürokratie, aber keinesfalls mehr Ausbildungsplätze.
Wir haben schon oft darüber gesprochen, dass auf der einen Seite Betriebe die ausbilden wollen, mangels geeigneter Kandidaten keine Einstellung vornehmen können, aber auf der anderen Seite Unternehmen sich per Zahlung ganz aus der Ausbildung verabschieden können. Das ist doch der Anfang vom Ende der dualen Ausbildung.
Herr Kollege, Sie haben es eben angesprochen, das Trojanische Pferd war die größte Verpackungsaktion der Geschichte. Daran wird auch Ihr Stiftungsmodell nichts ändern, verbirgt sich doch dahinter nichts anderes als eine verharmlosende Zwangsabgabe. Man muss sich das einmal vorstellen. Der verbindliche Beitrag, den die Betriebe in eine Stiftung einzahlen sollen, soll sich an der Bruttolohn- und -gehaltssumme orientieren. Das müssen Sie sich einmal überlegen. Sie bestrafen diejenigen, die noch am Standort Deutschland festhalten.
Sie schaffen Anreize, Arbeitsplätze weiter zu verlagern. Wir beobachten ohnehin seit Rotgrün eine Abwanderungswelle in ungekanntem Ausmaß.
Meine Damen und Herren, Politiker reden gern und auch sehr leicht von Pflichten und Aufgaben der Unterneh
men, aber inwieweit erfüllt das Land seine Aufgaben? Rheinland-Pfalz ist das Schlusslicht bei der beruflichen Bildung mit einem Unterrichtsausfall in schwindelerregender Höhe. Die Einführung der Dreiviertelverträge hat zu einer massiven Abwanderung von Berufsschullehrern in benachbarte Bundesländer oder in die Wirtschaft geführt.
(Hammer, SPD: Wer hat Ihnen denn das aufgeschrieben? – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Wir warten auf Ihre Vorschläge, Frau Kollegin!)
Entschuldigung, Sie waren eingeladen bei der Anhörung der Experten zum Thema „Zukunft der Arbeit“. Da ist genau das gesagt worden. Leider waren Sie nicht dabei. (Beifall der CDU)
Es hieß, der Unterrichtsausfall in den berufsbildenden Schulen liegt bei weit über 10 %. Nehmen wir dazu noch die Erkenntnisse der PISA-Studie – – –
Meine Damen und Herren, es liegt doch auf der Hand. Meinen Sie, wenn der Metzgermeister seinem Auszubildenden erst noch beibringen muss, dass das Kilogramm 1.000 Gramm hat, der bildet in Zukunft noch aus?
Meine Damen und Herren, auch die Lage beim Mittelstand hat sich nicht verbessert. Wir haben 42.000 Unternehmen, die in diesem Jahr in Insolvenz gehen werden gegenüber immerhin schon 38.000 im Vorjahr. Das ist eine dramatische Steigerung. Dadurch werden wieder 600.000 Arbeitsplätze vernichtet werden. „Kreditreform“ rechnet übrigens mit einer weiter steigenden Zahl der Insolvenzen bis in das Jahr 2004. Es ist klar, wer in seinem Betrieb um das Überleben kämpft, kann nicht weiter Ausbildungsplätze schaffen.