Protocol of the Session on October 9, 2003

Das muss man sich auch vergegenwärtigen, wenn man über die Struktur der Personalkosten in den Länderhaushalten spricht, und zwar nicht, weil ich über irgendwelche Privilegien rede, sondern weil man sehen muss, welche Diskrepanz sich nach einem Berufsleben im Beamtenverhältnis oder 45-jähriger Tätigkeit in der Wirtschaft ergibt. Das muss man sehen. Sie wissen alle, dass das, was auf die Rentnerinnen und Rentner in den nächsten Jahren zukommt, kein Pappenstiel ist. Ich sage es: voraussichtliche Nullrunde für Rentner, Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge, Erhöhung des Ertragsanteils für die Besteuerung usw. – Deswegen sagen wir: Sozial verantwortbare Kürzungen sind mit uns im Rahmen der Öffnungsklausel zu machen. Das war das, wo wir zustimmen.

Sie wissen, es wird auch eine Modifikation kommen. Diese muss kommen.

Herr Mertes, ich verstehe wirklich nicht, warum Sie einen Vorschlag für einen Gesetzestext mit tragen, der in der Ausgestaltung der Öffnungsklausel die Rasenmähermethode à la Beck und Bauckhage anwendet, und Sie nicht in der Lage sind, eine soziale Staffelung vorzunehmen, und zwar nicht nur beim Urlaubs-, sondern auch beim Weihnachtsgeld.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben gesagt, dort, wo die GRÜNEN mit regieren, nehmen sie auch Veränderungen vor. Sie gehen doch auch an die Sonderzahlung. Das stelle ich überhaupt nicht Abrede. Ich sage Ihnen einmal, was die anderen Bundesländer, die von der SPD geführt werden, hinsichtlich der sozialen Staffelung machen. Die SPD in Nordrhein-Westfalen kann es, nämlich bis A 8 60 % und über A 8 50 %. Bei Versorgungsempfängern gibt es auch eine Staffelung.

Die SPD in Berlin kann es, und zwar mit einem einheitlichen Sockelbetrag für die aktiv Beschäftigten und halbiert für die Versorgungsempfängerinnen. Die SPD in

Schleswig-Holstein kann es. Diese macht eine noch sehr viel differenziertere Staffelung, nämlich 70 %, 67 %, 64 % und 60 %. Sogar Herr Stoiber in Bayern plant eine soziale Staffelung.

Es ist mir überhaupt nicht nachvollziehbar, warum die rheinland-pfälzischen Sozialdemokraten den Weg des Rasenmähers gewählt haben. Diesen Weg gehen wir nicht mit.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich biete Ihnen an – das steht in der Tradition eines Versuchs, den wir Anfang des Jahres gemacht haben –, über diese Dinge zu reden. Das ist nun einmal der größte Einzelposten. Es geht aber nicht, wenn Sie den Gesetzentwurf in dem Verfahren durchpeitschen.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Richtig! – Zuruf des Abg. Mertes, SPD)

Nein, ich sage Ihnen etwas anders. Entkoppeln Sie Ihre Regelungen für 2003 und 2004. Machen Sie Ihre Lösung für 2003. Die Zeit sitzt Ihnen im Nacken. Für 2004 können wir auch im Januar ein Gesetz verabschieden. Dann haben wir Zeit, Gegenmodelle, Pauschalierungen und Sockelbeträge zu berechnen.

(Zuruf des Ministerpräsidenten Beck)

Das ist doch eine Frage der Ausgestaltung und des Zahlungsmodus. Nehmen Sie einmal für den Januar eine andere Regelung vor. Es kann doch nicht sein, dass uns das davon abhält, in einem solchen Punkt zu einer besseren Lösung zu kommen als die, die Sie vorgeschlagen haben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unser Angebot steht, in diesem Bereich miteinander zu reden. Wir fangen nächste Woche schon bei der Anhörung damit an, natürlich auch mit der Diskussion. Aber wenn Sie das im November verabschieden wollen, dann sagen Sie mir, wo Zeit zur Prüfung von Alternativen bleiben soll. Ich sehe sie nicht.

(Ministerpräsident Beck: Hätten Sie Vorschläge gemacht!)

Herr Beck, wenn Ihr Vorschlag Anfang September kam, dann kann ich auch sagen, Sie hätten eine Menge Zeit gehabt, vorher Vorschläge zu machen. Ich habe schon in der Sommerpause darum gebeten und gefragt, welche Kriterien wir anlegen wollen, welche Dinge wir machen wollen. Sie müssen doch zugestehen, dass wir zum Beispiel für die Berechnung bestimmter Vorschläge als Fraktion überhaupt nicht die Ressourcen haben. Wir sind doch darauf angewiesen, das im Beratungsgang gemeinsam zu machen und auch mit einer ressourcenmäßigen Unterstützung aus den Ministerien, weil man das doch anders so nicht bewahrheiten kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hätten wir einen handgestrickten Vorschlag vorgelegt, wären Sie doch der Erste gewesen, der das wie nichts weggewischt hätte. Das lasse ich also so nicht gelten.

Es ist für mich auch ein Stück Maßstab für Ihr Interesse an konsensualen Entscheidungen und Kooperationen in einer Oppositionsfraktion. Wenn Sie das vorweg entscheiden, dann frage ich mich, was wir noch miteinander sollen. Dann können wir das toujours wie bisher machen. Vielleicht haben Sie einen besseren Vorschlag.

Ich will noch zu Ihren Schwerpunkten im Haushaltsplan etwas sagen. Herr Mittler hat von der Bildung gesprochen und gesagt: Humankapital ist zentraler Schlüssel zur Wohlstandssicherung. – Ja, Herr Mittler, das stimmt. Wenn das eine zentrale Botschaft Ihres Haushalts sein soll, warum findet das dann keinen durchgehenden Niederschlag? Auf die Ganztagsschulen und die Ganztagsbetreuung komme ich später noch. Ich will aber jetzt erst noch über die Bildungspolitik mit dem Schwerpunkt Hochschulen sprechen.

Es geht, wenn wir über Bildung, über Wissenskultur und Aufgaben der Gesellschaft der Zukunft sprechen, darum, uns die Frage zu stellen, wie wir es schaffen, den Anteil der Hochgebildeten zu erhöhen. Dann schaue ich in die letzten Interviews des Wissenschaftsministers Zöllner – er ist leider heute nicht anwesend –, aber ich muss ihn einmal zitieren. Er betreibt einen Offenbarungseid, wenn er sagt: „Hochschulen stehen an der Kante.“ Aber Ende September sagt er noch deutlicher: „Es ist eine Illusion zu glauben, dass die Hochschulen bei der derzeitigen finanziellen Ausstattung die erforderliche Größenordnung von Akademikern ausbilden können.“ Was ist das anderes als ein Offenbarungseid dieser Landesregierung? Sie wissen nicht erst aus der OECD-Studie – daran kann man methodische Kritik üben usw. –, wir kommen doch nicht daran vorbei, dass wir sagen: Wir müssen den Anteil derjenigen, die einen Hochschulzugang haben können, erhöhen, das heißt, die Zahl der Abiturienten, den Zugang zu den Hochschulen für Menschen mit anderen Bildungszugängen schaffen. Aber wir müssen tatsächlich auch den Anteil der Studierenden erhöhen, und zwar nicht darauf vertrauend, dass die anderen Bundesländer dies tun, sondern wir müssen das in diesem Land schaffen, weil genau die Kreativität und das Potenzial der jungen Menschen doch das Zukunftspotenzial auch für dieses Land ist, weil die Hochschulen und die Fachhochschulen – –

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Sie können nachher noch sprechen.

die Entwicklungskerne in Regionen sind. Wir können es nicht so machen wie Sie, dass wir sagen: 2004 sollen die Hochschulen, die größere Aufgaben haben, mehr Studierende versorgen sollen, ein besseres Lehrangebot schaffen sollen, die Studierenden schneller durch das Studium bringen sollen, das mit einem Haushaltsvolumen schaffen, das im Vergleich zu 2002 noch einmal deutlich zurückgeführt wurde. Die Hochschulen haben 2004 mehr als 30 Millionen Euro weniger im Sack als 2002 statt mehr, die Sie bräuchten, um diese Aufgaben zu lösen. Ich rede nicht für eine reine Inputorientierung, dass ich deutlich sage, die Hochschulen können aber

nur das, was wirklich an Geld hereinkommt. Natürlich braucht man Reformen, natürlich machen sich die Hochschulen auf den Weg, ihre eigenen Leistungen zu verändern, sich umzustrukturieren, mehr in eigener Verantwortung zu machen, aber sie brauchen diese finanzielle Ausstattung, sonst werden wir in diesen Entwicklungen abgehängt. Das ist das Letzte, was sich dieses Land leisten kann, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wissen, in Deutschland ist die Situation so, dass der Anteil der Hochschulabsolventen und -absolventinnen in den vergangenen Jahrzehnten faktisch gleich geblieben ist. Es hat sich vielleicht ein Stück verändert, aber es ist faktisch gleich geblieben. Das kann es nicht sein, da brauchen wir mehr. Dafür müssen wir uns auch mehr im Land anstrengen. Das muss seinen Niederschlag im Haushalt finden, meine Damen und Herren.

Jetzt komme ich zu den Bereichen Ganztagsschule und Ganztagsbetreuung.

(Zurufe von der SPD und von der CDU)

Wollen Sie etwas sagen? Bitte. Herr Pörksen, Sie wissen, ich liebe Ihre Zwischenrufe, weil man darauf so nett reagieren kann. Aber wenn es nur noch „bäh, bäh“ ist, fällt mir auch nichts mehr dazu ein.

Meine Damen und Herren, das Ganztagsschulprogramm hat Herr Mertes angesprochen. Er ist zu Recht stolz darauf. Er ist zu Recht stolz auf die 50 Millionen, die aus dem Landeshaushalt hineinfließen. Er ist mit Recht auch stolz auf die 50 Millionen, die von der Bundesebene kommen und die es diesem Land auch ermöglichen, noch einen Schlag zuzulegen. Das ist vorausschauende Politik, Herr Dr. Gölter – weil Sie gerade so schauen –, auch auf der Bundesebene.

(Zuruf des Abg. Dr. Gölter, CDU)

Sie haben gerade so geschaut.

Das ist vorausschauende Politik und verdient auch unsere Unterstützung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich lasse jetzt einmal die kleinen, aber wichtigen Auseinandersetzungen über die Ausgestaltung weg. Wir werden noch viele Punkte und Situationen haben, wo wir das diskutieren können.

Ich sage aber auch, dass sich die Schulpolitik des Landes nach den Erkenntnissen aus der PISA-Studie nicht auf dem richtigen Schritt für mehr Ganztagsangebote ausruhen kann, sondern dass wir wichtige Weichenstellungen für eine zukunftsfähige Bildungslandschaft brauchen. Dabei geht es nicht nur um erschwingliche zusätzliche finanzielle Belastungen, sondern auch um strukturelle Veränderungen.

Eine zentrale Forderung von uns ist dabei: Längere gemeinsame und individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler, weil das auch die Zahl von Spitzenleis

tungen fördert, aber die Förderung jedes Einzelnen auch sicherstellt. Das heißt zum Beispiel auch, jetzt die Veränderungen, die sich in den Schulen ergeben, weil die sehr viel geburtenschwächeren Jahrgänge folgen, zu nutzen, um das Schulsystem vom Kopf auf die Füße zu stellen.

Herr Kuhn, wir wissen, erfolgreiche PISA-Länder investieren im Vergleich zu uns erheblich mehr in die Bildung im Elementar- und Primarbereich und weniger in die Sekundarstufe II. Ich finde, dass das, was im Haushaltsplan dargestellt wird, dass nämlich eine Vielzahl von Lehrerinnen- und Lehrerstellen – es sind, glaube ich, knapp 700 – für den Unterricht der Schülerinnen und Schüler an den Grund- und Hauptschulen frei werden soll und in den Sekundarstufe-I- und Sekundarstufe-IIBereich verschoben werden soll, nicht der richtige Weg ist. Zumindest ein Teil dieser Stellen muss im Grundschulbereich verbleiben, weil dort notwendige Zusatzangebote geschaffen werden müssen, erste Fremdsprache, bessere individuelle Sprachförderung und Ähnliches, also das, was im Elementar- und Grundschulbereich gemacht werden muss. Sie wissen, dass gerade die Lehrkräfte an den Grundschulen die höchste Verantwortung für den weiteren Bildungserfolg der Kinder tragen. Deswegen müssen wir es vom Kopf auf die Füße stellen und in diesen Bereich mehr investieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Kontext sehe ich dann auch den Ausbau der Ganztagsbetreuung in Kindertagesstätten, in die UnterDreijährigen-Betreuung – da ist Rheinland-Pfalz nach wie vor noch ein Schlusslicht bei den Angeboten für Kinder unter drei Jahren –, eine Qualitätsoffensive in den Kindertagesstätten, die den Bildungsauftrag dort ernst nimmt. Es ist mittlerweile selbst bei der CDU angekommen, dass ein gutes Betreuungsangebot keine Vergesellschaftung der Familie ist, sondern ein wichtiger Baustein weitsichtiger Familienpolitik. Genau deswegen müssen wir diese Potenziale im Land ausbauen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will noch zu einem Loch in Ihrem Haushaltsplan etwas sagen.

Kein Haushaltsloch, sondern es fehlt. Sie haben keine Perspektive für das wichtige Zukunftsfeld der ökologischen Innovation. Ich sehe sie nicht, obwohl ich mich bemüht habe zu suchen.

Meine Damen und Herren, für eine Nachhaltigkeitsstrategie reicht es nicht aus, schöne Broschüren, Selbstverpflichtungen und radelnde Minister und Ministerinnen vorzuzeigen, sondern dazu gehört mehr.

Es ist schon bezeichnend, dass in dem wichtigen Bereich Förderung der Markteinführung für erneuerbare Energien die Fördersumme in Ihrem Haus halbiert wird, Herr Bauckhage. Ich schaue mir Titel für Titel noch ein

mal an und habe bisher noch keinen bei Ihnen gefunden, der tatsächlich eine Halbierung erfahren hätte.