...................................................................................................................3715, 3743 Abg. Böhr, CDU:.......................................................................................................................3667, 3714 Abg. Bracht, CDU:.............................................................................................................................3716 Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:................................................................... 3725, 3730, 3753 Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD:..............................................................................................3746, 3748 Abg. Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:.............................................................................3740, 3741 Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU:.......................................................................................... 3745, 3746, 3747 Abg. Frau Morsblech, FDP:................................................................................................................3731 Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:........................................................................3688, 3748 Abg. Fuhr, SPD:................................................................................................................................3752 Abg. Hohn, FDP:.......................................................................................................................3730, 3754 Abg. Kuhn, FDP:............................................................................................................. 3697, 3704, 3750 Abg. Lammert, CDU:..........................................................................................................................3750 Abg. Licht, CDU:................................................................................................................................3751 Abg. Mertes, SPD:.............................................................................................................................3678 Abg. Pörksen, SPD:..................................................................................................................3741, 3744 Abg. Ramsauer, SPD:........................................................................................................................3721 Bauckhage, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau:...................................3736, 3741 Beck, Ministerpräsident:............................................................................................................3705, 3714 Frau Conrad, Ministerin für Umwelt und Forsten:.................................................................................3755 Mittler, Minister der Finanzen:.............................................................................................................3744 Präsident Grimm:.....................................................3746, 3747, 3748, 3749, 3750, 3751, 3753, 3754, 3756 Vizepräsident Creutzmann:............................................................................3696, 3704, 3705, 3715, 3716 Vizepräsidentin Frau Grützmacher:..................3721, 3725, 3730, 3731, 3735, 3740, 3741, 3743, 3744, 3745 Vizepräsidentin Frau Hammer:......................................................................................... 3667, 3678, 3688
Zu schriftführenden Abgeordneten berufe ich Heike Raab und Gerd Schreiner. Die Rednerliste führt Herr Schreiner.
Entschuldigt sind für heute die Abgeordneten Klaus Hammer, Anne Kipp, Dr. Dieter Schiffmann, Dr. Gerhard Schmidt sowie Elfriede Meurer und Staatsminister Professor Dr. Jürgen Zöllner.
Wir fahren in der Tagesordnung so, wie sie in der gestrigen Sitzung festgestellt worden ist, fort. Es ist auf Folgendes hinzuweisen: Die Beratungen des Landeshaushaltgesetzentwurfs 2004 erfolgen gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Landtags nach den vom Ältestenrat festgelegten Grundsätzen. Diese Grundsätze wurden den Mitgliedern des Landtags mit Schreiben vom 10. September 2003 mitgeteilt. Der Einfachheit halber wurden sie nochmals auf die Plätze verteilt.
Landeshaushaltsgesetz 2004 (LHG 2004) Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 14/2520 – Erste Beratung
dazu: Finanzplan des Landes Rheinland-Pfalz für die Jahre 2003 bis 2007 Unterrichtung durch die Landesregierung – Drucksache 14/2521; Vorlage 14/2625 –
...tes Landesgesetz zur Änderung besoldungsund versorgungsrechtlicher Vorschriften Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 14/2505 – Erste Beratung
Die Fraktionen haben eine Redezeit von 90 Minuten vereinbart. Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Böhr, dem Vorsitzenden der Fraktion der CDU, das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Lage in Deutschland, die wirtschaftliche zumal, ist, um es sehr zurückhaltend zu formulieren, Besorgnis erregend. Deutschland im Herbst 2003 ist ein Land, das bis zu den Haarspitzen in Problemen steckt, ein Land, in dem viele Menschen Sorgen und Ängste
haben. Das kann nicht verwundern; denn das Jahr, das zu Ende geht, war ein Jahr der Negativrekorde: Pleiten ohne Ende, eine Arbeitslosigkeit, die steigt und steigt, Umsätze beim Handel, die gewaltig einbrechen und eingebrochen sind, ein Mittelstand, das wirtschaftliche Rückgrat unserer Gesellschaft, der ums Überleben kämpft.
Wir alle wissen inzwischen, dass es sich nicht um eine konjunkturelle Delle handelt, sondern die Probleme, die uns zu schaffen machen, tiefe strukturelle Gründe haben. Inzwischen hat die Auseinandersetzung mit diesen strukturellen Gründen begonnen. Sie sind die Ursache dafür, dass wir uns in einer Art Abwärtssog bewegen.
Für mich ist das Schlimmste in zahlreichen Gesprächen, die viele von uns in den letzten Wochen geführt haben, beispielsweise in Betrieben, als es darum ging, zusätzliche Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, dass sich allmählich Hoffnungslosigkeit breit zu machen beginnt.
Infolge dieser wirklich Besorgnis erregenden Lage hat in Deutschland eine Debatte begonnen, die notwendig ist, der wir nicht ausweichen können und wollen, eine schwierige Debatte, die in den letzten Wochen manche Berührungspunkte zwischen den Parteien gezeigt hat, insbesondere zwischen den beiden großen Parteien. In einem Fall hat es sogar schon zu einem, wie ich finde, sehr vernünftigen Kompromiss geführt. In anderen Bereichen ist die Debatte aber nach wie vor durch tief greifende Meinungsverschiedenheiten geprägt.
Warum sage ich das? Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage das vor dem Hintergrund, vor dem auch wir in Rheinland-Pfalz diskutieren, da das, was ich in wenigen Stichworten über die Lage in Deutschland beschrieben habe, die Lage in Rheinland-Pfalz genauso prägt, wie sie über unser Land hinaus prägend ist. Vor diesem Hintergrund muss die öffentliche Finanz- und Haushaltspolitik mehr denn je das eine große Ziel verfolgen, nämlich wirtschaftliches Wachstum zu fördern, damit endlich wieder Arbeitsplätze in Deutschland entstehen können. Das ist die Messlatte.
Diese Messlatte gilt nicht nur für den Bund, sondern sie gilt genauso für die 16 Länder, wie sie auch für unsere Städte und Gemeinden gilt. Für mich und für uns gibt es kein wichtigeres Ziel.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, viele von uns und ich spüren, dass immer mehr dieses Ziel gar nicht mehr für erreichbar halten. Ich behaupte, dieses Ziel ist natürlich erreichbar, wenn endlich die richtigen politischen Weichenstellungen erfolgen.
Wahr ist, dass diese Weichenstellungen vorrangig Aufgabe der Bundespolitik sind. Aber manch eine Entscheidung im Bund läuft ins Leere, wenn sie nicht durch Entscheidungen in den Landtagen und in den Ländern untermauert und unterfüttert wird. Die Haushalts- und Finanzpolitik muss diesem einen Ziel dienen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer in diesen Wochen die Zeitungen liest, auch die Berichte über andere Bundesländer, wird unschwer feststellen: Viele ringen um dieses Ziel und bemühen sich. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Rheinland-Pfalz aber findet sich davon keine Spur, wenn ich jedenfalls die Rede des Finanzministers am gestrigen Tage zum Maßstab nehme. (Beifall der CDU)
Das ist das Betrübliche. Herr Minister, ich sage es jetzt sehr zurückhaltend; denn die Lage ist viel zu ernst, um jetzt billige Polemik zu machen, aber ein bisschen Polemik muss schon um der Zuspitzung willen sein. Diese Rede gestern war eine wirkliche Zumutung für das Parlament und die Öffentlichkeit mit Blick auf die Probleme, mit denen wir es zu tun haben.
Verehrter Herr Minister Mittler, trotz aller Enttäuschung habe ich ein kleines Fünkchen Hoffnung; denn wenn die Passagen, in denen Sie den hessischen Ministerpräs identen zitieren, in Zukunft immer länger werden und Ihre Reden immer mehr aus Zitaten des hessischen Ministerpräsidenten bestehen, dann muss ich sagen, ist die Lage in Rheinland-Pfalz noch nicht verloren, sondern dann ist das Grund für mich, neue Hoffnung zu schöpfen. (Beifall der CDU)
Auch in Erinnerung an Debatten, die wir im Januar 1999 in diesem Haus geführt haben, bin ich jedenfalls sehr froh, dass die Beliebtheit meines Freundes Roland Koch bei der rheinland-pfälzischen SPD und bei der rheinlandpfälzischen Landesregierung in den letzten Jahren extrem zugenommen hat. Er hat es auch aufgrund seiner Politik, die er in Hessen gemacht hat, verdient. Ich freue mich darüber.
Mit Verlaub, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Rede war bestürzend. Ich will hinzufügen, sie war eine ehrliche Rede; denn sie hat die ganze Ratlosigkeit der Landesregierung zum Ausdruck gebracht. Das, was der Minister gestern vorgetragen hat, war der nachdrückliche Beweis dafür, dass dieser Landesregierung längst alles aus den Händen geglitten ist. Diese Ratlosigkeit stellen wir seit langer Zeit fest. Seitdem die Probleme wachsen, also seit Mitte der 90er-Jahre, haben wir es mit einer Landesregierung zu tun, von der ich immer mehr den Eindruck gewinne, dass sie überhaupt nicht den Ehrgeiz entwickelt, sich mit diesen Problemen auseinander zu setzen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn es noch eines Beweises der Überforderung der Landesregierung bedurft hätte, gestern wurden wir Augen- und Ohrenzeuge dieses Beweises der Überforderung. Das wird man wohl noch sagen dürfen. Das beginnt mit der Kraft zur Ehrlichkeit. (Beifall der CDU)
Sinngemäß hat der Minister gestern gesagt, keine beschönigenden Zahlen. Wissen Sie, die Beschönigung beginnt bei der Eröffnungsbilanz dieses Haushalts. Wir haben nach dem heutigen Stand im Jahr 2003, also im laufenden Haushaltsjahr, roundabout 200 Millionen Euro Mehrausgaben. Wir haben nach heutigem Stand roundabout 300 Millionen Euro weniger Einnahmen. Wir wissen, wenn wir ein bisschen darunter und darüber bleiben, dass die Verfassungsgrenze in diesem Jahr auf jeden Fall gebrochen wird. Das ist jetzt das zweite Mal in Folge. Das war schon 2002 so, dass die Verfassungsgrenze im Ist mit gut 500 Millionen Euro gebrochen wurde. Damit lagen wir 2002 im Ist über der Verfassungsgrenze. Wenn ich eine Rede wie gestern höre, gewinne ich den Eindruck, diese Tatsache lässt die Landesregierung ziemlich kalt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Jetzt ist man froh, dass man sozusagen dieses Hintertürchen gefunden hat. Das will ich in der Sache nicht in Abrede stellen. Das ist die Feststellung des wirtschaftlichen Ungleichgewichts, also die Feststellung der Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts. Man fühlt sich wie befreit, dass dieses Joch von einem genommen wurde, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Die Tatsache, dass das wirtschaftliche Ungleichgewicht festgestellt und das Verletzen dieser Verfassungsgrenze nicht mehr als Verfassungsbruch gilt, ist doch keine Ausrede in der Sache. Andere Bundesländer schaffen es doch auch in diesen Wochen und Monaten, trotzdem einen Haushalt vorzulegen, der die Verfassungsgrenze berücksichtigt und achtet. Das ist doch kein Ding der Unmöglichkeit.
Herr Hartloff, mir ist klar, warum vorzugsweise im Moment der hessische Ministerpräsident zitiert wird. Das vorhin gelobte Hessen – nicht von mir, sondern vom Finanzminister gelobte Hessen – nicht – – –
Es sind sehr wenige. Es sind ein paar wenige, die die Verfassungsgrenze in diesen Wochen verletzen. Es sind insgesamt fünf Bundesländer nach dem heutigen Stand der Haushaltsberatungen. Ich komme zum Unterschied. Ich beziehe Berlin mit ein.
Wir müssen alle gelegentlich in Berlin sein, leider immer häufiger. Da kann man Berliner Zeitungen lesen. Wenn man eine Berliner Zeitung liest, liest man große Berichte über unseren ehemaligen Kollegen Dr. Sarrazin. Jetzt komme ich zum Unterschied. Alle, die die Verfassungsgrenze in diesem Jahr reißen, haben längst begonnen, die Notbremse zu ziehen. Nur in Rheinland-Pfalz kann ich nicht feststellen, dass irgendwo die Notbremse angesichts der dramatischen Haushaltsentwicklung gezogen wurde. Das ist der Unterschied zwischen RheinlandPfalz und anderen Bundesländern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen bleibe ich dabei: Ich habe den Eindruck, es lässt Sie völlig kalt. Ich glaube, den Grund zu ahnen, warum es Sie kalt lässt. Sie halten es gar nicht für möglich, diesen Landeshaushalt so zu gestalten, dass er die Verfassungsgrenze beachtet und berücksichtigt. Ihr Motiv ist ein anderes. Sie warten auf bessere Zeiten. Sie warten darauf, dass die Konjunktur wieder anspringt, es in Deutschland endlich wieder besser wird und das Joch, das im Moment auf uns liegt, nicht mehr so sehr drückt und es so weiter geht wie vorher. Das ist eine bittere Selbsttäuschung, der Sie unterliegen. So wird es nicht mehr kommen.
Herr Kollege Kuhn stöhnt. Ich kann das verstehen, lieber Herr Kollege Kuhn. Ihre Partei lässt sich in anderen Ländern deutlich anders zu diesem Thema ein als Sie. Sie sagen überhaupt nichts zu diesem Thema.
Herr Kollege Kuhn, wenn einer in Rheinland-Pfalz die Zeitung liest und 20 Jahre lang nicht in Rheinland-Pfalz war, dann hat er nicht den Eindruck, dass Sie hier mitregieren. Er kann das aufgrund der öffentlichen Berichterstattung nicht feststellen.
Ich komme zu 2004. Der Verfassungsbruch wird von vornherein eingeplant, obwohl Einnahmen und Ausgaben schöngerechnet werden. Bei den Einnahmenerwartungen nehmen Sie eine Steigerung bei der Mehrwertsteuer und bei der Körperschaftsteuer an, und zwar in einer Größenordnung, die nicht von schlechten Eltern ist. In Ihren Prognosen gibt es eine Einnahmensteigerung von rund 280 Millionen Euro. Das ist eine gewagte Prognose, aber gut. Gleichzeitig wissen wir alle, dass die Gewerbesteuerumlage im nächsten Jahr weiter sinken wird.
Sie schätzen die nicht steuerlichen Einnahmen. Das ist ein uralter Trick. Ich kann mich nicht erinnern, jemals eine Haushaltsrede gehalten zu haben, ohne diese Bemerkung machen zu müssen. Die nicht steuerlichen Einnahmen werden um 80 Millionen Euro zu hoch angesetzt. Das ist ein Trick, dessen Sie sich seit vielen Jahren bedienen. Wenn die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland anhält, das heißt, wenn wir gesamtstaatlich ein verringertes Steueraufkommen haben, werden automatisch die Mittel aus dem Länderfinanzausgleich und den Bundesergänzungszuweisungen sinken. Ich werde gleich darauf zu sprechen kommen, dass das für Rheinland-Pfalz ein wichtiger Punkt ist. Wir wissen überhaupt erst, wie es weiter geht, wenn wir in wenigen Tagen die November-Steuerschätzung haben, die hoffentlich etwas mehr Klarheit bringt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Summe heißt das, statt Mehreinnahmen in 2004, wie Sie es in Ihrer Haushaltsplanung zugrunde legen, werden wir in 2004 eher Mindereinnahmen haben. Das wird in einer Größenordnung sein, die ich nicht bis in die letzte Stelle hinter dem Komma vorhersehen kann. Wenn man von einer Mindereinnahme in einer Größenordnung von 350 bis 400 Millionen Euro ausgeht, ist man nicht ganz auf der falschen Seite. Ein solcher Betrag ist eine Hausnummer.