Protocol of the Session on July 10, 2003

Frau Ministerin, Sie haben ein bisschen nebulös von Quereinsteigern und Seiteneinsteigern gesprochen. Ich habe das nicht so genau verstanden. Können Sie vielleicht einmal ganz konkret auf die Zahlen eingehen? Können Sie einmal die Zahlen sowohl für die Quereinsteiger als auch für die Seiteneinsteiger nennen? Das gilt insbesondere für den berufsbildenden Bereich, da uns der ganz besonders interessiert.

Ich finde nicht, dass ich das nebulös beantwortet habe. Ich erkläre das aber gern noch einmal etwas ausführlicher: Der Quereinstieg ist die Begrifflichkeit dafür, dass die Personen in den Vorbereitungsdienst einsteigen. Das sind Personen, die nicht vorher auf den Beruf des Lehrers mit Erstem Staatsexamen studiert haben, sondern das sind Menschen, die einen qualifizierten Hochschulabschluss haben und dann in den Vorbereitungsdienst gehen.

Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger sind die Personen, die direkt in den Schuldienst gehen und auch einen entsprechend qualifizierten Hochschulabschluss haben.

Die Zahlen muss ich Ihnen jetzt aus dem Kopf sagen. Meines Wissens hatten wir im vergangenen Jahr im berufsbildenden Bereich 11 Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger. Wir hatten aber eine Vielzahl von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern in das Seminar. Ein erheblicher Anteil der Seminarkapazitäten wird also heute rekrutiert aus der Gruppe der sogenannten Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger. Sonst hätten wir überhaupt nicht die Möglichkeit, die Seminare in diesem Umfang auszulasten.

Ich erteile Frau Abgeordneter Brede-Hoffmann für eine Zusatzfrage das Wort.

Frau Ministerin, teilen Sie meine Erfahrungen, die ich in vielen Schulen gesammelt habe, die an dem Projekt POS teilgenommen haben, dass diese Form der Vertretungslösung in Selbstverantwortung der Schulen bereits im zurückliegenden Jahr große Ausfälle gemindert hat?

Teilen Sie auch meine Einschätzung, dass eine Erweiterung dieses Programms im kommenden Schuljahr im Besonderen im Bereich des temporären Unterrichtsausfalls eine große Lösung darstellen wird?

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Brede-Hoffmann, ich kann nur unterstreichen, dass neben dem so genannten strukturellen Unterrichtsausfall, über den wir eben diskutiert haben und um den wir uns selbstverständlich bemühen, ihn so gering wie irgend möglich zu halten, insbesondere für die schulische Praxis der so genannte temporäre Unterrichtsausfall von Bedeutung ist.

Ich halte es für einen großen Fortschritt, dass es mit dem Projekt „Erweiterte Selbstständigkeit“ erstmals gelungen ist, den Schulen zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen, um die Situation des Unterrichtsausfalls

weiter zu verbessern. Die Akzeptanz der Schulen deutet darauf hin, dass dieses in hohem Maß von den Schulen gesehen wird. Sie wissen, dass wir 142 Schulen im Projekt haben und zum nächsten Schuljahr weitere 100 Schulen an diesem Projekt teilnehmen möchten.

(Beifall der SPD und der FDP)

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Keller.

Frau Ministerin, Sie schieben den drastischen Lehrermangel an den berufsbildenden Schulen vor allem auf externe Gründe. Das sehe ich nicht. Sie hätten selbst die Möglichkeit, aktiv tätig zu werden. Es ist bekannt, dass es an genügend Referendaren für den Berufsschulbereich mangelt. Sie hätten die Möglichkeit, diese Stellen attraktiver zu machen, – –

Herr Keller, bitte stellen Sie Ihre Frage.

indem Sie die Anwärterbezüge erhöhen. Warum haben Sie das bisher nicht gemacht?

(Zurufe von der SPD – Keller, CDU: Ihnen muss man manche Dinge etwas länger erklären, damit Sie sie kapieren!)

Ich darf Sie trösten. Ich hatte schon nach dem ersten Satz verstanden, auf was Sie hinauswollen.

(Keller, CDU: Sie schon, aber die nicht!)

In Ihrer Frage war insofern eine Unterstellung, als dass Sie davon ausgehen, dass für junge Menschen primär die Frage entscheidend ist, wie hoch die Anwärterbezüge sind, um sich für ein Lehramt und eine bestimmte Schulart zu entscheiden. Es gibt zum Beispiel eine Untersuchung von HIS (Hochschul-Informations-System), in der potenzielle Bewerberinnen und Bewerber für das Lehramt gefragt worden sind, welche Punkte für sie entscheidend seien. Hier ist die Frage der Anwärterbezüge eher eine nachrangige Frage aus Sicht der Betroffenen.

Sie haben eine Frage konkret zu den Anwärtersonderzuschlägen gestellt. Diese Möglichkeit ist bundesweit eröffnet worden. Bisher hat meines Wissens kein Land der Bundesrepublik Deutschland davon Gebrauch ge

macht. Das hängt mit der angespannten finanziellen Situation zusammen.

(Ministerpräsident Beck: Aber die CDU fordert wieder einmal mehr Geld!)

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wiechmann.

Frau Ministerin, es geht auch um die Attraktivität des Lehrerberufs. Die eine Möglichkeit, die Attraktivität zu steigern, hat mein Kollege Keller schon aufgezeigt, zum Beispiel die Erhöhung der Bezüge.

Ich habe folgende Frage: Inwieweit glauben Sie, dass Sie unter den aktuellen erschwerten Bedingungen für Lehrerinnen und Lehrer, die immer mehr Aufgaben zugewiesen bekommen, mit ihrer Philosophie die Attraktivität des Lehrerberufs tatsächlich noch steigern können? Wie wollen Sie das konkret machen?

Herr Abgeordneter Wiechmann, die Attraktivität des Lehrerberufs ist sicherlich von vielfältigen Faktoren abhängig. Selbstverständlich sind auch wir gefordert, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Lehrerinnen und Lehrer ihrer Aufgabe nachkommen können. Ich sage aber auch dazu: Meine feste Überzeugung ist, dass die Attraktivität des Lehrerberufs – das sagen uns auch die internationalen Vergleichsstudien; denn wenn sie die Frage des Einkommens und des Gehalts vergleichen, wissen Sie, dass wir gar nicht so schlecht dastehen – in hohem Maß von der gesellschaftlichen Anerkennung des Berufs der Lehrerinnen und Lehrer abhängt.

(Beifall bei SPD und FDP)

Deswegen habe ich mir von Anfang an zum Programm gemacht, dieses sehr deutlich herauszustellen. Ich bin froh, dass es auf der Ebene der Kultusministerkonferenz gelungen ist, auch als Ländergemeinschaft eine Imagekampagne zum Lehrerberuf in Auftrag zu geben. Ich halte das für dringend notwendig.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wiechmann.

Frau Ministerin, eine letzte Frage. Halten Sie es für einen gangbaren Weg, auch im Bereich der Lehrerinnenbildung etwas mehr zu tun, das heißt, die Lehrerinnen und Lehrer nicht unbedingt immer nach Schularten

auszubilden, sondern vielleicht nach Schulstufen, um sie in der Hinsicht flexibler zu machen, was auf sie zukommt, und vielleicht auch breiter auszubilden, damit sie nicht nur an Grund- und Hauptschulen, sondern eventuell auch an Realschulen unterrichten können?

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Wiechmann, ich habe von einer Vielzahl von Faktoren gesprochen, die wichtig sind, um die Attraktivität des Lehrerinnen- und Lehrerberufs zu steigern. Meine Messlatte bei der Überprüfung des von Herrn Zöllner vorgelegten Konzepts zur Reform der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung war, ob die Attraktivität des Lehrerinnen- und Lehrerberufs gestärkt wird. Ich bin der festen Überzeugung, dass mit dieser Reform ein Beitrag zur Attraktivitätssteigerung geleistet wird. Deswegen ist sie nicht nur im Hinblick auf die fachliche und pädagogische Qualifikation der Lehrerinnen und Lehrer dringend notwendig, sondern auch, damit wir dauerhaft ausreichenden Nachwuchs für diesen Bereich sichern.

(Beifall der SPD und der FDP)

Damit ist die Mündliche Anfrage beantwortet.

Ich rufe die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Ise Thomas (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Vorgezogene Steuerreform: Finanzierung und Auswirkung auf den Landeshaushalt 2004 – Nummer 3 der Drucksache 14/2331 – betreffend, auf.

Bitte, Frau Thomas.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie hoch veranschlagt die Landesregierung zum jetzigen Zeitpunkt die Nettoneuverschuldung für das Haushaltsjahr 2004 unter Berücksichtigung der im Bundeshaushalt vorgesehenen Subventionskürzungen und der vollständigen Kreditfinanzierung der vorgezogenen Steuerreform?

2. Welche Vorschläge zum Abbau von Subventionen und/oder Leistungsgesetzen will das Land Rheinland-Pfalz im Bundesrat einbringen bzw. welchen Vorschlägen zustimmen?

3. Beabsichtigt das Land, die Einnahmeausfälle vollständig oder in großen Teilen durch Erhöhung der Nettokreditaufnahme zu finanzieren?

4. Wird die Landesregierung das Überschreiten der verfassungsmäßig festgelegten Kreditobergrenze (Artikel 117 Landesverfassung Rheinland-Pfalz) mit der Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts erklären?

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Staatsminister Mittler das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung begrüßt die Absicht der Bundesregierung, die dritte Stufe der Steuerreform bereits im kommenden Jahr wirksam werden zu lassen. Dies führt zu einer Entlastung vor allem der privaten Haushalte und der mittelständischen Wirtschaft nach aktualisierten Berechnungen bundesweit um rund 15,6 Milliarden Euro. Unter Berücksichtigung der im gleichen Jahr in Kraft tretenden zweiten Reformstufe errechnet sich für das Jahr 2004 eine Gesamtentlastung von 21,8 Milliarden Euro.

Die rheinland-pfälzischen Steuerzahler können im nächsten Jahr mit einer Entlastung von rund 1 Milliarde Euro rechnen.

Die um ein Jahr vorgezogene Steuerentlastung ist die notwendige und angemessene Reaktion auf die anhaltende Wachstumsschwäche. Insoweit kann von dieser Maßnahme ein entscheidender wirtschaftlicher und psychologischer Impuls für eine konjunkturelle Besserung ausgehen, da sie die private Binnennachfrage ebenso stärkt wie die Investitionsfähigkeit der Unternehmen. Karl Schiller würde sagen: Die Eimer sind gefüllt, jetzt müssen die Pferde saufen.

Die Landesregierung hat das Vorziehen der dritten Steuerreformstufe nicht nur früher als andere befürwortet – wiederum andere streiten sich noch, ob sie dafür oder dagegen sein sollen –, sondern sie in internen Beratungen und Gesprächen schon seit geraumer Zeit gefordert. Unter strengen und allein haushaltswirtschaftlichen Aspekten stellt sich die Frage, ob wir uns das Vorziehen der Steuerreform leisten können.

Doch im Hinblick auf die gesamtwirtschaftliche Situation können wir uns den Verzicht auf das Vorziehen noch weniger leisten.

(Itzek, SPD: So ist es!)

Im Übrigen kann unterstellt werden, dass die massive steuerliche Entlastung die Akzeptanz für den von der Bundesregierung vorgesehenen und von allen politischen und gesellschaftlichen Kräften geforderten Subventionsabbau erhöht.

(Beifall der SPD und der FDP)

Die Verwirklichung des mittelfristigen Konsolidierungskurses und -ziels wird dadurch abgestützt. Für den Landeshaushalt 2004 errechnet sich aufgrund der vom Bundesfinanzministerium aktualisierten Ausfallschätzung eine Mindereinnahme von 273 Millionen Euro.