Die Realität beweist allerdings, dass dort, wo eine konsequente Sprachförderung stattfindet, Erfolge erzielt werden können. Diese Sprachförderung darf aber nicht erst in der Grundschule beginnen, sondern sie muss im Kindergarten beginnen.
Statistiken sprechen eine deutliche Sprache. In der Antwort auf die Große Anfrage der FDP-Fraktion sind einige enthalten. Über ein Fünftel der ausländischen Schüler in Rheinland-Pfalz verlässt die Schule ohne Hauptschulabschluss. Die Migrantenkinder liegen damit über dem Durchschnitt. Ebenfalls überdurchschnittlich ist die Quote bei den Nichtversetzungen und bei Sonderschulzuweisungen. Unterdurchschnittlich ist beispiels
Konsens besteht in diesem Haus mit Sicherheit darüber – das hat man schon gehört –, dass Kinder möglichst früh, also im Kindergartenalter, in Deutsch gefördert werden müssen. Unterschiedliche Auffassungen bestehen jedoch – das beweist der vorliegende Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – über die Methode des Spracherwerbs.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert für Migrantenkinder eine zweisprachige Erziehung, wobei sie die Förderung der Erstsprache als notwendige Voraussetzung zum erfolgreichen Erwerb der Zweitsprache, also des Deutschen, ansieht. In die Praxis umgesetzt bedeutet das – ich nehme jetzt einmal ein türkisches Kind –, dass ein türkisches Kind im Kindergarten zuerst in Türkisch und dann in Deutsch gefördert werden soll. Das ist unserer Meinung nach aus verschiedenen Gründen der falsche Weg. Deshalb lehnen wir den vorliegenden Antrag ab.
Die zweisprachige Erziehung setzt eine systematische Sprachförderung und Sprachunterstützung im Elternhaus voraus. Sie ist möglich, aber dann müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Diese Rahmenbedingungen können wir in der Regel nicht gewährleisten. Zur Sprachunterstützung im Elternhaus sind die meisten Eltern nicht in der Lage. Realität ist auch, dass durch eine zweisprachige Erziehung viele ausländische Kinder überfordert sind.
Die systematische Förderung von Kindern in Kindergarten und Grundschule in der Erstsprache würde zudem erhebliche finanzielle Mittel verschlingen, die zulasten anderer notwendiger Maßnahmen aufgebracht werden müssen. Zum Nulltarif geht das also nicht.
Die CDU verfolgt ein anderes Konzept zum frühen Spracherwerb, das unserer Meinung nach mindestens genauso effektiv ist. Alle Kinder, nicht nur die Migrantenkinder, sollen möglichst früh – also im Kindergarten – sprachlich intensiv gefördert werden. Dies setzt eine verstärkte Spracharbeit im Kindergarten voraus. Dort, wo dies bereits jetzt gemacht wird – leider gibt es noch zu wenige Beispiele –, sind die Ergebnisse äußerst ermutigend, ja positiv. Wichtig ist es auch, dass man die Sprachkompetenz gezielt überprüft.
Zu dem Bereich, aber auch zu anderen Bereichen des frühen Spracherwerbs hat die CDU-Fraktion vor einem knappen Jahr einen entsprechenden Antrag gestellt, der leider abgelehnt wurde. Andere Bundesländer machen uns mittlerweile vor, wie man frühkindliche Sprachförderung betreibt. Es gibt in Rheinland-Pfalz auch einige, aber die kann man derzeit noch mehr als den berühmten Tropfen auf den heißen Stein bezeichnen.
Wo bleibt der vor einem Jahr geforderte Bildungsplan? Still ruht der See. Wenn man so lange mit den freien Trägern für einen Bildungsplan benötigt, in dem der Spracherwerb eine zentrale Position einnimmt, scheint
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es ein bisschen schade, dass wir heute nur fünf Minuten Redezeit für dieses Thema haben, weil – Herr Kollege Wiechmann hat das schon erwähnt – die Antwort auf die Große Anfrage der FDP-Fraktion hinzugekommen ist und man dieses Thema vielleicht auch etwas facettenreicher und nicht nur über den kalten Kaffee, den Herr Keller immer vorträgt, diskutieren könnte.
In der Antwort auf die Große Anfrage ist sehr deutlich geworden, wie differenziert die Problematik der Sprachförderung in den Kindertagesstätten und im Schulbereich zu betrachten ist und wie differenziert deshalb auch das Instrumentarium sein muss, mit dem in diesem Bereich gearbeitet wird. Das zeigt auch, dass die Landesregierung versucht, den Ansatz möglichst breit zu setzen, um zu sehen, wie die Sprachförderung optimiert werden kann, aber auch, um den verschiedenen Facetten des Problems gerecht zu werden.
Wir sind uns darüber einig, dass der Erwerb der deutschen Sprache die Grundlage dafür darstellt, überhaupt an einem Bildungsangebot teilnehmen zu können. Insofern sind wir uns sogar mit der CDU-Fraktion und Herrn Keller einig. Wir haben aber auch das Problem, dass wir innerhalb deutscher Kindergruppen bis zu 20 % Sprachstörungen zu verzeichnen haben. Das haben verschiedene Untersuchungen in Kindertagesstätten gezeigt. Deshalb müssen wir auch da die Sprachförderung mit einbeziehen.
Wir haben weiter – deshalb ist das auch so facettenreich – große regionale Unterschiede. In Ludwigshafen liegt der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund bei 26,7 %, in Mainz liegt er bei 17,7 und in SohrenBüchenbeuren sind es bei Aussiedlerinnen und Aussiedlern bis zu 43,3 %. Das zeigt, dass man regional unterschiedlich ansetzen muss.
Eine ähnliche Situation haben wir auch bei den Schularten. Daher muss man sehen, dass man nicht nach dem Gießkannenprinzip vorgehen kann.
Wir wissen auch, dass es richtig und wichtig ist, dass ein Kind zunächst einmal sicher in seiner eigenen Sprache ist, bevor es andere Sprachen dazulernen kann. Wir wissen aber auch, dass gerade kleine Kinder spielerisch sehr gut in der Lage sind zu lernen. Ich finde es – da muss ich doch noch einmal auf die CDU-Fraktion eingehen – sehr witzig; denn dieses Spannungsfeld sehen Sie nicht als Dilemma an, wenn es darum geht, deutschen Kindern in der Kindertagesstätte oder in der Grundschule Französisch oder Englisch zu vermitteln, Herr Keller.
Die deutschen Kinder können das, aber die ausländischen Kinder sind dazu nicht in der Lage. Für mich ist das immer ein großes Rätsel.
Etwas in die Richtung von Herrn Wiechmann sage ich: Wir haben die Möglichkeit des Einsatzes von Erzieherinnen und Erziehern muttersprachlicher Herkunft. Es nützt aber nichts, einen Antrag zu beschließen, in dem gesagt wird, dass das ausgeschöpft werden soll; denn das wird sehr gut angenommen. Dazu benötigen wir keinen neuen Antrag.
Wichtig ist, dass wir Sprache praxisnah in den Kindertagesstätten vermitteln und wir nicht für alles und jedes einen Kurs brauchen, sondern Sprache natürlich am besten in der Alltagssituation vermittelt werden kann. Deshalb ist es wichtig, dass die Erzieherinnen und Erzieher in der Lage sind, möglichst früh eine Diagnose zu treffen und dann entsprechend die Kinder zu fördern.
Sicherlich wird es – dazu sind schließlich die in den vergangenen neun Monaten neu eingerichteten Sprachförderkurse da – in dem einen oder anderen Fall wichtig sein zu sagen: Dieses Kind muss gesondert intensiv gefördert werden, und dies am besten mit seinen Eltern zusammen. – Uns ist als FDP-Fraktion wichtig, dass die Diagnose sehr früh gestellt wird. Dazu ist es nicht notwendig, einen Test zu machen – den am besten noch vor Eintritt in die Grundschule, um das Kind dann zurückzustellen und es vom Bildungsangebot fernzuhalten, wie Sie das wollen –, sondern wir brauchen eine Diagnose und dann wirklich eine umfassende Förderung in die Grundschulzeit hinein.
Wir werden auf Dauer einheitliche und überschaubare Dokumentationssysteme brauchen. Wir wissen, dass es beim Übergang von der Kindertagesstätte in die Grundschule ein Datenschutzproblem gibt. Ich denke aber, wir müssen darauf hinwirken, dass die Sprachförderung möglichst übergangslos erfolgt und das Kind, wenn es mehr Förderbedarf benötigt, auch intensiver gefördert wird.
Herr Keller, mit Ihrer Maßnahme und den Maßnahmen, die die CDU in anderen Bundesländern praktiziert, wer
den wir nicht weiterkommen, sondern die Kinder vom Bildungsangebot grundsätzlich fern halten. Das ist nicht der richtige Ansatz.
Meine Damen und Herren, ich würde gern noch etwas zu den Jugendlichen sagen, obwohl das nicht zum Antrag der GRÜNEN passt, die in einem späteren Alter in unser Schulsystem eintreten.
Ich komme gleich zum Schluss. Im Schulbereich ist immens viel passiert. Das ist schon angesprochen worden. Es sind 237 Vollzeitlehrerstellen vorhanden. Das sind 67 mehr als im Jahr davor. Es ist so viel passiert, dass man dazu nicht mehr viel sagen muss.
Die GRÜNEN kommen insgesamt mit ihrem Antrag in den meisten Punkten zu spät, weil sie sagen, dass sie die Antwort der Landesregierung mit ihren Forderungen kompatibel finden. Das heißt, es wird schon gemacht. Die Kollegin Spurzem hat angesprochen, dass wir in manchen Punkten selbst noch einmal evaluieren möchten, wie sich die Maßnahmen entwickeln
und darauf basierend noch einen perspektivischen Prozess einleiten. Deshalb wird es eventuell einen weiteren Antrag geben. Im Moment sehen wir dafür keinen Bedarf.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich muss zugeben, dass es mir allmählich Vergnügen bereitet, im Anschluss an Herrn Keller zu diesem Thema auftreten zu dürfen.
Sehr geehrter Herr Keller, wenn Sie bei diesem Thema das PISA-Syndrom mit angeführt haben, will ich sagen: Es kann gar keinen Zweifel daran geben, dass das Abschneiden von Deutschland und auch von RheinlandPfalz bei PISA eine große Herausforderung für uns alle bedeutet, zusätzlich im Bildungsbereich etwas zu tun.
Wenn Sie allerdings in dem Zusammenhang das Stichwort IGLU verschweigen, machen Sie den Fehler, offensichtlich nicht zu erkennen, dass wir uns im Elementarund im Primarbereich nicht im Kern des Problems bewegen, sondern erst später. Das schließt nicht aus, dass wir uns – wie gezeigt – selbstverständlich auch im Elementarbereich und in der Grundschule alle Mühe geben müssen, mit den vorhandenen Ressourcen noch effizienter umzugehen, auch wenn wir in IGLU sehr viel besser als in PISA aussehen. Das ist keine Frage. So zu tun, als wäre das Kardinalproblem des Bildungswesens ein Versagen im Kindergarten- und im Grundschulbereich, ist vor dem Hintergrund von IGLU schlicht unredlich. (Beifall der SPD und der FDP)
Wenn Sie zweitens reklamieren, dass wir beim Thema „Bildungsempfehlungen“ angeblich nicht vorankämen und endlich einmal an die Arbeit gehen sollten, muss ich sagen, dass dieses eine sehr mutige Äußerung war. Ich hoffe, dass sehr viele unserer Partner – ich denke an die evangelische und die katholische Kirche – diese Forderung mitgehört haben. Sie werden sich sehr verblüfft zeigen.