Protocol of the Session on June 4, 2003

Danke schön.

(Beifall bei der FDP – Kramer, CDU: Sie stehen ziemlich allein!)

Es spricht Frau Staatsministerin Dreyer.

Herr Präsident, meine Herren und Damen! Ich bedanke mich auch bei Ihnen, Herr Dr. Rosenbauer. Ich habe nämlich überhaupt kein Problem damit, dass das wichtige Thema der Gesundheitsreform auf der heutigen Tagesordnung steht. Ich hoffe – auch wenn es eine Bundesangelegenheit ist –, dass wir noch viele Möglichkeiten nutzen, inhaltlich über die Gesundheitsreform zu sprechen; denn erst wenn wir inhaltlich diskutieren, wird sich herausstellen, inwieweit wir uns begegnen können oder wie weit wir voneinander entfernt sind. Schlag- und Kampfworte wie „Staatsmedizin“ – man liest diese Begriffe hin und wieder und hört sie nicht nur im Parlament – sind mit entsprechenden Argumenten relativ schnell auszuhebeln. Insofern ist es ein guter Anfang einer künftigen Debatte in diesem Haus.

Ich möchte eine Sache voranstellen, weil es ein wichtiger Punkt ist, wenn wir über die Gesundheitsreform debattieren. Unser Gesundheitssystem ist weltweit anerkannt. Es ist leistungsfähig und bietet den Versicherten nach wie vor eine herausragende medizinische Versorgung, und zwar ohne umfängliche Wartelisten, wie das in manchen anderen europäischen Staaten der Fall ist. Darüber hinaus ist ein umfassender Leistungskatalog gegeben.

Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass unser Krankenversicherungssystem Ausdruck gesellschaftlicher Solidarität ist, weil den Versicherten unabhängig vom Einkommen gleichermaßen medizinisch notwendige Leistungen zur Verfügung stehen und es keine Rolle spielt, wie hoch das individuelle Krankheitsrisiko ist.

Es ist meiner Meinung nach eigentlich der wichtigste Ausdruck des solidarischen Systems schlechthin, dass alle Menschen in Deutschland davon ausgehen können, dass sie unabhängig von ihrem Krankheitsrisiko und unabhängig von ihrem Einkommen damit rechnen können, dass das, was medizinisch notwendig ist, tatsächlich geleistet wird.

(Beifall der SPD und der FDP)

Noch zwei wichtige Anmerkungen: Von Herrn Dr. Schmitz ist schon angesprochen worden, dass sich über 4 Millionen Beschäftigte im Gesundheitssektor bewegen. Das ist natürlich auch arbeitspolitisch gesehen ein Zukunftssektor für den Arbeitsmarkt.

Noch ein weiterer Punkt, damit auch da kein Zweifel aufkommt: Die Selbstverwaltung hat einen hohen Stellenwert im Gesundheitswesen. Den wird sie auch in Zukunft haben, und den muss sie auch haben, damit die Gesundheitspolitik überhaupt funktionieren kann.

(Beifall der FDP – Kramer, CDU: Einseitiger Beifall!)

Bei dieser Reformdebatte ist es wichtig, sich diese grundsätzlichen Dinge immer wieder vor Augen zu führen, weil sie klarmachen, was wir mit falschen Reformschritten verlieren können. Sie macht aber auch klar, was wir in der Zukunft bewahren müssen, nämlich dass wir auch künftig auf diese Solidarität achten und sie für unsere Bürgerinnen und Bürger in unserem Staat und in Rheinland-Pfalz sicherstellen.

Jetzt vielleicht noch ganz kurz zu dem Thema, wieso eine Reform erforderlich ist. Dazu möchte ich ausdrücklich noch einmal etwas sagen, weil auch das angesprochen worden ist. Wir haben leider eine sinkende Beschäftigungs- und Lohnquote im Bereich der GKV. Wir haben die demographische Entwicklung; wir haben den medizinischen Fortschritt – welches Glück –, und wir haben entsprechende Entwicklungen auf der Ausgabenseite. Das sind meiner Meinung nach wichtige Gründe, weshalb wir uns der Reform stellen müssen und die auch dazu geführt haben, dass die GKV finanziell derzeit an der Wand steht.

Natürlich ist es auch ein Versäumnis der Vergangenheit, dass wir diese Faktoren nicht zur Kenntnis genommen haben und nicht schon längst Reformen eingeleitet haben, die dringend erforderlich gewesen wären. Ich kann nur hoffen, dass wir auch im Bundesrat die Kraft aufbringen, dieses Problem zu lösen und dieses Thema anzugehen; denn jede Bundesregierung in der nächsten Legislaturperiode wird noch mehr Probleme haben, wenn wir in dieser Legislaturperiode nicht die entsprechenden Reformschritte gehen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich habe jetzt ein ganz kleines Problem. Herr Dr. Rosenbauer, Sie haben so wenige Punkte inhaltlicher Art angesprochen, dass ich mein gesamtes Manuskript im Grunde genommen in den Müll werfen kann. Ich sage jetzt nur zu den wenigen Punkten etwas, die angesprochen worden sind. Ich sage deutlich, dass es mir schon wichtig wäre, das inhaltlich konkreter zu diskutieren.

(Beifall bei SPD und FDP)

Sie haben das Thema der Neuregelung der Zuzahlungen angesprochen. In der Tat ist es so, dass die Zuzahlungsregelungen zunächst von der jetzigen Bundesregierung zurückgenommen worden sind und jetzt wieder neu über Zuzahlungsregelungen diskutiert wird. Man muss dabei aber auch fairerweise sagen, dass sie durchaus sozial vertretbar gestaltet sind;

(Unruhe bei der CDU)

denn jede Bürgerin und jeder Bürger hat die Möglichkeit, wenn beispielsweise ein Verfahren über den Hausarzt oder eine integrierte Versorgungsform gewählt wird, dass nur niedrige Zuzahlungen im Bereich der Medikamente zu erbringen sind. Sie liegen niedriger, als das bisher der Fall ist. Man kann es meiner Meinung nach durchaus in die Eigenverantwortung der Patientin bzw. des Patienten stellen, für welchen Weg man sich entscheidet. Geschieht dies nicht, ist eben die höhere Zuzahlung zu leisten.

Genau dasselbe Thema ist die Praxisgebühr. Die Praxisgebühr wird nicht generell eingeführt. Man muss konstatieren, dass es da einen Unterschied zum damaligen Vorschlag gibt. Die Praxisgebühr fällt überhaupt nicht an, wenn man sich einem Hausarztmodell oder einem integrierten Versorgungssystem anschließt. Nur dann, wenn der Patient entscheidet – diese freie Wahl hat er nach wie vor –, direkt zum Facharzt zu gehen – – –

(Zuruf des Abg. Dr. Altherr, CDU)

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dr. Altherr, vor ein paar Jahren war es sowieso nicht möglich, ohne eine Überweisung des Hausarztes zum Facharzt zu gehen. Wo ist also bitte das Problem?

(Beifall der SPD und der FDP – Mertes, SPD: So ist das!)

Insofern ist es meiner Meinung nach durchaus vertretbar, dass man sagt, nur dann, wenn sich ein Patient im Gesundheitssystem unvernünftig bewegt,

(Zuruf des Abg. Dr. Rosenbauer, CDU)

wird eine entsprechende Praxisgebühr fällig.

Wir möchten – da spreche ich als Gesundheitsministerin, aber ich bin mir sicher, dass ich da auch für den Koalitionspartner sprechen kann – mehr Vertragsfreiheiten für die Krankenkassen und auch für die Leistungsanbieter.

(Dr. Altherr, CDU: Alle Macht den Kassen!)

Es besteht ein großes Bedürfnis, in das gesamte System etwas mehr Wettbewerb zu bringen, um vor allem mehr Wettbewerb und bessere Versorgungskonzepte zu erreichen.

Ich will nicht leugnen, dass ich als Gesundheitsministerin in Bezug auf die Vertragsliberalisierung, wie sie derzeit vom Bund vorgesehen ist, etwas andere Vorstellungen habe. Darüber reden wir.

(Dr. Altherr, CDU: Dann lehnen Sie sie doch ab!)

Herr Dr. Altherr, man muss deshalb nicht eine ganze Reform ablehnen, sondern man kann sich sehr konstruktiv im Rahmen des Bundesrats einbringen. Das haben wir auch vor.

(Beifall der SPD und der FDP)

Weil sich im Rahmen der Strukturreform sehr viel in Bezug auf Anforderungen und Veränderungen tun wird, sind in diesem Kontext die Veränderungen zu sehen, die die Kassenärztlichen Vereinigungen betreffen. Es ist eine Neuorganisation der Kassenärztlichen Vereinigungen vorgesehen. Im Übrigen betrifft das nicht nur das Land Rheinland-Pfalz, sondern auch das Land BadenWürttemberg, Herr Dr. Rosenbauer. Ziel und Zweck ist es, die Kassenärztlichen Vereinigungen weiter zu mo

dernisieren, weil man den Kassenärztlichen Vereinigungen neue Aufgaben übertragen möchte.

Vielleicht dazu ein Wort verbunden mit einer Bitte: Wir sollten an dem Punkt kein Öl ins Feuer gießen. Es gibt durchaus gute Gründe dafür, eine Neuorganisation der Kassenärztlichen Vereinigungen auch in Rheinland-Pfalz gemeinsam mit den Kassenärztlichen Vereinigungen vorzunehmen. Es ist darüber auch schon eine Reihe von Gesprächen geführt worden. Natürlich wird das derzeit von den Kassenärztlichen Vereinigungen nicht sehr offen aufgenommen, aber dennoch befinden wir uns im Diskurs und im Gespräch.

Ich kann mir vorstellen, dass eine Neuorganisation in diesem kleinen Land Rheinland-Pfalz durchaus Chancen in sich birgt. Natürlich haben wir dabei die Arbeitsplätze und den Aspekt der Regionalisierung im Blick. Wir wollen natürlich auch regionale Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für die Ärzte in der Zukunft haben. Ich brauche Ihnen nicht zu erzählen, dass man sich durchaus Organisationen vorstellen kann, um diese Regionalität erhalten zu können, selbst wenn man später von einer Landes-KV ausgehen wird.

(Zuruf des Abg. Dr. Rosenbauer, CDU)

Sie wollten meine Meinung hören. Das ist meine Meinung. Ich sehe durchaus optimistisch in die Zukunft in Bezug auf eine Neuorganisation der Kassenärztlichen Vereinigungen.

Abschließend sage ich, dass ich fest davon überzeugt bin, dass wir diese Reform wirklich brauchen. Wir werden im Rahmen des Bundesrats natürlich auch als Land Rheinland-Pfalz unsere eigenen Akzente eingeben und versuchen, bestimmte Dinge so zu bewegen, wie wir uns das vorstellen.

(Kramer, CDU: Wir werden aufpassen!)

Insgesamt nimmt die Reform aber wichtige Grundprinzipien auf. Es wird wichtig sein, dass wir es auf Bundesebene packen, eine Gesundheitsreform, die die Einnahmenseite, die Finanzierbarkeit und den Erhalt des Gesamtleistungskatalogs neu regelt, zustande zu bringen. Jedenfalls bin ich mir sicher, dass wir gemeinsam über diesen Weg miteinander sprechen sollten.

Ich bin gespannt, wie sich auf der Bundesebene die Union verhalten wird. Ich bin der Meinung, dass es viele Punkte gibt, bei denen eine große Übereinstimmung herrscht. Ich hoffe, dass wir es packen werden, die Gesundheitsreform wirklich auf den Weg zu bringen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich begrüße weitere Gäste im Landtag, und zwar Schülerinnen und Schüler der Hauptschule Wallhausen und Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Landtagsseminar der Deutschen Hochschule für

Verwaltungswissenschaften. Ich begrüße Sie ganz herzlich!

(Beifall im Hause)

Ich erteile nun der Frau Abgeordneten Thelen das Wort.

Herr Präsident, wenn Sie gestatten, spreche ich.