Protocol of the Session on May 8, 2003

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die Pflege in Deutschland liegt am Boden. So lautete das Motto der Mahnwache von Pflegerinnen und Pflegern heute Morgen vor der Tür des Landtags.

Seit vielen Jahren weist die CDU auf diese heraufziehende Problematik hin. Die Landesregierung und die Mehrheitsfraktionen wollten dies nicht wahrhaben. Erst seit unserem Antrag vom 13. Juni 2002, über den wir heute entscheiden werden, wurde man wach.

Die Anhörung am 26. November 2002 zu unserem Antrag bestätigte unsere inhaltliche Position in vollem Maß.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich aus Zeitgründen nur noch einmal ganz kurz auf die zentralen Probleme der Pflege hinweisen:

1. Der Pflege wird durch zu starke Reglementierung und Bürokratisierung Kraft und Zeit geraubt.

(Zuruf des Abg. Lewentz, SPD)

2. Die Pflege hat vor dem Hintergrund einer demographischen Herausforderung ein Nachwuchsproblem.

3. Die zukünftige Finanzierung einer qualitativ hochwertigen Pflege ist zu sichern. Hier liegt das Hauptproblem, das vonseiten der Regierung immer wieder geleugnet wird.

Gern fängt man Qualitäts- und Standarddiskussionen an und stellt somit hohe Anforderungen an die Pflege. Wer kann schon gegen mehr Qualität sein? Selbstverständlich niemand. Was nützen Qualitätsdiskussionen und Papiere, wenn Altenheime, Krankenhäuser oder ambulante Pflegedienste überhaupt nicht in die Lage versetzt werden, die Voraussetzungen zu schaffen, um diesen Ansprüchen gerecht zu werden.

Die finanziellen Mittel haben sich im Gegenteil in den letzten Jahren massiv zuungunsten der Pflegekräfte entwickelt. Dies hat zu einem erheblichen Abbau in allen Bereichen der Pflege geführt. Eine Leistungsverdichtung von nicht unerheblichem Maß hat stattgefunden. Das ist die Realität heute in der Pflege. Pflege braucht Zeit und keine Stoppuhr. Pflege kann nicht unter dem Motto „satt und sauber“ laufen. Der Maßstab für eine gute Pflege besteht in der Fachlichkeit, Menschlichkeit und in dem Gerechtwerden gegenüber den individuellen und fachlichen Bedürfnissen der zu Pflegenden.

(Beifall der CDU)

Wir sind aufgefordert, vernünftige und reelle Finanzierungsvorschläge und finanzielle Rahmenbedingungen zu schaffen. Wir brauchen dringend eine gesellschaftliche Diskussion über das, was uns die Gesundheit und die Pflege wert sind. Es ist falsch, den Menschen immer wieder zu erzählen, man könne mehr Menschen mit einer besseren Qualität für weniger Geld behandeln.

(Beifall bei der CDU)

Frau Ministerin, eine noch so intelligente Personalplanung und wortreiche Sprache werden dies nicht ermöglichen.

Die CDU hat Ihnen, der SPD, der FDP und auch dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angeboten, auf der Grundlage unseres Antrags einen gemeinsamen Antrag zu formulieren, damit wir in der Sache weiterkommen. Leider waren Sie dazu nicht bereit und haben uns einen Gegenvorschlag unterbreitet, den Sie heute einbringen und der weit hinter unserem Antrag zurückbleibt. Dies bedauern wir sehr.

Sie haben wie schon seit Jahren wieder eine Chance verpasst, in der Pflege einen Fortschritt zu erreichen. Die CDU wird auf jeden Fall an diesem Thema auch in

den nächsten Jahren dran bleiben, bis endlich ganz konkrete Verbesserungen sichtbar werden.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben weitere Gäste im Landtag, und zwar ehrenamtlich Tätige aus dem Kreis Ahrweiler. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Dröscher das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die drei vorliegenden Anträge zeigen – ich bin etwas anderer Meinung als der Kollege Rosenbauer –, dass sich dieses Parlament intensiv und mit einer großen Ernsthaftigkeit mit einer der dringendsten Aufgaben unserer Gesellschaft in diesem Jahrzehnt auseinandersetzt, nämlich der Sicherung einer menschlichen, qualitativ hochwertigen und wirtschaftlich realisierbaren Versorgung pflegebedürftiger Menschen. Die Demonstration des Deutschen Pflegeverbands vor diesem Haus hat unterstrichen, dass das eine der dringendsten Aufgaben ist.

Die Rahmenbedingungen der Sozialpolitik befinden sich in einem weit reichenden Wandel. Die dramatisch fortschreitende demographische Entwicklung und die aktuelle Finanzierungskrise des Sozialstaats stellen uns vor schwierige Aufgaben. Die Schere zwischen Kosten, Leistung und Qualität geht immer weiter auseinander. Das erzeugt einen hohen Druck auf alle Beteiligten.

Es zeichnet sich auch für die Zukunft ein Mangel an Fachpersonal ab, wenn wir nicht handeln. Der Anteil der potenziell Pflegebedürftigen wird wohl ansteigen. Das bedeutet vor allem auch – das ist das dritte Problem, mit dem wir uns auseinander setzen müssen – eine Zunahme der demenziellen Erkrankungen. Das Erkrankungsrisiko der über 80-Jährigen liegt bei über 20 %.

Darüber besteht auch weitgehend Konsens in diesem Parlament.

Es ist uns allerdings nicht gelungen – entgegen einer ursprünglichen Vereinbarung –, unsere Gedanken, Ziele und Strategien zu dieser komplexen und schwierigen Fragestellung in einen gemeinsamen Antrag zu fassen. Deshalb stehen heute drei Anträge zur Abstimmung. Ich glaube aber, dies ist im Sinn der Vielfalt der Visionen nicht verkehrt.

Nun ist das Bemühen um eine Sicherung der Pflege keine nach der heutigen Debatte erledigte Aufgabe, sondern ein eher offener Prozess, in den Politik gestal

tend eingreifen muss. Der Antrag der Fraktionen der SPD und FDP trägt dieser Tats ache Rechnung.

Wir beziehen uns dabei auch auf die Maßnahmen des Bundes, wie die Novellierung des Heimgesetzes, das Qualitätssicherungsgesetz, das Pflegeleistungsergänzungsgesetz und das Altenpflegegesetz, die wir als richtige Schritte ansehen, als wichtige Schritte in eine gute Richtung, sowie das, was auf Landesebene in einer kontinuierlichen Entwicklung der letzten Jahre geschehen ist.

Ich erwähne die Landespflegekonferenz, den Landespflegeausschuss, die Projektgruppe „Situation der Sozialstationen in Rheinland-Pfalz“, die Fachkräfte- und Bildungsoffensive der Landesregierung für den Pflegebereich, die angelaufen ist, das Beschwerdetelefon und ganz besonders die Qualitätsoffensive „Menschen pflegen“, die in diesem Land ein Merkzeichen in diese Richtung setzt.

Auf Landesebene geschieht also etwas. Wir unterstützen diese Offensive ausdrücklich. Es wird nun darauf ankommen, die Ziele nachhaltig in die Praxis umzusetzen.

Wir werden uns um Qualitätsstandards kümmern müssen, um verbindliche Qualitätsstandards, die sich an den Betroffenen orientieren. Wir brauchen mehr Befähigung, weniger Kontrolle und Vernetzung statt der weitgehend noch vorhandenen Feindbildlandschaft in der Pflege.

Wir brauchen die engagierte Zusammenarbeit aller Beteiligten und die systematische Umsetzung fachwissenschaftlicher Erkenntnisse. Wir brauchen, was die Fachkräfteentwicklung angeht, eine umfassende Konzeption für die Aus- und Weiterbildung in den Pflegeberufen, vor allem nach der bundeseinheitlichen Regelung der Altenpflege, die allerdings – das hat mir eine Tagung in den vergangenen Tagen mit den Altenpflegeschulen auf Bundesebene gezeigt – in den Bundesländern im Moment ganz unterschiedlich und wieder recht chaotisch umgesetzt wird.

Wir brauchen mehr praktische Ausbildungsplätze im stationären und ambulanten Bereich und – das betone ich besonders – weiter den Generationenmix in der Ausbildung.

Mitarbeiterpflege bedeutet auch attraktivere Arbeitsbedingungen und Aufstiegsmöglichkeiten und nicht zuletzt auch Qualifizierung von Leitungskompetenz; denn nur fachlich und menschlich kompetente Führungspersönlichkeiten können auch ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausreichend motivieren.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Noch ein kleines Wort zur steigenden Anzahl der Demenzkranken. Eine neue Kultur des Helfens und des Heilens ist schon oft, auch an diesem Rednerpult, beschworen worden.

Wir haben vor kurzem eine Tagung auf Landesebene gehabt, die auch praktische Schritte in diese Richtung

geht. Ich muss der Ministerin ganz herzlich dafür danken, dass das in Gang gesetzt wurde.

Das sind Dinge, die wir umsetzen müssen, Ziele, die wir nachhaltig in die Praxis umsetzen müssen.

Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie sind herzlich dazu eingeladen, das mit uns gemeinsam zu machen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD und der FDP)

Das Wort hat Herr Kollege Marz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Die Anzahl der Anträge steht in einem umgekehrt proportionalen Verhältnis zur Bedeutung der inhaltlichen Differenzen in dieser Thematik.

Wenn wir dennoch heute drei Anträge zu behandeln haben, dann liegt das daran – für meine Verhältnisse –, dass sowohl die CDU-Fraktion als auch die Koalitionsfraktionen in einer Hinsicht nicht dazulernen, nämlich dass sie es der politischen Konkurrenz nicht zumuten können, bestimmte Bekenntnisse zu unterschreiben, die ihnen schlicht und ergreifend entgegenlaufen, auch wenn man in der Sache vielleicht einer Meinung ist.

Herr Kollege Dr. Rosenbauer, so geht es natürlich nicht, wenn man völlig zu Unrecht – –

(Zuruf des Abg. Itzek, SPD)