Protocol of the Session on May 8, 2003

Von niemandem lieber.

(Lelle, CDU: Sie sind der beste Verdreher!)

Herr Kollege Schweitzer, ich hätte von Ihnen gern gewusst – das ist das Problem, über das wir uns streiten –, wie eine Gewerbesteuerreform von Ihrer Partei aussehen soll und wie die Zahlen dazu aussehen. Das Problem innerhalb der CDU ist, dass Sie uns keine Zahlen nennen können, wie das künftig bei der Gemeindefinanzreform aussieht. Nennen Sie einmal Zahlen. Sagen Sie einmal, wie das VCI-Modell, das Modell des Gemeinde- und Städtebunds und das Modell der Kommunen insgesamt aussieht. Nennen Sie einmal die Zahlen. Dann können wir darüber reden.

Herr Kollege Schnabel, ich weiß nicht, ob das der richtige Ort und Zeitpunkt ist, um Ihnen Nachhilfestunden darüber zu geben, wie das VCI-Modell und wie das Modell der kommunalen Spitzenverbände aussieht. Jeder weiß das. Jeder weiß, dass das Modell der kommunalen Spitzenverbände auf der Grundlage des Gewerbesteueraufkommens aus dem Jahr 2000 basiert, also auf einem Jahr, in dem die Gewerbesteuereinnahmen gut waren. Wenn Sie sich nicht auf dieses Modell einschwören können, heißt das, dass Sie im Endeffekt die Kommunen in der Gewerbesteuerabhängigkeit mit ihren Schwankungen und bei weniger Gewerbesteuereinnahmen lassen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Sie können doch nicht erns thaft unsere Zustimmung zu einem Antrag erwarten, der

darauf abzielt, dass der Landesregierung Kommunalfeindlichkeit vorgeworfen wird.

(Bischel, CDU: Wenn es aber doch stimmt!)

Die Koalitionsfraktionen haben erst vor wenigen Wochen beschlossen, über den kommunalen Finanzausgleich einen Mindestbetrag von jährlich über 1,6 Milliarden Euro den Kommunen zur Verfügung zu stellen. Das Land verzichtet also auf Einnahmen und stundet den Kommunen das Geld. Das lehnen sie ab. Was sind Sie für eine schöne Fraktion! Die kommunalen Spitzenverbände haben das anerkannt – auch CDU-Leute – und das unterschrieben. Die Einzige, der sich ins Abseits stellt, ist die CDU-Landtagsfraktion.

Meine Damen und Herren, lassen Sie Ihre Vorwürfe und schauen Sie sich die Länder an, in denen die CDU die Verantwortung hat. Dann fragen Sie sich, ob RheinlandPfalz kommunalfeindlich oder kommunalfreundlich ist.

(Zuruf des Abg. Schnabel, CDU)

Warten Sie doch einmal ab. Ich will Ihnen doch nur zwei Zahlen nennen. Dann sollen Sie urteilen.

Bei der Finanzausstattung der Kommunen durch das Land stellt Rheinland-Pfalz 40 Euro pro Kopf mehr als beispielsweise Ihr Kanzlerkandidat Stoiber in Bayern und immerhin noch 20 Euro pro Einwohner mehr als Ihr Hoffnungsträger Roland Koch in Hessen zur Verfügung.

(Zuruf des Abg. Schnabel, CDU)

Meine Damen und Herren, wenn unsere Kommunen bei diesen beiden Herren aufgehoben wären, wären sie arm dran.

(Beifall bei der SPD)

Natürlich darf in Ihrem Antrag auch die alte Leier von der Gewerbesteuerumlage nicht fehlen, die im Übrigen in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden und dem Bund verabschiedet wurde, weil sich nämlich beide Seiten im Rahmen der Steuerreform auf diesen Punkt geeinigt haben.

Ihre Forderung nach einer Senkung der Gewerbesteuerumlage – im Übrigen vom Freistaat Bayern ständig favorisiert, die es selbst nicht machen, obwohl sie es tun könnten – ist nichts anderes als populistisch.

Eine Senkung der Gewerbesteuerumlage trägt nämlich nicht dazu bei, dass das Problem insgesamt gelöst wird, weil die Gemeinden begünstigt werden, die ohnehin wachsende Gewerbesteueraufkommen haben, währenddessen diejenigen, die ein schwaches Gewerbesteueraufkommen haben, davon überhaupt nichts haben. Wir brauchen aber eine Regelung, die verhindert, dass die Gemeinden von den Schwankungen wegkommen.

Meine Damen und Herren, die CDU beklagt die verfassungsrechtliche Sonderstellung der Gemeinden, Städte und Landkreise. Ich frage mich, welches Verfassungs

verständnis der Herr Kollege Schnabel hat. Lesen Sie die Präambel in Ihrem Antrag! Unser Grundgesetz – das wissen Sie – spricht vom Bund und den Gliedstaaten. Die Kommunen sind danach Teil der Gliedstaaten und nehmen die Interessen der Kommunen mit wahr.

(Glocke der Präsidentin)

Ich komme zum Schluss. Wenn Sie etwas anderes wollen, müssen Sie das Grundgesetz ändern. Mir ist aber keine einzige Initiative der CDU bekannt, die auf eine Grundgesetzänderung hinausläuft. Deswegen ist es auch dieses Mal scheinheilig und unrealistisch, was Sie tun. Ich fordere Sie auf, ein bisschen mehr Bescheidenheit in der Diskussion zu wahren. Bescheidenheit ist der Anfang aller Vernunft.

(Beifall der SPD und der FDP – Zurufe von der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Kollegen Marz das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Sie sehen mich einigermaßen ratlos.

(Pörksen, SPD: Das ist nichts Neues!)

Diese Ratlosigkeit hat angefangen, als ich zum ersten Mal den CDU-Antrag gelesen habe. Trotz intensiven Studiums hat sich mir nicht erschlossen, was dieser Antrag soll.

Herr Kollege Pörksen, das müsste Ihnen doch eigentlich gefallen. Manchmal ist es nicht so gut, wenn man die Zwischenrufe schnell vornimmt. Ich habe gedacht, dass es der Kollege Schnabel in seiner Rede erklärt. Der Herr Kollege Schnabel hat – ich habe es mitgestoppt – neun Minuten und dreißig Sekunden nicht über den eigenen Antrag, sondern über etwas ganz anderes geredet.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Er hat noch kurz die Kurve zu Europa bekommen, die wir vorher schon alle geschlagen hatten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, manchmal ist es so, dass Anträge auch einen tieferen Sinn haben, der vielleicht auch nicht im Sinn des Antragstellers liegt. Das ist deutlich geworden, als der Kollege Schweitzer geredet hat. Die Begründung des Antrags und der Antrag selbst haben dem Kollegen Schweitzer den Vorwand zu einem deutlichen Ablenkungsgefecht von der Politik der Landesregierung gegenüber den Kommunen geliefert.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Von daher versuche ich, mich durch diese etwas verworrene Lage hindurchzumogeln und einmal zu schauen, was Sache ist. Der Antrag – ich will vielleicht als derjenige den Rekord brechen, der am meisten zu diesem Antrag geredet hat; die FDP kann versuchen, das noch zu toppen – geht nach meinem Verständnis nicht auf die wesentlichen Punkte ein, die uns im Moment interessieren müssen, wenn es um die Situation der rheinlandpfälzischen Kommunen geht.

Herr Kollege Schnabel, was Ihren Wortbeitrag angeht, stimme ich Ihnen – von einigen Nuancen abgesehen – zu. Ich habe gedacht, dass bei den Konsequenzen, die Sie in Schriftform daraus ziehen, etwas fehlt. Vielleicht haben Sie etwas weggelassen, über das diskutiert wurde und Sie sich nicht einig geworden sind. Das kann auch sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sehe im Wesentlichen zwei Probleme – diese sind in dem Antrag nicht so angesprochen worden, dass man damit etwas anfangen kann –, die unsere Kommunen neben der wirtschaftlichen Lage in diese Situation bringen. Das erste ist die Frage der Aufgabenübertragung ohne die Übernahme von Kosten durch staatliche Stellen. Das zweite ist die ganz konkrete Finanzsituation.

Hierzu liegt einiges Zahlenmaterial vor. Ich möchte Sie nicht allzusehr quälen, weil ich das selbst nicht mag. Einige Zahlen müssen wir uns doch einmal vor Augen führen. Die Deckungslücke der rheinland-pfälzischen Kommunen im Jahr 2002 betrug 450 Millionen Euro. Die Einnahmen aus Steuern gingen um 34 Millionen Euro zurück. Der Anteil bei den Einnahmen aus Steuern sank auf 29,1 %, und der Anteil aller Zuschüsse und Zuweisungen stieg auf 54,9 %. Das war vor einigen Jahren ausgeglichen. Was heißt das?

Das heißt, die Eigeneinnahmen der Kommunen sind drastisch im Verhältnis zu dem zurückgegangen, was sie an Zuschüssen und Zuwendungen von staatlichen Ebenen bekommen. Dies bedeutet, dass die politische Abhängigkeit der rheinland-pfälzischen Kommunen dramatisch gestiegen ist. Die kommunale Selbstverwaltung bleibt auf der Strecke. An diesen Zahlen wird deutlich, dass dieser Satz keine politische Lehrformel ist, sondern zahlenmäßig amtlich durch die vorliegenden Zahlen untermauert ist.

In diesem Zusammenhang ist noch eine Zahl wichtig. Die „Einnahmen“ – ich setze das Wort in Anführungsstriche – aus der Veräußerung von Vermögen sind um 20,5 % gestiegen. Das heißt, dass die Kommunen in immer größerem Maß ihr sogenanntes Tafelsilber in Geld umwandeln, um damit zumindest ein Stück weit ihre Haushaltslöcher zu stopfen. Da das kommunale Vermögen natürlich auch endlich ist, bedeutet das, dass irgendwann das Ende der Fahnenstange erreicht ist.

Ich habe heute Morgen den Innenminister als zuständigen Minister in diesem Zusammenhang gefragt, wie sich die Zahl der Kommunen entwickeln würde, die keinen ausgeglichenen Haushalt haben, wenn man diese Vermögensveräußerungen wegließe; denn nur dann, wenn man diese Zahl weglässt, hat man den wirklich realistischen Blick auf die Frage, wie es den rheinland

pfälzischen Kommunen geht. Der Innenminister konnte diese Frage nicht beantworten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn eine Landesregierung eine solch wichtige Frage nicht beantworten kann, wird sie auch nicht in der Lage sein, eine verantwortliche Politik für die rheinland-pfälzischen Kommunen zu machen.

(Staatsminister Zuber: Ist das alles, was Sie zu sagen haben?)

Sie könnten diese Frage beantworten. Sie haben keine Probleme, sich die notwendigen Daten geben zu lassen. Sie beantworten diese Frage nicht, weil Sie sich Ihre Statistiken durch das Weglassen dieser Frage noch einigermaßen schönrechnen können.

(Staatsminister Zuber: Das hängt doch von jedem einzelnen Haushaltsplan ab!)

Nein, nein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich sage, die wesentlichen Aufgaben, die vor uns liegen, sind in dem CDU-Antrag und in der bisherigen Debatte nicht beschrieben worden, will ich kurz noch dazu kommen, was aus meiner Sicht und aus Sicht meiner Fraktion die wesentlichen Aufgaben sind. Das ergibt sich aus der Fragestellung.

Die wesentliche erste Aufgabe ist, das Verhältnis zwischen der kommunalen Ebene, dem Bund und den Ländern auf der anderen Seite neu zu ordnen. Es hat überhaupt nichts damit zu tun oder lenkt ab, wenn der Kollege Schweitzer sagt, Finanzprobleme haben alle. Natürlich haben die alle. Diese addieren sich nur aus sehr unterschiedlichen Situationen heraus.

Bund und Land sind in der Lage, qua Gesetz Festlegungen zu treffen, die die Kommunen dann unter Umständen negativ betreffen. Kommunen haben keine Abwehrmöglichkeit in dieser Hinsicht. Deshalb ist natürlich die Diskussion um das Konnexitätsprinzip als ein verbindliches Prinzip, das die Kommunen zumindest in die Lage versetzt, sich zur Wehr zu setzen, wenn ihnen Aufgaben übertragen werden, ohne dass eine Finanzierung gesichert ist, so oben auf der Tagesordnung und so notwendig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Schweitzer, SPD: Das ist der Grund, warum die GRÜNEN das in Nordrhein-Westfalen abgelehnt haben!)