Protocol of the Session on May 7, 2003

Wir sehen also, auch beim Verbraucherschutz besteht eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hohn das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ohne die Vorfälle in den letzten Jahren bei Lebensmitteln und Futtermitteln hätte es niemand bezweifelt, dass der Schutz der Verbraucher, das heißt, die Gewährleistung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit bei den angebotenen Lebensmitteln, ein hohes Gut ist und dem Schutz dieses Gutes die Politik eine besondere Priorität einräumen muss. Gleiches gilt für den Futtermittelbereich; denn wie die Landesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der GRÜNEN richtig feststellt, ist die Erzeugung der Futtermittel ein Teil der Lebensmittelerzeugung.

Meine Damen und Herren, Verbraucherschutz ist Daseinsvorsorge. Verbraucherschutz ist damit eine herausragende staatliche Verpflichtung gegenüber den Menschen im Land.

Meine Damen und Herren, die BSE-, Nitrofen-, Fischund Eier-Skandale sind bei den Verbrauchern noch in guter Erinnerung. Bis das noch vorhandene Misstrauen in der Bevölkerung einem wiedergewonnenen Vertrauen weicht, müssen große und nachhaltige Anstrengungen unternommen werden.

Die sehr gründliche und substanziierte Anwort der Landesregierung beweist, dass die Antwort auf die Frage 1, nämlich auf die Frage, welchen Stellenwert die Landesregierung Lebensmittel- und Futtermittelkontrollen beimisst, richtig gegeben ist. Die Landesregierung räumt – ich zitiere – „dem gesundheitlichen Verbraucherschutz sehr hohe Priorität ein“. Ich möchte ergänzen, das ist wichtig und richtig so.

Meine Damen und Herren, wenn man die Skala der Aufgaben und insbesondere ihre Veränderung, ihre Dynamik betrachtet, so ist besonders deren Zunahme auffällig. Gerade aus den europäischen Parlamenten und aus der EU-Kommission kommen Bestimmungen, die den Verbraucherschutz verbessern und auf der europäischen Ebene vereinheitlichen und sicher machen wollen. Bei der Umsetzung in nationales Recht müssen daher laufend neue Anforderungen erfüllt werden.

Meine Damen und Herren, die Organisation der beiden Bereiche Lebensmittel und Futtermittel ist geteilt. Soweit es die obersten Landesbehörden betrifft, ist für den Bereich Lebensmittel das Umweltministerium und für den Bereich Futtermittel das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau zuständig. Die gute und reibungslose Zusammenarbeit der beiden Ressorts kann nach meiner Auffassung beibehalten werden. Einen wichtigen Grund für eine geänderte Zuständigkeit sehen wir im Gegensatz zu Frau Kiltz nicht, die ich allerdings im Moment nicht sehe.

Auf der mittleren und unteren Verwaltungsebene haben wir es mit unterschiedlichen Organisationsstrukturen zu tun. Zum einen hat man bei der Futtermittelkontrolle in der mittleren Ebene zentralisiert. Sie findet unter der Regie der ADD Trier statt.

Meine Damen und Herren, das hat gute Gründe. Sachverständige mit Spezialkenntnissen werden am effizientesten zentral eingesetzt.

Ich nenne zwei Beispiele, die erkennen lassen, wie schwierig die Materie ist: erstens Prüfung von Tierarzneimitteln, zweitens die von der Europäischen Union normierte Rückverfolgbarkeitsverpflichtung zu den Futtermittelherstellern. Zum anderen sehen wir bei der Lebensmittelüberwachung als zentrale Stelle das Landesuntersuchungsamt, dann aber als Vollzugsbehörden der Lebensmittelüberwachung die kommunale Zuständigkeit der Kreisverwaltungen bzw. der kreisfreien Städte.

Meine Damen und Herren, werfen wir einen Blick auf die Personalsituation. Kritisch zu bewerten ist das Verhält

nis. Auf einen Kontrolleur kommen 45.000 Einwohner. Kritisch zu bewerten ist die hohe Zahl von zu kontrollierenden Betrieben pro Kontrolleur und Jahr. Sie schwankt zwischen 300 und 1.500.

Der Mittelwert liegt nicht weit weg von 1.000 Betrieben je Kontrolleur und Jahr. Hoch ist ebenso die Zahl der Beanstandungen, nämlich ca. 1.000 je Jahr. Auch die Zahl der daraus resultierenden Bußgeld- und Strafverfahren liegt im Bereich von mehreren hundert pro Jahr. Die Personalausstattung ist an der unteren kritischen Grenze. Sie ist zum Beispiel deutlich geringer als in BadenWürttemberg.

Meine Damen und Herren, man muss klar sehen, dass sich bei unveränderten Arbeitsbedingungen die Situation der Lebensmittelkontrolleure wahrscheinlich verschlechtern wird. Die Fraktion der FDP hält im Interesse eines effizienten Verbraucherschutzes die Erfüllung der Aufgaben auf der kommunalen Ebene in der Lebensmittelüberwachung für unverzichtbar.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, als Frage möchte ich in den Raum stellen, ob eine gewisse Lockerung der Standards bei den Kommunen, über die auch in der EnqueteKommission nachgedacht wird, eventuell für eine gewisse Entspannung sorgen könnte.

Meine Damen und Herren, das Krisenmanagement, das in der letzten Zeit häufig gefordert war und die Kräfte des Ministeriums für Umwelt und Forsten bis zur Zerreißprobe beansprucht hat, funktioniert gut. Das sollte an dieser Stelle einmal lobend erwähnt werden. Vor allem die situationsabhängige flexible Bündelung von Personal durch die Vollzugsbehörden halte ich für eine ausgezeichnete Lösung.

Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir abschließend noch eine Bemerkung zur Futtermittelkontrolle. Besonders positiv fällt der hohe Grad an Informationsverzahnung mit Ministerium und Europäischer Union auf, auch wenn es aufwendig ist. An dem Schnellwarnsystem partizipieren neben dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit alle EU-Mitgliedsstaaten, die EU-Kommission und die Europäische Lebensmittelbehörde.

Noch eine letzte Bemerkung, meine Damen und Herren. Die Ergebnisse der Futtermittelüberwachung aller Bundesländer werden in einer Jahresstatistik zusammengefasst und ermöglichen so einen Soll-Ist-Vergleich.

Meine Damen und Herren, die FDP-Fraktion bewertet Strategie und operative Regelung auf den Feldern der Lebensmittelkontrolle und der Futtermittelüberwachung als effizient. Sie liegen somit voll im Interesse der Verbraucher in unserem Land.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei FDP und SPD)

Das Wort hat Frau Staatsministerin Conrad.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Für die Landesregierung hat Verbraucherschutz hohe Priorität. Herr Hohn hat nochmals darauf hingewiesen. Das stimmt. Das wird im Übrigen auch durch die Ergebnisse und Darstellungen der Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN deutlich.

Meine Damen und Herren, Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit bzw. Sicherheit bei Futtermitteln ist nicht nur Überwachung, sondern beginnt vor allen Dingen im Vorfeld jeder Herstellung eines Lebensmittels. Gerade Lebensmittelsicherheit braucht die Vorbeugung. Die Vorbeugung liegt in erster Linie in der Verantwortung aller, die in der Lebensmittelbranche tätig sind. Das beginnt beim Zulieferer, beim Lebensmittelproduzenten und hört beim Landwirt nicht auf, geht weiter über den Vertrieb bis auf den Tisch des Verbrauchers. Wie heißt es noch so schön: From farm to fork, from stable to table.

Wir können feststellen, dass die Lebensmittelsicherheit in unserem Land ausgesprochen hoch ist. Dennoch ist es richtig, das auch zu nennen: Nitrofurane in Geflügel aus Südamerika, Nitrofen in Futtermitteln, Chloramphenicol in Shrimps aus Asien, Dioxin in Futtermitteln, MPA – das ist ein Hormon – in Futtermitteln, Acrylamid in Chips und Fritten sowie Pflanzenschutzmittelrückstände in Karotten und Paprika – ganz zu schweigen von BSE – zeigen die Krisenanfälligkeit der Lebensmittelbranche und natürlich auch das Überwachungsbedürfnis und den Überwachungsbedarf von Lebensmitteln. Die Überwachung ist unverzichtbar und deswegen ein wesentlicher Baustein – aber nur ein Baustein – einer Strategie zu einer hohen Lebensmittelsicherheit in unserem Land.

Lassen Sie mich dies an einigen Zahlen deutlich machen, die beschreiben, dass dies für uns einen sehr hohen Wert hat und diesen Stellen enorme Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Zunächst einmal haben wir in Rheinland-Pfalz allein im vergangenen Jahr in ca. 84.000 Betrieben, die als so genannte Lebensmittelbetriebe gelten, etwa 35.000 Betriebskontrollen durchgeführt. In ca. 4.000 Fällen kam es dabei zu Beanstandungen mit der Folge formeller Maßnahmen der zuständigen Behörden. Ebenfalls im vergangenen Jahr wurden vom Landesuntersuchungsamt rund 20.000 Proben in der Regel durch die Untersuchungsämter der Kreise und kreisfreien Städte gezogen und im Rahmen der amtlichen Lebensmittel- und Bedarfsgegenständeüberwachung untersucht. Dabei wurden etwa 3.200 Proben beanstandet, was einer Beanstandungsquote von 15,7 % entspricht.

Da wir Ihnen diese Zahlen auch für die zurückliegenden Jahre in unserer Antwort genannt haben, will ich das, weil das in der Öffentlichkeit bereits falsch interpretiert worden ist, noch einmal richtig stellen. Diese Zahlen müssen differenziert betrachtet werden. Das heißt nicht,

dass 15,7 % der Lebensmittel und Bedarfsgegenstände damit nicht der Ordnung entsprechen. Wir haben eine zielgerichtete Untersuchungsstrategie, die natürlich in den Bereichen genauer ansetzt, in denen Probleme am ehesten zu vermuten sind. Deshalb wäre eine solche Interpretation der Statistik falsch.

Auf europäischer Ebene gibt es ein Monitoring, das ganz unspezifisch Stichproben zieht. Hierbei liegen fast 5.000 Untersuchungen zugrunde. Dort liegt die Zahl der Beanstandungen bei Lebensmitteln zum Beispiel durch erhöhte Kontamination von Stoffen, die nichts darin zu suchen haben oder nur bis zu einem bestimmten Grenzwert etwas darin zu suchen haben, nur bei 1,6 %. Ich will Sie bewusst – auch wegen des Interpretationsbedarfs – auf diese Differenz aufmerksam machen, um deutlich zu machen, dass wir eine hohe Lebensmittels icherheit haben. Es macht auch einen großen Unterschied, ob sich eine Beanstandung auf ein abgelaufenes Mindeshaltbarkeitsdatum bezieht oder ob es sich um Salmonellen in Speiseeis oder um Chloramphenicol in Geflügel handelt.

Wir haben beträchtliche Ressourcen in unserem Land, die der Lebensmittelsicherheit und der Tiergesundheit dienen, weil Tiergesundheit in vielen Fällen natürlich genauso Verbraucherschutz ist. Dafür ist BSE nur ein Beispiel. Allein im Landesuntersuchungsamt sind 340 Personen in diesem Sektor beschäftigt. Das ist natürlich auch ein Ergebnis der Zusammenführung der Landesuntersuchungsämter, worauf Frau Elsner dankenswerterweise hingewiesen hat.

Wir haben 98 amtliche Lebensmittelkontrolleure vor Ort in den Kreisen und kreisfreien Städten. Hinzu kommen – was nicht immer benannt wird – die Veterinäre. Allein 34,5 Veterinäre sind nach unserer Erkenntnis ebenfalls in diesem Bereich tätig und im Übrigen für die wissenschaftliche Betrachtung und strategische Planung vor Ort mit verantwortlich.

Meine Damen und Herren, ich bitte, mit einer Milchmädchenrechnung aufzuhören. Weshalb? Wir können nicht die einfache Rechnung aufmachen: Lebensmittelkontrolleur pro Betrieb und Schlüsse ziehen. – Das wäre genauso falsch, wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen, weil ein Betrieb nicht gleich ein Betrieb, Überwachung nicht gleich Überwachung und Kontrolle nicht gleich Kontrolle ist. Es gibt Betriebe, bei denen die Kontrollfrequenz durchaus unter einem Jahr liegen kann. Es gibt aber auch Betriebe, die von so hoher Brisanz sind, dass es sicherlich sinnvoll wäre, diese unter Umständen mehrmals im Jahr zu kontrollieren. Deshalb bitte ich, solche Rechnungen nicht anzustellen, weil sie faktisch nichts hergeben.

Frau Kiltz, deswegen ist es nicht so einfach, aus den Daten, die wir Ihnen zwar statistisch auf Ihre Anfrage hin genannt haben, zu schließen, dass ein Kreis, weil dort weniger Untersuchungen vorgenommen worden sind, deswegen bei der Probenentnahme schlechter ist als ein anderer Kreis, weil dies einer Korrelation mit der Struktur und den Risiken der überwachungsbedürftigen Betriebe bedarf.

Diese Statistiken sagen hierzu nichts aus. Das gehört einfach zu einer offenen und transparenten Interpretation unserer Antwort auf die Große Anfrage.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, deshalb können wir festhalten, dass wir durchaus eine zufrieden stellende Lebensmittelkontrolle in Rheinland-Pfalz haben. Ich will nicht verhehlen, dass es Bereiche gibt, in denen wir Verbesserungsbedarf haben. Der Verbesserungsbedarf geht in erster Linie in die Richtung, die Ressourcen – das Personal und die Sachmittel – optimiert einzusetzen.

Es geht auch darum, dass man den ständig neuen Herausforderungen, denen sich die Lebensmittelkontrolle und auch die Futtermittelkontrolle zu stellen haben, gewachsen ist und darauf reagieren kann. Dazu gehört auch, dass es einigermaßen verbindliche Regelungen zur Kontrolldichte und zu Kontrollplänen abhängig von der Risikostruktur der einzelnen zu überwachenden Betriebe oder auch der Produkte gibt. Wir sind in diesem Bereich in Rheinland-Pfalz schon sehr weit. Mein Haus hat bereits im Jahr 2000 entsprechende Vorgaben an die überwachenden Behörden vor Ort gegeben.

Frau Kiltz, ich hatte bereits die Gelegenheit, im Rahmen der vorhergehenden Debatte zu diesem Thema darzustellen, dass in meinem Haus eine Projektgruppe eingesetzt wurde, an der neben den Fachleuten der Lebensmittelüberwachung meines Ressorts natürlich auch die Kreise und die kreisfreien Städte beteiligt sind. Diese Projektgruppe hat inzwischen gearbeitet. Uns liegt ein so genanntes Qualitätshandbuch vor – ich kann es Ihnen zeigen, aber es ist so dick, dass ich es nicht mit an das Rednerpult genommen habe –, das jetzt den Kreisen und kreisfreien Städten mit der Bitte zugestellt worden ist, es in ihre Überwachungsstrategien einzubinden. Wir werden die Erkenntnisse dieser Arbeitsgruppe auch in eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einbringen, in der wir derzeit eine so genannte Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Überwachung der Betriebe – Rahmenbedingungen für die Betriebsüberwachung – mit dem Bund diskutieren. Wir werden aufgrund dieser Erfahrungen sicherlich einiges an dem, was vom Bund auf dem Tisch liegt, verbessern können.

Eins ist jedoch klar: Eine hundertprozentige Sicherheit wird es auch in diesem Sektor nie geben.

(Glocke der Präsidentin)

Es ist auch klar, wir werden uns immer danach strecken müssen, wie wir die zur Verfügung gestellten Ressourcen zielgerichtet und optimiert einsetzen können.

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Frage der Abgeordneten Frau Kiltz?

Ja.

Frau Ministerin, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie kein Problem darin sehen, dass die Landkreise und kreisfreien Städte so unterschiedlich ausgestattet sind? Das war meine erste Frage.

Ich habe noch eine zweite Frage: Halten Sie all das, was die Berufsverbände vortragen, für Luftnummern?

Die Ausstattung der Kreise mit Personal ist sicherlich in Relation zur Überwachungsbedürftigkeit der Betriebe zu sehen. Das ist genau der Punkt, den ich als verbesserungsbedürftig angesehen habe. Das bedeutet nicht an jeder Stelle ein Mehr an Personal, sondern das bedeutet unter Umständen eine Verbesserung und Anpassung der Strukturen. Das ist sicherlich eine Konsequenz, wenn wir zu standardisierten Vorgaben der Überwachung kommen, die kommen werden. Im Anschluss werde ich auch noch etwas zur EU sagen.

Das ist aber sicherlich ein Punkt, auf den man genau schauen muss. Die allgemeine Aussage, dass wir überall zu wenig Personal haben, lasse ich aber so nicht stehen, weil sie in dieser Plattheit nicht stimmt.

(Beifall der SPD und der FDP)