Herr Präsident, meine Damen und Herren! Jeder junge Mensch, der kann und will, erhält einen Ausbildungsplatz. – So lautete die Aussage der Wirtschaftsverbände und der Bundesregierung. Fakt ist, dass nach den aktuellen Zahlen bundesweit etwa 190.000 offenen Lehrstellen rund 330.000 Bewerber gegenüber stehen. Schon jetzt sind unter den Arbeitslosen in RheinlandPfalz etwa 13,6 % unter 25 Jahre alt.
Das liegt nicht etwa daran, dass die jungen Menschen vielleicht zu wählerisch oder nicht flexibel genug sind, sondern es liegt an einem sich verstärkenden Abwärtstrend bei der Zahl der Ausbildungsplätze. Die Ausbildungszahlen sind ein Spiegelbild der wirtschaftlichen Situation unseres Landes. Es ist doch ganz klar: Wer in seinem Betrieb um das Überleben kämpft, wer nicht weiß, ob er mit seinem Unternehmen das Jahr übersteht, der kann keine Ausbildungsplätze schaffen.
Betriebe werden erst dann mehr Auszubildende einstellen, wenn sie für die nächsten Jahre eine gute Auftragslage erwarten und ein bisschen mehr Planungssicherheit gewinnen. In Rheinland-Pfalz gibt es zurzeit etwa 800 Betriebe, die kurzarbeiten. Außerdem gab es im vergangenen Jahr 1.500 Insolvenzen. Ich denke, dass man sagen kann, dass die Welle der Insolvenzen mittlerweile den Ausbildungsmarkt erreicht hat. An dieser Stelle muss ich mich schon sehr wundern, dass meine beiden Vorredner das Selbstverständnis haben, über das so ernste Thema zu sprechen, aber noch nicht einmal in
Meine Damen und Herren, ich bin sehr dafür, jede erdenkliche Barriere für Ausbildung in den Betrieben aus dem Weg zu räumen. Insofern unterstütze ich den Vorschlag der Frau Bundesbildungsministerin, etwa die Ausbildereignungsverordnung für die nächsten fünf Jahre auszusetzen, auch wenn darin wahrscheinlich nicht allein der Schlüssel zur Lösung der Misere liegt.
Vor einigen Jahren habe ich selbst die Ausbildereignungsprüfung abgelegt. Sie ist weder schwierig noch aufwändig. Deshalb erwarte ich nicht, dass diese Maßnahme die 20.000 geschätzten Stellen bringt. Sei es drum, es ist aber ein Ansatz. Hoffen wir, dass er Erfolg bringt.
Meine Damen und Herren, wenn Sie die Betriebe fragen, weshalb sie nicht ausbilden, dann bekommen Sie im Wesentlichen zwei Antworten. Zum einen liegt es an der schlechten Auftragslage. Zum anderen liegt es an den zu hohen Kosten der Ausbildung. Vor diesem Hintergrund habe ich bei meinen Vorrednern konkrete Ansätze vermisst, wodurch Lösungsmöglichkeiten geschaffen werden könnten.
Die Bundesanstalt für Arbeit rechnet vor, dass eine Reduzierung der Lohnnebenkosten bzw. der Sozialversicherungsbeiträge um 1 % dazu führen würde, dass zwischen 80.000 und 100.000 neue Ausbildungsplätze geschaffen werden können. Das wäre der richtige Weg, um wieder Zukunftschancen für junge Menschen in der Wirtschaft zu eröffnen.
Ich möchte noch einen Schritt weiter gehen. Lassen Sie uns doch positive Anreize für die Ausbildung schaffen. Lassen Sie den mittelständischen Betrieben, die Lehrlinge einstellen, einen Pauschalbetrag zur steuerlichen Entlastung, statt ihnen am Ende, wie es immer wieder geschieht, mit Zwangsabgaben zu drohen. Das würde die Stimmung im Mittelstand verbessern.
Eine andere Möglichkeit wäre, Ausbildungsbetriebe gezielt zu entlasten, indem zum Beispiel die Sozialversicherungsbeiträge von Auszubildenden anteilig übernommen werden.
Ich möchte noch kurz auf einen zweiten Aspekt zu sprechen kommen. Lassen Sie uns verstärkt über eine modulare Stufenausbildung diskutieren, etwa eine Ausbildung zunächst zum Verkäufer und dann darauf aufbauend – wie es in die Biographie passt – zum Kaufmann. Ich denke auch an eine theoriegeminderte verkürzte Berufsausbildung. Es gibt heute eine Vielzahl von neuen marktgerechten Ausbildungsberufen, die neue Ausbildungsanreize schaffen könnten.
Seit Anfang des Jahres 1999 fördert die BfA mit bislang mehr als 3 Milliarden Euro das Programm „Jump“. Die Erfahrung zeigt aber, dass nur ein knappes Viertel der Teilnehmer, das das „Jump“-Programm absolviert hat, im Anschluss einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt bekommt. Ein weiteres Viertel ist arbeitslos. Die andere Hälfte der Teilnehmer geht nachher wieder zur Schule oder nimmt an weiteren Trainingsmaßnahmen teil.
Wir sehen also, dass uns alle verdrängten Probleme wieder einholen. Dann finden alle Jahre wieder dieselben Rituale statt: Ausbildungsgipfel, Garantien, Forderungen nach Bündnissen und millionenschwere Werbekampagnen wie beispielsweise „Jump“.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns doch in die duale Ausbildung investieren. Lassen Sie uns die duale Ausbildung stärken. Die Finanzmittel sollten wieder direkte Anreize zur Schaffung von Ausbildungsplätzen in den mittelständischen Betrieben bieten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Alle Jahre wieder reden wir über die Ausbildungssituation in Deutschland.
Es ist alle Jahre wieder ein Ritual der GRÜNEN. Ich habe einmal nachprüfen lassen, wie oft Sie mit Horrorzahlen – Statistiken muss man lesen können – in die Welt treten. PISA lässt grüßen. Ich sage Ihnen nachher die Zahlen, die tatsächlich – – –
Herr Dr. Braun, ja, ja, mit Sachargumenten setzt sich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nur sehr selten auseinander.
Herr Wiechmann, ich sage es Ihnen: Nach einer Statistik des Landesarbeitsamts Rheinland-Pfalz-Saarland – Sie haben das zitiert – waren mit Stand Ende März 2003 insgesamt 21.597 Berufsausbildungsstellen gemeldet. Das entspricht einem Rückgang von 2.712 Ausbildungsstellen oder von 11,2 %.
Ich betone an dieser Stelle, dass sich der Rückgang im Bundesdurchschnitt auf 13,2 % beläuft. Rheinland-Pfalz liegt aufgrund seiner mittelständischen Struktur also besser.
Herr Kollege, nun kommt Ihr Denkfehler. Vergleicht man die 12.832 Ende März 2003 nicht vermittelten Bewerber mit den unbesetzten Berufsausbildungsstellen von 9.655 – das war Ihr Horrorszenario –, klafft im Moment noch eine Lücke von 3.177 Bewerbern, für die keine Ausbildungsstelle angeboten wird. Die von Ihnen genannte Zahl von 9.655 stimmt also nicht.
Das Bundeskabinett hat in seiner Sitzung am vergangenen Mittwoch beschlossen, die Ausbildereignungsverordnung ab August für fünf Jahre auszusetzen. Dies geschieht mit dem Ziel, dass mehr Ausbildungsplätze angeboten werden. Damit soll erreicht werden, dass möglichst viele Jugendliche in unserem Land einen Ausbildungsplatz erhalten können.
Meine Damen und Herren, ob die Erwartung, dass jährlich 20.000 Betriebe zusätzlich Lehrlinge ausbilden, erfüllt wird, mag dahin gestellt sein. Für die FDPLandtagsfraktion ist es jedoch wichtig – deshalb unterstützen wir das –, jede Chance zu ergreifen, die dazu führt, dass mehr Jugendliche einen Ausbildungsplatz erhalten.
Da die IHK im vergangenen Jahr bereits bundesweit 18.000 Ausnahmegenehmigungen zur Ausbildung ohne Prüfung erteilte und nachdem 54.000 Betriebe nach der Verordnung Ausbilder wurden, wird die Initiative der Bundesregierung von der FDP ausdrücklich unterstützt.
Da der deutsche Mittelstand das Rückgrat für die Berufsausbildung ist, sind die Ursachen für den Rückgang der Ausbildungsstellen relativ leicht auszumachen. Frau Kollegin Huth-Haage hat richtig darauf hingewiesen, dass die derzeit anhaltende Wachstums- und Beschäftigungskrise auch an den mittelständischen Betrieben nicht vorbeigegangen ist. Wir haben einen Nachkriegsrekord bei den Unternehmenspleiten, und wir haben einen rasanten Beschäftigungsabbau gerade auch im deutschen Handwerk. Allein im Jahr 2002 hat der Ausbilder Nummer 1, der Mittelstand, in Deutschland rund 300.000 Stellen verloren, was auch nicht spurlos am Ausbildungsplatzangebot vorbeigegangen ist.
Die FDP-Landtagsfraktion appelliert mit Nachdruck an die deutsche Wirtschaft, ihren Verpflichtungen bezüglich der Ausbildung von jungen Menschen nachzukommen, weil sonst nicht auszuschließen ist, dass die von Bundeskanzler Schröder in Aussicht gestellte Ausbildungsplatzabgabe gesetzlich verordnet wird. Nach Auffassung der FDP-Landtagsfraktion wäre dieser Weg gerade in der jetzigen Konjunktursituation falsch, weil er nicht nur zu weiteren Belastungen für die deutsche Wirtschaft führen würde, sondern auch eine riesige Umverteilungsbürokratie ins Leben rufen würde.
Damit setzt sich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nämlich nie auseinander. Zunächst einmal müsste nämlich geprüft werden, von wem die Abgabe überhaupt erhoben werden soll. Dann müsste diese über einen
Bescheid erhoben werden, und sie müsste verwaltet werden, bevor man das Geld abzüglich der Bürokratiekosten an die ausbildungswilligen Unternehmen weiterreichen könnte.
Es ist relativ locker und flockig gesagt, wir machen eine Ausbildungsplatzabgabe, aber Sie verschweigen, wer diese bezahlen soll, wem Sie dasGeld geben wollen und wie Sie die Betriebe dazu zwingen wollen auszubilden.
Deshalb ist der Appell im eigenen Interesse der Wirtschaft viel wichtiger. In wenigen Jahren droht nämlich ein Facharbeitermangel in Deutschland. Deshalb liegt es im Interesse der deutschen Wirtschaft, Ausbildungsplätze bereitzustellen.
Meine Damen und Herren, ich führe in den nächsten Tagen wieder Gespräche zu diesem Thema. Ich könnte Ihnen Beispiele nennen, dass freiwillige Initiativen hervorragend zum Erfolg geführt haben. Das gilt beispielsweise für die Ausbildungsplatzinitiative Pfalz GmbH. Herr Dr. Braun weiß das. Das sind 300 zusätzliche Ausbildungsplätze jährlich.
Es gibt auch Überlegungen, den Verbund zu stärken. Verbundausbildungsplätze entlasten die einzelnen Unternehmen, und dadurch werden mehr Ausbildungsplätze geschaffen. Das sind die richtigen Wege.
Meine Damen und Herren, wir sind uns sicher darin einig, dass für junge Menschen am Beginn ihres Berufslebens ein Ausbildungsplatz zur Verfügung stehen muss. Dies ist wichtig für junge Menschen. Daran gibt es überhaupt keine Zweifel.