Getränkedosen, bezüglich dessen die große Symbolpolitik betrieben wird, machen lediglich 200.000 Tonnen aus.
Wer also wirklich etwas im Sinn von Ressourcenschonung und Wiederverwertung betreiben möchte, muss sich ganz andere Abfallpakete vornehmen als die jetzige Debatte.
Überschrift davon die Rede ist, mittelständische und verbrauchernahe Herstellungs- und Vermarktungsstrukturen im Getränkebereich zu stärken. Zum einen ist die Verpackungsverordnung natürlich eine umweltrechtliche Regelung und kein Wirtschaftssteuerungsinstrument für den Getränkemarkt. Lassen wir das aber einmal dahingestellt. Im Übrigen trifft die Annahme, dass mittelständische und verbrauchernahe Strukturen durch ein Pfand gestärkt würden, auch nicht zu. Das haben mittlerweile ganz viele Menschen erkannt.
Interessant ist, dass durch die vorgesehene Regelung von Herrn Kollegen Trittin zuallererst ein norwegischer Automatenkonzern begünstigt würde, der den europäischen Markt für Getränkeautomaten beherrscht. Dieser norwegische Konzern bekäme den Großauftrag, innerhalb des nächsten halben Jahres fast 100.000 Rücknahmeautomaten zu produzieren und an den deutschen Einzelhandel zu liefern. Das steht sicherlich nicht im Zusammenhang mit Mittelstandsförderung in Deutschland oder gar in Rheinland-Pfalz.
Im Gegenteil, es müssten nach Ansicht der Bundesregierung mindestens 2 Milliarden DM – andere Schätzungen gehen von 3 Milliarden DM bis 4 Milliarden DM aus – investiert werden, um ein solches System überhaupt erst einmal aufzubauen. Dann sind noch dreistellige Millionenbeträge jährlich erforderlich, um dieses System am Laufen zu halten.
Wer wird Ihrer Meinung nach diese Kosten aufbringen müssen? Das werden die Verbraucherinnen und Verbraucher in der Bundesrepublik Deutschland sein und kein anderer. Die Menschen in unserem Land werden dieses Geld zu erwirtschaften haben.
Spätestens dann wird das, was in Umfragen hin und wieder zutage tritt, ganz anders aussehen. Wir werden die gleiche Bewegung in die Gegenrichtung verzeichnen. Die Menschen werden sich beschweren, dass sie neben dem gelben Sack, neben der grauen Tonne und neben der grünen Tonne jetzt auch noch mit diesen Pfandautomaten schlicht „abgezockt“ werden. Es werden alle dagegen sein.
Ich komme noch einmal auf das Mittelstandsargument und die Kosten für die gesamte Volkswirtschaft zu sprechen. Es ist mit Sicherheit ein Wunschdenken, zu glauben, dass Handel, Handelsketten und Einzelhandelsunternehmungen neben dem Mehrwegsystem, das sie heute schon vorhalten, ein zusätzliches Rücknahmesystem vorhalten, das sie vorhalten müssten, wenn es so käme, wie sich das Herr Kollege Trittin vorstellt. Es ist logisch und wirtschaftlich nachvollziehbar, dass sie das Mehrwegsystem ausmustern werden, da sie die Rücknahmeautomaten sowieso aufstellen müssen. Die frei werdenden Platzkapazitäten in den Geschäften werden natürlich für wertvolle Verkaufsflächen genutzt und nicht für Stapellager für Mehrwegkästen. So einfach ist das.
(Beifall des Abg. Creutzmann, FDP – Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Beifall des Abgeordneten Creutzmann! Er allein!)
Aus einem Bericht des Umweltbundesamtes von Anfang dieses Jahres an die Bundesregierung gehen keine Fakten hervor – Herr Kollege Stretz hat bereits darauf hingewiesen –, die besagen, dass durch das Pflichtpfand Mehrweg gestärkt würde. Das Gegenteil ist der Fall.
Das Umweltbundesamt kommt zu dem Ergebnis, dass es maßgeblich vom Verhalten des Handels abhängt, wie sich ein Pflichtpfand auswirkt. Wie sich der Handel verhalten dürfte, habe ich vorhin deutlich gemacht. Alle Aussagen sprechen auch dafür. Sie werden das auch nicht deshalb anders machen, weil Sie den Kopf schütteln. In dieser Hinsicht können Sie sicher sein.
Interessant ist, dass sich auch der BUND in einem Hintergrundpapier mit dem Pfandsystem in Schweden auseinander gesetzt hat. So schreibt der BUND in diesem Hintergrundpapier vom November 2000, das sich mit dem Pfandsystem Schwedens und seiner Übertragbarkeit auf den Getränkemarkt in Deutschland befasst: „Eine weitere eins zu eins auf die Bundesrepublik Deutschland zu übertragende Erkenntnis aus der Entwicklung des schwedischen Marktes ist, dass ein bepfandetes Rücknahmesystem Einweg stützt und mittelfristig vollendete Tatsachen schafft, die kaum mehr umzukehren sind.“
Das heißt, auch bei der viel diskutierten Übertragbarkeit von Schweden auf Deutschland ergibt sich, dass ein Pfandsystem Mehrweg schwächt und nicht stärkt. Auch aus diesem Grund kann uns nicht daran gelegen sein, das Pflichtpfand nach vorn zu bringen.
Meine Damen und Herren, wenn wir die Tür für diese milliardenschweren Investitionen öffnen würden, die in ein Pfandsystem hineinzubringen sind, werden wir auf Dauer unumkehrbare Fakten schaffen. Dann müssen wir denjenigen, die heute einen Pfandautomaten für Kuns tstoffflaschen aufstellen müssen, in einem halben Jahr erklären: Pfand auf Kunststoffflaschen ist vom Tisch, weil das Umweltbundesamt auch Kunststoffflaschen als ökologisch vorteilhaft erkannt hat. Jetzt könnt ihr eure Pfandautomaten wieder einpacken. Tut uns Leid. Die Investition ist ins Leere gegangen. – Das kann meiner Meinung nach keine sinnvolle Politik sein.
Damit werden wir auch keine mittelständischen Vermarktungsstrukturen stärken, sondern letztlich die Schleusen für die Expansion von Einweg öffnen. Als Nebeneffekt auf dem Dosenmarkt wird natürlich die Weißblechdose auf der Strecke bleiben und die energieintensive Aluminiumdose auf dem Vormarsch sein, wie das in Schweden der Fall ist.
Da Sie die Arbeitsplätze bemüht haben, mache ich deutlich, dass uns die Arbeitsplätze in Rheinland-Pfalz auch sehr viel wert sind. Wenn Sie berücksichtigen, in welchen großen Bereichen wir Verpackungsindustrie in Rheinland-Pfalz haben, die nicht profitiert, sondern im Gegenteil Nachteile erleidet – das sind Tausende von Arbeitsplätzen in Rheinland-Pfalz –, soll die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begründen, wie das nachzuvollziehen ist.
Meine Damen und Herren, wir wollen mit dem Antrag aus Rheinland-Pfalz, mit dem sich schon seit über einem Jahr die Gremien des Bundesrats befassen, und zwar schon länger, als sich das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit damit auseinander gesetzt hat, ein Moratorium mit dem Ziel erreichen, dass wir Zeit haben, eine Neuordnung der Verpackungsstrukturen und der Verpackungsverordnung in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur zu diskutieren, sondern auch zu entscheiden. Diese Zeit haben wir aber nicht, wenn uns entweder Zwangspfand alter oder Pflichtpfand neuer Art ins Haus steht.
Uns ist es natürlich wichtig – deswegen sind wir für den einen Fortschritt ausgesprochen dankbar –, dass zumindest der große Bereich der Weinflaschen aus dem neu vorliegenden Entwurf herausgenommen worden ist, weil das das Dümmste wäre, was hätte geschehen können. Die ökologische Unwirksamkeit der alten Regelung ist völlig klar. Ökonomisch hätte das in Rheinland-Pfalz eine Menge Nachteile mit sich gebracht. Es ist schon viel über die Zahlen gesprochen worden, die sich heute darstellen. Auf eine Zahl darf ich noch einmal verweisen. Es wird so getan, als würde die Ökologie zusammenbrechen, wenn es kein Pfand auf Dosen gäbe. Wir haben allein in einem Jahr einen Zuwachs von 300 Millionen Litern zu verzeichnen, die mehr in Mehrwegbehältnissen getrunken wurden als im Jahr zuvor. Meines Erachtens ist das ein ökologischer Fortschritt und ein ökologischer Vorteil und kein Nachteil, der bestraft werden muss.
Der Getränkemarkt ist so, wie er ist. Wir sollten daraus die richtigen Konsequenzen ziehen, die heißen: Wir brauchen mehr Rücklauf, wir brauchen mehr Recycling und wir brauchen einfache rechtliche Strukturen. Deshalb plädieren wir für ein Moratorium, das dadurch entsteht, indem wir eine Mindestabfüllmenge von 23 Milliarden Litern in die Verpackungsverordnung hineinschreiben. Dann hätten wir Zeit, all das zu regeln, was zu regeln ist.
Meine Damen und Herren, das Vermüllungsargument ist das letzte Argument, das dem Bundesumweltminister in der gesamten Frage geblieben ist. Deshalb fällt Ihnen wahrscheinlich auch auf, dass in der Diskussion nur noch das Vermüllungsargument angeführt wird. Dazu habe ich zu Beginn meiner Ausführungen einiges gesagt. Die Vermüllung wird sich nicht verändern, aber es wird sich vieles andere verändern. Die Anzahl der Glascontainer wird zurückgehen, die Bürgerinnen und Bürger werden mehr Arbeit haben, weil sie Dinge zurücktragen müssen, die sie jetzt über die gelben Säcke entsorgen können und vieles mehr.
Ferner sollten wir das verpflichtende Angebot der Industrie aufgreifen, die sich nämlich bereit erklärt hat – das darf nicht nur ein frommer Wunsch sein, sondern das muss rechtlich festgeschrieben sein –, einen dreistelligen Millionenbetrag – ich sage einmal, um die 250 Millionen DM – bundesweit zur Verfügung zu stellen, um das Ärgernis zu beseitigen, das uns allen gemeinsam ist, nämlich die Vermüllung der Landschaft. Dafür benötigen wir aber kein Pflichtpfand – das ist dafür völlig untauglich –, sondern ich bin der Meinung, der Weg, den wir von Rheinland-Pfalz aus eingeschlagen haben, ist der richtige. Am 22. Juni wird der Bundesrat darüber zu entscheiden haben. Ich hoffe sehr, dass die Einsicht in die Abläufe und in die Logik der jeweiligen Abläufe so sein wird, dass das Pflichtpfand, so wie es jetzt vorgesehen ist, nicht kommen wird.
Frau Martini, es war nicht anders zu erwarten, als dass Sie die Argumente der CDU und der Industrie wiederholen. Ich frage mich nur, wie die Diskussion in der rheinland-pfälzischen SPD abläuft.
Meine Kurzintervention bezieht sich aber direkt auf das, was Sie gesagt haben, Frau Martini. Der BUND, also der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, den Sie
immer wieder zitieren, hat eindeutig zu den Zitaten Stellung genommen, die sie nicht nur hier, sondern auch in der Presse versucht haben zu veröffentlichen. Mainz, 15. Mai 2001, Entgegnung des BUND auf die Presseverlautbarung des Umweltministeriums vom heutigen Tage – ich zitiere –: „Dosenpfand, wo bleibt der Durchblick, Frau Martini? Der BUND hat immer gesagt, dass das Dosenpfand für ihn nur die zweitbeste Lösung ist (die beste ist die Abgabe).“ Von der reden Sie gar nicht. „Daraus abzuleiten, dass wir damit Martinis Haltung des Abwartens und des Nichtstuns unterstützen, ist mehr als kühn“, teilt der BUND mit.
Frau Martini, wenn es eine solch eindeutige Stellungnahme des BUND gibt, halte ich es für völlig unlauter, dass Sie den BUND immer wieder – – –
- Ich kenne die Stellungnahme von damals. Ich kenne auch das Gutachten. Wenn Sie aber den BUND für Ihre Argumentation in Beschlag nehmen, ist das unlauter.
Der BUND hat lediglich festgestellt, dass in Schweden der Mehrweganteil nicht gestiegen ist. Das ist das Einzige, Frau Martini.
Das Zweite ist das Gutachten, das Sie jetzt wieder zitiert haben. Der „Spiegel“ schreibt zurecht – ich zitiere –: „Rheinland-Pfalz: Augenwischerei durch fehlerhaftes Gutachten.“ Darunter befindet sich ein Foto von Frau Martini und Herrn Schindler. Das ist sehr schön anzuschauen.
Das Gutachten, das dann als Gegengutachten vom Witzenhausen-Institut gefertigt wurde – das ist das Institut von Herrn Wiemer, den Sie sehr schätzen, Frau Martini –, besagt eindeutig, dass das TÜV-Gutachten von falschen Zahlen und von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist. Ich zitiere: „Nach Auffassung des Witzenhausen-Instituts zeigen die vom NRW-TÜV aufwendig ermittelten Stückzahlen sehr deutlich den großen Einfluss der Verpackung am Litteringaufkommen in Deutschland. So belegt die Studie, dass über zwei Drittel der Litteringabfälle Verpackungen sind und dass jeder fünfte Abfallgegenstand im öffentlichen Bereich eine Getränkeverpackung ist.“